Montag, 12. August 2013

Unser Guido - Teil III


Konservative Politiker mit eingeschränktem Horizont bekommen gelegentlich hektische Flecken im Gesicht, wenn ihre Regierung mit „Feinden“ spricht.
Paradebeispiel dafür ist das „Vaterlandsverräter“-Geschrei der CDU, mit dem sie in den 1970ern die SPD wegen der Ostpolitik überzog.
Dasselbe dümmliche Gepöbel erlebte Kissinger als er mit dem Vietcong sprach und Kurt Beck, als er vorschlug mit den Taliban zu verhandeln. 
Das zeige ja seine ganze Naivität hieß es unisono in der Journaille. 
(Als Verteidigungsminister v.u.z. Guttenberg anderthalb Jahre später ebenfalls vorschlug mit den Taliban zu reden, bejubelte man ihn allerdings.
Nicht weil sich die Umstände geändert hatten, sondern weil er eben Guttenberg war, dem damals alle mit abgeschaltetem Hirn zu Füßen lagen, während Beck grundsätzlich nur gebasht wurde – wie jetzt Steinbrück.)

Der Friedenspolitiker Egon Bahr („Frieden ist nicht alles. Aber ohne Frieden ist alles nichts.“) war wegen seiner diplomatischen Kontakte in die Sowjetunion und die DDR bei den Rechten besonders verhasst.
Darüber konnte er immer nur den Kopf schütteln, denn wer Frieden erreichen will, MUSS mit dem Feind sprechen. „Mit wem denn sonst?“
Diese geopolitische Binsenweisheit hatte aber beispielsweise die GWB-Administration nie verstanden. Präsident Bush sprach grundsätzlich nur mit Regierungen, die ihn 100% unterstützten („Wer nicht für uns ist, ist gegen uns!“). Mit dieser Kindergarten-Mentalität richtete er die außenpolitischen Desaster an, unter denen wir heute noch leiden und die vermutlich über eine Million Tote gebracht haben.

Als Diplomat muß man dahin gehen, wo es weh tut.
Und man muß Integrität besitzen.
Joschka Fischer gelang dieses Kunststück im Nahen Osten.
Wie kein anderer Außenminister seiner Zeit war er gleichermaßen hoch anerkannt auf der arabischen, wie auf der israelischen Seite. Ein Kombination, die es selten gibt.
Israel rechnete ihm seinen Einsatz für das Existenzrecht Israels und das glaubwürdige Lehren-ziehen aus dem Holocaust an, während bei Palästinensern und Irakern sehr wohlwollend Fischers intensiver Kampf gegen die US-Kriegspläne beurteilt wurde.
Die damalige Rotgrüne Regierung war für alle Seiten gleichermaßen engagiert und taugte geradezu idealtypisch als Nahostvermittler.
Ich bin überzeugt davon, daß Schröder und Fischer viel für den Friedensprozess erreicht hätten, wenn sie nicht ausgerechnet die extrem kriegslüsterne Bush-Administration mit ihren Helfern Blair, Berlusconi und Aznar als Gegner gehabt hätten.

Außenminister Westerwelle ist in jeder Hinsicht das diametrale Gegenteil. 
Er gilt als desinteressiert und wenig engagiert.
Bevor er Außenminister wurde, war er noch nie in Washington oder Paris und hatte sich aufgrund seiner Faulheit auch nie in die Konfliktherde unserer Welt eingelesen.
Legendär seine vollkommen irrsinnige Ansicht das Außenamt sei ein Schön-Wetter-Spaß, welches kaum Arbeit erfordere, weswegen er sich nicht darauf beschränken werden sich „ein paar schöne Jahre im Außenamt“ zu machen, sondern sich auch weiterhin in der Innenpolitik engagieren werde.
Besser kann man seine komplette Ignoranz nicht zeigen.
Immerhin, das muß man zugeben, hat Guido erkannt, daß seine früheren naiven Sprüchlein von der „werteorientierten Außenpolitik“, der „geistig-politischen Wende“ völliger Unfug sind.
 Daß er als Oppositionspolitiker tönte als Außenminister werde er die Entwicklungshilfe für homophobe Regime streichen, ist längst vergessen.
Seine 2009 großspurig angekündigten Pläne er werde sich international für ein atomwaffenfreies Europa und insbesondere den Abzug der Atomraketen aus Deutschland einsetzen, gerieten vollends in Vergessenheit. Zuletzt begrüßte er sogar die Modernisierung der US-Atomwaffen in Deutschland.
Tja, wie sich rausstellt, ist internationale Diplomatie doch ein bißchen anspruchsvoller, als es sich der Polit-Azubi aus Bonn-Bad Honnef vorgestellt hatte. 
Mal eben in ein paar Minuten läßt sich nichts erreichen.
Spätestens 2010 wurde allgemein anerkannt, was für eine Fehlbesetzung Westerwelle war. Er verlor seinen Vizekanzlerposten und den Parteichefsitz.
Auch off-camera ist unser Guido einfach nur eine Fehlbesetzung.
Zum Beispiel während der Afrikareise im April 2010:
Westerwelle steht in einem Besprechungsraum des Ocean Road Hospital von Daressalam und soll ein paar Worte zur Begrüßung sagen. In dem deutschen Kolonialbau hat Robert Koch vor rund hundert Jahren an Malaria geforscht. Es war für lange Zeit das einzige Krebskrankenhaus in Ostafrika.
Westerwelle könnte jetzt einiges zur interessanten Geschichte des Hospitals sagen, aber er legt ein fast aufreizendes Desinteresse an den Tag. Er habe über das Krankenhaus gelesen, sagt er und murmelt etwas von Respekt und harter Arbeit. Westerwelle weiß offenbar wenig über das Haus. Es ist heiß und schwül. Er will schnell weg. […]
Westerwelle liebt seinen Status, er schätzt es, von Staatschefs und Ministern empfangen zu werden. Leider hat man selten den Eindruck, er interessiere sich für das, was seine Aufgabe ist. […]
"Ich will mir nicht ein paar schöne Jahre im Auswärtigen Amt machen und die Welt kennenlernen", hat Westerwelle auf dem Höhepunkt des innenpolitischen Streits um Hartz IV gesagt. Ein paar schöne Jahre, das ist Westerwelles Idee von Außenpolitik. Im Auswärtigen Amt kam das nicht gut an.
Die Beamten haben registriert, dass Westerwelle sich selten länger für ein Thema interessiert. Er will nur Dinge wissen, die ihm über das nächste Gespräch, die nächste Pressekonferenz hinweghelfen: Wo sind Streitpunkte, was ist die deutsche Position, die offensichtlichen Fragen eben. Im Amt heißt es, dass er auf dem Flug nach Peking im Januar zum zuständigen Referenten gesagt habe: "Sie haben sieben Minuten Zeit, mir China zu erklären."
China ist für den Mövenpickparteichef ein unwichtiges Land mit nur 1,3 Milliarden Menschen, einer gerade mal 6000 Jahren alten Geschichte.
Es ist ja auch nur eine Atommacht, eine UN-Sicherheitsrat-Vetomacht und der Exportweltmeister.
Guido weiß aber nur, daß da irgendwas mit den Menschrechten zu sagen ist.
Nicht, weil das irgendeinen Chinesen interessierte, was der groteske deutsche Vizekanzler dazu zu sagen hat, sondern weil das zuhause als Gradmesser dafür dient, ob man Eier hat.

Und weil er Westerwelle ist, weiß er nicht welcher Tonfall angebracht ist.
Er kann nur schrill und immer eine Umdrehung zu viel.
So wie in Ankara, als er bereits deutlich gesagt hatte, daß er im Gegensatz zu Merkel für eine EU-Mitgliedschaft der Türkei ist. Jeder hatte verstanden.
Er kann sich aber nicht zügeln und schob dann zunächst ein „Was ich hier sage, zählt!“ nach und als alle schon peinlich berührt waren, kam dann noch sein „Ich bin schließlich nicht als Tourist in kurzen Hosen hier!“
Es gibt einen richtigen Weg der Diplomatie und es gibt das diametrale Gegenteil davon - Westerwelles Methode.
So also auch in Peking.

Eier will Guido unbedingt haben - also haut er dem chinesischen Amtskollegen bei der Abschlußpressekonferenz das Thema Menschenrechte und Tibet gleich um die Ohren.
Aber Westerwelle schafft es selten, die Dinge im rechten Moment gut sein zu lassen. Also sprach er noch einmal Menschenrechte und Minderheitenschutz an, und damit es auch der Letzte begriff, noch ein drittes Mal. Die Kritik an der chinesischen Menschenrechtspraxis wirkte plötzlich wie ein Ritual. Man kann eine Botschaft auch durch Wiederholung schwächen.
(Ralf Neukirch, Spiegel, 12.04.10)

Da Guido aber den öffentlichen Auftritt liebt und gerne schrill und belehrend in Erscheinung tritt, hat er sich mittlerweile auf das große Warnen verlegt.
Das ist komplett irrelevant, weil sich keine Kriegspartei eine Mikrosekunde darum schert was ein Guido auf Pressekonferenzen erklärt, aber der deutsche Außenminister kann sich beim heimischen Publikum in Erinnerung bringen. Eine erfolgreiche Methode. Längst hat sich der Paria der Deutschen Politik von 2009 und 2010 wieder in die Liste der zehn beliebtesten Politiker zurückgekämpft.
Vor einem halben Jahr, war ich noch sicher, Guido werde im September 2013 endgültig von der Berliner Bühne verschwinden, aber dank der unterirdischen Performance des Urnenpöbels erscheint es nun durchaus möglich, daß Westerwave noch weitere vier Jahre Außenminister bleibt. Zumindest wenn er ordentlich weiter warnt.
Aber irgendwie ist es auch schade zu wissen, daß er ab September 2013 in der Versenkung verschwinden wird und dort nur noch ab und zu in Rückblicken gemeinsam mit Christian Wulff als total Gescheiterter ausgelacht werden wird.
Bis dahin sind wir noch in der glücklichen Position Westerwelles absolute Unfähigkeit täglich in den Medien bewundern zu können.

 Er warnt eben grundsätzlich.
Und wenn es anschließend schief geht, kann er darauf verweisen wenigstens gewarnt zu haben. Geht es gut, ist es umso besser, dann kann er behaupten man hätte sich nach seinen Warnungen gerichtet.
Eine Win-Win-Situation im politischen Paralleluniversum des kleinen Diplomaten-Azubis Guido.

Westerwelle warnt Iran: Zeit der Manöver ist vorbei
(ZEIT online, 20.2.2012)

Westerwelle warnt vor weiterer Gewalt in Ägypten
(ZEIT online, 7.12..2012)

Westerwelle warnt vor Kollaps in Syrien
(Kreiszeitung, 4.9.2012)

Westerwelle warnt vor Bürgerkrieg im Jemen
(Hannoversche Allgemeine, 29.5.2011)

Westerwelle warnt vor Kämpfen im Libanon
(Hamburger Abendblatt, 7.6.2012)

Westerwelle warnt vor chaotischem Machtvakuum in Afghanistan
(zeitong.de, 5.12.2012)
Westerwelle warnt vor Flugverbotszone über Libyen
(Welt online, 15.3.2011)
Westerwelle warnt vor Bürgerkrieg an der Elfenbeinküste
(Spiegel online, 7.3.2011)

Mali: Westerwelle warnt vor Militäreinsatz
(Mitteldeutsche Zeitung, 26.10.2012)

Afghanistan: Westerwelle warnt vor Wettrennen beim Truppenabzug
(Welt online, 4.11.2011)

Westerwelle warnt vor atomar bewaffnetem Iran
(Welt.de, 4.12.2012)

Westerwelle warnt vor Debatte über Angriff auf Iran
(Welt online, 24.3.2012)
Westerwelle warnt vor Flächenbrand im Nahen Osten
(Zeit online, 18.11.2012)

Westerwelle warnt vor “Grausamkeiten” durch Syriens Führung
(Zeit online, 5.12.2012)
Außenminister Westerwelle warnt Assad-Regime
(Focus online, 11.4.2012)

Westerwelle warnt Palästinenser vor einseitiger Staatsausrufung
(ZEIT online, 14.6.2011)

Westerwelle warnt Israel vor Iran-Angriff
(Handelsblatt, 10.9.2012)

Westerwelle warnt vor übereilter Schuldzuweisung
(tagesschau.de, 19.7.2012)

Westerwelle warnt vor Atomwaffen in Terroristenhand
(rp-online, 23.3.2010)

Nahost: Westerwelle warnt vor Sprachlosigkeit
(dw-de, 14.6.2011)
Konflikt zwischen Türkei und Syrien:
Westerwelle warnt vor Flächenbrand in der Region
(tagesspiegel, 13.10.2012)

Westerwelle warnt vor Jahrzehnt der Aufrüstung
(liberale.de, 17.10.2010)

Westerwelle warnt auf WDR Europaforum:
Europa nicht in Gut und Böse teilen
(Presseportal, 26.5.2011)

Westerwelle warnt vor rascher Hilfe für Griechenland
(ZEIT online, 26.4.2010)

Westerwelle warnt vor Mobbing Griechenlands
(Merkur online, 25.8.2012)

Westerwelle warnt Griechen vor Populisten
(wallstreet-online, 3.6.2012)

Westerwelle warnt vor neuer Gewalt im Kosovo
(wz-online, 11.8.2011)

Westerwelle warnt Ukraines Präsidenten Janukowitsch
(Focus online, 2.5.2012)
Westerwelle warnt Dänemark
(n-tv.de, 15.6.2011)

Westerwelle warnt vor Belastung von deutsch-russischem Verhältnis
(Zeit online, 16.11.2012)

Westerwelle warnt vor Belastung der Beziehungen zur Schweiz
(tagesanzeiger, 3.2.2010)

Westerwelle warnt vor Überforderung bei Euro-Rettung
(N24, 4.8..2012)

Westerwelle warnt vor „teutonischer Dominanz“
(Focus online, 12.5.2012)

Westerwelle warnt vor Ansehensverlust Deutschlands
(N24, 4.9.2012)

Westerwelle warnt bei Abkehr Italiens von Reformen vor “Turbulenzen”
(ZEIT online, 10.12..2012)

Westerwelle warnt Berlusconi vor Anti-Deutschland-Wahlkampf
(Focus online, 11.12.2012)

Westerwelle warnt vor „DDR light“
(Bild, 25.2.2009)

Westerwelle warnt vor “Dagegen-Republik”
(Merkur online, 15.9.2010)

Westerwelle warnt vor Vollversorgerstaat
(Spiegel online, 11.2.2010)

Westerwelle warnt vor Linksruck in NRW
(focus online, 25.4..2010)

Urheberrecht: Westerwelle warnt vor Piraten
(tagesspiegel, 16.4.2012)

Westerwelle warnt deutsche Unternehmen
(onvista.de, 23.9.2012)

Westerwelle warnt vor zu frühem Wahlkampf
(Spiegel online, 8.10.2012)

Westerwelle warnt vor Radikalen im eigenen Land
(Rheinische Post, 18.9..2012)

Westerwelle warnt vor “Titanic"-Heft
(Welt online, 21.9.2012)
(Zitiert nach Claudio Casula 13.12.12)
Zu lustig. Und vollkommen merkbefreit wie Guido ist, liefert er zuverlässig nach. 
Außenminister Westerwelle warnt London davor, den Zusammenhalt der Europäischen Union aufs Spiel zu setzen
[…] Man dürfe 'das, was errungen worden ist, nicht dadurch riskieren, dass man den Geist aus der Flasche lässt', warnte Bundesaußenminister Guido Westerwelle (FDP) am Freitag in Berlin. Wer den Geist herauslasse, laufe Gefahr, ihn vielleicht nicht wieder in die Flasche hineinzubekommen.
(Cerstin Gammelin, SZ, 12.01.13)
Nimmt man die bisherigen Erfolge dieser verbal-alarmistischen Politik Warnserwelles als Maßstab, ist davon auszugehen, daß alle Euroskeptiker Englands nun für immer verstummen werden, Cameron die Zahlungen nach Brüssel verdoppelt, die Londoner Banken verstaatlicht und sofort den Euro einführt.
Westerwelle wagt es inzwischen sogar mit anderen Außenministern um die schönsten Bilder zu konkurrieren und gibt sich stets Mühe „der Erste“ zu sein.
Die „werteorientierte Außenpolitik“ hat er dafür ganz aufgegeben.

Problem Ägypten:
Deutschland vertritt international den „Wert“ Demokratie. Herr Mursi wurde zweifellos demokratisch gewählt. Also müßte Deutschland seinen gewaltsamen Sturz druch das Militär verurteilen. 
Tatsächlich findet Guido den Sturz Mursis aber gut und wollte seinen Kollegen in London und Paris wieder mal eins auswischen, indem er als erster Europäer das post-Mursi-Kairo besucht. Es ist schließlich Wahlkampf in Deutschland und dafür braucht es spektakuläre Bilder.
Schade, daß man als Politiker aber auch REDEN muß.
Weniger stört es ihn, daß ihn niemand dahaben wollte, daß er nicht helfen kann und alle nur belästigt, während die ganz neue ägyptische Regierung ganz andere Sorgen hat.
Seit dem Sturz des islamistischen Präsidenten Mohammed Mursi vor einem Monat war die EU-Außenbeauftragte Catherine Ashton schon zweimal da und kurz vor dem Eintreffen zweier Abgesandter von US-Präsident Barack Obama ist nun auch der deutsche Außenminister Guido Westerwelle nach Kairo gereist. 'Wir haben mit großem Interesse angehört, was der Herr Bundesminister vorgetragen hat', sagt nach der Unterredung am Donnerstagmorgen Interims-Außenminister Nabil Fahmy. Der Mann ist streng genommen durch nichts legitimiert, jedenfalls durch keine Wahl, aber er ist erfahrener Diplomat. Viele Jahre war er Botschafter Ägyptens in den USA. Wenn einer wie er sagt, er habe den Vortrag seines Gastes mit Interesse gehört, heißt das: Er fand ihn sonderbar.

Westerwelle hatte in Ägypten jedenfalls schon freundlichere Gespräche. Beim ersten Besuch im Mai 2010 empfing ihn noch Präsident Hosni Mubarak. Er war gerade erst in Heidelberg operiert worden; alle Sorgen galten seiner Gesundheit. Würde der Alte weiter für Stabilität sorgen? Was würde aus dem Frieden mit Israel werden ohne ihn? Nach dem Gespräch lobte der Minister Mubarak als 'Mann mit enormer Erfahrung, großer Weisheit' und als Persönlichkeit, die 'die Zukunft fest im Blick' habe. Gut drei Jahre in herkömmlicher Zeitrechnung liegt das zurück und eine Ewigkeit im Angesicht jener Ereignisse, die Ägypten und die arabische Welt verändern.

'Deutschland, Ägypten zusammen', skandierte die Menge kaum ein Jahr später auf dem Tahrir-Platz. Westerwelle wurde gefeiert. Wieder ein gutes Jahr danach, die islamistischen Parteien hatten gerade die Parlamentswahlen gewonnen, sprach er den Ägyptern Mut zu. Es sei ein Fehler,  'islamisch per se mit antidemokratisch' gleichzusetzen. Die Hoffnung, der politische Islam könnte sich zu so etwas wie einer korantreuen Spielart der Christdemokratie entwickeln, wurde zum Credo des Ministers. Als erster europäischer Politiker besuchte er im Juli 2012 den neugewählten Präsidenten Mursi und begrüßte 'das klare Bekenntnis des ersten demokratisch gewählten Präsidenten zu Demokratie, Rechtsstaatlichkeit, Pluralität und religiöser Toleranz'.

Nun, da alles anders gekommen ist, muss Westerwelle gewissermaßen von vorne anfangen hier im 33.Stock des Außenministeriums. […]

Der Deutsche wird zwar leidlich höflich empfangen, aber es hat niemand wirklich auf ihn gewartet in Kairo. Andernorts darf die Limousine eines deutschen Außenministers aufs Rollfeld. In Kairo muss Westerwelle nach der Landung am Mittwochabend erst einmal in einen Flughafenbus steigen. […]

In einem recht leeren Luxushotel am Nil trifft der Minister zunächst Leute der Tamarod-Bewegung. Sie standen im Zentrum der Massenproteste gegen Mursi und verübeln Westerwelle, dass er nach dessen Absetzung von einem 'Rückschritt für die Demokratie' gesprochen hatte. Nun konfrontieren sie ihn mit einem in Ägypten neuerdings gerne bemühten Vergleich. Die Deutschen hätten es nicht vermocht, dem demokratisch gewählten Adolf Hitler rechtzeitig die Macht zu entreißen. In Ägypten habe man es nicht so weit kommen lassen.
 (SZ vom 02.08.2013)
Großsprecher Westerwelle ist nun krampfhaft bemüht zwar vor jeder Fernsehkamera zu erscheinen, aber bloß nichts mehr zu sagen.
In Kairo hat der Minister sich nun ausdrücklich geweigert, den Sturz des demokratisch gewählten ägyptischen Präsidenten Mohammed Mursi, einem Islamisten, irgendwie zu bewerten. Es scheint nicht mehr im Interesse Deutschlands oder des Westens zu liegen, rückwirkend auf den Wert der Demokratie zu pochen.

Das ist so, obwohl Westerwelle selbst noch direkt nach dem Sturz einen 'schweren Rückschlag für die Demokratie' in Ägypten beklagt hatte. Mittlerweile findet er es verfrüht, in den 'ersten Minuten einer historischen Stunde' zu urteilen. […]

So nachvollziehbar sie also ist, diese vornehme Zurückhaltung hat ihren Preis. Zu zahlen in der Währung Glaubwürdigkeit beim nächsten Militärputsch irgendwo in der Welt.
(Daniel Brössler, SZ vom 02.08.2013)
Komplizierte Sache für unseren Guido.
Seine peinlichen Auftritte in Kairo versucht er vermutlich inzwischen zu verdrängen und verlegt sich stattdessen wieder auf das Warnen.
Während seine Bundesregierung und der Bundessicherheitsrat, in dem er sitzt in 19 Tagen Rüstungsexporte in den Nahen Osten im Wert von 1,9 Milliarden Euro auf den Weg gebracht hat, um ordentlich Öl ins feuer zu gießen, spielt er für die Presse wieder den Mahner.
Außenminister Westerwelle versucht mal wieder, im Nahost-Friedensprozess mitzumischen. Doch viel ausrichten kann er nicht. […] In diesen Tagen der sanft aufkeimenden Friedenshoffnung hat sich auch Bundesaußenminister Guido Westerwelle wieder einmal auf den Weg in den Nahen Osten gemacht, um Israelis und Palästinenser zum Dialog zu ermuntern. […]

"Ich glaube, dass die Friedensgespräche jetzt an einer entscheidenden Klippe sind", erklärte Westerwelle. Er verwies darauf, dass es auf beiden Seiten Kräfte gebe, die einen Erfolg der Verhandlungen zu verhindern suchten. Und während er noch mahnte und warnte, türmten jene Kräfte schon wieder weitere Hindernisse auf dem Weg zum Ausgleich auf.

[…] Westerwelle bekam den Ärger direkt zu spüren. Präsident Schimon Peres und Justizministerin Tzipi Livni forderten gleich am Sonntag zum Auftakt der zweitägigen Gespräche, dass die EU sich aus dem Streit um den Siedlungsbau heraushalten und auf die Verschärfung ihrer Förderrichtlinien verzichten solle. Westerwelle rettete sich in die vage Formulierung, dass man "mit gutem Willen und einer pragmatischen Haltung Lösungen finden" könne.
So eine ungeheure Peinlichkeit hätten uns rotgrüne Außenminister nie eingebrockt, aber der Urnenpöbel steht ja auf Schwarzgelb und will weitere vier Jahre Westerwave.

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