Freitag, 25. Juli 2014

Verschiedene Frontlinien


Nein, das läuft zwischen den Parteien der GroKo nicht nach dem Friede-Freude-Eierkuchen-Rezept.
Da gibt es durchaus bedeutende Gräben, wie ich kürzlich schon zeigte.
Es macht der SPD wirklich Spaß die Bayern zu triezen.

SPD führt Dobrindt bei der Pkw-Maut vor
Wie soll man es nennen, was die SPD mit Bundesverkehrsminister Alexander Dobrindt (CSU) bei der Pkw-Maut macht? Spiel ohne Grenzen? Spiel stimmt, und tatsächlich ist die Freude der Sozialdemokraten, dass jetzt die CSU selbst über die Maut streitet, grenzenlos.
Aber eigentlich müsste es "Spiel mit Grenze" heißen, denn seit Bayerns Verkehrsminister Joachim Herrmann (CSU) Ausnahmen von der Pkw-Maut in grenznahen Regionen verlangt hat und dafür von CSU-Chef Horst Seehofer scharf gerüffelt wurde, seinen Vorstoß aber nicht zurücknahm, spielen SPD-Politiker in immer neuen Variationen mit dem Thema Grenze. Sie produzieren damit ein Diskussionschaos, in dem die Widersprüche des Dobrindt-Konzepts offenbar werden sollen. […]

Und auch der SPD-Chef, der es zunächst mit geräuschloser, seriöser sacharbeit versucht hatte (und dafür vom Wähler abgestraft wurde), poltert nun mit breitem Rücken.
Zum Entsetzen der CDU und CSU schränkt er tatsächlich die deutschen Waffenexportgenehmigungen drastisch ein.

Seit Sigmar Gabriel als Wirtschaftsminister für Exportgenehmigungen zuständig ist, müssen selbst Skeptiker eingestehen: Es hat sich einiges verändert, der SPD-Chef hat die Rüstungsexporte tatsächlich eingeschränkt - damit bringt er nicht nur eine ganze Branche gegen sich auf, sondern auch die Union.
[….] Schon im Bundestagswahlkampf hatte die SPD angekündigt, im Fall einer Regierungsbeteiligung die Genehmigung heikler Ausfuhren deutlich restriktiver handhaben zu wollen als die damalige schwarz-gelbe Bundesregierung. Nicht jeder hatte das den Sozialdemokraten abgenommen. Am Ende, meinten viele, würden die Genossen doch wieder eher als Industrie- denn als Friedenspartei agieren - zumal die rot-grüne Bundesregierung unter Kanzler Gerhard Schröder zwar politische Grundsätze für den Rüstungsexport und ein gewisses Maß an Transparenz eingeführt hatte, ansonsten aber auch nicht immer zimperlich gewesen war, was die Empfängerländer anging. Doch seit SPD-Chef Gabriel als Wirtschaftsminister für Exportgenehmigungen zuständig ist, müssen die Skeptiker eingestehen: Es hat sich einiges verändert.
Kaum eine Woche vergeht jetzt ohne massive Klagen aus der Rüstungsindustrie, die Gabriel vorwirft, sie mit einer restriktiven Genehmigungspraxis Richtung Ruin zu treiben. Am Donnerstag vergangener Woche berichtete die ARD über einen Brief von mehr als 20 Betriebsräten von Rüstungsunternehmen, die "Planungssicherheit" forderten und warnten, es sei "kurz vor zwölf für einige Unternehmen der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie". Einen Tag später meldete die Nachrichtenagentur Reuters, nach Schätzungen aus der Industrie lägen im Wirtschaftsministerium mittlerweile um die 2000 Exportanfragen auf Halde - einigen Firmen stehe das Wasser "bis zum Hals".[….]  In der Union aber löst Gabriels Politik mittlerweile mehr als nur Grummeln aus. Die Rüstungsexportpolitik ist bereits jetzt Gegenstand eines handfesten Konflikts.
Vor knapp einem Monat bereits wandten sich neun Abgeordnete der Union in einem Brief an die Kanzlerin. Zur Einleitung heißt es darin, Gabriel habe "ohne Abstimmung eine Kehrtwende in der deutschen Exportpolitik eingeschlagen". Seine "Verhinderungspolitik" ziehe "weitreichende Verwerfungen" nach sich und führe "zu nachhaltigen Störungen der außenpolitischen Beziehungen". [….] "Wenn Gabriel seine restriktive und populistische Exportpolitik fortsetzt, wird er zum Totengräber der wehrtechnischen Industrie Deutschlands“ [….]

Ist natürlich ein bißchen blöd für Angie, weil sie einerseits die größte Waffen-Freundin und Lobbyistin seit 1949 ist, aber andererseits nicht gerne möchte, daß der Urnenpöbel das merkt.
Insofern ist ein offener Konflikt mit ihrem Vizekanzler nicht in ihrem demoskopischen Interesse.

Wenn die GroKo jedoch von der Opposition, oder sagen wir lieber „vom Oppositiönchen“ unter Beschuss genommen wird, schließen sich die Reihen.
Dann lautet die Frontlinie „Regierung gegen Linke“ (die Grünen haben sich ja schon seit der Wahl völlig aus der Bundespolitik verabschiedet und wissen außer antirussischen Vorurteilen nichts in die bundesrepublikanische Diskussion einzubringen.)
Gegen Gysis Leute hält man zusammen.

Der 22. Mai war kein guter Tag für den Bundesnachrichtendienst. Im NSA-Untersuchungsausschuss des Bundestags sprachen drei ausgewiesene Experten des Verfassungsrechts – und alle drei gingen mit dem deutschen Auslandsgeheimdienst hart ins Gericht. Sie waren der Meinung, dass der BND verfassungswidrig operiere, weil es für die Überwachung der Telekommunikation im Ausland, wie sie der Auslandsgeheimdienst praktiziere, keine gesetzliche Grundlage gebe.
Diese drei Kritiker waren nicht irgendwer: Es waren Hans-Jürgen Papier, der frühere Präsident des Bundesverfassungsgerichts; dazu sein früherer Richterkollege Wolfgang Hoffmann-Riem, ein Spezialist für das Kommunikationsrecht, und Matthias Bäcker, Öffentlichrechtler an der Universität Mannheim.
Was folgt aus dieser Kritik? Damit will sich die Bundesregierung derzeit nicht einmal befassen. Eine Anfrage der Fraktion der Linken zu den rechtlichen Grundlagen der Arbeit des BND wurde von der Regierung auf elf Zeilen, in geradezu beleidigender Kürze, abgewimmelt.
Das Thema ist ganz offensichtlich unangenehm: Letztendlich, so hatten die Sachverständigen im Untersuchungsausschuss des Bundestags nämlich gesagt, mache der BND nichts anderes als die NSA; sie waren der Meinung, dass der deutsche Auslandsgeheimdienst verfassungswidrig operiere. […]  Also fragten die linken Abgeordneten ausführlich an, wie die Bundesregierung nun mit diesen Feststellungen der Verfassungsexperten umzugehen gedenke. Beobachter hatten deren Auftritt und deren Darlegungen immerhin als „Sternstunde der Juristerei“ bezeichnet. Elf detaillierte Fragen auf der Basis dieser Sternstunde legten also die Parlamentarier der Bundesregierung vor. […]
Die Antwort darauf ist keine Sternstunde; im Gegenteil. Die Fragen samt den umfangreichen Gutachten der Verfassungsexperten fallen quasi in ein schwarzes Loch. In nur elf Zeilen (Bundestagsdrucksache 18/2128) werden die Fragen abgebügelt. […]
(SZ vom 25.07.2014)



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