Donnerstag, 12. März 2020

Härtere Gangart

Es ist noch nicht so lange her, daß maßgebliche Unionspolitiker – Merkel, de Maizière, Seehofer – begeistert Hans-Georg Maaßen als Verfassungsschutzpräsidenten lobten; ihn gar um zwei Stufen zum Staatssekretär befördern wollten.
Dabei war schon Ende 2002 im Zuge der Murat Kurnaz-Affäre klar, daß der Mann für höhere Aufgaben ungeeignet ist.
Maaßen ließ nie nach, produzierte Dutzende Skandale, die immer mit seinen weit rechts außen angesiedelten Ansichten zu tun hatten.
Der zwischen Werte-Union und AfD im Braunen mäandernde Mann arbeitet inzwischen für die mehr als dubiose System 360 Deutschland GmbH und erfreut sich immer noch an seiner CDU-Mitgliedschaft.
AKK und Ziemiak reagierten nicht einmal, als der Ex-Verfassungsschutzpräsident letzte Woche der Thüringer CDU empfahl den rechtsextremen Faschisten Höcke zum Ministerpräsidenten zu wählen.
Wie ist das möglich; bzw, wie war das möglich?
Es gab einen dahingehenden Konsens die Gefahren für den Staat nur links zu sehen.
Der Rechtsterrorismus ist zwar seit Jahrzehnten sehr viel tödlicher und häufiger als der RAF-Terror aus dem Jahr 1977, aber er richtet sich stets gegen Minderheiten und Schwache.
Opfer sind Ausländer, Schwule, Migranten, Obdachlose – also Menschen, mit denen sich die meisten CDU-Politiker ohnehin nicht identifizieren.

AfD-Wähler galten den meisten CDU/CSU-Größen seit Bernd Lucke stets nur als „verirrte Schäfchen“. Heimatlose Konservative, besorge Bürger, Asylkritiker, von Merkel Enttäuschte, aber eben auch gute Patrioten, deren Sorgen man ernst nehmen müsse.
Und so rollten Will, Maischberger, Illner, Jauch und Plasberg die roten Teppiche aus, damit sich die Hetzer in epischer Breite präsentieren konnten, während maßgebliche Teile der CDU, insbesondere aber die Ministerpräsidenten Bayerns und Sachsens versuchten die AfD rechts zu überholen.
Fünf Jahre des dreisten Anbiederns an die verschwörungstheoretischen Rechtsaußen der AfD zeigten klare Ergebnisse:
Rekordverluste für die Union und kontinuierliche Stärkung der Faschisten.
Das waren die zu erwartenden Ergebnisse. Natürlich stärkten Kretschmer, Seehofer, Söder, de Maizière und Bosbach die AfD, machten die Braunen vom einstigen Rand zur 25%-Macht.
Dabei war der Befund lange klar: Bei der Hamburger Bürgerschaftswahl 2015 und der Bundestagswahl 2017 konnte man deutlich sehen, daß die AfD in Hamburg am schwächsten war, weil man ihr dort massiv entgegentrat und sich offensiv für eine Flüchtlingsfreundliche Politik starkmachte.
Da Gegenteil in Sachsen und Bayern, wo Union und AfD kaum zu unterscheiden waren: Rekordverluste für die CSU und in Sachsen wurde die AfD 2017 gar stärkste Partei.
Es bedurfte offenbar erst der Morde von Hanau, um auch Unionspolitikern klar zu machen, daß man faschistischen Verfassungsfeinden nicht nach dem Mund redet.
Einigen CDUlern wurde das klar; andere driften weiter nach Rechtsaußen.
Das erste klare Signal setzte wiederum Hamburg.
Während die AfD in den ostdeutschen Ländern, in denen Teile der CDU so furchtbar gern mit ihnen koalieren möchten, deutlich über 20% kommen, wären die Braunen bei der Bürgerschaftswahl vom 23.02. um ein Haar an der 5%-Hürde gescheitert.

Einige demokratische Player werden aber sensibler.
Xavier Naidoo, der eine lange Historie rassistischer, verschwörungstheoretischer und völkischer Äußerungen aufweist, darf diese stramm religiotisch-rechtslastige Meinung selbstverständlich weiter äußern, aber der private Arbeitgeber RTL sieht inzwischen wenigstens davon ab, so einem Hetzer noch eine Plattform zu geben.

Maaßens Nachfolger Thomas Haldenwang beendet den Samthandschuh-Kurs gegenüber den Faschisten um Höcke und Kalbitz.

[……] An diesem Donnerstag trat Verfassungsschutz-Präsident Thomas Haldenwang vor die Öffentlichkeit und erklärte das völkisch-nationalistische "Flügel"-Netzwerk der AfD zum Beobachtungsfall. Der "Flügel" sei eine "erwiesen extremistische Bestrebung", dessen Anführer Björn Höcke und Andreas Kalbitz - die AfD-Chefs aus Thüringen und Brandenburg - seien "Rechtsextremisten", so Haldenwang. Nach Schätzungen des Verfassungsschutzes hat der "Flügel" rund 7000 Anhänger. […..]

Endlich.
Und richtig.

[…..] Es war eine überfällige Entscheidung, die das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) getroffen hat. Der sogenannte Flügel der AfD ist nun ein offizielles Beobachtungsobjekt, er gilt als "rechtsextremistische Bestrebung". V-Leute und Telefonüberwachungen sind erlaubt, um die Absichten der nationalistisch-völkischen Truppe um Björn Höcke aufzuklären.
Weit wichtiger noch ist die Botschaft, die der Staat damit an die Partei und ihre Wähler sendet: Mindestens die von Mitgliedern des Flügels - er hat geschätzt 7000 Mitglieder - propagierten Alternativen für Deutschland vertragen sich nicht mit dem Grundgesetz. Man darf eine andere Politik wollen, aber keinen anderen Staat, man darf Menschenrechte und Verfassungsgrundsätze nicht missachten. Weite Teile der AfD kennen diesen Unterschied in ihrem Furor nicht. Oder wollen ihn auch gar nicht kennen. […..] Höcke, den die Partei selbst einmal ausschließen wollte, steht nun in ihrem Zentrum. Der Flügel sei "eine ganz wichtige Strömung innerhalb der Partei", lobt die Fraktionsvorsitzende der AfD im Bundestag, Alice Weidel. […..]

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