Mittwoch, 30. April 2014

Danke Gerd – Teil II

Daß ich mit meinem gestrigen Rechtfertigungsposting für Gerd Schröder nicht nur Jubel ernten würde, erwartete ich selbstverständlich.

Wie zickig allerdings die russophoben SPD-Linken reagierten, hatte ich nicht vorausgesehen.
Eine Gruppe von wichtigtuerischen Admins eines großen Diskussionsforums (von „Sozialdemokraten auf Facebook“, 5.000 Mitglieder) fühlten sich so getriggert von denjenigen, die nicht die alleinige Schuld der Ukraine-Krise bei Putin finden wollten, daß sie willkürlich Diskussionsbeiträge zensierten und Mitglieder ausschlossen. Ein Vorstandsmitglied der SPD Reinbek, nennen wir ihn Jörn Buhde, fungierte gestern Abend als Administrator und hatte gute Gründe und Bundesregierungskritiker zu maßregeln – er weiß nämlich alles besser. Putin ist der alleinige Buhmann, basta. Simple as that.
Ein Sozi, der das differenzierter sah und dem Buhde widersprach, wurde zunächst partiell zensiert, aber schließlich ganz aus der Gruppe entfernt und blockiert.
Darauf hin schaltete ich mich ein und sagte, daß das ja nun auch kein Diskussionskultur wäre, andere Meinungen auszuschließen – und ZACK wurde ich auch aus der Gruppe geworfen.

Eine öffentliche Diskussion sieht dann so aus:

Jörn Buhde:
Das nenne ich Propaganda, was Sie machen. Verharmlosung ist Ihre Strategie. Sie reden Putin klein. Und Sie reden einem korrupten, autoritären Regime nach dem Mund. Chapeau!

J.O.:
sie scheinen zuviel russisches TV zu sehen oder sich auf seltsamen Seiten herumzutreiben

E.K.:
Was erzählen sie denn für einen Unsinn.

Tammox:
 „Buhde, können Sie es bitte ENDLICH unterlassen mit Unterstellungen zu arbeiten? (….) Ich habe weder behauptet, daß man keine Meinung haben kann, noch daß Putin Recht hat. Ich habe in Wahrheit nur dezent angedeutet, daß man auch mal von seinem hohen Ross, als einziger Bescheid zu wissen, runterkommen sollte. Es gibt zu den Vorgängen in der Ukraine eine sehr komplexe Ursachenvielfalt und auch sehr viele verschiedene Akteure, die alle versuchen ihre Sicht der Dinge durchzudrücken. Der einzige, der wirklich alles ganz genau beurteilen kann und offenbar über erheblich mehr politischer Erfahrung als zwei Bundeskanzler und ein halbes Dutzend professioneller Russlandexperten zusammen verfügt, ist Uhde. So schlicht manichäisch wie Sie die Welt sehen – alle anderen haben Unrecht und wenn sie doch was mir Widersprechendes schreiben, lösche ich das eben – ist es nun einmal nicht in der Ukraine.“

Jörn Buhde:
„ich lese 20+ deutsche Tageszeitungen, + die entsprechenden ausländischen + ein paar russische. Desweitern habe ich hier über Facebook Kontakt zu einigen Auslandskorrespondenten. Ich krieg wirklich einiges mit. Und übers Internet geht das auch ganz gut.“

Tammox:
„Buhde, nun gehen Sie über das Löschen einzelner Postings hinaus und werfen stattdessen Ihnen widersprechende Gruppenmitglieder gleich aus der Gruppe??? SEHR ERWACHSEN.
Das sagt ja wohl alles.
Wenn Sie tatsächlich über so viele Informationen verfügen WÜRDEN, wie Sie behaupten, hätten Sie das gar nicht nötig.“

Jörn Buhde:
„Tammox, nach wie vor habe ich einen Vornamen. Wir sind hier nicht bei der Bundeswehr. Ich gehe nicht davon aus, daß ich im Besitz der allein seligmachenden Wahrheit bin. Aber von dem, was ich an Informationen habe, konnte ich mir ein ziemlich dezidiertes und logisches Bild der Lage dort unten machen. Andere mögen zu anderen Schlüssen kommen, ich tue es nicht. Und ja, ich werde gerne widerlegt. Ich glaube bloß, daß es zu meiner Meinung derzeit keine wirklich logische, belastbare Alternative gibt. Und meine Meinung - man möge es mir nachsehen - darf ich doch bitte behalten, oder? Und auch für sie einstehen, oder?  ... gerade wenn ich da keine Denkfehler drin finde.“

Tammox:
BU: " Ich glaube bloß, daß es zu meiner Meinung derzeit keine wirklich logische, belastbare Alternative gibt."
Der war gut!
So viel Humor hätte ich Ihnen gar nicht mehr zugetraut!

Jörn Buhde:
Tammöxsche. Da das offenbar mit den Vornamen nicht funktioniert, mach ich das jetzt mal auf Kindergarten-Niveau. Liebes Tammöxchen, ich bin zwar Admin, das ist so ne Art Chef. Der Chef bin ich aber nicht allein. Es gibt neben mir noch vier weitere. (…) Wir werfen niemanden wegen abweichender Meinungen raus. Sondern nur wegen abweichendem Höflichkeitsverhalten. Und jetzt, geh mal raus an die frische Luft, und nimm dein Sandförmchen mit.“
(Ende SPD-Gruppendiskussion am 29.04.14)

Antworten konnte ich leider nicht mehr, da ich mit Buhdes letzter Antwort aus der Gruppe entfernt wurde.

Neben dem amüsanten Aspekt, ist für mich frappierend wie sehr auch innerhalb der SPD in den „Gut und Böse“-Kategorien argumentiert wird.
Putin ist demnach autoritär und undemokratisch – also BÖSE – und muß daher prinzipiell bekämpft werden.

Welch erstaunliche Naivität alles nur durch die westdeutsche Brille zu sehen.
In Russland gelten nicht die gleichen demokratischen Spielregeln wie in Deutschland – also muß dort alles durch und durch schlecht sein.

Diese engen Maßstäbe werden aber nur gegen den bösen Ivan angewendet.
Daß in Ägypten mal eben in ein paar Minuten 683 Regimegegner zum Tode verurteilt werden, ist nicht der Rede wert.
Auch die amerikanischen Experimente beim Hinrichten sind vollkommen in Ordnung.

Es ist mal wieder Zeit für Gysis „Ich bin dieses Duckmäusertum sowas von leid-Rede.

Alle sprachlichen Register gezogen: Die Rhetorik-Fachleute der Universität Tübingen haben die Bundestagsrede von Linken-Fraktionschef Gregor Gysi zum NSA-Skandal zur "Rede des Jahres" gekürt.
Als Linken-Fraktionschef Gregor Gysi am 18. November im Bundestag zum NSA-Skandal sprach, sah Bundeskanzlerin Angela Merkel fast nie auf. Stattdessen kämpfte sich die CDU-Politikerin im Plenarsaal durch die vor ihr auf dem Tisch liegenden Akten. Aus Sicht der Wissenschaftler des Seminars für Allgemeine Rhetorik der Eberhard-Karls-Universität Tübingen hätte Merkel wohl besser zuhören sollen. Die nämlich kürten den Wortbeitrag Gysis jetzt zur "Rede des Jahres".
"Mit anschaulichen Worten und großer argumentativer Kraft durchleuchtet Gysi die Spähaffäre und das Verhalten der Bundesregierung, fordert eine deutsch-amerikanische Freundschaft auf Augenhöhe und: den Friedensnobelpreis für Edward Snowden", heißt es in der Begründung der Jury.

Auch Snowden ist von der Bundesregierung als Zeuge unerwünscht – es könnte ja die USA verärgern und das will der devote Uckermärker Hosenanzug auf keinen Fall. Um Putin zu beschimpfen hat sie immer genug Energie, aber vor Washington kuscht sie und räumt schon eigenständig alle Kontroversen ab.

Ein kleiner Austausch zu den Differenzen in Sachen NSA-Skandal - mehr wird wohl nicht passieren, wenn Merkel an diesem Donnerstag nach Washington fliegt. Dabei hat US-Präsident Obama der Kanzlerin erstaunlich viel Zeit eingeräumt. Für andere Themen.
[…]  Ganz obenauf liegt - natürlich - die Lage in der Ukraine. Es soll zum Beispiel um mögliche weitere Sanktionen gegen Russland gehen. Die USA sind da ganz vorne mit dabei. Haben aber auch am wenigsten zu verlieren, sind doch ihre Wirtschaftsbeziehungen zum Putin-Reich vergleichsweise unbedeutender.
Die Haltung ist ansonsten klar und wenig konfliktbeladen. Die russische Führung sei aufgefordert, sich an die Genfer Beschlüsse von Mitte April zu halten. Also: erkennbares Bemühen um Deeskalation. Das sei aber bisher nicht geschehen. Merkel hat den russischen Präsidenten Putin telefonisch aufgefordert, sich öffentlich hinter die Genfer Beschlüsse zu stellen und ebenso öffentlich die Separatisten im Osten der Ukraine zum Rückzug zu bewegen.
 […]  Nur zur Erinnerung: Der Militärgeheimdienst der USA hat nicht nur womöglich Daten deutscher Staatsbürger ausgespäht, sondern auch das Handy der Kanzlerin und mutmaßlich einiger weiterer deutscher Regierungsmitglieder. Allein für Merkel soll es die Zusicherung geben, dass sie nicht mehr von der NSA überwacht werde.  Ziel der Bundesregierung war es einmal, mit den USA zu einem No-Spy-Abkommen zu kommen. Nach dem Motto: Freunde vertrauen sich und hören sich nicht gegenseitig ab. Merkel hat das auf die Formel gebracht, auf deutschem Boden gelte deutsches Recht. Aber nicht einmal diesen Satz wollen die Amerikaner unterschreiben. […] Merkel scheint wenig gewillt zu sein, die deutsch-amerikanischen Beziehungen aufs Spiel zu setzen, für ein Abkommen, auf dass sich die Amerikaner erkennbar nicht einlassen werden. […] Merkel wird am Freitagnachmittag in einer Rede vor der US-amerikanischen Handelskammer für das TTIP werben. […]

Und diese devote amerikahörige „Haltung“ ist es also, die 80% des Urnenpöbels so gefällt?
Schröder, der Bundeskanzler mit dem Rückgrat wird stattdessen a posteriori verdammt.
Und das nicht nur von den Linken seiner Partei, sondern inzwischen auch noch auf billigste Weise vom Boulevard.

Erbärmlich, wie heute die politisch anspruchsfreie Hamburger Morgenpost berichtete.

Der Auftritt war eine Provokation: SPD-Altkanzler Gerhard Schröder hat am Montag mit Russlands Präsidenten Wladimir Putin in St. Petersburg seinen 70. Geburtstag nachgefeiert. Die beiden umarmten sich innig. Davon gibt es ein Bild - mitten in der Ukraine-Krise.
Der Menschenrechtsbeauftragte der Bundesregierung, Christoph Strässer, ließ kein gutes Haar an Schröder. „Der gewollte Schulterschluss mit Putin gerade jetzt ist eine Provokation“, sagte der SPD-Politiker der „Welt“. Grünen-Fraktionschefin Katrin Göring-Eckardt kritisierte, Schröder torpediere „auf gefährliche Art und Weise die schwierigen Bemühungen von SPD-Außenminister Frank-Walter Steinmeier zur Eindämmung der Krise“.
[…]  Vize-Fraktionschef der Unionsfraktion Andreas Schockenhoff, der frühere Russland-Beauftragte sagte „Spiegel Online“: „Es ist für einen Staatsmann, der nicht mehr politisch aktiv ist, völlig unverantwortlich.“
Der Spitzenkandidat der FDP für die Europawahl, Alexander Graf Lambsdorff, meinte in der „MOPO“, Ex-Kanzler Schröder sei „nur noch peinlich“.

Wann wäre es denn wichtiger mit Putin zu sprechen, als in dieser Krise?

Im MoPo-Leitartikel wettert Christian Burmeister; denn auch er weiß alles ganz genau.

Danke für gar nichts, Altkanzler!
Man muss es geschmacklos, ja sogar verantwortungslos nennen, wenn ein Altkanzler gerade jetzt dem russischen Präsidenten mit einem Lächeln öffentlich um den Hals fällt und mit ihm eine Party feiert – während gleichzeitig deutsche OSZE-Beobachter in Geiselhaft sitzen und der Kreml die Ukraine absichtlich weiter in Chaos stürzt.  […] Bisher ist Schröder nicht dadurch aufgefallen, dass er mäßigend auf Putin eingewirkt hätte. […] Mit seiner Aktion ruiniert der Altkanzler den eigenen Ruf. Schlimmer: Er schadet der SPD und der Bundesregierung, die versuchen, Putin klar zu machen, daß er mit seiner Politik des 19. Jahrhunderts auf dem Holzweg ist!
(HH Mopo 30.04.14)

Gut gebrüllt, Burmeister. Leider ist da jeder Satz inhaltlich falsch.

Es war keine Party, sondern ein Nordstreamempfang, bei dem lauter andere Politiker, Sellering und Mißfelder beispielsweise, ebenfalls anwesend waren.

Es ist nicht verantwortungslos, sondern gerade jetzt verantwortungsVOLL den Gesprächsfaden nicht abreißen zu lassen.

Die OSZE-Beobachter muß man zumindest in Anführungszeichen setzen. Die angeblich zivilen Experten bestehen offenbar zumindest teilweise aus deutschen Soldaten. Unter ihnen ist der ehemalige Panzerkommandeur Oberst Schneider.
Was haben NATO-Offiziere unmittelbar vor der russischen Grenze zu suchen?

Und Burmeister, nicht Putin hält diese Männer fest, sondern irgendeine selbsternannte Putschisten-Truppe. Keiner weiß genau, um wen es sich handelt und ob sie irgendjemand unterstellt sind. Ob der Kreml damit auch nur im Entferntesten zu tun hat, ist höchst unklar.

Ich glaube auch nicht, daß Schröder der Bundesregierung schadet; im Gegenteil, er wird dazu beitragen, das in Russland völlig ramponierte Bild Deutschlands zu verbessern.

Ferner ist Putins Politik augenblicklich ziemlich aktuell. Er greift dort ein, wo Menschen ethnisch oder kulturell verfolgt werden.

Diese „lupenreiner Demokrat“-Zitataufsagerei kann ich nicht mehr hören.
Was für eine billige Polemik.

Wenig einfallsreich und auch nicht besonders intelligent ist es hingegen in jedem zweiten Leserbrief und fast jedem Artikel einen hämischen Schröder-Seitenhieb über den „lupenreinen Demokraten“ Putin zu lesen.

Das ist unfair.

Zunächst einmal ist das Zitat aus dem Zusammenhang gerissen. 
 Die Formulierung stammt von Reinhold Beckmann.

Beckmann: "Ist Putin ein lupenreiner Demokrat?"
Gerhard Schröder: "Das sind immer so Begriffe. Ich glaube ihm das und ich bin davon überzeugt, dass er das ist. Dass in Russland nicht alles so ist, wie er sich das vorstellt und gar wie ich oder wir uns das vorstellen würden, das, glaube ich, sollte man verstehen. Dieses Land hat 75 Jahre kommunistische Herrschaft hinter sich und ich würde immer gerne die Fundamentalkritiker daran erinnern, mal darüber nachzudenken, ab wann denn bei uns alles so wunderbar gelaufen ist."

Putin war damals Präsident und in der Konfrontation mit dem kriegslüsternen US-Präsidenten GWB ein absolut unverzichtbarer Alliierter.

Ich behaupte, der amtierende Bundeskanzler Schröder hätte in der Situation gar nicht sagen können und gar nicht sagen dürfen, er glaube Putin nicht den Weg der Demokratie einzuschlagen.

Das hätte unermesslichen diplomatischen und außenpolitischen Schaden zur Unzeit angerichtet.

Gerd Schröders Spruch stammt aus einer anderen Zeit, nämlich 2004.
Damals waren alle sehr froh darüber, daß die irren Autokraten um Boris Jelzin, der volltrunken mit dem Atomkoffer rumstolperte, von einem rationalen Mann ersetzt wurden. 

Tatsächlich hat Russland unter Putin ökonomisch gewaltige Fortschritte gemacht, wurde stabiler, verlässlicher und sichert nicht zuletzt unsere Energieversorgung.

Russland war vor zehn Jahren ein äußerst wichtiger Partner Deutschlands, um gemeinsam gegen den Irakkrieg zu arbeiten.

Das muß man Putin schon hoch anrechnen, daß er so klar für den friedlichen Kurs Frankreichs, Belgiens und Deutschlands gegen die USA, Polen, GB, Italien, Spanien, etc Stellung bezogen hat!

Rußland hat 1999 die Todesstrafe abgeschafft, während Merkels Christenfreund George W. Bush in seiner Amtszeit als Gouverneur 152 (sic!) Todesurteile unterschrieben hat. 

Der Staat Texas, dem GWB als Gouverneur diente hat in den letzten 30 Jahren sogar 22 Teenager hinrichten lassen

Auch geistig Behinderte werden in Amerika, dem land oft he free, hingerichtet.

2008 unterschrieb Bush noch als amtierender Präsident das Todesurteil gegen den Gefreiten Ronald Gray, einen US-Soldaten.

Tu quoque ist kein absolutes Argument und macht Putins Aktionen gegen Pussy Riot nicht besser. 

Aber wir sollten uns fragen, warum wir immer so hysterisch auf Russland losgehen und alle Augen bei Obama zudrücken.

Wie lächerlich ist das alles.

Dienstag, 29. April 2014

Danke Gerd!!!


Gerda Hasselfeld, niederbayerische Wuchtbrumme, Metzgerstochter, 1991 wegen Unfähigkeit als Bundesministerin zurückgetreten, fungiert heute als eine der großen Drei in der Regierungskoalition. Als solche bläst sie sich auf und kommentiert die Weltpolitik.

Sie sei befremdet über das Umarmungsbild in den Medien. Mit Blick auf Schröder sagte sie: "Meines Erachtens wäre es auch seine Aufgabe, dafür zu sorgen, dass in der Ukraine eine Deeskalation der Verhältnisse zustande kommt."
(dpa, 29.04.14)

CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer betonte in der "Bild"-Zeitung: "Unsere Jungs leiden bei Wasser und Brot im Verlies, Schröder feiert mit Schampus und Kaviar im Festsaal."
Auch die Bundesregierung distanzierte sich von Schröder. Es habe "keinerlei Auftrag der Bundesregierung an den Altkanzler" gegeben, verlautete aus Regierungskreisen in Berlin. Schröder sei "erkennbar aus der aktiven Politik ausgeschieden", hieß es weiter.

Was war passiert?
Gerd Schröder weilte am Montagabend in St. Petersburg. Bei einem Empfang des russischen-deutschen Gasprojekts Nordstream waren unter anderem auch Gazprom-Chef Alexej Miller, Präsident Putin, Ministerpräsident Erwin Sellering und Philipp Mißfelder zugegen.
Es gab ein grobpixeliges Bild von einer herzlichen Begrüßung Schröders und Putins. Nun toben die russophoben Bundespolitiker und beschimpfen Schröder.
Wie  konnte er das tun? Und dann ausgerechnet an dem Tag, als der Westen härtere Sanktionen gegen Russland beschloss.

Schröder-Bashing, wie es unter den oberflächlichen Linken seit Jahren groß in Mode ist, wallt wieder auf.

Denkschwache Linke und proletige Piraten kreischen in den sozialen Netzwerken wieder „Gazprom-Gerd“ und fühlen sich mal so richtig moralisch im Recht.

Schröder, der Mann der uns vorm Irakkrieg bewahrte, sich damit gegen die USA stellte und anschließend ganz untypisch für Karrierepolitiker für seine Überzeugung auf das Bundeskanzleramt verzichtete, „versteht“ sich mit Putin.
Da können zwei Männer offenbar miteinander, da sie beide offen und geradeheraus miteinander sprechen.

Merkel ist in vielerlei Hinsicht das diametrale Gegenteil Schröders. Sie sagt NIEMALS ihre Meinung geradeheraus, sie unterdrückt Reformen und ordnet ihrem Machterhalt alles unter. Niemals würde sie ihr Amt durch vorzeitige Neuwahlen gefährden. Mit Putin versteht sie sich nicht.
Das wäre zu viel Realpolitik.
Gut für sie und ihre demoskopischen Werte. Denn „verstehen“ ist zum Schimpfwort degeneriert.
Fast alle Großschreiberlinge mokieren sich über die „Putinversteher“, die beispielsweise von Heinrich August Winkler im vorletzten SPIEGEL abgewatscht wurden. Welch argumentatives Armutszeugnis. Und wie blamabel, daß neben Gysi und Jakob Augstein bloß hochbetagte Ex-SPD-Politiker gegen diesen Unsinn aufbegehren.
Aktuell tut das der frühere Bundesminister Erhard Eppler, 87.

Professor Winkler wendet sich – und hier beginnt der Dissens – gegen die „Putin-Versteher“. Das wundert mich. Warum sollten wir nicht versuchen, ihn zu verstehen? Ich bewundere den Mann nicht, ich möchte auch nicht von ihm regiert werden, aber ich möchte ihn verstehen. Denn die Alternative zum Verstehen ist der Hass. Auch wenn ich jemanden verstehe, kann ich ihm widersprechen. Aber ich muss ihn nicht hassen. Politik besteht zu einem beträchtlichen Teil aus dem Bemühen, die Leute zu verstehen, die einem widersprechen, die das Gegenteil für richtig halten. Wer hier nicht verstehen will, muss den Gegner für böse halten. Ein guter Gewerkschafter weiß, warum der Unternehmer lieber 2,9 Prozent Lohnerhöhung hin- nimmt als 3,0 Prozent. Und der gute Unternehmer weiß, warum sein Kontrahent zu 2,9 Prozent nein sagen muss, aber zu 3,0 Prozent ja sagen kann. Und weil beide wissen, wie der andere tickt, können sie nachher zusammen ein Glas Wein trinken. Sie sind gefeit gegen jenes moralinsaure Geschwätz, das aus jedem Interessenkonflikt einen Kampf zwischen Gut und Böse macht. George W. Bush fand sich selbst so gut, dass seine Gegner böse Schurken sein mussten. Und die Bösen musste man besiegen – Völkerrecht hin oder her –, aufhängen, ausradieren. So führte er im Irak einen besonders dummen Krieg, den er militärisch natürlich gewann, politisch, ökonomisch und vor allem moralisch total verlor. Sein Bruch des Völkerrechts – garniert mit Lügen – hat zur Chaotisierung des Nahen Ostens erheblich beigetragen. Ja, indem Putin auf der Krim eine Grenze verschoben hat, und zwar im Dissens mit der Regierung der Ukraine, hat er
das Völkerrecht verletzt. Aber deshalb lässt sich die Welt nicht einteilen in Gute, die das Völkerrecht achten, ja verkörpern, und in Böse, die es verachten.
(EE, DER SPIEGEL Nr. 18, s.40, Heft 18 vom 28.04.14)

Was wir sicher nicht mehr brauchen, ist konfrontative wie-du-mir-so-ich-dir-Sandkasten-Politik, die von eingeschnappten Gesprächsausladungen zu aggressiven Drohgebärden mäandert.


 Es ist töricht und dumm, wie sich die EU in der Ukraine eingemischt hat, ohne Russland vorher einzubinden.
Und nun sitzt die deutsche Kriegsministerin mit ihrem Bundeswehrölkännchen vor dem Ost-Ukrainischen Schwelbrand und fabuliert von NATO-Aufmärschen.

Von der Leyen hatte im SPIEGEL gesagt: "Jetzt ist für die Bündnispartner an den Außengrenzen wichtig, dass die Nato Präsenz zeigt". Sie fügte hinzu: "Die aktuelle Lage spiegelt klar, dass die Nato nicht nur ein militärisches, sondern auch ein politisches Bündnis ist."

Wir brauchen sicher nicht noch mehr Bellizismus im Verhältnis mit Russland und daher bin ich ausgesprochen glücklich darüber, daß Putin über Schröder vermittelt bekommt wie wenig die kriegsfreundliche Haltung der NATO und der Bundesregierung zu verallgemeinern ist.
Deeskalation ist das einzige, das jetzt helfen kann. Es ist also wichtiger denn je, daß ein Bundeskanzler (a.D.) Putin das Gefühl vermittelt durchaus eine gemeinsame Lösung finden zu können.
Wie GWB nur mit denjenigen zu sprechen, die ohnehin die eigene Meinung teilen ist die dümmst mögliche Politik.
Man muß in der Diplomatie mit seinen Gegnern sprechen. Darauf kommt es an.

Putins, bzw Russlands Sicht auf die Ukraine nachzuvollziehen ist aber nicht nur diplomatisch wesentlich, sondern auch im wahrsten Sinne „naheliegend“.

Das ist schließlich nicht nur Russlands direkte Nachbarschaft, sondern sogar ehemaliges Staatsgebiet.
Viel interessanter ist doch die Frage was US-Politiker eigentlich ständig in der Ukraine zu suchen haben. Das ist kein Natostaat und liegt 10.000 km von der USA entfernt.

Man stelle sich vor der damalige russische Außenminister Andrei Kosyrew wäre 1992 während der „LA Riots“ (Rodney King Riots) nach Kalifornien geflogen, hätte sich dort vor die aufständischen Massen gestellt und ihnen zugerufen „Löst Euch von der USA ab! Russland ist bei Euch!“
Ich glaube nicht, daß Präsident George H. Bush davon sehr angetan gewesen wäre.
So etwas tut man auch nicht.
Nur der Westen nimmt sich das raus.
Verständlicherweise wird die russische Regierung langsam mal sauer angesichts der Umklammerung der NATO.

 
Es ist also doppelt wichtig, daß ein (ehemals) führender Vertreter des Westens Russland auch symbolisch die Gemeinsamkeiten aufzeigt. Außerdem ist der direkte Gesprächsdraht zu Putin eine extrem wertvolle außenpolitische Ressource, die man nutzen MUSS. Das sieht sogar der eingefleischte Schröder-Feind Gregor Gysi so und schlägt daher eine naheliegende Aktion vor.

Die eskalierende Gewalt in der Ukraine hat international für Entsetzen gesorgt und einen ungewöhnlichen Vorschlag hervorgebracht: Der Fraktionschef der Linkspartei, Gregor Gysi, hält Altkanzler Gerhard Schröder für einen möglichen Vermittler in der Krise. Im Deutschlandfunk sagte er: "Wie wäre es mit Gerhard Schröder?". Ohne Moskau könne eine Lösung in der Ukraine nicht gefunden werden. Wegen seines guten Drahtes zum russischen Präsidenten Wladimir Putin sei Schröder ein guter Kandidat.

Recht hat er. Wir können froh sein Schröder zu haben und sollten das nutzen.

An dieser Stelle ein Wort an alle, die neidzerfressen bei jeder Gelegenheit Schröders Jobs nach seinem Ausscheiden aus dem Bundeskanzleramt anprangern.
Bezüglich seines Pipeline-Engagements sagte Schröder einmal (sinngemäß), ja, er sei von Putin darum gebeten worden und gerade deswegen hätte er eigentlich gar nicht ablehnen können, da es um das gute Verhältnis Deutschlands zu einem amtierenden Präsidenten ginge und er außerdem dort die Chance habe die essentiellen deutschen Interessen nach Öl und Gas zu sichern.

Wir sollten heute, während der „Krimkrise“ mehr denn je dem ehemaligen Kanzler dankbar sein, daß er genau die Position ausfüllt.
Angesichts des imbezilen Sanktionsgeschreis „des Westens“ läge es fast nahe, daß Russland demnächst die Erdgaslieferungen drosselt.
Glücklicherweise hat da aber Schröder nun direkten Einfluß und kann zum Wohle der deutschen Wirtschaft eingreifen.
Schröders Annahme des Pipeline-Konsortium-Jobs erscheint mir heute weiser denn je.

Er ist einer der wenigen, welche der europäischen Öffentlichkeit den Spiegel vorhalten. Denn die Bigotterie des Westens ist kaum auszuhalten.
Es wird zwar viel von der Referendums-Parallele Kosovo/Krim gesprochen, aber bisher habe ich nur Schröder gehört, der auch mal auf die US-Invasion in Grenada (Operation Urgent Fury) von 1983 verweist.
Das war eine weit brutalere Aktion als die Krim-Causa, nämlich eine militärische Intervention US-amerikanischer Streitkräfte im Karibikstaat Grenada. 7000 Soldaten überfielen die Insel Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationen verurteilte am 28. Oktober 1983 die US-Invasion als eine schwere Verletzung internationalen Rechts bezeichnet und drückte das schwere Bedauern der UN aus. Die USA legten sofort ihr Veto gegen diese Resolution ein.

Sechs Jahre später attackierte Amerika erneut. Diesmal traf die US-Invasion Panama (Operation Just Cause).
20.000 US-Soldaten griffen vom 20. Dezember 1989 bis zum 24. Dezember 1989 den Karibikstaat an und töteten weit über 1000 Zivilisten.

Panama, Grenada, Kosovo, Afghanistan, Irak – das soll alles in Ordnung sein und wenn Russland den FRIEDLICHEN Übertritt der Krim unterstützt, schreien Frau von der Leyen und ihre Kollegen Zeter und Mordio und lassen Truppen aufmarschieren.

Russland MUSS von der Heuchelei angewidert sein und glücklicherweise sieht das auch Schröder so.

Nein, ich will nicht Putin verteidigen. Aber ich will ihn verstehen und ich will die drohende militärische Gefahr deeskalieren.
Da ist die einzig hilfreiche Möglichkeit Objektivität walten zu lassen und der russischen Regierung zu signalisieren, daß man sich darüber bewußt ist selbst im Glashaus zu sitzen, wenn nun plötzlich auf das Völkerrecht gepocht wird, bis wir alle Tinnitus bekommen.

Und eins noch:
Ich will diesen vorwurfsvollen Terminus „Krim-Annexion“ nicht mehr hören von den russophoben Journalisten.

Seit dem Staatsstreich in der Ukraine vom 22. Februar 2014 und insbesondere im Zuge der Entwicklungen auf der Schwarzmeerhalbinsel Krim hat in den USA, den NATO- und EU-Ländern eine politisch-mediale Kampagne Fahrt aufgenommen, die Russland und insbesondere den russischen Präsidenten Wladimir Putin hysterisch der rücksichtslosen Großmachtpolitik und des völkerrechtswidrigen „Landraubs“ bezichtigt. Seitens der führenden NATO-Regierungen wird die Eingliederung der Krim in die Russische Föderation als „völkerrechtswidrige Annexion“ gebrandmarkt.
Mit dieser Kampagne soll der tatsächliche Charakter der Krise um die Ukraine als eines anti-russischen Manövers verschleiert und weitere feindliche Akte gegenüber der Russischen Föderation psychologisch vorbereitet werden.
Zunächst muss es erstaunen, dass Länder, die bis heute eine Vielzahl von fortgesetzten Völkerrechtsbrüchen begehen, darunter der Überfall auf die Bundesrepublik Jugoslawien 1999, die Invasion Afghanistans 2001 und des Irak 2003, die Anerkennung der Eigenstaatlichkeit des Kosovo 2008, derart offensichtlich mit anderem Maß messen, wenn sie das Handeln Russlands beurteilen.
Dieselben, die uns weismachen wollen, dass deutsche Sicherheitsinteressen im weit entfernten Afghanistan verteidigt werden, sprechen Russland das Recht ab, seine unverkennbaren Sicherheitsinteressen in seiner unmittelbaren Nachbarschaft wahrzunehmen. Und das sogar angesichts des eklatanten Unterschieds, dass zur Verteidigung deutscher Interessen in Afghanistan schon mal ein Oberst Klein ein Massaker an über 100 Zivilisten befiehlt, während der Anschluss der Krim an die Russische Föderation ohne eine einzige gewalttätige Handlung seitens Russlands, im vollständigen Einvernehmen mit der großen Bevölkerungsmehrheit auf der Krim vonstatten ging.
Dieselben, die das Kosovo auf Grundlage einer einseitigen Unabhängigkeitserklärung der Provinzregierung gegen den Willen der legitimen serbischen Zentralregierung anerkannt haben, sprechen der Russischen Föderation das Recht ab, den durch ein Referendum mit für sich sprechendem Ergebnis geäußerten Wunsch der Krim-Bevölkerung auf Eingliederung nachzukommen, in einer Situation, in der eine legitime ukrainische Zentralregierung nicht existiert. [….] Unter diesen Umständen kann man bei der Eingliederung der Krim in die Russische Föderation nicht von einer Annexion sprechen. Sie stellt den freiwilligen Beitritt des verbliebenen souveränen Teils der Ukraine zu Russland dar. Denn die Krim war der einzige Landesteil, in dem nach dem Putsch noch unumschränkt die verfassungsmäßige Ordnung herrschte. Da sowohl die Bevölkerung der Krim als auch die strategischen Interessen Russlands im Schwarzen Meer durch die Kiewer Ereignisse bedroht wurden, war schnelles Handeln geboten. […]
Ohne Beitritt der Krim zur Russischen Föderation wäre, wie Präsident Putin in seiner Rede am 18.03.2014 sagte, in Sewastopol, „der Stadt des russischen Ruhms … die NATO-Flotte aufgetaucht, was eine nicht nebulöse, sondern eine ganz konkrete Gefahr für den gesamten Süden Russlands bedeutet hätte.“
Als Lüge entpuppt sich auch die Behauptung, dem Beitritt der Krim zu Russland sei eine russische „Invasion“ vorausgegangen. Die russische Schwarzmeerflotte war bekanntlich gemäß einem gültigen Vertrag zwischen Russland und der Ukraine in Sewastopol stationiert, und Russland war die Unterhaltung eines Truppenkontingents bis zu einer Stärke von 25.000 Mann auf der Krim gestattet. Für Behauptungen, dass diese Zahl nach dem Kiewer Putsch überschritten wurde, fehlen die Beweise; Russland bestreitet es. Das Wichtigste aber ist: Die russischen Soldaten befanden sich nicht nur rechtmäßig, sondern mit Zustimmung der regionalen Autorität sowie mit sichtbarem Wohlwollen der Bevölkerung auf der Krim und verhielten sich vollkommen friedlich. Während der angeblichen „russischen Invasion“ kam es zu keiner einzigen Gewalttat, nicht einmal zu einer gegnerischen Provokation, ein Beweis dafür, wie groß die Verbundenheit mit Russland bei den Bewohnern der Krim ist. […]

Montag, 28. April 2014

Bräsig und Mies


Manchmal macht mich die Dämlichkeit einiger CDUler einfach nur noch müde.
Da möchte ich mich hinlegen und schlafen. Meine Cortisol- und Adrenalinvorräte scheinen komplett aufgebraucht zu sein.
Eigentlich sollte ich mich noch aufregen, aber es fehlt mir schlicht und ergreifend die Kraft dazu.
Kann man das glauben; 15 Jahre nachdem Merkel die innerparteiliche Programmdiskussion zum Erliegen brachte, eine lange Zeit nachdem sie den letzten kritischen Geist aus der eigenen Partei graulte und im Jahr Neun einer bleiernen Nichtregierungs-Regierungszeit, kommen ausgerechnet im Wahlkampf einige kleine Nichtse aus der dritten CDU-Reihe und nörgeln.
Nörgeln ihro Gnaden, Übermutter und Parteigöttin, Mehrheitsgarantin und Kaiserin des Stillstands an, es sollten doch nun mal ein paar Reformen angefangen werden.
Ha. Ha. Ha.

Es war nur ein Halbsatz, mancher spricht sogar von einem "Viertelsatz" - doch alle im Raum, so wird es hinterher erzählt, hätten die Botschaft der Parteichefin verstanden: Schluss mit den internen Debatten, volle Konzentration auf die Europawahl am 25. Mai.
Vier Wochen vor dem wichtigen ersten Stimmungstest nach der Bundestagswahl hat Angela Merkel ihre Partei am Montag in den Sitzungen der CDU-Führungsgremien zur Ordnung gerufen. Mit wenigen Worten kanzelte die Vorsitzende demnach einen Vorstoß jüngerer Unionspolitiker ab, die in einem Papier eine "Agenda 2020" fordern. Warum dieser Vorstoß ausgerechnet mitten im Wahlkampf komme, habe sich Merkel im Präsidium und im Vorstand geärgert, berichten Teilnehmer der Runden.
[…] Die etwa 30 Köpfe zählende Gruppe um die CDU-Parlamentarier Jens Spahn und Philipp Mißfelder hatte am Sonntag ein Papier mit dem Titel "Das Richtige tun. Für eine Agenda 2020" beschlossen. […]
Nein, dieser Koalition ist es völlig egal was gut für das Land wäre, wie man “in der Sache” vorankommen könnte.
Es wird Politik für die Mehrheit gemacht und eben jene saturierte Majorität aus servilen Mief-Bürgern, die von kleinsten Veränderungen erschreckt werden.
Aber wenn man sich als 80%-starker GroKo-Parteiblock noch nicht mal traut auch mal das Richtige und Anständige zu tun, sondern immer noch aus Angst vor den scheuen Urnenpöbel dem Stammtisch hinterherrennt, passiert das, was wir jetzt sehen.
Die CSU und die AfD übernehmen Parolen, die teilweise nicht mehr von denen der NPD zu unterscheiden sind.

Die EU und Nordkorea haben das gleiche Demokratieverständnis. Das behauptet ein Kreisverband der AfD auf einem Wahlplakat. Parteichef Lucke verteidigt das Motiv. […]  Nordkorea ist eine absolutistische Diktatur. Seit der Unabhängigkeit des Landes ist das Land eine Geisel der Kim-Familie. Erst regierte Staatsgründer Kim Il Sung, ihm folgte 1994 Kim Jong Il, seit zwei Jahren führt dessen Sohn Kim Jong Un das Regime in Pjöngjang.
Die Politik des Regimes hat in den vergangenen Jahrzehnten Hunderttausenden Koreanern das Leben gekostet, Zigtausende Menschen darben wegen nichtiger Vergehen in Lagern. Anfang des Jahres ließ Kim ein Parlament wählen, bei dem nur handverlesene Kandidaten seiner herrschenden Partei kandidieren durften. Kim erhielt hundert Prozent.
Wohl niemand käme auf die Idee, die Zustände in Nordkorea mit denen in Europa zu vergleichen. Die AfD tut es dennoch: Ein Plakat das Kreisverbands Wolfsburg für die anstehenden Europawahlen zeigt ein Bild von Diktator Kim Jong Un. Dazu stellen die Euro-Gegner die Frage: "Was haben das dicke koreanische Kind und die EU gemeinsam?" Die Antwort liefert die AfD gleich mit: "Das Demokratieverständnis."

Der Koalitionspartner von der CSU ist da weniger zimperlich und warnt vor Armutszuwanderung: „Wer ungerechtfertigt Sozialleistungen abruft, soll Deutschland verlassen und darf nicht wieder einreisen“, lautet die leichte Abwandlung ihres alten Spruchs „Wer betrügt, der fliegt“.
„Unsägliches populistisches Rumschwadronieren“ nennt das Reiner Hoffmann, der im Mai Michael Sommer als Chef des Deutschen Gewerkschaftsbundes ablösen soll. „Immer wieder wurden Ängste vor einer großen Einwanderungswelle geschürt, die den Deutschen angeblich die Arbeitsplätze wegnehmen, doch die große Welle ist nie gekommen“, sagte er der „Welt am Sonntag“. Die Wirtschaft wünscht sich ohnehin mehr statt weniger Zuwanderung von Fachkräften – und es sind überwiegend Fachkräfte, die zurzeit aus EU-Ländern zum Arbeiten nach Deutschland ziehen. „Anti-EU-Populismus stellt große Errungenschaften in Frage“, betont Ulrich Grillo, Präsident des Bundesverbands der deutschen Industrie (BDI).

In trauter Gemeinsamkeit gehen die drei GroKo-Parteien gegen Flüchtlinge und Menschen in Not vor. Die sollen draußen bleiben.
Das alle „das Boot ist voll“-Motto wird bedient, um sich beim Wähler beliebt zu machen.
Auch mit einer 80%-Mehrheit traut man sich keinerlei Zumutungen.
Ausländer raus!

Kein Asyl für Roma
Die Bundesregierung will Serbien, Mazedonien und Bosnien-Herzegowina als „sichere Herkunftsländer“ einstufen, um Asylbewerber aus diesen Ländern möglichst schnell wieder in ihre Heimat zurückschicken zu können. Innenminister Thomas de Maizière (CDU) wird dem Kabinett am Mittwoch einen Gesetzentwurf vorlegen. Als „sichere Herkunftsstaaten“ gelten in Deutschland bisher die Mitgliedstaaten der EU sowie Ghana und Senegal.
2012 zählte das Bundesamt die drei genannten Balkan-Länder zu den zehn häufigsten Herkunftsstaaten von Asylbewerbern, damals gab es 8477 Erstanträge aus Serbien, 4546 aus Mazedonien und 2025 Anträge aus Bosnien-Herzegowina. Im vergangenen Jahr fiel Bosnien-Herzegowina aus den Top Ten, doch es gab mehr Erstanträge aus Mazedonien (6208) und Serbien (11851). […]  In den drei Ländern gebe es keine Verfolgung, Folter, willkürliche Gewalt oder unmenschliche und erniedrigende Behandlung. Die Roma seien in diesen Ländern zwar benachteiligt, würden aber nicht verfolgt.
Pro Asyl sieht dagegen in den drei Ländern schwere Menschenrechtsverletzungen, Korruption, Verstöße gegen die Pressefreiheit und nicht funktionierende Strukturen im Justizsystem. Roma würden massiv diskriminiert und derart ausgegrenzt, dass ihre Existenz bedroht sei. Gewalt gegen Frauen und Übergriffe gegen Homosexuelle seien keine Seltenheit. Auch das Deutsche Institut für Menschenrechte hält die Volksgruppe der Roma existenziellen Bedrohungen ausgesetzt. […]
Auch das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen äußerte rechtliche Bedenken. […]

Der Rechtsruck Europas steht bevor – und da will unsere Regierung offenbar gerne mitmachen.

Europa steht vor den Wahlen und nach der Einschätzung von Experten dürfen rechtsgerichtete Parteien auf viele Wählerstimmen hoffen. Ob rechtsextrem oder rechtspopulistisch, einig sind sich diese Parteien in ihrem Euroskeptizismus.

Schön, wenn man jetzt eine wortmächtige Opposition hätte.
Vielleicht auch eine grüne Partei, die mit so einer CDU die Zusammenarbeit aufkündigt.

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Sonntag, 27. April 2014

„Testiculos habet et bene pendentes“

 Langsam sind die Sozis echt genervt. Da machen sie aus ihrer Sicht alles richtig, indem sie in Rekordtempo ihre Wahlversprechen umzusetzen SCHEINEN und dennoch hängen ihre demoskopischen Werte bleischwer im Keller – noch unter dem blamablen Bundestagswahlergebnis vom September 2013.

Dabei zeigt die SPD-Führung nur, daß sie immer noch nicht verstanden hat, wie der deutsche Urnenpöbel tickt.

Roger Willemsen brauchte ein Jahr, nämlich das Kalenderjahr 2013, um festzustellen, wie Parlament und Volk funktionieren.

Es kam mir im Parlament vor wie die Begegnung mit einem Phantom: Etwas, für das Menschen gestorben sind oder im Gefängnis sitzen wie in Afghanistan, verwalten wir Deutschen im Zustand der Dekadenz.
[….] Die Deutschen lassen sich gerne einlullen vom Sowohl-als-auch, von der schönen Vorstellung des Alles-bleibt-so-wie-es-Ist. Deshalb ist Kanzlerin Merkel so beliebt. Einer der größten Fehler der SPD im Wahlkampf war, als sie Merkels Politik als Stillstand entlarven wollte. Aber das Volk liebt Stillstand. Merkels Schlüsselsatz im TV-Duell vor der Wahl war: "Sie kennen mich." Mehr muss sie nicht sagen. [….] Die Kanzlerin verödet politische Themen. Sie sagt zwar in wenigen Minuten etwas zu Hitzlspergers Homosexualität – äußert sich aber bis heute nicht zu den Flüchtlingskatastrophen vor Lampedusa. Denn sie weiß, was im Konsens der deutschen Gesellschaft zumutbar ist. Und was nicht mehr. [….]

Mit freundlicher Musterschülerattitüde – seht her wie fleißig und ehrlich wir arbeiten – kann man nicht die phlegmatische Wählermehrheit von den Stühlen reißen.

Das befriedigt kaum die eigene Basis, weil dort die eigenen Führungsfiguren mit besonders kritischem Blick verfolgt werden. Den SPD-Parteimitgliedern fällt durchaus auf, daß die stolz vorgetragene Wahlprogramm-Abarbeitung einem zweiten Blick kaum standhält. Beim Mindestlohn und Staatsbürgerschaftsrecht handelt es sich um Mogelpackungen. Schlimmer noch; die emotionalen Themen Waffenexport und xenophobe Ausfälle der CSU gegen Rumänen und Bulgaren wurden verschämt verschwiegen. Eine schlechte Figur macht auch der SPD-Außenminister in der Ukraine, da er sich zunächst unkritisch auf die Seite der gewalttätigen Faschisten in Kiew gegen eine immerhin regulär gewählte Regierung stellte. Immerhin, inzwischen hat wenigstens Steinmeier erkannt, daß einseitig russophobe Politik schlecht ankommt und agiert nun vorsichtiger – wenn auch völlig erfolglos.
Völlig versagte die SPD-Spitze auch in der Causa Edathy, indem sie sämtliche Solidarität vermissen ließ und einen eben noch geschätzten Kollegen aufgrund von Gerüchten und ohne irgendwelche Beweise wie eine heiße Kartoffel fallen ließen.
Auch das verprellte wieder einen Teil der Basis.

Die SPD versuchte sich an einer Gleichung, die nicht aufgehen kann:

75% der Wähler hatten bei der Bundestagswahl ein klares „NEIN“ zum SPD-Wahlprogramm gesagt, indem sie gleich eine andere Partei ankreuzten.
Wenn man dieses offenbar höchst unbeliebte Programm dann auch noch verwässert und gespickt mit neunen Ungerechtigkeiten umsetzt, kann man nicht erwarten damit große zusätzliche Wählerschichten zu erobern.

Die SPD kann nur über ihre mageren knapp über 20% liegenden Zustimmungswerte verbessern, indem sie MEHR macht als bisher. Indem sie zusätzliche Themen erobert und indem sie nicht mehr als devotes Musterschülerchen nach Belohnungen heischt.

Ausgerechnet die bisher so stille und unauffällige neue Generalsekretärin scheint sich nun doch erinnert zu haben, was ursprünglich mal die Aufgabe in ihrem Job war: Profil schärfen und sich vom parteipolitischen Konkurrenten abgrenzen.
Yasmin Fahimi teilt (endlich) mal aus und ich sage: GUT SO.

    Es ist jämmerlich, was die Unionsparteien in diesem Europawahlkampf veranstalten: Die CDU gibt sich Europa-freundlich und ist desinteressiert, während die CSU auf blanken Populismus setzt.
 Das gerade beschlossene CSU-Wahlprogramm ist ein Dokument ohne Kompass, ohne Vorstellung von Europa, ein Dokument der Anbiederung an den vermeintlich euroskeptischen Zeitgeist. Seehofers "Europaplan" ist voller populistischer Klischees. Mit rhetorischer Verbeugung aber bekämpft man Rechtspopulisten nicht, sondern man macht sie salonfähig.
    Wer das Aber zu Europa zu groß macht, zerstört das Ja zu Europa - da hat Elmar Brok Recht! Und selbst sein CDU-Parteifreund Günther Oettinger kann über die CSU nur noch den Kopf schütteln, die offensichtlich immer jemanden brauche, von dem sie sich abgrenzen könne: "Früher waren es die Preußen, heute ist es die EU." [….]

Nanu, läßt sich die SPD nun Hoden wachsen?
Zeit wäre es ja.

Erst macht Silvio Berlusconi mit einer Deutschland-kritischen Kampagne seiner Partei Forza Italia (FI) Furore, dann bezeichnet er die Deutschen indirekt als Holocaustleugner. [….]
Im Zusammenhang mit einer neuen Attacke auf EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) hatte Berlusconi gesagt: "Für die Deutschen haben Konzentrationslager nie existiert." Indes wirbt die FI im Europa-Wahlkampf mit kritischen Parolen über Deutschland: "Più Italia, meno Germania" ("Mehr Italien, weniger Deutschland") steht auf ihren Plakaten. [….] Die SPD forderte Kanzlerin Angela Merkel zum Eingreifen auf. Das Schweigen der CDU-Chefin sowie ihres CSU-Kollegen Horst Seehofer sei skandalös, sagte Generalsekretärin Yasmin Fahimi und attackierte damit die beiden Koalitionspartner [….] Martin Schulz, der auch Spitzenkandidat der Sozialisten im Europawahlkampf ist, sagte dem Spiegel: "Es ist empörend, dass eine Schwesterpartei der CDU in Italien mit antideutschen Parolen Wahlkampf macht." Ein solches Plakat zerstöre den Geist der europäischen Einigung. "Deutschland ist ein sehr solidarisches Land, und deshalb ist ein solches Plakat unverschämt."
[….] Der stellvertretende SPD-Vorsitzende Ralf Stegner forderte die Spitzen der konservativen Europäischen Volkspartei EVP auf, die Äußerungen Berlusconis zurückzuweisen. [….]

Allerdings fällt auf, daß die SPD-Minister an Merkels Kabinettstisch allesamt schön die Klappe halten.
Dabei befindet sich Arbeits- und Sozialministerin Nahles sogar heute in Rom. Aber statt ihren Job zu machen und Berlusconi in die Schranken zu weisen, schmiegt sich die fromme Andrea an Kardinal Marx‘ Schulter und jubelt der Heiligsprechung des Kinderfickerförderers Woytila zu.



Samstag, 26. April 2014

Der Feind meines Feindes – Teil II


Wenn man so wie ich nicht mit religiösen Traditionen aufgewachsen ist und sich im täglichen Leben nicht nach den vielen uralten Regeln des Korans/Talmud/Bibel richten muß, ist es umso wichtiger darüber Bescheid zu wissen.

Ich bin nicht Atheist, weil ich zufällig in so eine Umgebung hineingeboren wurde, sondern, zumindest als Erwachsener, weil ich mich mit den großen Religionen genau beschäftigt habe und diese aus echter Kenntnis ablehne.

Sehr gerne gucke ich daher Filmchen wie die NDR-Dokumentationen


Oder


Klar, das „Gemeinschaftsgefühl“, des Geborgenheitsgefühl in einer Gruppe die sich gegen andere abgrenzt und in der es feste Regeln gibt, so daß man nicht allzu viel selbst denken muß, ist für viele Menschen sehr anziehend.
Das Essen scheint bei Juden und Muslimen toll zu sein. Das könnte mich beides reizen. Gegen die Juden spricht, daß die vielen Regeln das tägliche Leben sehr umständlich macht. Aber gegen die Muslime spricht das kollektive Fußwaschen. Dauernd die Füße anderer Männer sehen zu müssen, wäre nichts für mich.
Bei den Christen sind die unfassbar zählen und langweiligen Gottesdienste das Hauptausschlusskriterien. Und was essen Christen eigentlich?

Letztendlich erscheinen mir die drei abrahamitischen Hauptströmungen aber wie Versammlungen von psychisch Labilen, die es nötig haben sich eine Identität ex negativo zuzulegen.

Leidenschaftlich haben sich Juden, Christen und Muslime die längste Zeit der Geschichte gegenseitig gehasst und bekämpft.
Durch die letzten 2000 Jahre der Menschheitsgeschichte zieht sich eine endlose Kette von religiös begründeten Kriegen und Genoziden.
„Wir sind besser als die“, der Kitt jeder Religionsgemeinschaft, rechtfertigt die Aggression gegenüber anderen religiösen Gruppen.

Nirgendwo lässt sich das besser als in der tripel-religiös-symbolischen Stadt Jerusalem und dem „Heiligen Land“ studieren.

Es kann keine Kompromisslösung zwischen Gebietsansprüchen geben, wenn sowohl Juden als auch Moslems direkt von ihrem GOTT legitimiert sind?
Noch nicht einmal die Israelische Regierung kann Jüdische Siedler vertreiben, wenn diese sich direkt auf Gott berufen.
Christen, die als Erfinder des Antisemitismus letztendlich den Holocaust verursachten und als Islamophobe über Jahrhunderte Kreuzzüge und Genozide an Muslimen durchführten, sind verständlicherweise weder die natürlichen Verbündeten von Juden oder Muslimen in Palästina.

Dennoch, auch im Heiligen Land können die drei Religionen zusammen arbeiten. Nämlich dann, wenn sie einen gemeinsamen Feind haben. Vorzugsweise einen Schwächeren, auf den sie gemeinsam einschlagen können.

Als die für August 2005 geplante World Pride unter dem Motto „Ahawah lelo Gwuloth – Liebe ohne Grenzen“ stattfinden sollte, passierte das Unglaubliche:
Angeführt vom Bürgermeister Uri Lupolianski (World Pride ist „eklig, beleidigend, anstößig und provokant“) vereinten sich die führenden Geistlichen aller Religionen und hetzten gegen die Schwulen.

Auf einer gemeinsamen Pressekonferenz am Mittwochabend forderten jüdische, christliche und islamische Würdenträger die Veranstalter auf, das zehntägige Fest abzusagen. Der sephardische Großrabbiner von Israel, Shlomo Amar, sagte, Homosexuelle fügten ihren Eltern viele Schmerzen zu. Auch in einer Demokratie dürfe nicht alles erlaubt sein. Der Lateinische Patriarch von Jerusalem, Michel Sabbah, sagte, man respektiere die Freiheit der Anderen, "aber diese müssen wiederum unsere religiösen Gefühle respektieren". Es gebe "genug Spannungen in der Stadt".
Der armenisch-apostolische Patriarch von Jerusalem, Torkom II. Manoukian, betonte, Gott habe die Einwohner von Sodom und Gomorrha für ihre Homosexualität bestraft. Der muslimische Würdenträger Scheich Abdelaziz Boukhari warnte seinerseits, Gott werde die heilige Stadt bestrafen, sollten die religiösen Führer nicht gemeinsam die Veranstaltung verhindern. Auch der Apostolische Nuntius Erzbischof Pietro Sambi schloss sich dieser Ansicht an.

Als die Schwulen abgezogen waren, war die seltene Einigkeit auch schnell vorbei – man hasste sich wieder gegenseitig.

Angesichts der „Arabellion“ kommen sich gegenwärtig aber Juden und Christen in Israel wieder näher. Ihnen missfällt die Demokratisierung in Nordafrika. Die vorherigen Diktatoren konnten sie besser einschätzen.
Nun scheinen die zuvor unterdrückten Muslime stärker zu werden und das schweißt nun die einstigen Todfeinde Juden und Christen zusammen.

Jetzt will der jüdische Staat sich offiziell für diese Minderheit öffnen: Erstmals werden christliche Araber eingeladen, in der Armee zu kämpfen – gegen muslimische Araber. […..]  „Die christliche Gemeinschaft will sich in die israelische Gesellschaft integrieren“, sagt [der griechisch-orthodoxe Priester Gabriel] Nadaf, „mit allen Rechten und Pflichten.“ Doch zugleich ist diese Integration auch ein Bruch und eine scharfe Abgrenzung gegenüber den israelischen Arabern – der Gruppe, der die Christen bislang ganz selbstverständlich zugeschlagen worden waren. Nadaf sagt dazu: „Ich bin ein christlicher Israeli.“
Begrifflich und gedanklich ist da also einiges in Bewegung geraten. Denn diskutiert wird längst nicht nur über den Dienst an der Waffe, der das biblische Diktum von den „Schwertern zu Pflugscharen“ umdreht. Im Kern geht es um eine Identitätsdebatte, bei der die Christen im Heiligen Land – oder zumindest einige von ihnen – eine neue, eigene Rolle suchen. […..]
Knapp zehn Prozent der 1,5 Millionen israelischen Araber sind Christen. Selbst in ihrer Hochburg Nazareth, der größten arabischen Stadt in Israel, sind sie zur Minorität geworden. Meist schwelen die Konflikte mit den Muslimen unter der Oberfläche, doch in Nazareth kam es vor Jahren ausgerechnet zum Osterfest auch schon zu Straßenschlachten wegen eines geplanten Moscheebaus genau neben der Verkündigungskirche. So führen die Christen ein Leben zwischen allen Fronten – für die jüdischen Israelis sind sie Araber, von den Muslimen werden sie bisweilen als „Kreuzzügler“ verhöhnt.
[…..] Auch von christlicher Seite wird Nadafs Kurs teils scharf kritisiert. Der frühere Jerusalemer Patriarch Michel Sabbah nennt Israels Militär eine „Aggressionsarmee“. Die Initiative „Kairos Palästina“ verurteilt den Dienst in der „Besatzungsarmee“ als „unmoralisch und schädlich für die palästinensisch-christliche Identität“. […..]
 (Peter Münch, SZ vom 26.04.2014)