Montag, 9. September 2013

Na bitte - das könnte noch klappen


Springen wir mal kurz acht Jahre zurück, als Angela Merkel das erste mal Bundeskanzlerin wurde.
Beinahe wäre es schief gegangen; der sicher geglaubte Wahlsieg flutschte ihr noch auf den letzten Metern fast aus den Fingern.

Ich muß an ein paar Zahlen erinnern, welche die Umfrageinstitute damals verbreiteten.


22.06.2005: 49, 26
06.07.2005: 47, 26
03.08.2005: 45, 26
22.08.2005: 43, 29
03.09.2005: 43, 31
12.09.2005: 42, 35


27.05.2005: 45, 30
24.06.2005: 44, 27
19.08.2005: 43, 29
02.09.2005: 43, 32
09.09.2005: 41, 34


04.06.2005: 48, 28
25.06.2005: 46, 27
22.07.2005: 43, 27
16.08.2005: 42, 29
01.09.2005: 42, 31
13.09.2005: 42, 33,5


02.06.2005: 48, 28
24.06.2005: 45, 27
21.07.2005: 42, 27
11.08.2005: 42, 29
01.09.2005: 43, 32

Es war das auch jetzt wieder gewohnte Bild:
Ein riesiger Vorsprung für die CDU vor der SPD. Teilweise bis zu 20 Prozentpunkte lag die SPD hinten. Alle wußten also genau, daß sowieso Schwarzgelb dran käme.
Nur das tatsächliche Wahlergebnis hielt sich nicht daran.

Bundestagswahlergebnis vom 18.09.2005:
CDU = 35,2%, SPD = 34,2 %

Angela Merkel sollte sich also nicht zu sicher sein.
Damals hatte sie noch den Vorteil, daß eine ausgepowerte SPD nach sieben Jahren Regierung, mehreren Kriegseinsätzen, einer Kaskade von krachenden Landtagswahlniederlagen und der Agenda 2010 beim Wähler wirklich unten durch war, während die CDU-Parteichefin lauter Siege in den Bundesländern im Rücken hatte. Sogar das traditionell rote NRW hatte ihr Freund Jürgen Rüttgers eben noch den Sozis entrissen.
Heute sieht es viel ungünstiger aus für Merkel.
Ihre Strahlkraft reicht nicht mehr in die Länder. Die CDU-Regierungen in Hamburg, Schleswig-Holstein, Niedersachsen, Nordrhein-Westfahlen und Baden-Württemberg fielen alle an RotGrün.

Und dann ist da die Regierungsbilanz nach acht Jahren Kanzlerschaft Merkel.
Selbst die stramm konservative F.A.Z. stellt Schwarzgelb ein absolut vernichtendes Zeugnis aus. Aus den vollmundigen Ankündigungen des 2009ner Koalitionsvertrages wurde rein gar nichts umgesetzt.
Sämtliche Projekte fuhr man entweder gegen die Wand, oder aber fasste sie erst gar nicht an.

Einkommensteuer: […] Man wollte den Einkommensteuertarif zu einem Stufentarif umbauen und die unteren und mittleren Einkommensbezieher entlasten: „Der Tarif soll möglichst zum 1.1.2011 in Kraft treten.“ Dieses Ziel wurde wie eine heiße Kartoffel fallengelassen. […] Aber selbst der bescheidene Versuch, gegen Ende der Legislaturperiode nochmals die kalte Progression zu entschärfen, scheiterte […]

Mehrwertsteuer: Die Koalition sah Handlungsbedarf bei den ermäßigten Mehrwertsteuersätzen. Eine Kommission sollte sich mit „der Systemumstellung bei der Umsatzsteuer sowie dem Katalog der ermäßigten Mehrwertsteuersätze“ befassen. […] Die Kommission hat kein einziges Mal getagt.

 Kommunalfinanzen: […] Passiert ist nichts. […]

Unternehmensbesteuerung: Auch diese großen Pläne zerstoben im Laufe der Jahre. „Unternehmerische Entscheidungen sollten sich - unabhängig von Rechtsform, Organisation und Finanzierung - in erster Linie nach wirtschaftlichen Gesichtspunkten und nicht nach steuerlichen Aspekten richten“, heißt es im Koalitionsvertrag. […] Die „moderne Gruppenbesteuerung“ ist jedoch weiterhin nur Zukunftsmusik. An den unterschiedlichen Steuerbelastungen je nach Form der Unternehmensfinanzierung hat sich nichts geändert.

Europa-GmbH: […] Alle großen Wirtschaftsverbände in Deutschland unterstützen den Vorstoß für eine solche „Europa-GmbH. […] Gescheitert ist der bisher letzte Vorstoß der Brüsseler Institutionen dafür ausgerechnet an Deutschland. […]

Arbeitnehmer-Datenschutz: […]  Mehrfach verkündeten die Verhandlungsführer beider Koalitionspartner eine Einigung. Im letzten Moment platzte dann aber der einige Male überarbeitete Gesetzentwurf. […]

Gleichstellung von Frauen: […] Aus dem geplanten Maßnahmekatalog wurde nichts, weil alle drei zuständigen Ministerinnen gegensätzliche Positionen verfochten.

Arbeitsmarkt: […] Als Union und FDP vor vier Jahren ihren Koalitionsvertrag aushandelten, gab es noch Spuren eines Reformgeists im Sinne der „Agenda 2010“. […]  Tatsächlich gab es in der abgelaufenen Legislaturperiode jedoch nicht einmal einen Versuch, dieses Thema anzufassen […]

Rente: Im Dezember 2012 war eigentlich schon klar, dass es nichts mehr werden würde mit der schwarz-gelben Rentenreform. […] Vorgenommen hatte sich Schwarz-Gelb auch die Angleichung der Ostrenten. In Angriff genommen wurde das Projekt nicht.

 Bahnregulierung: […] „Sobald der Kapitalmarkt dies zulässt, werden wir eine schrittweise, ertragsoptimierte Privatisierung der Transport- und Logistiksparten einleiten“, vereinbarten die Koalitionspartner. Inzwischen ist die Bahnprivatisierung ein Tabuthema geworden. […]
Agrar und Verbraucherschutz: Im Koalitionsvertrag ist von einer „gut ausgestatteten zweiten Säule die Rede“, womit die EU-Mittel gemeint sind, die in Umweltschutzmaßnahmen fließen. Die EU-Agrarreform, die Bundeslandwirtschaftsministerin Ilse Aigner (CSU) mit ausgehandelt hat, sieht nun aber Kürzungen vor. Die versprochene Novelle des Gentechnikgesetzes, nach der die Bundesländer eigene Sicherheitsabstände zu Genfeldern hätten setzen können, ist in der Ressortabstimmung hängengeblieben. Die Novelle des Tierschutzgesetzes - Aigner wollte die betäubungslose Kastration von Ferkeln ebenso verbieten wie Brandzeichen bei Pferden - scheiterte an den Regierungsfraktionen. Konkret geplant war auch, die Gesetze zu Informationsansprüchen der Bürger zusammenzufassen. Zwar wurde das Verbraucherinformationsgesetz novelliert, eine Zusammenlegung mit den beiden anderen Gesetzen gab es aber nicht. Ein Lieblingsprojekt von Aigner war eine neue regionale Herkunftskennzeichnung. Die „Regionalfenster“ auf Verpackungen aber sind nur in der Testphase und weder einheitlich noch verbindlich. Auch die Veröffentlichung von Verstößen gegen das Lebensmittelrecht ist vorerst gestoppt - wegen diverserer Gerichtsentscheidungen. Im Sande verlaufen ist zudem Aigners Vorstoß, Bankenaufseher als Testkunden in Banken zu schicken, um deren Beratungsleistungen zu kontrollieren.

Umwelt: Die Energiewende zu managen und die durch das Erneuerbare-Energien-Gesetz freigesetzten Kräfte zu bändigen bleibt ein Dauerbaustelle. Das gilt ebenso für den Schutz des Klimas, wo es nirgendwo recht vorangeht. Unerledigt blieb auch das Gesetz zum oder gegen das Fracking, bei dem die Regierung nicht nur an den Ländern, sondern auch an Gegnern in den eigenen Fraktionen scheiterte. […]

Gesundheit und Pflege: „Prävention zielgerichtet gestalten“ heißt die erste Zwischenüberschrift im Koalitionsvertrag zu Gesundheit und Pflege. […] Doch Schwarz-Gelb ließ nochmals prüfen, weshalb der neue Pflegebegriff, der schon im Koalitionsvertrag 2005 angekündigt war, wieder auf der Liste der Versprechen für 2013 und danach steht.
(FAZ 27.08.2013)

Bei den nicht a priori festgelegten Aktivitäten kam es sogar noch schlimmer:
Deutschland machte sich international zum Gespött, weil die Außenpolitik entweder gar nicht mehr stattfindet, oder für Verwirrung und Chaos sorgt.

Der sogenannte Atomausstieg ist so grottenschlecht gemanagt, daß nun riesige Rotorblatt-Wälder vor der deutschen Küste in der Nordsee stehen, diese aber keinen Strom liefern können, weil Schwarzgelb leider vergessen hat für eine Stromleitung zu sorgen. Es fehlen die Mittel und der Willen und das politische Vermögen die Energiewende umzusetzen.
Stattdessen schaufelt Merkel nach wie vor das Geld in problematische Uralttechnologien zur Freude der Atom-Dinosaurier von Vattenfall, E-on und Co.

Atom und Kohle werden deutlich höher subventioniert als erneuerbare Energien
Konventionelle Energien werden in Deutschland doppelt so hoch subventioniert wie Erneuerbare. Das ist das Ergebnis einer Berechnung, die das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) im Auftrag von Greenpeace Energy durchgeführt hat. Die Wissenschaftlerinnen des FÖS addierten die versteckten Kosten der konventionellen Energien wie Atom und Kohle. Summen, die zwar nicht auf der Stromrechnung stehen, aber dennoch von der Bevölkerung getragen werden müssen. Während die erneuerbaren Energien in 2012 sichtbar über die EEG-Umlage mit rund 17 Mrd. Euro gefördert wurden, haben die konventionellen Energien versteckte Kosten in Höhe von 40 Mrd. Euro verursacht.
„Diese Rechnung entlarvt die Versuche der Atom- und Kohlelobby, die Erneuerbaren als Preistreiber darzustellen. Unterm Strich sind Wind, Wasser und Sonne die günstigste Art der Stromversorgung“, sagt Marcel Keiffenheim, Leiter Energiepolitik bei Greenpeace Energy.
Die versteckten Kosten der konventionellen Energien setzen sich aus staatliche Förderungen wie Finanzhilfen und Steuervergünstigungen sowie den externen Kosten der einzelnen Energieträger wie Klimaschäden oder Folgekosten eines nuklearen Unfalls zusammen. Diese Kosten tragen nicht die Verursacher, sondern werden von Verbrauchern unter anderem über Steuern und Abgaben gezahlt. Während sich die versteckten Kosten der Braunkohle auf 13,9 Mrd. Euro belaufen, sind es bei Steinkohle 12,4 Mrd. Euro und bei Atomenergie 11,0 Mrd. Euro.

Diese Chaotenregierung als „die erfolgreichste seit der Wiedervereinigung“ zu bezeichnen, kann sich Merkel nur erlauben, weil sie und ihrer Minister ohnehin als chronische Lügner überführt wurden. Die kennen keinerlei Schamgefühl und sind längst von kleinen Flunkereien und Wahrheitsdehnung zu eindeutigen Lügen übergegangen.
Sie lügen wie gedruckt, Ursula von der Leyen aus purer Gewohnheit, der Finanzminister Schäuble besonders dreist und beständig, Friedrich so ganz nebenher und konstant, die Kanzlerin sowieso und daß der Verteidigungsminister de Maizière das Parlament und den Verteidigungsausschuß in der Euro-Hawk-Affäre angelogen hat, ist zwar bewiesen, aber wird nicht geahndet, weil sich die Journaille einig ist, daß der Mann in Merkels Loser-Truppe noch zu den besten Ministern gehört. 
Bei der FDP ist es sogar noch schlimmer; da gibt es gar keinen Bezug mehr zur Realität.
Der Urnenpöbel ist nach Ansicht der Demoskopen ganz entzückt von der Lügen- und Arbeitsverweigerungs-Combo.
Ob das stimmt weiß ich nicht genau.
Offensichtlich hat Merkel eine gute Presse und Steinbrück wird genüßlich von einer extrem einseitig CDU-bevorzugende Journaille niedergeschrieben.
Dies hatte beispielsweise Petra Sorge im Cicero klar nachgewiesen.
Man will Merkel als Kanzlerin und versucht es herbeizuschreiben.
Aber das Beispiel 2005 zeigt, daß Demoskopen und Journalisten auch kollektiv falsch liegen können, wenn sie Merkel bejubeln.
Die Wahl ist noch nicht entschieden und daher begrüße ich es sehr, daß die SPD sich immer weniger in einen Popularitätswettbewerb mit der Präsidentin Merkel einlassen, sondern auf klare Unterschiede in den Konzeptionen verweisen.


So ist es.
Schwarzgelb betrieb bisher nur „Pay-Politik, lieferte Gesetze nur gegen Bezahlung den Lobbyisten maßgeschneidert ab.
Die SPD hat hingegen bewiesen, daß sie bereit ist sich unpopulär zu machen, indem sie nicht denen nachgibt, die am lautesten kreischen, sondern das tut, was vernünftig ist.
Wer sich der Bundestagswahl entzieht, indem er nicht wählt, oder wer sich einer Stimmabgabe pro Steinbrück (=Stimme für SPD oder Grün) entzieht, indem er Linke oder Piraten wählt, stellt sich damit in der Konsequenz auf Merkels Seite.
Jede Stimme für eine Splitterpartei, die Linke, die Piraten, die CDU, die CSU oder FDP bringt Merkel gleichermaßen eine Stimme näher an die Kanzlermehrheit im Bundestag.
Das ist die Situation im September 2013.
Wer nicht SPD oder Grün wählt, ist letztendlich mitverantwortlich dafür, daß es weiterhin eine Politik gibt, die exzessiv Waffenexporte anschiebt, die den Mindestlohn blockiert, die knallhart Unternehmerinteressen durchsetzt, die die doppelte Staatsbürgerschaft verhindert, die Homogleichstellung blockiert, Menschen in prekäre Arbeitsverhältnisse zwingt, 40 Milliarden für die Förderung von Kohle- und Atom-Oligopole raushaut, auf Kriegskurs in Syrien geht, Patientenverfügungen und PID verbietet, den Banken und Anlegern Milliarden Steuermittel zuschanzt, während Südeuropas Jugend in Armut versinkt, die gegen Klimaschutz in Brüssel interveniert, sich weigert Abgeordnetenbestechung unter Strafe zu stellen, den Kampf gegen Rechtsextremismus durch Geldentzug und Gesinnungsprüfungen stoppt, die Bildung verkommen lässt, eine Herdprämie auszahlt, etc pp.

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