Sonntag, 3. August 2014

Hinterwäldlerixe.



Auf der Suche nach ein paar Regentropfen starre ich ständig aus meinem Fenster auf die Straße.
Da stehen zwei Autos vor mir, die ihre Schwarzrotgoldenen Fähnchen durch Regenbogenfahnen ersetzt haben.
Es ist CSD-Wochenende in Hamburg – mit 165.000 Teilnehmern -  und seit die verklemmte CDU nicht mehr regiert, wird an ganz vielen öffentlichen Gebäuden, aber auch beispielsweise am Alsterhaus, der besten Lage, die es überhaupt in Hamburg gibt, schwul beflaggt.

Den Besitzer des einen Autos kenne ich flüchtig. Da er mit einer Frau und einem gemeinsamen kleinen Kind zusammenlebt, nehme ich mal an, daß er vermutlich selbst nicht schwul ist.

Ist doch ganz schön, daß es nicht mehr nur die „Betroffenen“ selbst sind, die sich für Gleichberechtigung einsetzen.

Der angenehm kirchenkritische Hozier-Song „Take Me To Church“ kommt mit einem Video welches ein schwules Paar zeigt, das von frommen Christen gelyncht werden soll.
Hozier setzt sich massiv für die LGBT-rights ein. Auch wenn man es in diesem Zusammenhang gar nicht erwähnen sollte: Hozier selbst ist eine Hete.

Wozu also noch all der CSD-Partywahn, der offenbar auch „die community“ zu nerven beginnt?
Ich traute meinen Augen nicht, als ich gestern Nachmittag einen schwulen Nachbarn zwei Balkons weiter mit seinem Freund Kuchen essen sah.
Der ist nämlich Anfang 20 und normalerweise so ein echtes „Feierbiest“. Aber sieh mal einer an – während in Hörweite von hier der große Hamburger CSD-Umzug stattfindet, hält er Kaffeekränzchen.

Hat die Mopo tatsächlich Recht, wenn sie vom schwulen Verdruss über die „schrillen Parade“ berichtet?

Tatsächlich gibt es natürlich eine Menge Homo-Diskriminierung in Osteuropa, Russland, Afrika und natürlich erst recht in der Muslimischen Welt.
Ob die religiös aufgeheizten Konservativen in der Duma oder dem Iranischen Revolutionsrat anlässlich der CSD-Bilder umdenken und zu dem Schluß kommen, daß LGBTs doch feine Menschen sind, die man gleichstellen sollte, wage ich zu bezweifeln.

Es gibt kaum etwas, das ich so dämlich finde, wie die Penisgrößen-anzeigenden Autofähnchen zur Fußball-WM. Patriotismus ist großer Mist.
Aber aus politischen Gründen will ich mal zähneknirschend die beiden Regebogenfahnen akzeptieren.
Es gibt tatsächlich noch zu tun in Deutschland.
Man darf es nicht Ehe, sondern nur „eingetragene Partnerschaft“ nennen, darf nicht gemeinsam adoptieren, muß sich bei der Steuererklärung zwangsouten, die Urteile nach dem aus der Nazizeit stammenden § 175 sind nicht aufgehoben worden, man darf kein Blut spenden.
Alle Parteien bis auf die christliche Unionsschwestern würden das gern ändern, aber da der deutsche Urnenpöbel so begeistert von CDU und CSU ist, bleibt es bei den Diskriminierungen und daher bleibt es auch berechtig sich darüber mit „schrillen“ Paraden zu empören.

Man erinnert sich in diesem Zusammenhang auch an Dirk Winter, den schwulen Schützenkönig aus Münster, der nach dem Gewinn des Titels von seinem Schützenverein auf Druck des Kölner Doms anschließend um seine Ehrung gebracht wurde.

Angeregt von Weihbischof Heiner Koch im Erzbistum Köln, ausgeführt vom Bund der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften, dem Koch vorsteht. Unter dem Betreff " Stellungnahme des Präsidiums vom 2. Juli 2011 zu homosexuellen Königspaaren in den Bruderschaften" steht dort zu lesen:
Dass zwar "nichts gegen die Mitgliedschaft homosexueller Personen in unseren Schützenbruderschaften" spräche, das Königspaar jedoch höchstes Repräsentantenpaar einer Bruderschaft sei, und da "für uns als katholische Gemeinschaft das Sakrament der Ehe eine wesentliche tiefere Bedeutung als jede andere Lebenspartnerschaft" habe, das öffentliche Auftreten des homosexuellen Paares gegen das Statut verstoße. Denn "gemäß Statut des Bundes der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften 'verpflichten sich die Mitglieder der Schützenbruderschaften zum Bekenntnis des Glaubens durch Eintreten für die katholischen Glaubensgrundsätze und deren Verwirklichung. Im Geiste der Ökumene haben die Mitglieder anderer christlicher Konfessionen in den Mitgliedsbruderschaften die gleichen Rechte und Pflichten'. Unter dieser Verpflichtung stehen in unserem Bund besonders seine Verantwortungs- und Würdenträger, weshalb eine Krönung und Insignienübergabe, sowie ein gemeinsamen Auftreten und Aufziehen nur im Rahmen dieser Vorgaben erfolgen kann."

"Der Kölner Weihbischof will befehlen, dass der Lebenspartner eines Schützenkönigs beim Festumzug nicht neben, sondern eine Reihe hinter ihm marschieren muss", kritisierte Manfred Bruns, Sprecher von Deutschlands Lesben- und Schwulenverband in Berlin. "Das ist ein Musterbeispiel von Scheinheiligkeit und Realitätsverleugnung."
Immer wieder verlange die katholische Kirche, dass Lesben und Schwule sich und ihre Familien versteckten, betonte Bruns. "Es ist schlimm genug, dass die Bischofskonferenz allen Angestellten in katholischen Einrichtungen mit Kündigung droht, wenn sie eine Eingetragene Lebenspartnerschaft eingehen. Mit dem gegen den schwulen Schützenkönig gerichteten Verbot dringt sie in weitere Kreise vor." Die Schützenbruderschaft dürfe sich nicht dem "Diktat" unterwerfen.

Erst ein Jahr später gab es den ersten schwulen deutschen Schützenkönig – allerdings im weniger katholischen Niedersachsen.

In Sallahn (Kreis Lüchow-Dannenberg) wurde am Sonntag Roger Habermann (49) ausgeschossen. Sein Lebensgefährte Guido Leffrang (41), genannt „Guido der Fröhliche, ist Königsbegleiter. […]
Für Christian Lippe als Vorsitzendem des „Schützenvereins Sallahn von 1893 e.V.“ mit rund 100 Mitgliedern ist klar: „Für mich ist das kein Problem. Das soll zeigen, dass wir ein junger und moderner Verein sind. Wir wollen hier alle zusammen unseren Spaß haben, das ist die Hauptsache.“

Natürlich werde ich nie verstehen wieso überhaupt jemand in einen SCHÜTZENVEREIN eintritt, sich dort mit albernen Pseudouniformen kostümiert, schwachsinnig in der Gegend rumballert und gelegentlich neue Amokläufer generiert. (Tim Kretschmer aus Winnenden und Robert Steinhäuser aus Erfurt kamen aus Schützenvereinen und wären sonst kaum an die Waffen gekommen)
Aber offensichtlich werden auch in den Schützenvereinen eines Tages Schwule völlig akzeptiert sein.

Die Muslime werden dafür noch etwas länger brauchen.
Die will man noch nicht im Verein haben.

Kaum wurde Mithat Gedik Schützenkönig im westfälischen Sönnern, da soll der 33-Jährige schon wieder abdanken - weil er kein Christ ist, wie es die Vereinsstatuten erfordern.
[…] Der 33-jährige türkischstämmige Muslim ist in Deutschland geboren und aufgewachsen, er belegte katholische Religion als Abiturfach und leitet als Kaufmann die Niederlassung eines großen Unternehmens in Mannheim. Mit seiner Frau und den vier Kindern lebt er im westfälischen Sönnern, einem Stadtteil von Werl. Er ist in der freiwilligen Feuerwehr aktiv und im Vorstand des örtlichen Schützenvereins. Und gerade mit diesem Engagement und der Spitzenleistung, die ihn zum König machte, hat er eine Diskussion um Brauchtum, Toleranz und Integration losgetreten.
Wie der "Westfälische Anzeiger" berichtet, soll Gedik seinen Titel aus Gründen der Religion wieder abgeben. Denn ein muslimischer Schützenkönig - das geht dem Bund der Historischen Deutschen Schützenbruderschaften (BDHS) zu weit: Beim Bezirksschützenfest darf der König aus Sönnern ihrer Ansicht nach nicht antreten. […] "Wer lesen kann, ist klar im Vorteil", sagt der Sprecher des BDHS, Rolf Nieborg. "Die haben ihre eigene Satzung nicht gelesen." Gedik hätte demnach überhaupt nicht Mitglied der Bruderschaft in Sönnern werden dürfen. In Paragraf 2 der Satzung heiße es, dass die Bruderschaft "eine Vereinigung von christlichen Menschen" sei.
[…] Gedik versteht die Forderungen nicht. "Wir haben doch nicht provozieren wollen, sondern wollten nur ein schönes Schützenfest feiern", sagt er. Beim Schützenfest am 18. Juli war die Welt noch in Ordnung. Gedik brachte den Vogel zu Fall und wurde von seinen Schützenbrüdern gefeiert. Beim Schützen-Gottesdienst sprach der Pastor noch von christlichen Werten und Integration, die Lokalzeitung schrieb von dem "hohen Ansehen", das Gedik und seine Familie im Ort genießen. Und jetzt das.  […]

Wie sagte der fromme Guido einst?
Es ist Deutschland hier!

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