Freitag, 19. Oktober 2018

Unsere eigene Nase.

Beeindruckend, beeindruckend, beeindruckend.
Es gibt für Donald Trump tatsächlich keinen Rock Bottom, kein allerunterstes moralisches Tiefgeschoss, in dem er irgendwann aufschlagen könnte.
Scheinbar mühelos hebt er immer wieder den Boden des untersten Höllenkellers aus und steigt weiter hinab.
Vor zwei Tagen hatte ich schon einmal Trumps Haltung zum Washington-Post-Journalisten Jamal Khashoggi erwähnt.
MBS, wie man im amerikanischen Sprachgebrauch den starken Mann in Riad nennt, also Kronprinz Mohammed bin Salman hatte den unbequemen Khashoggi am 02.10. von einem Killerkommando im Saudischen Konsulat Istanbuls mit Kettensägen zerhacken lassen.
Das sendet eine recht deutliche Botschaft in die Welt bezüglich der Ansichten der steinreichen Golfmonarchie zur Pressefreiheit.
Trump will deswegen aber nicht gleich Riad kritisieren – dafür hat er 110 Milliarden Gründe.
Selbst ein paar US-Republikaner, die in der Causa Kavanaugh gerade wieder zeigten, daß sie wirklich nicht das kleinste bißchen Anstand übrig haben, zeigen vereinzelt rudimentäre Zerknirschung.
Journalisten mit Kettensägen zerstückeln zu lassen, ist doch nicht ganz kongruent mit den Werten der US-Verfassung – so ahnen es sogar einige GOPer.

[….] Der republikanische Senator Marco Rubio forderte eine entschiedene Reaktion: „Nur weil ein Land das getan hat, mit dem wir zusammenarbeiten, können wir nicht einfach mit den Schultern zucken und sagen, hier ist nichts passiert”, sagte er bei CNN. Die Menschenrechte seien es wert, die guten Beziehungen zu den Saudis zu riskieren. Andere Republikaner, darunter Mehrheitsführer Mitch McConnell, sagten, man müsse die Ermittlungen abwarten. [….]

Auch die kleine Lindsey, die sich erst vor Wochen voller Wucht mit Beer Kavanaugh in Trumps Hintern katapultierte, wagt auf FOX zarten Widerspruch zu #45.

Am Rande sei erwähnt, daß Trump schon von Anfang an einen offiziellen Beauftragten für den Nahen Osten für solche Angelegenheiten benannt hatte; Schwiegersöhnchen Jared.
Aber Ivankas Mann sagt rein gar nichts dazu. Offensichtlich empfindet er es ebenso wenig als störend Wapo—Journalisten zerhacken zu lassen.

[….] Mr. Trump stopped short of saying the Saudi crown prince, Mohammed bin Salman, was responsible for Mr. Khashoggi’s death. But the president acknowledged that the allegations that the prince ordered the killing raised deep questions about the American alliance with Saudi Arabia and had ignited one of the most serious foreign policy crises of his presidency.
“This one has caught the imagination of the world, unfortunately,” Mr. Trump said to reporters from The New York Times in a brief interview in the Oval Office. “It’s not a positive. Not a positive. Unless the miracle of all miracles happens, I would acknowledge that he’s dead. That’s based on everything — intelligence coming from every side.” [….]

Nun legt Trump „einen drauf“ – am Tag, an dem er zugibt, daß Khashoggi wohl ermordet wurde, lobt er bei einer seiner Rallys, diesmal in Montana, ausdrücklich den Republikaner Greg Gianforte für dessen tätlichen Angriff auf den Guardian Reporter Ben Jacobs. Was für ein timing!

Gianforte war daraufhin zu sechs Monaten Haft auf Bewährung, 40 Stunden gemeinnütziger Arbeit, 20 Stunden Stressbewältigungstraining und den Gerichtskosten verurteilt worden. Trump findet angesichts des Kettensägen-Massakers am WaPo-Reporter Kashoggi ausdrücklich Lob für Angriffe auf Pressevertreter.

[….] Trump lobt Parteifreund für Angriff auf Reporter. Ein US-Kongressabgeordneter hatte einen "Guardian"-Reporter zu Boden geworfen. Der US-Präsident nennt den Republikaner Gianforte einen "unglaublichen Anführer".
Mit großem Lob hat US-Präsident Donald Trump einen Kongressabgeordneten überschüttet, der wegen eines gewaltsamen Angriffs auf einen Journalisten verurteilt wurde. Greg Gianforte sei ein "unglaublicher Anführer aus Montana" und "einer der am meisten respektierten Leute im Kongress", sagte Trump am Donnerstag bei einem Wahlkampfauftritt in Missoula im US-Bundesstaat Montana. "Aber fangt nicht an mit ihm zu kämpfen", ergänzte er.
Trump äußerte sich mit Blick auf den Übergriff des Politikers auf den Journalisten Ben Jacobs von der britischen Zeitung "The Guardian". "Jeder Typ, der einen Body Slam machen kann, ist mein Typ", sagte der US-Präsident vor seinen Anhängern. Body Slam ist eine Kampftechnik aus dem Wrestling-Sport.
Er habe zunächst gedacht, der Angriff Gianfortes würde dessen Chance, gewählt zu werden, mindern. "Dann habe ich gedacht: 'Warte mal, ich kenne doch Montana ganz gut, ich denke, das wird ihm helfen'. Und das hat es." Trump rief zur Wahl Gianfortes bei der Kongresswahl im November auf. [….]

Trumps grölende Untermenschen-Crowd ist begeistert.


[…..] Der Büroleiter des "Guardian" in den USA, John Mulholland, reagierte nun empört auf Trumps Äußerungen. "Einen Angriff auf einen Journalisten zu feiern, der einfach seinen Job gemacht hat, ist ein Angriff auf den ersten Zusatzartikel (der US-Verfassung) durch jemanden, der einen Eid auf dessen Verteidigung geschworen hat", sagte Mulholland. Der erste Zusatzartikel der US-Verfassung garantiert die Freiheit der Presse.
"Vor allem nach dem Mord an dem saudi-arabischen Journalisten Jamal Khashoggi lädt das zu Angriffen auf Journalisten hier und in aller Welt ein, wo sie oft weitaus größeren Bedrohungen ausgesetzt sind." [….]

Nein, immerhin, so viel Lob für die deutsche Bundesregierung muss sein; solche zutiefst verstörende Abartigkeiten hört man von niemand aus der Groko, wenn es um Menschenrechte geht.

Wir haben aber auch keinen Grund stolz zu sein, denn auch die Merkel-Regierung wirft angesichts der prall gefüllten Dollar-Kassen der superreichen Öl-Monarchie geräuschlos moralische Maßstäbe über Bord.

Kronprinz MBS ist zwar ein brutaler Killer, aber seine Kriegsspiele im Jemen, bei denen er schon Myriaden Menschen ermorden ließ und Hunderttausende obdachlos und Millionen in den Hunger trieb, bedeuten immer wieder neuen Rüstungsbedarf – und da liefert Merkel, die von den christlichen Grundlagen überzeugte Moralistin nur zu gern.
Seit Jahren geht das so.

Die Jemeniten werden gerade von den Saudis massakriert.

Während also Merkel und Gabriel völlig skrupellos vorgehen und den Wunsch der EU ignorieren – während sie es natürlich empörend finden, wenn andere Länder in der Flüchtlingsfrage die Wünsche der EU ignorieren – gibt es in anderen Hauptstädten durchaus noch ein Gewissen.

Das niederländische Parlament hat ein Ende des Exports von Waffen an Saudi-Arabien beschlossen. Laut Reuters handelt es sich um einen Protest gegen die ständigen Menschenrechtsverletzungen des Königshauses.
Der Gesetzesentwurf sieht auch ein striktes Ausfuhrverbot für Dual-Use-Güter vor, also Produkte, die potentiell für Menschenrechtsverletzungen eingesetzt werden könnten, bei denen es sich aber nicht um klassische Waffen- oder Rüstungsgüter handelt.

Was macht Saudi-Arabien mit seinem gewaltigen Waffenarsenal?
Einerseits nutzt es deutsche Panzer, um nebenan in Bahrain die Demokratie niederzuschlagen.

Der größte Einsatz ist aber der Angriffskrieg gegen schiitische Gruppen im Nachbarland Jemen.
Militärisch läuft es dort bemerkenswert schlecht.

Jemen-Krieg: Saudi-Arabiens militärisches Debakel
[….] Seit einem Jahr ist Krieg im Jemen: zwischen der von Saudi-Arabien angeführten Koalition zur Unterstützung des vertriebenen Präsidenten Abed Rabbo Mansur Hadi und den Huthi-Rebellen. Der Ton der Vereinten Nationen wird immer schärfer. Die saudische Luftwaffe habe im Jemen "ein Gemetzel" angerichtet, sagte jüngst der Hohe Kommissar für Menschenrechte, Seid Raad al-Hussein. Für knapp zwei Drittel der zivilen Opfer und zivilen Zerstörungen sei die Kriegskoalition der Golfstaaten verantwortlich.
Allein bei dem Beschuss eines dicht belebten Marktes in der westlichen Provinz Hajja Anfang letzter Woche kamen 119 Menschen ums Leben, darunter 24 Kinder. "Trotz ständiger internationaler Proteste wiederholen sich solche Vorfälle mit absolut inakzeptabler Regelmäßigkeit", sagte al-Hussein und drohte, diese Kriegsverbrechen durch eine internationale Kommission untersuchen zu lassen. [….] Ein Jahr lang zerbomben modernste Kampfjets von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten nun schon das arme Land Jemen an der Südspitze der Arabischen Halbinsel – ein Krieg, der ein humanitäres, militärisches und strategisches Desaster angerichtet hat. [….] Allein in der Hauptstadt Sanaa wurden 250.000 Menschen ausgebombt. Denn die saudische Luftaufklärung ist schwach und ungenau, die Kampfpiloten unerfahren und skrupellos. Aus Angst vor Abwehrraketen fliegen sie extrem hoch, so dass sie ihre militärischen Ziele meist verfehlen und stattdessen Krankenhäuser und Schulen, Moscheen und Flughäfen, Fabriken und Marktplätze sowie Hochzeitsgesellschaften und Privathäuser in die Luft jagen. [….]

Blöd an den Kriegen sind für das Riader Königshaus weniger der internationale Ansehensverlust oder gar die Myriaden Toten und Verletzten.

Insgesamt versuchen sich nach UNHCR-Angaben rund 2,4 Millionen Flüchtlinge innerhalb der Landesgrenzen vor den Kriegswirren in Sicherheit zu bringen. Über 8000 Menschen sind durch den Krieg bereits gestorben.

Störend ist aber, daß es so verdammt teuer ist. (……..)

Ganz ohne irgendeine moralische Scham macht die Bundesregierung sich auch im Jahr 2018 zum devoten, amoralischen, aber geldgeilen MBS-Helfer


[….]  Trotz Exportstopp - GroKo genehmigt Rüstungslieferung nach Saudi-Arabien
Der Bundessicherheitsrat hat eine Lieferung von acht Patrouillenbooten an Saudi-Arabien genehmigt - obwohl sich Union und SPD auf einen Exportstopp verständigt hatten. Eine Klausel macht die Lieferung möglich.
Die Bundesregierung hat die Lieferung von acht Patrouillenbooten an das Königreich Saudi-Arabien genehmigt - ungeachtet der Beteiligung des Königreichs am Jemen-Krieg. Das teilte Wirtschaftsminister Peter Altmaier dem Wirtschaftsausschuss des Bundestags in einem Schreiben mit, das SPIEGEL ONLINE vorliegt. [….]

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