Donnerstag, 22. August 2013

Geistige Giganten des Konservatismus – Teil IX




Es mag meiner Staatsbürgerschaft geschuldet sein, daß ich bei den idiotischsten und groteskesten Konservativen immer an die USA denke.
 Aber die GOPer und Evangelikalen in Amerika bilden auch ein unerschöpfliches Reservoir von massiver Verdummung und Schamlosigkeit.
Die Schlichtheit der fanatisierten Gedankenwelt einer Sarah Palin oder Michelle Bachman oder eines Bryan Fishers oder Tony Perkins verführt immer wieder dazu solche Leute herzlich auszulachen. Aber damit ist es bedauerlicherweise nicht erledigt. Denn diese Irren haben Macht und sprechen für Millionen anderen Amerikaner, die genauso denken und genauso wählen.
Es kann durchaus passieren, daß Unterbelichtete dieses Schlages ins Weiße Haus einziehen und dann hat die ganze Welt zu leiden.

Engstirnige, gemeingefährlich konservative Menschenhasser gibt es aber selbstverständlich auch in allen anderen Nationen.
In Saudi Arabien leben 12 Millionen entrechtete Frauen aufgrund der Macht fanatisierter Konservativer in Käfighaltung.
Und auch in Russland erleben wir wie der zunehmende Einfluß der hetzerischen russisch-orthodoxen Kirche Millionen Menschen gewissermaßen zum Abschuß freigibt.
Die häßliche Fratze des destruktiven Christentums, die todgeprügelte Homosexuelle zu spüren bekommen, zeigt sich nicht nur durch die Gesichter der Open und Patriarchen, sondern auch in höchst anstoßenden Politikern.
Eine dieser russischen moralinsauren Menschenhasserinnen, küre ich hiermit zum Geistigen Giganten des Konservatismus (GGK) Nummer 9.
Es handelt sich um die ultrakonservative Juristin und Duma-Abgeordnete Jelena Misulina. Die 58-Jährige ist Vorsitzende des Komitees für Familie, Frauen und Kinder und versteht sich selbst als Inquisitorin zur Erhaltung der russischen Werte.

Die russische Parlamentarierin Jelena Misulina ist Wladimir Putins neue Topkämpferin für Moral. Sie soll wieder Ordnung und Zucht im Land sicherstellen - von der Beschneidung der Homosexuellen-Rechte über ein Fluchverbot im Internet bis hin zu einer Besteuerung von Scheidungen.

Wie es bei selbsternannten Moralexperten der ganz rechten Seite üblich ist, hetzt Misulina mit Vorliebe gegen Homosexuelle.
Nach wie vor bin ich davon überzeugt, daß Putin viel zu intelligent ist, um an den Unsinn zu glauben, daß Schwule für rapiden Bevölkerungsrückgang verantwortlich sind und durch ihre pure Sichtbarkeit schon massenhaft Jugendliche schwul machen können.
Putin, der einst unumstritten regierte, konnte vor 15 Jahren durchaus als Schöngeist und nachdenklicher Zuhörer auftreten.
Seit er aber das dritte mal zum Präsidenten gewählt wurde und mit der bizarren Medwedew-Rochade das Verbot von mehr als zwei Amtszeiten umging, bläst ihm Gegenwind ins Gesicht. Er ist gewissermaßen Opfer seines eigenen Erfolges geworden. Das zu Jelzins Zeiten unter Chaos und Kriminalität ächzende Volk erlebte in den Putin-Jahren einen gewaltigen ökonomischen Aufstieg und entdeckte seine bürgerlichen Freiheiten. Ein auf diese Art selbstbewußter gemachtes Wahlvolk erwärmt sich aber nicht mehr ganz so leicht für einen bisweilen machohaft auftretenden Präsidenten.
Putin, der einst im Schlaf seine 2/3-Mehrheiten einfuhr, mußte sich ernsthaft um seine Wiederwahl sorgen, erreichte gerade mal eben noch die absolute Mehrheit.
Der Mann braucht nun Verbündete und ging auf die stärkste gesellschaftliche Kraft zu. Die unermessliche reiche und einflussreiche orthodoxe Kirche. Rein machtpolitisch gedacht war das ein geschickter Schachzug. Mit der Unterstützung des mächtigen Patriarchen Kirill muß Putin nicht um seine politische Macht fürchten.
Dafür gibt er dem frommen Geronten im goldgewirkten Kleidchen ab und zu ein paar Häppchen in Form von homophoben Gesetzen und drakonischer Bestrafung von Blasphmie („Pussy Riot“). So bilden Putin und Kirill eine echte Symbiose.

Seit Putin im vergangen Jahr ins Präsidentenamt zurückkehrte, hat er seine bröckelnde Unterstützung in der Bevölkerung gestärkt, indem er sich der russisch-orthodoxen Kirche zuwandte und wie diese die traditionellen Werte betont.
Gegen Homo-Partnerschaften und Scheidung. Dieser Konservativismus wird als krasser Gegensatz zu dem dargestellt, was im Westen vor sich geht - nach Kreml-Lesart ein Sittenverfall, der die russische Gesellschaft bedroht.

Die Durchsetzung dieser menschenfeindlichen Politik überlässt Putin der GGK-IX.
Misulina ist Putins eisenharte Faust in der Familienpolitik und erfreut die konservativen Kleriker.

Ihr Ausschuss bereitete mehrere umstrittene Gesetze vor, vom Verbot der Adoption russischer Kinder durch US-Bürger bis zum Gesetz gegen "Schwulenpropaganda". In ihren oft ungeschickten Medienauftritten prangert sie Moralverfall an und spricht sich für immer neue Einschränkungen aus. Im Internet wird sie deshalb gnadenlos ausgelacht und beschimpft. Der Blogger und Komiker Juri Chowanski forderte, Misulinas psychische Gesundheit zu überprüfen. Knapp 63.000 Internetnutzer haben bereits seine Online-Petition unterschrieben.
Misulina steht für ein konservatives Familienbild, das von der orthodoxen Kirche in Russland unterstützt wird. Im Konzept der Familienpolitik, das unter der Leitung von Misulina entstand, steht: "Die Ehe wird ausschließlich als Union zwischen einem Mann und einer Frau verstanden…, die mit dem Ziel geschlossen wird, sich fortzupflanzen, drei und mehr Kinder zur Welt zu bringen und zu erziehen." Gleichgeschlechtliche Ehen lehnt Misulina kategorisch ab und kritisiert europäische Länder, die sie zulassen. "Ich bin mir sicher, dass die Länder, die jetzt homo- und heterosexuelle Beziehungen gleichstellen, in ein paar Jahren dagegen kämpfen werden", sagte sie im Interview mit dem russischen Fernsehsender Channel 1.
Misulina gehörte zu den Autoren des Gesetzes, das "Schwulenpropaganda" unter Minderjährigen verbietet. Ihre Aussagen, die noch nicht gesetzlich verankert wurden, gehen noch weiter. Sie sprach sich etwa dafür aus, dass gleichgeschlechtlichen Paaren Kinder entzogen werden können. Und sie schlug vor, Abtreibungen und Scheidungen zu erschweren, etwa durch die Einführung einer Sondersteuer für sich scheidende Paare. Misulina versteht sich als Gegnerin jeder Form von Unzucht. Kürzlich schloss sie nicht aus, dass russische Internetseiten mit Schimpfwörtern blockiert werden können.
(Julia Smirnova, Die Welt 19.08.13)

Wie man auch in Frankreich sehen konnte, wirkt die Hasspropaganda durchaus – wenn sie gemeinsam von Kirchen und Konservativen Parteien betrieben wird.
So wird ein Volk aufgehetzt und die Minderheiten leben gefährlicher.

Russen halten Homosexualität für Krankheit
Nach einer Umfrage des unabhängigen Lewada-Zentrums vom Mai ist die Zahl der Russen, die Homosexualität entweder als «zügellos» oder als eine «Krankheit infolge eines psychologischen Traumas» betrachten, in den vergangenen Jahren gestiegen - von 68 Prozent 1998 auf 78 Prozent in diesem Jahr. Während 2005 noch 51 Prozent der Russen gleiche Rechte für Schwule und Lesben befürwortet hätten, sei die Zahl 2013 auf 39 Prozent gesunken.
Die Intoleranz habe im vergangenen Jahr deutlich zugenommen, nachdem das Thema Homosexualität in der politischen Diskussion immer häufiger aufgetaucht sei, stellt Soziologin Maria Plotko vom Lewada-Zentrum fest. Schwulenfeindliche Propaganda falle auch deshalb leicht auf fruchtbaren Boden, weil - belegt durch Umfragen - nur wenige Russen persönlichen Kontakt zu einem Schwulen oder einer Lesbe hätten.

Über Misulina zu lachen, ist als angesichts ihrer zerstörerischen Wirkung nicht angebracht.

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