Mittwoch, 2. April 2014

Probleme mit der Sozi-Basis.


Schlimmer geht bekanntlich immer.
Nach der blamabelsten Legislatur nach 1945, als SchwarzGelb, die schlechteste Regierung seit dem Krieg nur dank einer phlegmatischen und debakulierenden Opposition überlebte, sollte es eigentlich besser werden.
Die Regierungsmehrheit ist mit 80% der Sitze erdrückend, aber umso mehr sollten die wenigen Oppositionellen mal ordentlich auf den Busch klopfen.
Auf der anderen Seite könnte das Bundeskabinett die Gelegenheit nutzen, um endlich dringend überfällige Reformen anzupacken, bei denen man immer auch einige der eigenen Leute unglücklich machen muß.
Die Stichworte sind Steuerreform, Gesundheitssystem und Pflegekatastrophe.
Aber diese riesigen im Raumstehenden Elefanten werden krampfhaft ignoriert und auf den St. Nimmerleinstag verschoben.

Naja, und ein kleines Energieproblem haben wir auch noch.
Im Jahre Neun der Kanzlerschaft von Industrieliebchen Merkel ist Deutschland Europameister im Luft verpesten.

Deutsche Kraftwerke sind die schmutzigsten in Europa
Kraftwerke von Vattenfall und RWE zählen zu den schlimmsten Klimakillern Europas. [….]  Einzelne Braunkohlemeiler stoßen so viel CO2 aus wie ganze Staaten.  Unter den zehn klimaschädlichsten Anlagen in Europa sind allein fünf deutsche Braunkohlekraftwerke. Das belegen neue Zahlen der EU-Kommission, die SPIEGEL ONLINE vorliegen. [….] Spitzenreiter der Aufstellung ist mit 37 Millionen Tonnen Kohlendioxid-Ausstoß zwar ein polnisches Kohlekraftwerk. Bereits auf den Plätzen zwei bis vier folgen aber drei deutsche Meiler - zwei von RWE, einer von Vattenfall. "Die beiden Spitzenreiter der Liste stoßen jeweils etwa so viel CO2 aus wie Slowenien in einem Jahr", sagt Damien Morris von der Umweltschutzorganisation Sandbag. Deutsche Kraftwerke sind für rund die Hälfte der 212 Millionen Tonnen CO2 verantwortlich, die sich allein aus dieser Top-Ten-Liste ergeben. [….] Die deutschen Treibhausgasemissionen stiegen in den vergangenen zwei Jahren sogar wieder an, wie das Umweltbundesamt ermittelte. Eine Hauptschuld daran trägt die Kohleverstromung.
Thorben Becker vom BUND spricht deshalb von einer "völlig fehlgesteuerten Energiepolitik durch zu billige Verschmutzungszertifikate". [….]

Zukunftweisende Energiepolitik wäre also mehr als überfällig.
Aber dieses Vorhaben wird weitgehend von Bayern und Horst Seehofer blockiert. Dem Mann also, dessen Bayerische Landesleute ihm zum Dank dafür eine absolute Mehrheit bescherten.

Der Freistaat Bayern blockiert die Energiewende [….]  
Die Ausgestaltung der Energiewende beherrscht die Debatte in Deutschland derzeit auf allen Ebenen von Politik und Wirtschaft. Einer der zentralen Konflikte dabei ist die Weigerung Bayerns, den Bau von Stromferntrassen von Nord- nach Süddeutschland mitzutragen, in denen Strom aus den leistungsstarken Windparks vor allem an der Küste und auf Nord- und Ostsee in die Verbrauchszentren des Südens geleitet werden soll. [….]  Schleswig-Holsteins Wirtschaftsminister Reinhard Meyer (SPD) kritisierte die "politische Irrlichterei aus Bayern. Die Energiewende muss auch im Süden der Republik ankommen", sagte er dem Abendblatt.
[….]  "Ich kann Bayerns Blockadehaltung nicht nachvollziehen", sagte Hamburgs Wirtschaftssenator Frank Horch (parteilos) dem Abendblatt. "Hat man die Gesamtanforderungen an die Energiewende in Bayern tatsächlich verstanden? Die Haltung der CSU-Landesregierung kann eigentlich nur politischer Taktiererei geschuldet sein – um Positionen aufzubauen, aus denen man dann möglichst viel für Bayern heraushandeln kann."
[….]  "Der bayerische Zickzackkurs schadet nicht nur der Energiewende in Bayern", sagte Sylvia Pilarsky-Grosch, Präsidentin des Bundesverbandes Windenergie (BWE), dem Abendblatt. "Mit der Blockade beim Ausbau von Stromtrassen gefährdet die bayerische Landesregierung zugleich die Energiewende in anderen Bundesländern. Gerade die Blockade bei den Stromtrassen hat massive Rückwirkungen auch auf andere Regionen." Der bayerische Ministerpräsidentin Seehofer "führt sich auf wie ein Wegelagerer", sagte Pilarsky-Grosch.

Als norddeutscher Sozi versteht man auf den ersten Blick nicht so recht, wieso nicht CDU und CSU bei knapp über 20% in Umfragen abschneiden und die SPD doppelt so stark ist.

Die arbeitsverweigernde Destruktivhaltung der Union ist scheinbar aber genau das, was dem Urnenpöbel deutlich besser gefällt als der willige Arbeitseifer der Sozis.
Sie sinken demoskopisch in den Keller.

Außer den EU-feindlichen und generell xenophoben Hetzreden aus der CSU und der CDU-Thüringen ist da nichts, das man beurteilen könnte, da die Unionsminister nahezu kollektiv die Arbeit verweigern. Das Beispiel Merkel macht Schule. Während sich die SPD-Minister sofort ins Zeug legten und mit allen Mitteln immerhin versuchten Wahlversprechen umzusetzen (wenn auch teilweise mit grotesken Ergebnissen), legen die Unionskollegen die Hände in den Schoß und gucken zu wie sich als einzige Ursula von der Leyen in die Presse bringt. Allerdings natürlich immer nur durch Worte und nie mit Taten – aber das kennt man ja von ihr aus den vorherigen Ministerämtern auch nicht anders.
Während Nahles, Gabriel, Schwesig, Steinmeier und Maas geradezu rotieren schlafen die CDU/CSU-Minister noch.
Oder hat irgendjemand schon irgendeine kleinste Regierungstätigkeit von Johanna Wanka, Christian Schmidt oder Alexander Doofbrindt bemerkt?
Ich wage zu bezweifeln, daß mehr als ein Prozent der Bevölkerung überhaupt wissen wer für die Union am Kabinettstisch sitzt.
 (….)  Tja, schade, daß die Sozis so doof sind. Die scheinen ernsthaft noch zu glauben, der Urnenpöbel beurteile Politiker nach ihren Leistungen.

Dabei ist es ganz offensichtlich so, daß der geistig-kataplexe Wähler von jeder Tätigkeit eines Ministers verschreckt wird und nur völlige Starre gutheißt.

Wir stehen hier mal wieder vor dem Phänomen der unterschiedlichen Erwartungshaltungen von Konservativen und Progressiven.
Erstere wollen nur, daß die ihren regieren und den anderen gelegentlich ordentlich eins überziehen.
Letztere erwarten aber von ihren Leuten in der Regierungsverantwortung all das was in sie hineininterpretiert wurde. Zumindest aber das exakte Umsetzen des Wahlprogrammes in Rekordzeit.

Insofern ist es verständlich, daß die SPD-Parteizentrale immer wieder darüber informiert, wie brav man geliefert habe. Sie verhalten sich scheinbar devor gegenüber dem Wähler. Mit dieser latenten immer-die-Hosen-voll-habenden Haltung, kann man aber keinen Respekt erwerben.
Noch nicht mal die eigenen Anhänger respektieren die Parteiführung.
Und wen man nicht respektiert, dem traut man auch kein eigenständiges Denken zum Wohle des Landes zu.
Das WAR tatsächlich mal anders.
Kanzler wie Brandt, Schmidt, aber auch noch Schröder wurden als so kompetent betrachtet, daß man annahm sie müßten wohl gute Gründe haben, wenn sie aus Sicht der Wähler nicht wie gewünscht entschieden.

Mit hochintelligenten Denkern wie Glotz oder Bahr oder Wischnewski als SPD-Generalsekretär (bzw Bundesgeschäftsführer) wußte man, daß sie nicht aus Dämlichkeit falsche Entscheidungen trafen. Ihre Richtungsvorgaben waren mit hoher Wahrscheinlichkeit richtig, auch wenn das dem einfachen Parteimitglied nicht sofort einleuchtete.

Man mag es gar nicht glauben, daß die Inkarnation der Inkompetenz, nämlich eine Andrea Nahles; der grundsätzlich alles misslingt, das sie anfäßt auch SPD-Generalin und nun Ministerin werden konnte.

Wenn Nahles etwas dümmlich wirkendes tut, liegt es üblicherweise daran, daß es wirklich dumm ist und nicht daran, daß man es nicht versteht.

Die SPD-Spitze versucht dieses intellektuelle Manko zu umschiffen, indem sie servil auftritt und der Basis mit bunten messages „guck-mal, haben-wir-das-nicht-fein-gemacht?“-Vollzugsmeldungen schickt.
Beispiel:

Der Gesetzesentwurf zum Mindestlohn geht ins Parlament. Das Bundeskabinett hat dem nachjustierten Mindestlohnentwurf von Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles (SPD) zugestimmt. „In Zukunft wird Arbeit wieder gerecht entlohnt und ist damit keine Ramschware mehr“, sagte Bundesarbeitsministerin Andrea Nahles am Mittwoch. „Über vier Millionen Beschäftigte, werden vom Mindestlohn profitieren.“


Das Tarifpaket stelle einen Wendepunkt dar, so Nahles. „Der Wert der Arbeit wurde in den letzten Jahren in Mitleidenschaft gezogen. Gerechte Entlohnung ist eine Fragen des Respekt für geleistete Arbeit. Mit dem Tarifpaket sorgen wir dafür, dass Arbeit wieder ihren Wert bekommt. Deshalb trägt das Gesetz auch den Namen ‚Gesetz zur Stärkung der Tarifautonomie’“, erklärte die SPD-Politikerin in Berlin.
Mit dem Kabinettsbeschluss vom Mittwoch ist der Weg frei für das parlamentarische Verfahren. Geplant ist, dass der gesetzliche Mindestlohn von 8,50 Euro zum 1. Januar 2015 bundesweit startet.

Dazu gibt es dann Bilder der mit sich über alle Maßen zufriedenen Ministerin.

 
Sozis sind aber a) misstrauisch, b) voller Erwartungen und c) nicht so tumb wie Unionsanhänger.
Nur weil Nahles sagt das Wahlversprechen des flächendeckenden Mindestlohns sei nun umgesetzt, glaubt man das noch lange nicht.

Schließlich ist man ein gebranntes Kind.
Die SPD hatte auch schon grinsend wie ein Honigkuchenpferd Vollzug bei der Homo-Gleichstellung und der Doppelstaatsbürgerschaft gemeldet.

Beim Mindestlohn ist es nicht anders.
Wer nämlich denkt „Mindestlohn“ bedeute, niemand dürfe weniger als 8,50 Euro die Stunde verdienen, hat die Rechnung ohne Nahles gemacht.

Ja, es bekommt keiner weniger als 8,50 Euro – AUSSER DEN VIELEN, DIE UNTER DIE AUSNAHMEN FALLEN UND DOCH WENIGER VERDIENEN SOLLEN:

Endlich hat die Bundesregierung einen Gesetzentwurf für die Einführung eines flächendeckenden gesetzlichen Mindestlohns beschlossen und ihn beim Bundestag eingereicht. Es wird höchste Zeit, dass Deutschland wie 21 andere EU-Staaten endlich eine Lohnuntergrenze einführt. Aber der Betrag 8,50 Euro ist zu niedrig. Außerdem soll es dauerhaft und befristet bis 2017 eine Vielzahl von Ausnahmen geben. Bis 2017 immer dann, wenn der Tarifvertrag einen geringeren Mindestlohn vorsieht. Dauerhaft sollen eine Million Langzeitarbeitslose für sechs Monate, Jugendliche unter 18 ohne Ausbildung, Praktikantinnen und Praktikanten zur Berufsvorbereitung, Saisonarbeiterinnen und Saisonarbeiter und Zeitungsträgerinnen und Zeitungsträger ausgegrenzt werden sollen. Es ist also ein gesetzlicher Mindestlohn, der doch nicht flächendeckend ist. Es wird eine Niedriglohn-Reserve unter 8,50 Euro geschaffen. Jede Ausnahme ist eine zu viel. Sigmar Gabriel und Andrea Nahles haben sich von der CDU einen Bruch ihrer Wahlversprechen abringen lassen. Das gilt auch für den Rentenkompromiss. Schade, sehr schade.
(Gregor Gysi 02.04.14)

Und wo er Recht hat, hat er Recht, der Gysi.

Da braucht sich auch die SPON-Kommentatoren nicht zu wundern, daß den Sozis nicht die Herzen zufliegen.

Mindestlohn, Rente mit 63, Mietpreisbremse: Die SPD brennt in der Koalition ein Feuerwerk ihrer Lieblingsideen ab. Beim Wähler jedoch zahlt sich das nicht aus, stattdessen profitiert die Kanzlerin.
Es soll eine große SPD-Show werden am Sonntag in der Berliner Akademie der Künste. Alle Bundesminister der Sozialdemokraten werden da sein, unterstützt von den Ministerpräsidenten und wichtigen Oberbürgermeistern. Gemeinsam sollen sie den erfolgreichen Start der SPD in die Große Koalition feiern. Die Überschrift: "Die SPD regiert, Deutschland kommt voran." Die Botschaft: In der Großen Koalition geben die Genossen den Ton an.
Falsch ist das nicht. Es gibt nur ein Problem - der Wähler honoriert es nicht.
Die Bundesregierung ist nun 100 und ein paar Tage im Amt. In dieser kurzen Zeit haben die SPD-Minister im Kabinett ein wahres Feuerwerk an Initiativen abgebrannt.

    Sigmar Gabriel treibt die Energiewende voran,
    Andrea Nahles die Rente mit 63 und den Mindestlohn,
    Heiko Maas geht gegen Mietwucher vor und bringt gemeinsam mit Manuela Schwesig die Frauenquote auf den Weg.
    Auch der Doppelpass ist ein Herzensanliegen der SPD, selbst wenn ihn CDU-Mann Thomas de Maizière umsetzen muss.

So nimmt ein sozialdemokratisches Lieblingsprojekt nach dem anderen Formen an in der Großen Koalition, während die Union weitgehend unsichtbar bleibt.
Doch in den Umfragen dümpeln die Sozialdemokraten weiterhin im Keller herum. 23 Prozent verzeichnet Forsa in dieser Woche, das ist weniger als bei der Bundestagswahl, wo die SPD bei 25,7 Prozent landete. Bei den anderen Meinungsforschungsinstituten sieht es nicht besser aus. Die SPD strampelt sich ab, kommt aber nicht voran. CDU und CSU dagegen liegen konstant über der 40-Prozent-Marke.
Gabriel, Nahles und Co. wirken derzeit wie Angela Merkels beste Mitarbeiter, brave Helferlein. Das SPD-Personal sorgt dafür, dass die Koalition emsig daherkommt - doch die Kanzlerin und mit ihr die Union genießen ihre Spitzenwerte.
[….]  Ansonsten hält sich Merkel raus aus den Niederungen des Tagesgeschäfts. […]


Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen