Samstag, 22. Februar 2020

Wie Rechts geht noch?

Viele CDU-Rechte sehen offensichtlich das größte strategische Problem ihrer Partei in der andauernden Kanzlerschaft Merkels.
Sie stünde für einen Linksruck der Partei, sei daher Schuld an der starken AfD und ließe einem anderen Parteichef oder Kanzlerinnen-Nachfolger keinen Platz sich zu entwickeln.
So ätzte auch AKK bei ihrem Rückzug von den Kanzerlinnenambitionen und gab vor, der Neue müsse aber CDU-Parteichef und Kanzlerkandidat in einer Person sein.
Sie erklärte aber nicht wieso sie nach dieser bahnbrechenden Erkenntnis als Parteivorsitzende nicht einfach selbst nach der Kanzlerkandidatur griff.
Die Gründe liegen aber auf der Hand:
Erstens hatte AKK nach der Debakel-Parade der letzten 12 Monate jeden Rückhalt in ihrer Partei verspielt und zweitens konnte sie der Postulierung dieses Junktims vermeiden selbst Verantwortung zu übernehmen und Merkel den Schwarzen Peter zuschieben.
Friedrich Merz, der immer weinend den Schwanz einzieht, wenn er auf offener Bühne gegen eine Frau antreten muss, weil er dabei stets verliert, versteht den Zusammenhang mit Kanzlerin gar nicht.
Er hasst die Merkel und verstand AKK insofern mis, daß er annahm, er müsse nur seine Hand heben und dann löse sich seine Erzrivalin von Zauberhand auf, um ihm die Bühne zu überlassen.
Was für ein erstaunlicher Blödsinn, denn Merkel wird bis Herbst 2021 Kanzlerin bleiben, da es erstens keine andere Kanzlermehrheit im Bundestag gibt und zweitens in dem Fall nur Rücktritt und Neuwahlen blieben, die aber CDU/CSU/SPD wie der Teufel das Weihwasser scheuen.
Merz ist offensichtlich nicht das hellste Kerzchen auf der Torte, wenn er glaubt, er könne Merkel einfach ablösen.
Hinzu kommt das Problem, daß kein CDU-Mann die Kanzlerin gegen ihren Willen aus dem Amt mobben darf, da sie nach wie vor die beliebteste Politikerin Deutschlands ist und gerade bei CDU-Wählern Linientreue erwartet wird.
Wer also allzu offensichtlich ihren Sturz betreibt, wird mit Missachtung durch den Wähler gestraft.
Verschärft wird das Problem dadurch, daß Merkels südafrikanisches Thüringen-Machtwort und ihr Statement zu den Terrormorden von Hanau zeigten, daß ausgerechnet sie, die Vage, die sich nie positionieren mag, immer noch sehr viel klarer und konsequenter den Kurs vorgibt als die Möchtegern-CDU-Chefs von morgen.

[….] In dieser Woche zeigte sich einmal mehr, wie groß die Fußstapfen sind, in die einer der möglichen - bislang nur männlichen - Nachfolger treten wird. Beispielhaft war dafür die Reaktion der amtierenden Kanzlerin Angela Merkel auf den rassistischen Anschlag in Hanau. Merkels Botschaft war klar und eindeutig.
Viele AfD-Politiker haben den Anschlag als Werk eines Geisteskranken abgetan, um von der rechtsextremen Gesinnung des Täters abzulenken oder diese zum psychischen Problem kleinzureden. Diese Ausrede war der Kanzlerin kein Wort wert. Sie ordnete die Tat in ihren gesellschaftlichen Kontext ein und benannte ihre Ursache mit klaren Worten: "Rassismus ist Gift, der Hass ist ein Gift."
Merkel gab mit ihrer Aussage die Linie ihrer Partei vor, und das, obwohl sie der CDU schon seit geraumer Zeit nicht mehr vorsteht. Es ist das zweite Mal innerhalb kürzester Zeit, dass Merkel in einer wichtigen Phase ihrer vierten Kanzlerschaft einen klaren Standpunkt vertritt, wenn es um die Gefahren geht, die das Zusammenleben in der bunten und vielfältigen Gesellschaft bedrohen, die die Bundesrepublik schon lange ist. [….]

Röttgen, Laschet, Spahn und Merz müssen derzeit a) unbedingt Aufmerksamkeit generieren und b) den Parteimitgliedern vermitteln, daß sie führen können.
Aber selbst bei so einer Steilvorlage versagen alle Vier auf ganzer Linie; müssen sich gar von der alternden Ex-Chefin vorführen lassen.

Offensichtlich sind solche Klarstellungen von irgendjemand aus der CDU-Führung bitter nötig, da im derzeitigen Vakuum alle Parteiglieder orientierungslos frei drehen.

Vier Monate nach der Thüringischen Landtagswahl; am 27.10.2019 erreichte die CDU 21,7%, gab sie heute bekannt den ehemaligen MP Bodo Ramelow zum neuen Regierungschef zu wählen.
Eine taktische Glanzleistung, Mohring und AKK. Das hätten sie früher haben können, ohne die Landespartei demoskopisch auf 12% zu stürzen und die CDU-Bundesspitze zu pulverisieren!
Die Thüringer CDU steht nach 45,4% (1990), 42,6% (1994), 51,0% (1999), 43,0% (2004), 31,2% (2009), 33,5% (2014) nun also bei 12% und wählt gedemütigt einen Linken zum Ministerpräsidenten.

Dabei sind 12% möglicherweise eine Zahl, an die sich die CDU gewöhnen sollte.
Übermorgen bei der Landtagswahl in Hamburg erwarten sie nach der aktuellsten Umfrage ebenfalls 12%. Auch ein bißchen wenig nach 47,2% (2004) und 42,6% (2008) für die Union.

Gerade Hamburg zeigt, daß man für den totalen CDU-Niedergang kaum den allgemeinen Rechtsruck und die AfD verantwortlich machen kann. Die AfD ist hier schwach wie nirgends, wird möglicherweise sogar Probleme haben die 5%-Hürde zu überspringen. Der Hamburger CDU werden rechts kaum Stimmen weggenommen und dennoch schafft sie es bei aller Strampelei gerade mal halb so stark wie die Grünen zu werden.
Aber wieso sollte man in der prosperierenden Hansestadt auch CDU wählen?
Soziales und Umwelt kann Rot/Grün ohnehin besser und bei den einst klassischen CDU-Themen Finanzen, Sicherheit und Wirtschaft weist die SPD-Regierung sensationelle Werte auf. Nie war so viel Boom in Hamburg wie jetzt. Das finanzielle Schuldendesaster aus den CDU-Jahren 2001-2011 konnte in einen Etat-Überschuss gewandelt werden und die Kriminalitätsrate ist nach neun Jahren sozialdemokratischer Führung auf dem niedrigsten Stand seit 40 Jahren.

Wenn am Montag nach der Wahl das CDU-Präsidium in Berlin zusammentritt und die zwei mal zwölf Prozent aus Hamburg und Erfurt analysiert, wird man möglicherweise wehmütig an die Rekord-CDU-Werte die eher liberalen Merkel-Lieberknecht aus Thüringen und Merkel-Beust in Hamburg zurückdenken.

Es fragt sich, ob es einen Tag nach Hanau so gut ankommt, daß sich der vor von der Leyen höchste deutsche Europa-Politiker Günther Oettinger nun ausgerechnet dem Antisemiten Viktor Orbán verschreibt, der Demokratie, Pressefreiheit und Rechtsstaat bekämpft.
Deutschland erkennt jetzt erst offiziell an ein massives Nazi- und Rechtsextremen-Problem zu haben und der deutsche Ex-EU-Kommissar macht rüber zur Fidesz?

[…..] Oettinger soll für Orbán arbeiten
Der frühere EU-Kommissar Günther Oettinger soll einen neuen Rat für Wissenschaftspolitik in Ungarn leiten. Daran gibt es Kritik. Denn die Wissenschaftsfreiheit in dem Land ist unter Druck. [……]

Nun ist Oettingers Debilität europaweit bekannt, niemand wundert sich über den irrlichternden Sprachpanscher.
Aber soll das die neue Partei-Klarheit sein?
Einerseits mit den Linken und gleichzeitig mit Orbán?

Das Rezept des Friedrich Merz, der seit Jahrzehnten immer wieder mit seinen kapitalen Fehlprognosen amüsierte und nie auch nur einen praktikablen politischen Vorschlag gemacht hat, lautet nun, man müsse nur ihn zum Chef machen. Er wäre selbst so rechtskonservativ, daß er alle zur AfD abgewanderten AfD-Wähler zurückhole.
Was für eine Gaga-Hybis.
Alle Versuche von CDU- und CSU-Wahlkämpfern der AfD das Wasser abzugraben, indem man ihre Themen besetzte und nach rechts rutschte, endeten katastrophal für die Union und mit neuen AfD-Rekorden.
Den Überbietungswettbewerb nach rechts mit der AfD kann die CDU niemals gewinnen, weil Höckes Faschisten immer noch einen drauflegen können.
Wer einmal AfD wählt, dem kann die Partei nie zu rechts sein. Auch das zeigte Thüringen im Oktober 2019 eindrucksvoll als mit Bernd Höcke der schlimmste AfD-Hetzer antrat, der gerichtlich bestätigt „Faschist“ genannt werden darf und völlig unverhohlen Hitler imitiert. Höcke ist im Bundesland bekannt wie ein bunter Hund, jeder wußte was von ihm zu erwarten ist und genau damit erreichte er ein neues AfD-Rekordergebnis, während die nach rechts blinkenden Thüringen-Union, von der weite Teile mit den Faschisten koalieren wollen ihr schlechtestes Ergebnis seit 1990 holte.

Es kann der CDU nur schaden an die AfD heran zu robben.

Merz träumt aber von einer Wiederbelebung seines konservativen Kompasses aus den 1990ern und das ist sogar eine noch viel dümmere Idee als das Sympathisieren mit völkischem Dreck des Jahres 2020.
CDU-Sympathisanten sind beharrlich, mögen keine Veränderungen. Das denkt Merz und irrt dabei.
CDU-Wähler mögen nämlich nur keine abrupten Änderungen, sind aber für schneckenartigen Fortschritt durchaus zu erwärmen. Und sie sind gewöhnungsfähig.
Im Jahr 2000 hassten sie es von einer evangelischen Ost-Frau angeführt zu werden. Nach ein paar gewonnenen Bundeskanzlerwahlen liebten sie Merkel aber.
CDU-Fans waren einst gegen Umweltschutz, Mülltrennung und Katalysatoren. Sie liebten dafür Wehrdienst, straflose Vergewaltigung in der Ehe, Atomkraft und Kirche.
Sie hassten Homoehe, liberale Abtreibungsregelungen und Feminismus.
Aber wie bei allen gesellschaftlichen Liberalisierungen, kommen sie zwar langsam, setzen sich am Ende aber immer gegen die konservativen Ewiggestrigen durch.
Sie setzen sich aber auch bei den Konservativen durch.
Merz ist verrückt, wenn er glaubt das Rad zurückdrehen zu können. Selbst seine größten Fans werden sich nicht mehr mit einem totalen Abtreibungsverbot oder der Wiedereinführung der Prügelstrafe in der Ehe anfreunden.
Soll er es doch versuchen.

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