Sonntag, 9. Juni 2019

Probleme an allen CDU-Ecken

Es läuft einfach nicht für Annegret Kramp-Karrenbauer und ihre Stellvertreter-Riege seit sie aus dem Schatten der übermächtigen Kanzlerin treten mussten.
Galt es nach AKKs Übernahme des Bundesparteivorsitzes im Dezember 2018 nur noch als Frage der Zeit, wann sie Merkel ablösen würde und wie die ausländischen Regierungschef den komplizierten deutschen Namen aussprechen würden, ist es für sie nach einem halben Jahr schon unwahrscheinlich geworden auch nur Kanzlerkandidatin zu werden.
Nur die dramatische Implosion der SPD-Führung bewahrt das Konrad-Adenauer-Haus davor mit „Führungskrise“-Schlagzeilen die Politik zu dominieren.
Die Europawahlen, ein ganze Kaskade taktischer Fehlleistungen und die bis vor kurzem undenkbare Schmach in bundesweiten Umfragen hinter die Grünen zurück gefallen zu sein, bringen AKKs Thron erheblich zum Wackeln.
CDU-Mitglieder lassen ihren Chefs üblicherweise so ziemlich alles durchgehen, interessieren sich wenig für Inhalte, solange sie die Macht sichern.
Aber die ernsthafte Möglichkeit eines Kanzlers Habeck macht inzwischen die gesamte Partei nervös.
Ob das richtig war, Angela Merkel abzuservieren, bangt die Basis.

Personell ist die CDU dramatisch schlecht aufgestellt.
Paul Ziemiak, der junge neue Generalsekretär ließ sich von einem einzelnen Youtuber ohne politische Erfahrungen widerstandslos vorführen, fand bis heute keine einleuchtende Antwort.
AKKs Stellvertreter sind allesamt angeschlagen:

Volker Bouffier, 67, letztes überlebender Homunculus Roland Kochs, leidet an Krebs und erlitt bei der Landtagswahl am 28.10. 2018 einen katastrophalen Absturz um über 11Prozentpunkte auf 27%, verlor in dem kleinen Land 423.000 Stimmen.

Julia Klöckner, 46, Nestlé-Cheerleaderin, Mehrfachwahlverliererin in Mainz, verwandelte ihr Ministerium in eine lobbyhörige Gurkentruppe und gilt als heißeste Rauswurfkandidatin bei einer Kabinettsumbildung.

Armin Laschet, 58, kämpft mit Skandalen seiner Regierung (Hambacher Forst, Christina Schulze Föcking, Herbert Reul) und sehr niedrigen Zustimmungswerten.

Ursula von der Leyen, 60, hat ihre politische Karriere hinter sich, wird nur noch mangels Alternative im Kabinett gehalten, solange Merkel noch da ist. Die Verteidigungsministerin wird in ihrer eigenen Partei regelrecht gehasst und hangelt sich von einem Bundeswehr-Skandal zum Nächsten.

Thomas Strobel, 59, dessen einzige echte Leistung es bisher war, der Schwiegersohn von Wolfgang Schäuble zu sein, befindet sich sogar in seinem eigenen Landesverband im freien Fall.

Der Baden Württembergische CDU-Landeschef ist so unbeliebt, daß er in dem konservativen Kernland seiner Partei, die dort kontinuierlich fast 60 Jahre den Ministerpräsidenten stellte, die Spitzenkandidatur gegen den alternden Grünen Kretschmann zur Landtagswahl im Frühjahr 2021 zurück zog.
Immer noch liegt die CDU in Umfragen deutlich hinter den Grünen; als Landesminister für Inneres, Digitalisierung und Migration sowie stellvertretender Ministerpräsident war es ihm nie möglich positiv auf sich aufmerksam zu machen.
Mit allerlei Tricks versuchte er innerparteiliche Konkurrenten auszuschalten.

[….] Die Unterstützung für den Landeschef scheint mit jeder Umfrage weiter zu bröckeln, in der die CDU und Strobl weit hinter den Grünen und deren Ministerpräsidenten Winfried Kretschmann landen. Zuletzt attestierte Infratest-Dimap den Grünen 32 Prozent und der CDU 28 Prozent. Bei den persönlichen Werten ist der Abstand noch größer: 72 Prozent sind mit Kretschmann zufrieden, nur 37 mit Strobl.
Am Freitag strebt Strobl auf dem Landesparteitag seine Wiederwahl zum Landesvorsitzenden an, doch die Stimmung ist schlecht unter den Delegierten. Viele reisen mit geballter Faust in der Tasche nach Weingarten. Sie werfen Strobl vor, er habe den Parteitag nur deshalb um fünf Monate vorverlegt, damit er drei Wochen vor der Europa- und Kommunalwahl ein möglichst gutes Wahlergebnis für sich verbuchen kann. Er spekuliere darauf, dass die Delegierten Geschlossenheit zeigen und keine Denkzettelabstimmung wagen, um ihr eigenes Wahlergebnis am 26. Mai nicht zu gefährden. […..]

Das Mitglied der schlagenden Heidelberger Studentenverbindung Alte Leipziger Landsmannschaft Afrania Strobl verlor schon schmachvoll im Jahr 2016 die Mitgliederbefragung um die Spitzenkandidatur zur Landtagswahl gegen den nahezu unbekannten Guido Wolf mit 44,1 % gegen 55,9 % der Stimmen.
Am 03.05.2019 beim Landesparteitag in Stuttgart erzielte Strobl schließlich nur schwache 83% ohne einen Gegenkandidaten.
Bei den Europa- und Kommunalwahlen am 26.05.2019 brach die BW-CDU schwer ein.

Derartig gerupft musste Strobl auch auf die Spitzenkandidatur 2021 verzichten und gab gegen seine Freundin und Konkurrentin Kultusministerin Susanne Eisenmann auf.

[….]  Der Landeschef der Südwest-CDU gibt klein bei: [….] Nach SPIEGEL-Informationen hat der Stuttgarter Innenminister und Landeschef Thomas Strobl bereits am Wochenende in einem Gespräch mit Eisenmann seinen Verzicht erklärt. Dabei hätte er als Parteichef das Erstzugriffsrecht auf die Kandidatur gehabt.
An diesem Montagabend soll Strobl den Parteigremien Eisenmann als Spitzenkandidatin vorschlagen. Das dürfte der machtbewusste Innenminister nur zähneknirschend tun. In der Partei atmen dagegen viele auf. Auch etliche Landtagsabgeordnete hatten Strobl nicht mehr zugetraut, die Union aus der ungeliebten Juniorpartnerschaft mit den Grünen zu befreien - und mittelfristig wieder zu altem Glanz zu führen. [….] Die Beliebtheitswerte Strobls sind seit Langem im Keller. Gerade mal 17 Prozent der Baden-Württemberger würden sich für ihn als Ministerpräsident entscheiden. [….] Bis zuletzt war in der CDU unklar gewesen, wie man Strobl als Spitzenkandidat am elegantesten loswerden könnte. Die Befürworter Eisenmanns hatten auf einen Mitgliederentscheid gezielt, den wiederum der Innenminister um jeden Preis vermeiden wollte. Als offizielle Begründung für seine Antipathie gegen ein Basisvotum galt die befürchtete Spaltung der Union. Doch es war ein offenes Geheimnis, dass der nicht gerade als Menschenfänger geltende Strobl keine Chance gegen seine Kontrahentin gehabt hätte. [….]

Keiner ihrer Stellvertreter im CDU-Bundesvorstand taugt etwas, also muss es AKK allein reißen.
Ein Job, den Merkel offenbar nebenher zu erledigen vermochte – schließlich hatte sie als Bundeskanzlerin manchmal auch ein bißchen was anderes zu tun.
Kramp-Karrenbauer arbeitet fulltime als CDU-Chefin und lässt den Laden weiter abstürzen.
Sie erfährt dabei etwas, das frühere CDU-Bundesvorsitzende gar nicht kannten. Offene Kritik an der eigenen Führung. Unions-Größen sind massiv unzufrieden mit der Vorsitzenden und auch die konservativen Zeitungen senken die Daumen.

[….] Die Unionsparteien und CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer stürzen nach den herben Verlusten bei der Europawahl in der Wählergunst ungebremst ab. CDU und CSU verlieren im Vergleich zum Mai drei Punkte und landen bei ihrem Allzeittief von 25 Prozent bei der Frage, wer gewählt wird, wenn am kommenden Sonntag Bundestagswahl wäre. Auf diesen Wert war die Union erst einmal gekommen, im Oktober 2018. [….] Die neuen Tiefstwerte für die Union hängen offenbar mit der Schwäche der CDU-Vorsitzenden zusammen: So büßt Kramp-Karrenbauer in der Politikerzufriedenheit satte zwölf Punkte ein und fällt von Platz fünf im Mai auf Platz zehn im Juni. [….]

Das sind spannende Zeiten.
Weder im Willy-Brandt-, noch im Konrad-Adenauer-Haus existiert Kompetenz ihre jeweiligen Parteien aus dem Tief zu führen.

Neuwahlen sind also de facto keine Option, weil CDU, CSU und SPD mit Sicherheit noch mehr gerupft würden.
Die schwache CDU-Performance – Forsa sieht sie bei bundesweit 24% - wird schließlich nur mit dem großen demoskopischen Pluspunkt Merkel erreicht. Sie ist die beliebteste Politikerin Deutschlands. Nicht auszudenken, wie weit die CDU abstürzen könnte, wenn die Groko platzt und ein sehr viel unbeliebterer Kandidat anträte.
Auch Linke und FDP stehen demoskopisch sehr viel schlechter da als bei den Bundestagswahlen 2017. Auch das spricht gegen vorzeitige Neuwahlen.


Es bliebe also der Koalitionswechsel. Aber eine andere Mehrheit als die Groko ist nur mit den Grünen zu erreichen. Den 8,9%-Grünen von 2017, die dann in einer Regierung der mit Abstand schwächste Partner wären – während sie in aktuellen Umfragen aber die stärkste Partei wären.
Absurd. Wieso sollte sich Habeck Lindner und AKK unterordnen, wenn er gute Chancen hätte selbst Kanzler zu werden?

Es spricht also viel dafür, daß Merkel bis 2021 weiterwurschtelt.
Nicht nur, weil es demoskopisch übel für die drei Groko-Parteien aussieht, sondern weil die Kanzlerin nun erfährt, daß ihre ausdrückliche Wunschnachfolgerin im Parteivorsitz keine personelle Alternative ist. AKK kann es nicht.

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