Montag, 24. August 2015

Zu viel, zu wenig Geld

Da ich mich immer mal FÜR eine ordentliche Bezahlung „der Politiker“ ausspreche, kann ich mich an dieser Stelle noch einmal auf einen anderen Aspekt kaprizieren.

Ja, ein Bundesminister, der dafür zuständig ist ein 81-Millionen-Volk zu managen, soll verdammt noch mal richtig gut bezahlt werden. Jedenfalls besser als der Typ, der in einer mittelgroßen Stadt für die Schwimmbäder oder die Müllabfuhr zuständig ist.

Ob nun unser Bundesparlament wirklich 631 Abgeordnete braucht bei 81 Millionen Menschen ist eine andere Frage.

Das US-Repräsentantenhaus besteht aus 435 direkt gewählten Parlamentariern bei rund 320 Millionen Einwohnern.

Es lässt sich trefflich über die Qualifikation und Auslastung der Parlamentarier streiten. Immer mal wieder machen politische Magazine erschreckende Umfragen in der Parlamentslobby, in denen sich offenbart, daß kaum ein Abgeordneter genau darüber Bescheid weiß, was er tut.



Hier handelt es sich dennoch um billige Witze.
Die Bundestagler bekommen derart umfangreiche Gesetzesvorlagen, daß sie tatsächlich aus Zeitgründen nicht über jedes Detail informiert sein können.
Daher gibt es Spezialisten in den Fraktionen, die sich in ein Thema arbeiten und dann gewissermaßen den Kurs vorgeben.
Schön ist es nicht, aber manchmal muß es reichen in groben Zügen informiert zu sein und die richtigen Berater zu haben.

Es lässt sich trefflich über die Auslastung der Parlamentarier streiten, wenn man leere Parlamentsbänke abfilmt.
Auf ihre häufigen Abwesenheiten angesprochen, lautet die Standardantwort, die eigentliche Arbeit fände in den Ausschüssen und Büros statt.
Ein nicht von der Hand zu weisendes Argument. Allerdings auch kein Überprüfbares.
Nach der Lektüre von Roger Willemsens „Das hohe Haus“ sorge ich mich allerdings verschärft um die politische Kultur. Debatten im Sinne von ergebnisoffenen Diskussionen gibt es gar nicht mehr.
Das ist die Kehrseite unserer transparenteren Demokratie, in der Parlamentssitzungen von TV-Sendern übertragen werden. Diese eigentlich so zu begrüßende Neuerung führt aber dazu, daß die Redner ihre Auftritte als Bewerbungsvideos missbrauchen. Sie setzen sich in Szene für den harten Kern ihrer eigenen Anhängerschaft und geben sich gar nicht erst die Mühe andere Parlamentarier mit Argumenten zu überzeugen. Die Abstimmungsergebnisse stehen ja ohnehin in 99,9% der Fälle schon vorher fest.
Zur Not wird eben so lange an den Vorlagen gefeilt, bis die entsprechenden Mehrheiten zu Stande kommen.
Der Gipfel der Degeneration des Parlamentarismus ist es, daß inzwischen Bundestagsreden noch nicht einmal mehr gehalten werden müssen, sondern einfach auch schriftlich zu Protokoll gegeben werden können.
Dann ist das Plenum noch nicht mal mehr eine „Schwatzbude“, sondern reine Attrappe.
Einen großen Rhetor gibt es ohnehin nicht mehr im Parlament.
Dabei sind die „Sternstunden“ noch gar nicht so lange her, wie man immer meint.
1994 – 1998 musste man die Bundestagsdebatten schon allein wegen Joschka Fischers Großangriffe auf Kohl sehen. Das war ein Genuss. Inhaltlich und stilistisch. Wenn heute Göring-Eckardt oder Hofreiter am Rednerpult stehen, würde das nie einen Minister von der Regierungsbank dazu veranlassen sich nach links zu wenden und das Sudoku-Spielen zu unterbrechen.
Kohl, Blüm und Kinkel hingegen hörten als Minister gebannt zu, wenn Fischer sprach – dabei haben sie ihn sicherlich von ganzem Herzen verachtet.
Aber heute braucht man die öffentliche Redezeit ohnehin nicht mehr, um sich an das ganze Volk zu wenden.
Seine eigenen Anhänger kann man über das Internet direkt mit dem Output des Abgeordnetenbüros zuspammen.
Reden sind jederzeit oneline abrufbar.

Die Frage stellt sich nun, ob es neben den zweifelllos vielen fleißigen Abgeordneten nicht auch zunehmend irgendwelche, gerne mal adeligen, Lutscher gibt, die sich mit dem Prestige eines Mandats schmücken, aber gar nicht vor haben sich dort übermäßig einzubringen.

Carl-Eduard Otto Wolfgang Jayme Anders Graf von Bismarck-Schönhausen (*1961 in Zürich) rückte für die CDU 2005 in den Bundestag ein, ließ sich dort aber nie blicken. Das ging so weit, daß sich sogar seine eigene Partei öffentlich empören mußte, nachdem immer mehr Medien über den faulen Grafen berichteten.

Die Junge Union hat den Bundestagsabgeordneten zur Niederlegung seines Mandats aufgefordert. "Seine ständige Abwesenheit im Bundestag und im Wahlkreis sowie zahlreiche nicht gehaltene Versprechen können weder die Mitglieder der JU noch die Bürger länger ertragen", sagte der stellvertretende Vorsitzende der Jungen Union (JU) Stormarn, Christopher Voigt, im südholsteinischen Oststeinbek.
Nicht bei einer wichtigen Abstimmung im Bundestag sei Bismarck anwesend gewesen, ob Gesundheitsreform oder Tornado-Einsatz. "Nachdem es bereits längere Zeit parteiintern brodelte, weil Herr von Bismarck seine Aufgaben in renitenter Weise nicht wahrnahm und alle Versuche, an sein Verantwortungsbewusstsein zu appellieren scheiterten, ist nun das Maß voll", sagte der JU-Kreisvorsitzende Sebastian Bigdon.

Wir wissen außerdem über die Arbeitsmoral eines anderen Blaublüters, Karl-Theodor von und zu Guttenberg gut Bescheid.

Das nächste faule Ei aus dem Kreise der Barone und Grafen kommt selbstverständlich auch aus der CDU/CSU-Fraktion: Philipp Graf von und zu Lerchenfeld ist so unausgelastet mit seinem Job, daß er nebenher noch siebenstellige Summe verdienen kann.

[…] Philipp Graf von und zu Lerchenfeld ist der neue Spitzenreiter unter den Bundestagsabgeordneten mit den höchsten Nebeneinkünften. Mindestens 1,15 Millionen Euro hat der CSU-Parlamentarier aus Köfering bei Regensburg seit Beginn der Legislaturperiode zusätzlich zu seinem Abgeordnetengehalt verdient. […]   In Berlin sitzt Philipp Lerchenfeld im Haushaltsausschuss, die Finanz- und Steuerpolitik war schon im bayerischen Landtag sein Steckenpferd.

Es ist eine Spezialität der Unionsmannschaft das Parlament Parlament sein zu lassen und nebenher zu verdienen. Und zwar ein Vielfaches des Merkel-Gehaltes.
Genau offengelegt werden muß das nicht. Wir kennen nur Mindestverdienste.
Hier die Topverdienerliste aus dem August 2015. Der Mann mit dem höchsten Einkommen – CSU-Vizeparteivorsitzender Peter Gauweiler verdient Millionen mit seinen Mandaten – gab am 31.03.2015 den lästigen Nebenjob als Volksvertreter auf.

1. Philipp Lerchenfeld (CSU): mind. 1.148.000 Euro

2. Albert Stegemann (CDU): mind. 878.500 Euro

3. Johannes Röring (CDU): mind. 862.000 Euro

4. Stephan Harbarth (CDU): mind. 650.000 Euro

5. Hans-Georg v.d. Marwitz (CDU): mind. 587.000 Euro

6. Hans Michelbach (CSU): mind. 500.000 Euro

7. Dagmar Wöhrl (CSU): mind. 432.000 Euro

8. Josef Rief (CDU): mind. 255.000 Euro

9. Rudolf Henke (CDU): mind. 252.000 Euro

10. Heinz Riesenhuber (CDU): mind. 220.000 Euro

Hier stinkt doch einiges.
Ja, ich will, daß die Toppolitiker gut und sogar besser als jetzt bezahlt werden.
Wenn aber über 100 Hinterbänkler so unausgelastet sind, daß sie Zeit haben um mal eben siebenstellige Summen zu kassieren, stimmt irgendetwas nicht.

Vermutlich ist es sogar schlimmer als die bloße Tatsache, daß sie ihre Arbeitszeit für etwas anderes aufwenden, als das wofür sie bezahlt werden – nämlich Volksvertreter zu sein.

Es ist nämlich nicht leicht zu erfahren, was eigentlich überhaupt diese Gehälter gerechtfertigt.
Was machen diese Unionsabgeordneten dafür?
Manchmal offensichtlich nicht so viel.
Könnten diese Jobs also nicht eher irgendwo zwischen Lobbyismus und Bestechung mäandern?

Blicken wir nach Hamburg. Der Vizechef der Elb-CDU, Rüdiger Kruse, verdient als Bundestagsabgeordneter zwischen 7.000 und 15.000 Euro nebenher als Geschäftsführer des Landesverbandes Schutzgemeinschaft Deutscher Wald.
Was er dafür leistet ist völlig unklar. Weder er noch der Umweltschutzverband geben darüber Auskunft.

[…] So einen Nebenjob hätte jeder gerne...
[…] Er ist Bundestagsabgeordneter und macht nebenbei als Geschäftsführer eines Umweltverbandes ordentlich Kasse: Hamburgs stellvertretender CDU-Landeschef Rüdiger Kruse kann sich über sein Gehalt nicht beschweren. […] Kruse liegt mit seinen Nebeneinkünften auf Platz 18 der Top-Verdiener im Bundestag – bis zu 15.000 Euro brutto soll er jeden Monat vom Landesverband Schutzgemeinschaft Deutscher Wald überwiesen bekommen. Das haben Recherchen von abgeordnetenwatch.de ergeben.
Bei anderen Umweltverbänden betrachtet man den Geldsegen für Kruse kritisch. Schließlich sei er als Bundestagsabgeordneter ohnehin sehr eingespannt, da könne es ja überhaupt nicht sein, dass er nebenbei noch eine volle Stelle ausfülle, heißt es hinter vorgehaltener Hand.
Nach MOPO-Informationen verdient Manfred Braasch, Chef des BUND in Hamburg, deutlich weniger als Kruse – sein Einkommen liegt bei etwa 5000 Euro brutto. Dafür arbeitet er mindestens 50 Stunden pro Woche.
Ähnlich soll es beim Nabu aussehen. […]


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