Sonntag, 2. Oktober 2016

Homopanik

Wieso haben Populisten, Vereinfacher und Menschenfeinde „im Westen“ gerade so einen Lauf?
Die Frage wird aus vielen wissenschaftlichen Richtungen untersucht. Neben ideologischer und religiöser Indoktrination, neben sozialen und edukativen Schieflagen spielt Angst eine große Rolle.
Viele Menschen fürchten sich vor dem Unbekannten.

Unglücklicherweise stürzen sich Politik und Presse vielfach auf diese Ängste, verstärken sie noch, machen sie gar zum Ratgeber.

Preß- und Online-Profimeiner (deutschlandweit)!
   Wenn Ihr, brav den politischen Konsens nachplappernd, uns nach jedem AfD-Erfolg immer wieder bittet, man müsse „die Ängste der Menschen“, sprich der Rassisten und Fremdenfeinde, ernst nehmen, dann möchten wir Euch einmal ernst nehmen und fragen: Wann wurden eigentlich je vernünftige Entscheidungen aufgrund von Ängsten getroffen? Muß man nicht gerade Ängste überwinden, um nicht sich und andere zu gefährden?
Und wenn Ihr schon dabei seid: Was genau bedeutet eigentlich, wenn Ihr behauptet, die etablierten Parteien hätten die AfD erst erstarken lassen, weil sie die Sorgen und Wünsche der Wähler ignoriert haben? Ist es wirklich so doof wie: Wenn die Union AfD-Politik macht, braucht es keine AfD? Und hätte Merkel demnach also nicht nur, von wenigen Ausnahmen abgesehen, quasi AfD-Politik (Asylpaket II, sichere Herkunftsstaaten, Türkeideal) betreiben, sondern sie genauso dummbratzig herausposaunen sollen, wie die vermeintliche Paria-Partei?
       Will die Antwort lieber nicht wissen:
                   Titanic/Oktober 2016

Nein, ich glaube, wir stünden besser da, wenn veröffentlichte Meinung und Parteien von Linken bis CSU nicht immer wieder rechts geblinkt hätten, um dem Pöbel zu signalisieren „ihr habt schon recht – es sind einfach zu viele Ausländer hier.“

[….] Die empirische Sozialwissenschaft belegt seit Langem, dass es für Fremdenfeindlichkeit keine Migranten braucht. Man muss auch keinen Juden kennen, um Antisemit zu sein. Im Gegenteil: Vorurteile halten sich dann besonders gut, wenn sie nicht mit realen Erfahrungen konkurrieren müssen. In Peenemünde zum Beispiel gab bei der Landtagswahl im September 2016 mehr als die Hälfte der Wahlberechtigten der AfD ihre Stimme. Im Ort lebt kein einziger Flüchtling." Und in Berlin schnitt die AfD nicht etwa in jenen Bezirken besonders stark ab, in denen ein hoher Bevölkerungsanteil mit Migrationshintergrund durchaus auch Probleme mit sich bringt, sondern in den nordöstlichen und südöstlichen Bezirken, wo die wenigsten Migranten wohnen. [….]

Was war das für ein Geschrei im steinreichen Stadtteil Hamburg-Harvesterhude, als vor zwei Jahren der rotgrüne Senat auch in der edlen Sophienterrasse an der Außenalster Flüchtlinge unterbringen wollte.

Anwohner klagten und wehrten sich.
Inzwischen hat sich der Senat aber teilweise durchgesetzt; auch in Harvesterhude leben seit einem Dreivierteljahr Flüchtlinge.
Nun, nachdem die Nachbarn die Neu-Harvesterhuder kennengelernt haben, ist es auf einmal doch vorstellbar, daß eine afghanische Familie durch das edle Pöseldorf-Center spaziert. Die Integration ist zur Erfolgsgeschichte geworden. Man hilft und versteht sich.

Ich glaube schon lange daran, daß der entscheidende Faktor für die zunehmende Akzeptanz Homosexueller in Deutschland nicht Bundestagsdebatten oder CSDs waren. Es waren auch nicht die wenigen, teils schrillen, offen Schwulen, die man aus dem Showbiz kannte.

Wichtiger war die Lindenstraße, die in den 1980ern und 1990ern ein echter Straßenfeger mit 12 Millionen Zuschauer war.
Der erste schwule TV-Kuss 1987 wurde noch übersehen, aber als drei Jahre später erneut Männer bei Mund-zu-Mund-Aktivität gezeigt wurden, brach die Hölle los. Der Bayerische Rundfunk weigerte sich „aus moralischen Gründen“ die Folge auszustrahlen.

Es ging um Folge 225, die am 25. März 1990 lief. Dabei gab es schon vorher zwei Folgen, in denen es zu Zärtlichkeiten kam, für eine Familienserie zu größerer Intimität. Aber Ende März ist es endgültig eskaliert.
Während der Ausstrahlung gab es so viele Anrufer beim WDR, noch Stunden danach noch, dass alles zusammenbrach - man konnte es nicht mal mehr protokollieren. Am Montag drauf fanden Krisentelefonate der ARD-Anstalten auf höchster Ebene statt, mit Hans W. Geißendörfer, denn montags wurde ja in vielen dritten Programmen die Folge wiederholt. Die Folge wurde entschärft, umgeschnitten, kleinere Korrekturen vorgenommen. Aber so etwas hatte es so noch nicht gegeben. Die Folge lief im Original tatsächlich nur einmal.

Ich bin offensichtlich einer der wenigen Menschen, der nie Lindenstraße gesehen hat, aber der Skandal war offensichtlich deshalb so groß, weil sämtliche Spießer der Republik auf einmal mit Schwulen konfrontiert waren. Also diejenigen in kleinen Bayerischen Dörfern, die eben nicht CSDs in Köln mitbekamen oder mal auf einem Frankie-Goes-To-Hollywood-Konzert die überdeutliche Bühnenshow sahen.
Schwule waren dadurch auf einmal im kleinen heimischen Wohnzimmer, kamen durchs Fernsehen aus der Familie, die einem so vertraut war.

Andere Serien zogen nach; bald hatten auch Daily-Soaps wie GZSZ ihr Homopaar und der deutsche Michel erkannte, daß das ganz gewöhnliche Menschen waren, Geschwister, Söhne, die durchschnittliche Frisuren und 0-8-15-Jobs hatten. Das waren also doch keine satanischen Punks, die jeden besprangen, der nicht bei drei auf dem Baum ist.

Genau das ist der Grund weswegen Typen wie Frauke Petry mit schöner Regelmäßigkeit fordern, es müsse weniger Schwule im Fernsehen geben, weswegen „Demo-für-Alle“-Demagogen wie Birgit Kelle und Hedwig Beverfoerde so hysterisch auf Aufklärung in Schulen reagieren.

Sie alle fürchten sich vor der Gewöhnung.
Man kann nur sein braunes politisches Ausgrenzungs-Süppchen kochen, wenn Juden, Schwule und Schwarze Chimären sind, die man noch nie von Angesicht zu Angesicht gesehen hat.
Nur dann lassen sich Ängste und Aggressionen generieren.
Wer aber einen schwarzen Grundschulfreund hat, wer aus dem täglichen Nachmittagsprogramm mit der netten Lesbe von nebenan vertraut ist, ist nicht mehr empfänglich für Parolen der extremen Rechten, der konservativen Kirchler, der US-Republikaner.

Der ultrakonservative Trump-Vizekandidat Mike Pence ist ein Paradebeispiel.
Um seine Agenda durchzudrücken, um genügend Wähler zu gewinnen, muß er die Schwulenschwarzenmuslims nicht nur negativ konnotieren, sondern insbesondere vom weißen heterosexuellen Volk fernhalten.

Wenn man sich erst gegenseitig kennenlernt, könnte sich herausstellen, daß die Homos gar nicht so satanisch sind, womöglich vergewaltigen sie doch nicht auf der Stelle jeden Mann unter 40.

"Homosexuals are not as a group able-bodied. They are known to carry extremely high rates of disease brought on because of the nature of their sexual practices and the promiscuity which is a hallmark of their lifestyle."
Pence also argues in the piece that homosexuality is a "pathological condition."
Pence has also fallen under scrutiny for publishing work in 1993 criticizing gay military members.
Last year as governor of Indiana, he signed the "Religious Freedom Restoration Act," which allows companies to discriminate against LGBT employees and customers based on firmly held religious beliefs. And he's proposed cutting funding for HIV treatment and using the money for "gay cure" therapy.

Homophobie, Xenophobie und Angst vor Juden funktionieren im Sinne von (politisch ausschlachtbarer) Angst nur so lange man keine Schwulen, Flüchtlinge, Juden kennt.

Wenn das Kennenlernen die Angst ablöst, lösen sich viele Probleme in Wohlgefallen auf.

Homophobie, Xenophobie und Antisemitismus im Sinne von Hass auf Minderheiten bleibt hingegen bestehen.
Hasser wie Mike Pence versuchen daher alles, damit ihnen die Angsthasen nicht von der Stange gehen.

Mike Pence’s top seven most homophobic moments (out of many)
[….] Indiana Governor Mike Pence is a darling of the religious right, and with good reason. Over the course of his political career, he has been a crusader (in his white-bread way) for the right’s pet causes. Chief among these, of course, is stopping the “homosexual agenda.”
While Pence is best known for his bumbling attempt to rebrand antigay bigotry as religious liberty last year, that was hardly his first foray into the fields of homophobia. In fact, both as governor and as a Congressman, Pence took the lead in attacking legal equality. He is far and away the most anti-gay candidate to run on a national GOP ticket, which is saying a lot.
[….] 1. Supporting a constitutional amendment to ban marriage equality
[….] 2. Signed a bill to jail same-sex couples for applying for a marriage license
[….] 3. Wanted to divert funding from HIV prevention to conversion therapy
[….] 4. Opposed repeal of Don’t Ask, Don’t Tell
[….] 5. Complained about the passage of the Matthew Shepard Hate Crimes bill
[….] 6. Served on the board of an antigay group
[….] 7. Argued that passing ENDA would ban Bibles from the workplace [….]

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