Mittwoch, 21. Dezember 2016

Nur so eine Idee.

In einer kleinen Stadt an der ostfriesischen Küste gibt es ein sagenhaft gut sortiertes Wollgeschäft, welches seit Jahrzehnten von einer Spanierin geführt wird.
In der Gegend gibt es eine riesengroße iberische Gemeinde, da die Fischfabriken in und um Cuxhaven fast nur spanische und portugiesische Arbeiter beschäftigen. (Einer dieser Jobs, für die sich Deutsche zu fein sind.)
Man eröffnet nicht unbedingt in der niedersächsischen Provinz einen Wollladen, wenn man plant irgendwann Multimilliardär zu werden und die Weltherrschaft zu übernehmen.
Häkeln und Stricken ist aber kontemplativ. Auch wenn man nicht reich wird, hat man vielleicht mit so einem Laden sein finanzielles Auskommen und führt ein zufriedenes Leben.
Seit einigen Jahren ist Stricken wieder extrem in Mode gekommen.
Man strickt nun nicht mehr, weil gekaufte Pullover zu teuer sind, sondern betrachtet es als reine Entspannungsmethode. In der hektischen Smombi-Welt ist das der Megatrend: Offline sein und dann irgendetwas mit den Händen machen: Ausmalbücher kolorieren, Handarbeiten oder Sudokus lösen.
Wie schön für die Spanierin; auf ihre alten Tage kommt noch mal eine ordentliche Belebung ins Geschäft.
Dachte ich zumindest.
In Wahrheit verliert sie so massiv Kunden, daß der Laden bald schließen muß.
Dabei ist die Bude immer voll; weil jeder weiß wie gut sie sich mit Strickmustern und komplizierten Häkelabläufen auskennt.
Die Leute kommen mehr denn je zu ihr und fragen sie um Rat. Nur kaufen sie nichts mehr, weil sie erstaunlicherweise zufällig alle gerade größere Mengen Wolle von jemand geschenkt bekommen haben.

In Hamburg gab es diesen Effekt schon vor vielen Jahren.
Als es in der Stadt noch diverse Elektronik-Fachgeschäfte gab, erzählte mir mein Friseur eines Tages voller Stolz; er sei über eine Stunde bei Brinkmann gewesen, um sich ausführlich über Waschmaschinen beraten zu lassen und dann sei er rausgegangen und habe das Wunschobjekt im Internet bestellt; da habe es viel weniger gekostet. Mir schoss die Zornesröte ins Gesicht.
Die Ernst Brinkmann KG meldete 2001 Insolvenz an.

Selbstverständlich sind diese vielen kleinen Geschäfte, die Service und Beratung boten inzwischen alle tot. Nun gibt es nur noch Saturn und Mediamarkt, die beide dem METRO-Konzern gehören.
Hauptsache billig. Und wenn der Fernseher, das Notebook, der Föhn oder die Kaffeemaschine kaputt geht, schmeißt man das Gelumpe weg und kauft gleich was Neues. Es gibt ohnehin niemand, der ins Haus käme, um so etwas zu reparieren. Und wer will schon einen großen TV oder einen Staubsauger zurück zu SATURN schleppen, um in der Reparaturabteilung eine Nummer zu ziehen, drei Stunden zu warten, um dann zu erfahren, das müsse jetzt erst mal eingeschickt werden und man solle schon mal den Kostenvoranschlag zur Reparatur in Höhe von EUR 170,00 bezahlen?

Jeder beklagt das Sterben der inhabergeführten Geschäfte, in denen es Bratung und Service gibt. Jeder kann abendfüllend die abstrusesten Erlebnisse mit Paketlieferdiensten erzählen, sich über Paketboten ärgern, die gar nicht erst klingeln. Es jammert auch jeder über die verstopften Straßen, weil an jedem zweiten Haus gerade ein DHL-, GLS-, DPD-, Hermes- oder UPS-Wagen in zweiter Reihe hält.
Es will nur keiner den Zusammenhang mit dem eigenen Konsumverhalten erkennen.

Gerade diese Woche erlebte ich wieder eine absolut haarsträubende Geschichte mit einer Paketlieferung, die mich zehn Jahre altern ließ.
Man kann noch nicht mal einen gesunden Hass auf die Paketboten entwickeln, weil klar ist, daß sie arme unterbezahlte Schweine sind, die jeden Tag 12 Stunden racken und am Ende des Monats ungefähr auf HARTZ-Niveau rauskommen.

Könnte man nicht wenigstens die Beschäftigten in der Lieferbranche anständig bezahlen, wenn die deutsche Bundesregierung schon nicht in der Lage ist die ganz großen Versender dazu zu bringen Steuern zu zahlen?
IKEA und AMAZON haben sich bekanntlich in Steueroasen abgesetzt und zahlen auf ihre gewaltigen Milliardengewinne quasi keine Steuern.

Wären die Konsumenten tatsächlich an Nachhaltigkeit interessiert und verhielten sich klug, dann könnten sie wenigstens die schlimmsten Ausbeuterkonzerne meiden.
Aber das ist hoffnungslos. Hauptsache billig.

Da der Verbraucher zu doof ist, sollte der Gesetzgeber aktiv werden.
Mir schwebt ein von Großversendern zu zahlendes Mindestporto von 15 Euro vor. Oder 17, oder 20 Euro.
Es muß so wehtun, daß die Paketlieferanten erheblich besser bezahlt werden und daß sich Kunden genau überlegen, ob sie nicht doch lieber die Wolle im Laden nebenan kaufen, statt das 19 Cent billigere Knäul bei Amazon zu schießen.

So ein Mindestpaketporto beträfe natürlich nur Geschäftskunden, so daß Oma Kowalski ihrem Enkel weiterhin die selbstgebackenen Kekse sehr günstig schicken kann.

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