Samstag, 18. Mai 2024

Absolutistische Richter

 Die absolute Monarchie als Regierungsform ist indiskutabel. Das Volk hat keine Wahl und der Regent verfügt womöglich über keinerlei Qualifikation.

Europäische parlamentarische Monarchen sind dennoch fast immer viel beliebter als die gewählten Regierungschefs. Dafür gibt es eine Reihe von Gründen.

Sie treffen nicht die für das Volk unangenehmen Entscheidungen, müssen sich keinen schmutzigen Wahlkämpfen stellen, meistens werde sie seit ihrer Geburt sehr gut vorbereitet, zu PR-Profis erzogen. Ob Elisabeth Windsor als Bürgerliche eine gute Außenministerin geworden wäre, weiß niemand. Aber nach 70 Jahren als Staatsoberhaupt, war sie zwangläufig so erfahren, daß sie mehr Expertise als alle Kollegen besaß.

Und schließlich tritt ein enormer Gewöhnungsprozess ein. Der habituell denkfaule Staatsbürger mag, was er kennt, wagt ungern Neues. So konnten Kohl und Merkel immer wiedergewählt werden, obwohl eigentlich nur noch Schaden anrichteten.

Regierungserfahrung ist ein Kompetenz-Vorteil. Daher sind lange Amtszeiten zu begrüßen.

Das viel gescholtene britische House of Lords muss natürlich abgeschafft werden, weil es zutiefst undemokratisch ist, von 92 Erbadeligen, 26 Bischöfen und lauter Windeiern, die ihren Sitz von Tory-Regierungschefs kauften, okkupiert wird.

[….]  Aber auffällig ist halt schon, wer da so alles ins Oberhaus katapultiert wurde. Nach Angaben der Londoner »Times« zum Beispiel schafften es seit 2010, als die Konservativen unter David Cameron an die Macht kamen, 22 der großzügigsten Tory-Spender ins House of Lords. Sie hatten zusammen 54 Millionen Pfund springen lassen. Das kann natürlich Zufall sein. [….] Das freilich hinderte Boris Johnson nicht daran, seinen »Freund« Evgeny Lebedev, Sohn eines ehemaligen KGB-Spions und Besitzer mehrerer britischer Zeitungen, mit einem Sitz im Haus zu adeln. Die britischen Geheimdienste hatten zwar angemerkt, Lebedev stelle eine potenzielle »Bedrohung der nationalen Sicherheit« dar, aber warum hätte Johnson, gern gesehener Gast in Lebedevs italienischer Villa, das kümmern sollen? [….]Lebedev sitzt derweil weitgehend stumm im House of Lords. Aber dafür mit einem besonders hübschen Titel: Baron Lebedev of Hampton in the London Borough of Richmond upon Thames and of Siberia in the Russian Federation. Mehr als 90 neue Peers hat Johnson in seinen drei Jahren als Regierungschef bestallt. Selten hat jemand so ungeniert solvente Unterstützer und treue Vasallen in die Legislative bugsiert. Und es gibt wenig, das die hauseigene Ernennungskommission gegen solcherlei Schindluder tun könnte. Sie darf zwar von Kandidaten abraten, die das Haus »in Verruf bringen« könnten. Aber ob er oder sie dem Rat folgt, entscheidet jeder Regierungschef allein. Und ihrerseits darf die Kommission nur zwei Experten pro Jahr ins Oberhaus befördern.  […..]

(Spiegel, 26.01.2024)

Ein völlig indiskutables „Spukschloss an der Themse“ – einerseits.

Andererseits erscheinen die meisten Lords ohnehin nicht zur Parlamentsarbeit. Aber eine doch erkleckliche Minderheit wühlt sich akribisch durch Gesetzesvorlagen und arbeitet erstaunlich sinnvoll, weil sie nicht von Parteidisziplin oder Wahlen behindert wird.  Diesen Lords kann niemand etwas, sie müssen sich nicht fürchten, haben nichts zu verlieren, sind daher auch nicht in Abhängigkeiten zu verwickeln. Vorteile einer lebenslangen Amtszeit.

Lange Amtszeiten sind aber gleichzeitig auch sehr gefährlich, weil sie eher undemokratisch sind und zur Bräsigkeit verleiten. Nach zehn, zwölf, 14 Jahren fängt ein Kanzler keine notwendigen Reformen mehr an und sitzt, um des Machterhalts Willen, alles aus. Und das ist noch die weniger gefährliche Variante.

 Andere Dauerregenten wie Putin, Hasina Wajed, Orbán, Netanyahu oder Erdoğan entwickeln Allmachtsphantasien und mutieren zu rechten Diktatoren.

Daher sind Amtszeitbegrenzungen und regelmäßige Wahlen in vielen Nationen vorgesehen, um das Abgleiten in eine Diktatur zu erschweren.

Gleichzeitig sind dauernde Wahlkämpfe Hemmschuhe der Parlamentsarbeit. Im Wahljahr passiert nichts mehr, weil alle in ihre Wahlkreise ausfliegen, Spenden sammeln und endlose Wahlkampfreden halten. Das nervt und ist extrem teuer. Zudem sind in Deutschland immer Wahlen. 16 Landtagswahlen, 16 Kommunalwahlen, Bundestagswahl, Europawahl, Bundespräsidentenwahl.

Jeder versteht; das ist zu viel des Guten, und so wurden bereits in allen Bundesländern die Legislaturperioden von vier auf fünf Jahre verlängert.

In den USA beträgt die Legislaturperiode des „House“ nur zwei Jahre. Die Parlamentarier befinden sich quasi im Dauerwahlkampf, werden extrem empfänglich für reiche Spender. Das ist absurd und einer der Gründe, die den US-Kongress so dysfunktional machen.

Auch die Amtszeitbegrenzung für Präsidenten, kann tragisch enden. Ja, in seiner zweiten und damit definitiv letzten Amtszeit kann ein US-Präsident freier und mutiger werden. Das gilt für Barack Obama, der praktisch seine gesamte erste Amtszeit verplemperte, weil er zu vorsichtig und rücksichtsvoll war.

Andererseits verkommt der Potus nach fünf oder sechs Jahren automatisch zur lame duck, weil alle bereits das neue Machtzentrum antizipieren oder aber – auch das trifft auf Obama zu – sie inzwischen die parlamentarischen Mehrheiten verloren haben, um ihre Politik umzusetzen.

Eine dramatische Fehlleistung der Geschichte war Bill Clintons Amtszeitverkürzung im Wahljahr 2000. Er war einer der intelligentesten und erfolgreichsten US-Präsidenten aller Zeiten, der 2000 im Alter von nur 54 Jahren auf dem Höhepunkt seiner Schaffenskraft ins Aus gezwungen wurde. Seine Zustimmungswerte waren so enorm, daß er eine dritte Wahl mit einem Erdrutschsieg gewonnen hätte. Stattdessen wurde im Januar 2001 ein mit Stimmenminderheit gewählter absoluter Idiot Clintons Nachfolger. GWB, der im selben Jahr, nach dem 11.September, die Welt in eine Megakatastrophe mit über einer Millionen Toten, Krieg, Terror und einer gewaltigen Weltfinanzkrise führte, von der man sich bis heute nicht erholt hat. Was für eine Tragik. Was hätte der Welt erspart bleiben können, wenn es in den USA keine Amtszeitbegrenzung auf acht Jahre gäbe und Clinton noch im Amt gewesen wäre!

Die Antithese zum 24-monatigen Wahlzyklus und der Begrenzung auf zwei Potus-Amtszeiten, sind die auf Lebenszeit ernannten Supremecourt-Richter, die idealerweise ausschließlich nach Qualifikation ausgesucht werden und nach dem britischen House-Of-Lords-Prinzip völlig unabhängig agieren sollen, weil sie keine Wahlen fürchten müssen und ihre Karriere nicht enden kann. Eigentlich eine gute Idee.

Uneigentlich können GOPer Präsidenten hochkorrupte rechtsradikale Schwachköpfe zu obersten Richtern ernennen, die dann eigenmächtig Politik machen und nicht mehr loszuwerden sind.

[….] Ein Foto vor dem Haus des obersten Richters Samuel Alito zeigt die Stars and Stripes, kopfüber aufgehängt. Über ein toxisches Zeichen, das den Wahlkampf in den USA weiter anheizt.

[….] Die Aufnahme stammt offenbar vom 17. Januar 2021, also wenige Tage vor Joe Bidens Amtsantritt als 46. Präsident der Vereinigten Staaten. Im November 2020 hatte Biden die Wahl gegen Donald Trump gewonnen, Trump sollte das Weiße Haus zügig verlassen, aber er wollte nicht. Am 6. Januar 2021 rief der Verlierer seine Anhänger zusammen, ein Mob stürmte daraufhin das Kapitol, in dem der Sieg seines Nachfolgers bestätigt werden sollte.

Es gab Tote und Verletzte, einige Angreifer hatten auch umgedrehte US-Fahnen dabei. Diese Version war eines der Symbole von "Stop the Steal" im Zuge von Trumps Lüge, ihm sei der Triumph gestohlen worden. Im Obersten Gerichtshof wurden derweil noch juristische Versuche geprüft, das Ergebnis zu kippen. Und heute, kurz vor dem nächsten Duell mit Biden am 5. November, geht die Debatte über Trumps Rebellion von damals in die nächsten Runden. [….] Der Supreme Court erörtert gerade Fälle, die mit dem Sturm auf den Kongress zu tun haben, es geht unter anderem um Trumps Wunsch nach Immunität. Er findet, ein Präsident müsse für sämtliche Aktionen seiner Ära straflos bleiben, also auch für diese Art Putschversuch. Sehen die Granden der Justiz das genauso, dann wäre der geplante Prozess gegen Trump wegen mutmaßlicher Verschwörung geplatzt; ein Sonderermittler hatte Anklage erhoben.  Eine entscheidende Figur der mächtigsten Juroren ist Samuel Alito, 74 Jahre alt, 2006 vom damaligen Staatschef George W. Bush ernannt, einem Republikaner. Er beerbte die legendäre Richterin Sandra Day O'Connor und trägt seither zum Rechtsruck dieser letzten Instanz bei. [….] Beobachter gruseln sich bei dem Gedanken, dass eine so maßgebliche Stimme der Nation die 50 Sterne nach unten baumeln ließ, als sei dies ein besonders radikaler Beitrag zu Trumps Maga-Runde. [….]

(Peter Burghardt, 17.05.2024)

[….] Man nennt sie »Upside Down Flag«: Anhänger von Donald Trump verwenden die umgedreht aufgehängte amerikanische Flagge oft, mit ihr verweisen sie auf dessen Mär von der gestohlenen Präsidentschaftswahl und angeblichem Betrug bei der Abstimmung. [….] 2015 war Alito einer von vier Richtern, die sich gegen die Legalisierung der gleichgeschlechtlichen Ehe aussprach. Das Urteil, mit dem das Gericht das landesweite Recht auf Abtreibung kippte (bekannt unter »Roe vs. Wade«), geht maßgeblich auf seinen Entwurf zurück. Seine Meinung zu der rechtlichen Praxis war eindeutig: »Roe war von Anfang an auf bestürzende Art und Weise falsch«, schrieb er damals. »Es hat die Debatte über Abtreibung in den USA nicht etwa befriedet, sondern sie erst entfacht und die Spaltung des Landes vertieft.« Anders als die meisten Richter stimmt Alito auch für Einschränkungen beim Verkauf von Abtreibungspillen.

Alito ist nicht die einzige Person im Supreme Court, deren Ernennung oder Amtsführung von Skandalen begleitet ist. [….] Clarence Thomas, Jahrgang 1948, ist der dienstälteste Richter am Supreme Court. Nominiert wurde er bereits 1991 von George Bush. Er gilt als Drahtzieher hinter vielen Entscheidungen und vertritt oft ultrakonservative Positionen. Als das Gericht 2022 das landesweite Recht auf Abtreibung kippte, schrieb Thomas in einer Stellungnahme, dass auch Entscheidungen, die das Recht auf Verhütung, die gleichgeschlechtliche Ehe oder Sex unter gleichgeschlechtlichen Partnern verankern, überprüft werden müssten. Thomas geriet 2023 in die Kritik, weil er zahlreiche Luxusgeschenke von einem republikanischen Großspender annahm – darunter Reisen per Jacht oder im Privatjet. [….] Brett Kavanaugh, Jahrgang 1965, gehört dem Gericht seit 2018 an. Seine Nominierung wurde überschattet von Vorwürfen: Mehrere Frauen bezichtigen Kavanaugh sexueller Übergriffe in den Achtzigerjahren. Der erzkonservative Kavanaugh wies die Vorwürfe zurück, Kritiker der Ernennung konnten schließlich erreichen, dass Präsident Trump FBI-Ermittlungen zu den Vorwürfen anordnete. Mehr aber nicht: Nach erbittertem Streit wurde Kavanaugh schließlich doch zum Richter ernannt. […..] Amy Coney Barrett, Jahrgang 1972, gilt als fromm, konservativ und eine strikte Abtreibungsgegnerin. Amy Coney Barret, durchgesetzt von Donald Trump, folgte 2020 auf die verstorbene liberale Richterin Ruth Bader Ginsburg und damit als Personalie, die im Supreme Court das Ungleichgewicht noch einmal verstärkte: Mit ihrer Ernennung saßen nur noch drei als liberal geltende Juristen in dem Gericht, aber sechs als konservativ geltende. Sie gehört der katholischen Splittergruppe »People of Praise« an. [….]

(SPON, 17.05.2024)

Beim hochkorrupten Thomas kommt als besonders Problem seine rechtsextreme Election-denier-Frau Ginni hinzu, die eine wichtige Rolle beim Sturm auf das US-Kapitol spielte.

[….] A quick refresher on the facts: In the weeks following the election, Ginni Thomas sent then-White House Chief of Staff Mark Meadows a series of unhinged text messages echoing Trump’s false claims of election fraud, urging Meadows to prevent “Biden and the Left” from “attempting the greatest Heist of our History” and imploring Meadows to “save us from the left taking America down.” She lobbied lawmakers in at least two battleground states to overturn Biden’s win and attended the rally on Jan. 6, 2021, prior to the siege of the U.S. Capitol.

After the text messages with Meadows became public, a POLITICO/Morning Consult poll reported that most respondents believed that Justice Thomas should recuse himself from any “cases related to the 2020 election.”

Thus far, Justice Thomas has avoided addressing any of this publicly. He did not recuse himself early last year when the court rebuffed Trump’s effort to block the Jan. 6 committee from obtaining records from the National Archives. (He was the lone dissenter.) He did, however, recuse himself when John Eastman, one of the legal architects of Trump’s effort, tried and failed to get the Supreme Court to review an order requiring him to produce emails to congressional investigators. Ginni Thomas reportedly exchanged emails with Eastman, but the recusal was likely spurred by the fact that Eastman is a former Thomas clerk.  […]

(Politico, 21.12.2023)


Solche korrupten Abstrusitäten hätten sich noch die Autoren von House Of Cards nicht getraut, weil das als zu gaga von den Zuschauern verachtet worden wäre.

Freitag, 17. Mai 2024

Toxisch gelb

 Die Ampel macht alles falsch, die Ampel streitet schon wieder, die Ampel muss weg, die Ampel, die Ampel!

Ich kann dieses unterkomplexe pauschale Ampel-Bashing nicht mehr hören. Was richtig schlechte Minister und richtig schlechte Kanzler bedeuten, haben wir unter Kohl und Merkel erlebt. Kollektiv überforderte C-Pfeifen, die das reformierte, prosperierende, moderne Schröder/Trittin-Deutschland 2005 übernahmen und sogleich in jedem erdenklichen Aspekt den internationalen Abstieg einleiteten.

Bildungssystem, Steuersystem, Infrastruktur, Digitalisierung, Bahn, Bundeswehr, Öko-Energie, Klimaschutz – wo man hinsieht: Es ist alles Schrott und erfordert nun in einer multipolaren internationalen Gigakrise, mit Krieg in Europa, in jedem Ministerium absolute Herkulesarbeit. Das ist ohnehin fast nicht zu leisten, aber hinzu kommen noch die schwachen Mehrheiten und ein ungeheuerlicher Finanzbedarf.

„Die“ Ampel ist nicht das Problem. Rot und Grün arbeiten gut.

Es ist nur die hochideologische, zutiefst irrationale Millionärs-Lobbytruppe FDP, die alles unternimmt, um die Regierungsarbeit zu torpedieren und Deutschland unbedingt ruinieren will.

[….]  Für die Verkäufer von Kraft-, Brenn- und Schmierstoffen war der letzte Bundesparteitag der FDP ein voller Erfolg. Ihre Lobby-Organisation »Uniti – Bundesverband EnergieMittelstand« war bei dem Event Ende April in Berlin prominent mit einem Infostand vertreten und durfte ihre neue Kampagne gegen das Aus von Verbrennungsmotoren präsentieren.

Man habe »viele gute Gespräche« geführt, freute sich der Verband auf seiner Website, unter anderem mit FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner sowie Verkehrsminister Volker Wissing. »Besonderer Dank« gebühre zudem der FDP-nahen Friedrich-Naumann-Stiftung, die Uniti-Hauptgeschäftsführer Elmar Kühn auf einem Panel die Möglichkeit gegeben habe, den Standpunkt des Verbands zu »nachhaltigen Energieimporten und synthetischen Kraftstoffen« zu erörtern.

Am Rande der Veranstaltung ließen sich die FDP-Minister Lindner und Wissing dann sogar noch für ein PR-Foto gewinnen, auf dem sie ein großformatiges Plakat der Treibstofflobbyisten halten: »Verbrennerverbot stoppen! Freie Fahrt für E-Fuels!«  Und auch die FDP konnte sich freuen: Wenige Tage nach dem exklusiven Fototermin überwies eine Tochterfirma des Lobbyverbands, die Uniti Kraftstoff GmbH, eine großzügige Parteispende: Am 3. Mai 2024 flossen 50.000 Euro auf ein FDP-Konto.  […..]

(Sven Röbel, 16.05.2024)

Offenbar reicht es der FDP nicht aus, die Bundesrepublik in den Orkus zu ziehen, sie blockiert vor der Europawahl auch mit großer Verve Brüssel und Straßburg, weil sie offenkundig den rechtsextremen Europafeinden helfen möchte.

Zu allem Unglück amtiert der realitätsblinde Porsche-Lobbyist Lindner als Finanzminister an der zentralsten Stelle der Ampel und kann im Alleingang jede Regierungsarbeit kaputt machen.

Mit seiner kontrafaktischen Sparideologie führt er gegen jede Vernunft und gegen die Ansicht nahezu aller Experten, die Wirtschaft immer tiefer in die Krise. Nur der FDP haben wir zu verdanken, daß Deutschland das geringste Wachstum aller G20-Nationen aufweist. Hoch erfolgreiche Ökonomien, wie die derzeit boomenden USA, folgen einem einfachen Rezept: Sie machen das diametrale Gegenteil dessen, was Lindner predigt und nehmen viel Geld in die Hand, um in die Zukunft zu investieren.

China ist mit der Methode schon so weit entrückt, daß das in hepatitsgelben Ketten liegende Deutschland die technologisch Lücke nach Asien nie mehr aufholen wird.

[…..] Für Finanzminister Christian Lindner (FDP) ist die Schuldenbremse nicht verhandelbar. Sie sei ein "Gebot der Verfassung" und ein "Gebot der ökonomischen Vernunft", sagt er schon lange. Schließlich würden mehr Schulden auch mehr Zinszahlungen nach sich ziehen. Das würde die Inflation erhöhen und nachfolgende Generationen belasten. Deshalb müssten nötige Investitionen aus dem normalen Haushalt gestemmt werden. Führende Ökonom:innen sehen das anders. 

👉 Eine aktuelle Analyse von Forschenden des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK) der Hans-Böckler-Stiftung und des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW Köln) berechnet, wie viel Geld die öffentliche Hand in den nächsten zehn Jahren investieren müsste, um Deutschland fit zu machen für die kommenden Jahrzehnte – zum Beispiel in Sachen Infrastruktur. Ergebnis: insgesamt rund 600 Milliarden, der größte Teil für Straßen, Schienen und den Klimaschutz.

👉 Anders als der Wirtschaftsminister sagen die Forschenden, das sei aus den regulären Haushalten kaum zu finanzieren. Der Staat solle lieber die Schuldenbremse reformieren oder neue sog. Sondervermögen schaffen – also Kredite aufnehmen.

👉 Die Autor:innen der Studie sagen auch, dass das volkswirtschaftlich kein großes Problem sei. 600 Milliarden in 10 Jahren sei für eine große Volkswirtschaft wie die deutsche überschaubar. Die staatliche Schuldenquote könnte auf Basis der gängigen Annahmen zum künftigen Wirtschaftswachstum sogar weiter sinken. Es gäbe also keine besonders hohe Zinsbelastung und auch keine unzumutbare Belastung künftiger Generationen. Es sei im Gegenteil wichtig, jetzt zu investieren, weil sich die Infrastrukturqualität "immer stärker zum Hemmnis für wirtschaftliche Dynamik" entwickelt habe.   [….]

(Monitor, 16.05.2024)

Die toxische FDP-Misere innerhalb der Ampel ist ebenso offensichtlich, wie unabänderlich.

Umso ärgerlicher ist es, wie unterkomplex nahezu alle Journalisten alle Ampelparteien in eine Schublade stecken und sie gleichermaßen für Streit und Stillstand verantwortlich machen. Das ist schlicht und ergreifend unwahr. Die Grünen und die SPD sind verlässliche Koalitionäre, die an Kompromissen arbeiten und einmal gemachte Zusagen einhalten.

Allein die gelbe Pest agiert radikal unseriös, bricht jedes Versprechen, konterkariert morgen alles, was sie heute zusagt. Nicht nur das Wort der FDP gilt nichts, auch ihre Unterschrift hat keinerlei Wert mehr.  Niemand kann diese gelben Extremisten noch ernst nehmen.

[….] Was interessiert mich mein Geschwätz von März?

[….] Man muss Franz Josef Strauß nicht zur Legende erheben und schon gar nicht zum Vorbild. Aber wenn der studierte Altphilologe ins Lateinische fiel, verkündete er bisweilen Prinzipien, denen zu folgen sich auch für heutige Koalitionäre lohnen könnte. "Pacta sunt servanda", so machte der CSU-Übervater einst einen Grundsatz des römischen Rechts populär: Absprachen seien einzuhalten, auch wenn sie nicht immer gefielen - ihm in diesem Fall nicht die Ostverträge der Regierung Willy Brandt.

Beim Blick auf die Ampelkoalition hingegen verfestigt sich der Eindruck, dass Vereinbarungen nichts sind, an das sich die Partner halten müssten. Ist es nicht erst zwei Monate her, dass der FDP-Chef und Finanzminister Christian Lindner und der sozialdemokratische Arbeitsminister Hubertus Heil in demonstrativer Eintracht verkündeten, man habe sich auf ein Rentenpaket geeinigt? Und der FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai über einen "Riesenerfolg" jubelte? Tempi passati, auf Deutsch: Was schert mich mein Geschwätz von März?

Die FDP will das Paket wieder aufschnüren und nachbessern. [….]

(Jan Bielicki, 12.05.2024)

 

Wenn zukünftige Politologie-Studenten-Generationen lernen sollen, wie man nicht regieren darf, müssen sie sich nur die lehrbuchartigen Abschreck-Beispiele 2009-2013 und 2021-2024/5 angucken.

Journalisten müssen endlich den Teufel beim Namen nennen: FDP – die Belzebuben.

 

Anders als in der Westerwelle-Regierung wird das Lindner-Desaster aber mutmaßlich die Bundesrepublik so tief in den Abgrund stoßen, daß sie sich nie mehr erholt. (Ganz sicher nicht, wenn der Urnenpöbel auf die Scheuer-Spahn-Union setzt.)

 

[….] Die Steuerschätzung, die Bundesfinanzminister Christian Lindner an diesem Donnerstag vorgelegt hat, lässt sich auf einen Nenner bringen: Die fetten Jahre sind vorbei. Hohe Steuereinnahmen, wie sie in der langen konjunkturellen Hochphase der vergangenen Jahre erzielt wurden, sind in den nächsten vier Jahren nicht zu erwarten. Das Minus beträgt laut Lindner rund 80 Milliarden Euro.

Was die Haushaltslage allerdings nicht bedeutet, ist, den Gürtel enger zu schnallen.  Denn der Staat muss in den kommenden Jahren nicht sparen, sondern investieren. Viel, aber gezielt. Und er muss auch sparen, und zwar gezielt. Alles mit dem Fokus darauf, die Konjunktur wieder zum Laufen zu bringen. Denn die stagnierende Wirtschaft ist der Hauptgrund, warum Lindner so maue Steuerzahlen vorgelegt hat.  Die Wirtschaft steckt in einem gewaltigen Umbau hin zu klimaneutraler Produktion. Die künstliche Intelligenz verändert, wie Maschinen arbeiten. Die Digitalisierung lässt Arbeitsplätze verschwinden und neue entstehen. Nur der Wandel wird den Wohlstand sichern. Der Staat muss für die nötige Infrastruktur sorgen, er muss schnelle Stromnetze bereitstellen, für Ladesäulen und funktionierende Verkehrswege sorgen. Er muss gezielt Forschung unterstützen und strategische Industrieansiedlung betreiben. [….] Es wäre fatal, wenn man nun glaubt, der Staat könne sich da raushalten. Er muss für mehr sorgen als nur die Rahmenbedingungen. Der internationale Wettlauf mit China und den USA, beides Supermächte mit enormen Subventionsprogrammen in diesem Bereich, zwingt Deutschland, viel Geld in die Hand zu nehmen. Die Schuldenbremse muss deshalb so reformiert werden, dass investive Ausgaben nicht mehr darin eingerechnet werden. [….]

(Gerald Traufetter, 16.05.2024)

Donnerstag, 16. Mai 2024

Auf dem Rücken der Schwulen

Wir kennen das aus den USA. Mit dem Auftauchen Donald Trumps auf der politischen Bühne im Jahr 2015, als er so ungeniert Hass gegen Minderheiten rausbrüllte, daß sämtliche Medienhäuserperplex einfach die Kameras draufhielten, vergiftete das nicht nur so etwas Abstraktes wie die politische Kultur der USA.

Weiße alte Männer und Christen fungierten als gewaltige Echokammer der Hetze.

Sie krochen landesweit aus ihren Löchern, fühlten sich nicht nur ermutigt, sondern geradezu verpflichtet, die permanenten wenig verhohlenen Anstiftungen zur Gewalt auch umzusetzen. Antisemitische Schlägerbanden, die „Jews will not replace us!“ skandierend durch die USA zogen, nannte der US-Präsident „very fine people“ und weiße Nazi-Paramilitärs  hörten vom mächtigsten Mann der Welt „stand back and stand by!“

Das vergiftete die politische Kultur und führte zu einer totalen Abstumpfung der Medien und Wähler, die hochgradig kriminelle Verfassungsfeinde nun für geeignete Toppolitiker halten. Das hatte aber für die Ziele der verbalen Hassattacken auch sehr konkrete Folgen: Die Hatecrimes in den USA nahmen rasant zu.

Juden, Schwule, POCs wurden vermehrt attackiert und ermordet.

(…..) [….] So wie Booker, Senator in New Jersey, äußerten sich auch andere Anwärter. "Wir haben einen Präsidenten, der Mexikaner dämonisiert", sagte Pete Buttigieg, der Bürgermeister von South Bend, Indiana und fügte hinzu: "Wir erleben eine Form des weißen Terrorismus, der hier in den USA herangezüchtet wurde." Beto O'Rourke, der in El Paso geboren wurde, nannte Trump einen Rassisten, der an die Überlegenheit der weißen Amerikaner glaube: "Er befördert diese Gewalt." [….] 

(René Pfister, 04.08.19)

Trump äußert sich schließlich nicht gelegentlich rassistisch oder setzt seinen Rassismus nur zu Wahlkampfzwecken ein. Nein, die gesamte Familie Trump ist seit Generationen rassistisch, Trump selbst führt seit den 1970er Jahren rassistische Kampagnen und posaunt als Präsident beinahe täglich die übelsten rassistischen Attacken hinaus. Rassismus ist aber keine bloße Unhöflichkeit oder Beleidigung, sondern führt zu Mord und Totschlag. Charles Manson brachte seine Opfer auch nicht mit eigenen Händen um.

Jeder halbwegs anständige Menschen versteht das; dafür muss man nichts selbst dunkelhäutig, schwul oder Ausländer sein. Es gibt keine Rechtfertigung, um so ein mieses Stück Scheiße wie Trump zu akzeptieren.

Wir alle, von den einzelnen privaten Postern in den sozialen Medien bis hinaus zu den Regierungschefs müssen Trump und seinen ideologischen Freunden Johnson, Duterte, Salvini und Bolsonaro jederzeit massiv entgegen treten.

[….]  Die mexikanische Regierung spricht nach dem Terroranschlag im texanischen El Paso von "fremdenfeindlicher Barbarei". Der Vize-Außenminister lässt keinen Zweifel daran, wen er für den Anstifter hält.

[….]   "Wir verurteilen diese barbarische Tat, bei der unschuldige Mexikaner getötet wurden", sagte Außenminister Marcelo Ebrard [….]  Auch sein Vize, Jesús Seade, verurteilte den offenbar rassistisch motivierten Angriff: "Solche mutwilligen Taten der fremdenfeindlichen Barbarei haben keinen Platz in der heutigen Welt", schrieb er auf Twitter. Und weiter: "Die Rhetorik, die sie anstachelt, muss komplett beendet werden."

Eine deutliche Ansage an Donald Trump: War es doch der US-Präsident, der sich in den vergangenen Wochen mehrfach massiv rassistisch geäußert hatte. [….] 

(SPON, 04.08.19)

So wie Trump seit drei Jahren die Zahl der Hate-Crimes in Amerika Monat für Monat ansteigen lässt führen auch die AfD und deutsche Hetzblogs zu einem kontinuierlichen Anstieg der Gewalt gegen Minderheiten.

[…..] AfD schürt Furcht vor Zuwanderern

Die AfD rückt ausländische Tatverdächtige in den Mittelpunkt und zeichnet im Vergleich zur Kriminalstatistik ein verzerrtes Bild. Das mache sie "überraschend konsequent", sagen Forscher, die AfD-Pressemitteilungen analysiert haben. Eine Studie von Medienforschern über die AfD kommt zu dem Ergebnis, dass die Partei systematisch Angst vor Zuwanderern schürt. Die Professoren Thomas Hestermann (Hamburg) und Elisa Hoven (Leipzig) werteten dazu mehr als 240 Pressemitteilungen der AfD zum Thema Kriminalität auf Bundes- und Länderebene aus dem Jahr 2018. […..]

(Tagesschau, 04.08.19)

Ob AfD, ob Weidel, ob Steinbach, ob Berger oder ob Grenell, Trump, Johnson oder Salvini – diese Typen sind Abschaum. Man muss sich ihrer Agenda 24/7 widersetzen. (…..)

(MABA, 04.08.2019)

Besonders rasant ist die Zunahme der anti-LGBTIQ+ Gewalttaten.

[….] The Human Rights Campaign reported that 2021 was the deadliest year on record for trans and gender-nonconforming people, with 57 fatalities tracked. So far in 2022, 11 trans and gender-nonconforming people have been fatally shot or killed by other violent means.

“We’ve seen that hate crimes continue to rise for the Black community, the LGBTQ+ community, and especially Black trans women,” York said. “As it’s happening across this country, dozens of Black trans women are murdered with no accountability … These crimes against our community happen with no accountability, no justice. It sends the message that ‘You can pick on the queers and the trans folks and nonbinary folks, they’re disposable. I can do this crime and get away with it, even in New York.’”

According to Bloomberg, the number of bills targeting the LGBTQ+ community is also at an all-time high. Across the country, Republicans have proposed 325 anti-LGBTQ+ bills as of April 8, 130 of which target transgender people specifically. In 2021, 27 of the 268 introduced bills made it into law. Since Florida’s “Don’t Say Gay Bill” passed in March, a dozen other conservative states have expressed a desire to pass identical legislation. Data has shown that restrictive legislation has consequences on the mental and physical health of the queer and trans community, especially youth. A 2021 study shows that LGBTQ+ teens in states with homophobic and transphobic policies were more likely to attempt suicide than those in states with inclusive policies. In March, the CDC released data that nearly 47% of gay, lesbian, and bisexual youth seriously considered attempting suicide in the in the 12 months before the survey. Advocates fear legislation like “Don’t Say Gay” will only exacerbate these consequences for queer and trans youth.  […..]

(Prism, 20.04.2023)

Die Zahlen für Europa und Deutschland nehmen angesichts des Aufstiegs der rechtsextremen Parteien in ähnlichen Maße zu. Es ist schließlich nicht „nur“ die AfD, die homo- und transphobe Tiraden ablässt, sondern Hetze gegen „Gender-Gaga“, das Selbstbestimmungsgesetz, Dragqueens an Schulen wird ebenfalls fleißig von FW, CDU und CSU befeuert.

[…..] Beleidigungen, Drohungen und physische Angriffe auf Menschen aus dem Spektrum von LGBTIQ+ nehmen zu. An Schulen ist die Lage besonders dramatisch. Und auch in Deutschland ist die Lage unsicher: Die deutsche LGBTIQ-Community ist etwas stärker betroffen als der EU-Schnitt.

In der Europäischen Union werden Menschen wegen ihrer sexuellen Identität laut einer Umfrage immer häufiger attackiert und belästigt. Im Gegensatz dazu hat Diskriminierung durch Behörden, Gesundheitseinrichtungen, Schulen und Firmen insgesamt abgenommen. Das geht aus einer Online-Befragung von mehr als 100.000 LGBTIQ-Personen in der EU und einigen Kandidatenländern hervor, die am Dienstag von der EU-Agentur für Grundrechte (FRA) in Wien veröffentlicht wurde.

Lesbische, schwule, bisexuelle, transgeschlechtliche, intergeschlechtliche und queere Menschen (engl.: LGBTIQ) wurden unter anderem gefragt, ob sie in den vorangegangenen zwölf Monaten verbal belästigt oder bedroht worden waren. Bei 54 Prozent war das der Fall – deutlich mehr als bei der vorigen FRA-Umfrage von 2019, die einen Wert von 37 Prozent ergeben hatte. Der Anteil der Menschen, die in den Jahren vor der Umfrage Gewalt erlebten, stieg auf 14 Prozent, von 11 Prozent im Jahr 2019.  […..]

(RND, 14.05.2024)

„Dank“ geht nicht nur an Chrupalla und Storch, sondern auch an Söder und Merz.

[….]  Zahl der queer­feindlichen Straftaten explodiert weiter

Erneut meldet die Bundesregierung einen Anstieg der Hassdelikte gegen queere Menschen.  Im vergangenen Jahr sind die Zahlen der registrierten Straftaten, die als queerfeindlich eingeordnet wurden, erneut in die Höhe geschossen. Wie aus der Antwort der Bundesregierung auf eine Anfrage der Queerpolitikerin Ulle Schauws (Grüne) hervorgeht, wurden im Kriminalpolizeilichen Meldedienst vergangenes Jahr in Deutschland 1.005 Hassdelikte im Zusammenhang mit dem Themenfeld "Sexuelle Orientierung" registriert 2021 waren es noch 870. Das entspricht einem Anstieg von 16 Prozent. Zudem wurden 417 Delikte im Bereich "Geschlechtsbezogene Diversität" gemeldet. Dieses Unterthemenfeld ist neu – im Jahr zuvor hatte es noch "Geschlecht/sexuelle Identität" geheißen. 2021 waren in diesem Bereich 340 Fälle gemeldet worden.

Gewaltdelikte gab es im Bereich "sexuelle Orientierung" insgesamt 227, bei "Geschlechtsbezogener Diversität" waren es 82. Ansonsten wurden insbesondere Beleidigungen (341/120) und Volksverhetzungen (147/65) registriert. [….]

(Queer, 30.03.2023)

Was für ein Armutszeugnis im Jahr 2024!

[…..] Der Queerbeauftragte der Bundesregierung, Sven Lehmann (Grüne), hat den designierten CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz scharf angegriffen. Dieser habe "ganz klar homofeindliche Muster im Kopf", sagte Lehmann den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Merz, der am Samstag auf dem digitalen CDU-Parteitag zum Nachfolger von Armin Laschet gewählt werden soll, war vor einigen Monaten in einem Interview gefragt worden, wie er zu einem homosexuellen Bundeskanzler stehen würde. Merz antwortete damals: "Solange sich das im Rahmen der Gesetze bewegt und solange es nicht Kinder betrifft – an der Stelle ist für mich allerdings eine absolute Grenze erreicht -, ist das kein Thema für die öffentliche Diskussion.". Später versuchte er, Kritik an seiner Äußerung als Fake News herunterzuspielen

Sven Lehmann wiederholte seine Kritik am desiginierten CDU-Vorsitzenden: "Niemals hätte jemand gefragt: Wie stehen Sie zu einem heterosexuellen Bundeskanzler? Und dass Friedrich Merz Homosexualität mit Pädokriminalität, Gesetzeswidrigem und irgendwie Schmuddeligem in Verbindung bringt, zeigt, dass er ganz klar homofeindliche Muster im Kopf hat."  [….]

(Queer, 21.01.2022)

Und die CDUCSU steigt weiter in den Umfragen; AfD und CDUCSU zusammen haben bei allen demoskopischen Instituten eine klare absolute Mehrheit.

[….] 90 Prozent der Angriffe werden nie angezeigt

Und nach wie vor werden dabei 89 Prozent der Fälle gar nicht erst offiziell dokumentiert, da sie nie gemeldet oder angezeigt werden. In Deutschland kommen sogar 90 Prozent nie zur Anzeige. Die Gewalt gegenüber LGBTI*-Menschen hat in den letzten Jahren sogar noch zugenommen, 13 Prozent der Befragten war davon betroffen, noch mehr sogar in Deutschland (16%). 

Stark zugenommen haben in den letzten fünf Jahren auch Belästigungen, jeder zweite LGBTI*-Mensch erlebte hassmotivierte verbale Angriffe. Blickt man allein auf das letzte Jahr, zeigt sich, dass diese Entwicklung weiter an Brisanz zunimmt: Hier wurden sogar 57 Prozent in Deutschland (in der ganzen EU 54%) belästigt. Fast jeder Dritte (29%) meidet so inzwischen aus Angst auch bestimmte Orte, in Deutschland ist es jeder fünfte LGBTI*-Mensch (21%).  Noch dramatischer zeichnet sich das Thema Mobbing an Schulen ab – bedauerlicherweise in allen EU-Ländern und allen Altersstufen. Zwei von drei LGBTI*-Schülern werden gemobbt, obwohl LGBTI*-Themen an Schulen heute stärker präsent sind; rund 20 Prozent der Schulen in Europa nehmen sich positiv LGBTI*-Aspekten an. Nie angesprochen wird LGBTI* in Europa in 62 Prozent der Fälle an Schulen, in Deutschland sind es sogar 66 Prozent. 

Blickt man ins Detail, zeigt sich, wie massiv sich die Situation verschärft hat: In der EU erlebten 67 Prozent der LGBTI*-Schüler Mobbing, Spott, Hänseleien, Beleidigungen oder Drohungen – in Deutschland waren es sogar 70 Prozent. Vor fünf Jahren lag dieser Wert noch bei 43 Prozent – eine Zunahme von rund 56 Prozent in fünf Jahren.

Die Lage ist damit extrem besorgniserregend, denn so hat auch jeder dritte Schüler bereits ernsthaft über Selbstmord nachgedacht. Umgelegt auf alle LGBTI*-Befragten, haben sich 12 Prozent mit dem Thema Suizid beschäftigt (Deutschland: 11%). 24 Prozent der Schüler werden bis heute außerdem dazu gezwungen, sich Konversionstherapien zu unterziehen, um die sexuelle Orientierung „zu heilen“. In Deutschland haben 28 Prozent ein solches Verfahren erlebt.   [….…]

(Schwulissimo, 14.05.2024)

Mittwoch, 15. Mai 2024

Basisversagen

 Keine Weltorganisation ist so ultra-zentralistisch aufgebaut, wie die Katholische Kirche. Die 4.000 Bischöfe der 1,4 Milliarden Mitglieder wurden alle vom ultrakonservativen Vatikan ausgesucht.

Das bedeutet für ein vergleichsweise liberales Episkopat wie Deutschland, daß die Führungsfiguren der 27 Bistümer tendenziell eher Arschgeigen sind, für die sich die Schäfchen oft schämen, weil ihnen Meisner, TVE oder Woelki aus Rom gegen ihren Willen, vor die Nase gesetzt wurden.

Das Kirchenvolk hat die Chefs nicht ausgewählt und entwickelt daher im Zweifelsfall auch weniger Elan, die Eminenzen und Exzellenzen zu verteidigen.

Metropolit Woelki ist unbeliebter als Mundfäule; daher wird er in seinen eigenen Kirchen ausgeladen. Niemand will von ihm gefirmt oder verheiratet werden. Seit Canisius 2010 staute sich enorm viel Frust und Wut an. Hochengagierte Katholiken treten aus Protest gegen die DBK aus; innerkirchliche Reformbewegungen - Kirchenvolks-Begehren, Maria 2.0, synodaler Weg – haben enormen Zulauf.

Die deutschen Protestanten verwalten sich selbst. Sie wählen ihre Bischöfe und suchen ihre obersten Repräsentanten selbst aus.

Das hat zur Folge, daß Käßmann, Kurschuss oder Fehrs innerhalb ihres eigenen Vereins nie so unbeliebt wie Meisner, Mixa oder Müller waren.

Die Beißhemmungen sind viel größer, man begehrt nicht so leicht gegen die nette Bischöfin auf, die man sich selbst ausgesucht hat. Es geht etwas demokratischer zu. Die EKD würde es „solidarisch“ nennen.

Aber auch das System hat Nachteile, wenn es darum geht Verantwortung zu übernehmen. Man kann Verantwortung und Schuld wesentlich schlechter anderen in die Schuhe schieben, ohne sich selbst zu belasten.

Zu blöd also, daß nach 14-Jähriger Unterdrückung, mit 14-Jähriger Verspätung auf die Katholischen Brüder, eingeräumt werden musste, daß die evangelischen Geistlichen unter Zudrückung alle Augen, inklusive Hühneraugen, der Vorgesetzten, ebenfalls tausende Kinder sexuell missbraucht hatten.

Blamable 14 Jahre nach den Katholiken, befassen sich die Protestanten mit ihrer Missbrauchsgeschichte. Eine aktuelle Studie zeigt nur eine kleine Spitze des Eisbergs, weil sich viele evangelische Bistümer weigerten Akten rauszugeben. Sie treten lieber weiter die Opfer mit Füßen, um die Täter zu schützen. Das ist die EKD 2024.

[….] Das von der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) beauftragte Forscherteam hat am Donnerstag in Hannover die erste große bundesweite Studie - 880 Seiten lang - zu sexuellem Missbrauch in evangelischer Kirche und Diakonie vorgestellt. In dem Dokument wird von mindestens 2225 Betroffenen und 1259 mutmaßlichen Tätern gesprochen, untersucht wurde der Zeitraum seit 1946. Das ist laut den Forschern jedoch nur die "Spitze der Spitze des Eisbergs". Es ist ein Erdbeben heftigster Stärke für die EKD. "Die evangelische Kirche und die Diakonie steht erst am Anfang ihrer Aufarbeitung von sexualisierter Gewalt", sagt Studienleiter Martin Wazlawik.  […..]

(SZ, 25.01.2024)

Die frommen evangelischen Bischöfinnen, mit denen sich Politiker jeder Couleur so gern schmücken, sind moralisch keinen Deut besser, als die Woelki oder TVE.

Myriaden Kinder, die von Angehörigen der evangelischen Kirche bestialisch gequält wurden? Dazu verhält sich das protestantische Kirchenvolk mit einem klaren IST UNS DOCH VÖLLIG EGAL, WAS MIT DEN BÄLGERN GESCHAH!

[…..] Anders als nach Veröffentlichung der MHG-Studie ist aber die große Empörung über die Taten in der evangelischen Kirche bislang ausgeblieben, auch die Resonanz an der Kirchenbasis ist mäßig. Es habe von evangelischen Gemeinden - anders als bei katholischen - kaum Reaktionen auf die Ergebnisse der Forum-Studie gegeben, sagte etwa der Mitautor und Historiker Thomas Großbölting im April bei einer Online-Veranstaltung des Dekanats Fürth. Zugeschaltet waren dem Evangelischen Pressedienst zufolge nur 25 Teilnehmer.

Es sei ein hartes, schmerzliches und beschämendes Thema, sagt Johann Hinrich Claussen, Kulturbeauftragter der EKD und Autor eines Buches zu Missbrauch in der evangelischen Kirche. "Die Auseinandersetzung mit sexualisierter Gewalt in der evangelischen Kirche lässt sich nicht als antiautoritärer Protest gestalten und abreagieren", so Claussen. "Denn hier geht es nicht um etwas, das nur einer bestimmten Kaste vorgeworfen werden könnte. Schuldig kann jeder werden: Pfarrer, Mitarbeitende, Ehrenamtliche, jugendliche Teamer, in der Diakonie sogar ziemlich viele Frauen." Dies gelte auch für den Umgang Kirchenleitender mit Tätern und Taten: Keiner, der länger im Dienst sei, würde von sich behaupten, früher alles richtig gemacht zu haben.  [….]

(Annette Zoch, SZ, 14.05.2024)

Da kann man es nicht wegdrücken an Woelki und Ackermann. Also zeigt gleich die gesamte protestantische Glaubensgemeinschaft den Opfern den Mittelfinger.

Und es ist schließlich auch ehrlicher, sich kollektiv zu bekennen: Wir sind eine Täterorganisation, die kein Interesse daran hat, das Kinderfic**n einzustellen, oder Strukturen zu verändern, die Pädo-Kriminelle dazu einladen, im Schutze der protestantischen Kirchen ungehindert Kinder zu quälen, zu schlagen und zu missbrauchen.

[…..] Detlev Zander, Betroffenensprecher des "Beteiligungsforums Sexualisierte Gewalt" bei der EKD sagte, vor der Landessynode der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern (ELKB) Ende April habe er sich anhören müssen, was das Thema da schon wieder solle. Die bayerische Synodenpräsidentin Annekathrin Preidel sagte auf der Landessynode, "wir werden wachsam bleiben" und "neu aufmerksam werden" - so als sei die Kirche immer schon wachsam gewesen. Kaum ein Wort verlor sie in ihrer Rede über eine Aufarbeitung vergangener Taten und die Übernahme von Verantwortung. "Prävention ist keine Aufarbeitung", sagt hingegen Detlev Zander.  [….]

(Annette Zoch, SZ, 14.05.2024)

Ein schöner Persilschein der Basis für die Kirchenfürsten. Die können sich gleich selbst freisprechen und jegliche persönlichen Konsequenzen ablehnen. Zum Beispiel das ehemalige Käßmann-Bistum Hannover, aus dem die wegen Missbrauchsvertuschungen zurückgetretene ehemalige EKD-Chefin Kurschuss stammt. Ein Diakon der Gemeinde Oesede im Kirchenkreis Melle-Georgsmarienhütte hatte mindestens acht Kinder und Jugendliche sexuell missbraucht. 2010 wurden erstmals Meldungen dazu an die Bistumsleitung gemacht. Kein Bischof reagierte.

[…..] Betroffene forderten Landesbischof Ralf Meister zum Rücktritt auf. Er räumte Fehler ein: "Ich habe mit dazu beigetragen, dass Betroffene weiterhin nicht angemessen gehört wurden", sagte er. Einen Rücktritt lehnte er jedoch "nach Abwägung und Gewissensprüfung" ab, so Meister: "Was verändert sich durch einen Rücktritt mit Blick auf die Gesamtlage der Kirche, die dieses als ein zentrales und absolut brutales Versagen ihres eigenen Handelns sieht, dies aber nicht als einziges Thema der Kirche hat?".  [….]

(Annette Zoch, SZ, 14.05.2024)

Dienstag, 14. Mai 2024

Wie Merz mir ins Gesicht spuckt

Für mich ist das eine große Sache. Obwohl ich in Hamburg von einer deutschen Mutter geboren wurde, erhielt ich heute, nach fast 56 Jahren – deutlich über einem halben Jahrhundert – das erste Mal Wahlunterlagen. Die EU-Wahlen am 09.06.2024 sind die ersten, an denen ich in Deutschland teilnehmen darf.

Über ein halbes Jahrhundert hielten völkische-konservative Vorstellungen vom väterlichen deutschen Blut mich für unwürdig, einen deutschen Pass zu bekommen.

Auch zur Europawahl 2024 treten die Merzidioten mit deutschlandfeindlichen populistischen Parolen an. So einen wie mich, soll es nicht geben.

[….]  Die CDU sieht die gleichzeitige Staatsangehörigkeit in unterschiedlichen Ländern kritisch. „Mit der doppelten Staatsbürgerschaft fehlt das Bekenntnis zu unserem Land“, stellt der CDU-Politiker fest. Es überwiegen die Nachteile. Ein Doppelpass verstärkt die politischen Einflussmöglichkeiten ausländischer Staaten in Deutschland. Der Schutz für diejenigen mit doppelter Staatsangehörigkeit wird entscheidend verkürzt. Unberechtigte Inhaftierungen wie im Fall Deniz Yücel können erfolgen. Zudem entsteht faktisch ein mehrfaches Wahlrecht. Das kann dazu führen, dass in Deutschland Autokraten außerhalb Deutschlands gewählt werden, die dem Land schaden.

Grundsätzlich soll der Doppelpass in Ausnahmefällen möglich bleiben. Schon heute gibt es zahlreiche Ausnahmen, beispielsweise für EU-Bürger, anerkannte Flüchtlinge und Menschen, die der Herkunftsstaat nicht aus der Staatsangehörigkeit entlässt. Innerhalb der EU ist eine doppelte Staatsangehörigkeit auch schon möglich.   [….]

(CDU Wahlprogramm 2024)

Deutschland droht der Stillstand, weil CDUAfDCSU und teilweise die FDP hartnäckig  völkisch rechtspopulistischen Blutrechtsvorstellungen anhängen. Sie würgen lieber die deutsche Ökonomie vollständig ab, als von ihren bräunlichen Reden abzulassen.

[….] Unternehmen können rund zwei Millionen Stellen nicht besetzen!

Der Fachkräftemangel in Deutschland verschärft sich weiter: Laut einer Umfrage des Industrieverbands DIHK hat mehr als die Hälfte der deutschen Unternehmen Probleme, offene Stellen zu besetzen. [….]

(SPON, 12.01.2023)

Typen, wie mir, bereits nach lumpigen 55 Jahren in Deutschland einen deutschen Pass zu geben, betrachtet Merz als viel zu übereilt.

[….]  Erfolgreiche Integration braucht Zeit[….] Wer einmal vom Land in die Stadt umgezogen ist, wer im Studium ein Jahr im Ausland verbracht hat, der weiß, wo die Schwierigkeiten lauern. Die Liste der Herausforderungen ist lang. Vor allem für Migranten aus anderen Kulturkreisen warten auch eine neue Kultur, eine neue Mentalität – und eine andere Sprache. Eine nachhaltige Integration braucht daher Zeit. Eine deutsche Staatsbürgerschaft ist für alle Beteiligten erfolgreich, wenn sie am Ende des Integrationsprozesses erfolgt.

Vorgezogene Staatsbürgerschaft hilft nicht gegen Fachkräftemangel

Eine schnellere Einbürgerung hilft weder den Menschen, die sich hier ein neues Leben aufbauen möchten, noch den Unternehmen, die dringend nach Fachkräften suchen. Stattdessen ist es menschlich erforderlich, ihnen die Chance zu einer tiefgreifenden Integration zu ermöglichen. [….]

(CDU Wahlprogramm 2024)

Genau! Und Fachkräfte braucht man eh nicht in Deutschland. Besser, wir schotten uns ab, machen die Grenzen zu, geben niemanden, dessen blonde und blauäugige Familie nicht seit dem Mittelalter in Deutschland lebt, den schönen deutschen Pass.

Das Deutsch-Sein an sich verstehen diese Dunkelköppe doch gar nicht. Wer nicht Christ ist und nicht CDU wählt, ist nicht richtig deutsch. Und soll nicht hier arbeiten.

Ein deutsches Pflegeheim soll deutsch bleiben. Nicht, daß am Ende lauter Pass-Deutsche wie ich, mit germanisch unreinem Blut, den erlahmten CDU-Geronten die Hintern abwischen.

[….] Der Mangel an qualifizierten Arbeitskräften ist in aller Munde – doch wie genau beeinflusst er die Entwicklung der deutschen Wirtschaft? Dieser Frage sind Wissenschaftler am – arbeitgebernahen – Institut der deutschen Wirtschaft in Köln nachgegangen. Würden deutsche Unternehmen ihren Fachkräftebedarf decken können, wären in diesem Jahr zusätzlich Güter und Dienstleistungen im Wert von 49 Milliarden Euro zu erwirtschaften. Diese Berechnung geht aus einem Papier zweier Ökonomen des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW) in Köln hervor. Wenn der derzeitige Bedarf von etwa 573.000 qualifizierten Arbeitskräften gedeckt wäre, könne das sogenannte Produktionspotenzial demnach im laufenden Jahr um 1,1 Prozent höher liegen. Bis zum Jahr 2027 könne der Mehrwert bei 74 Milliarden Euro liegen. Mehr Informationen zu der Berechnung finden Sie auf der Webseite des Instituts.  [….]

(SPIEGEL, 13.05.2024)

Wenn Merz erst Kanzler ist, kommt Deutschland ganz ohne die doofe Wirtschaft aus. Und Geld wird dann auch keins mehr ausgegeben. Schuldenbremse, Schuldenbremse über alles! Die Ökonomie zu ruinieren, war schon immer ein Markenzeichen der Union.

[….] „Die Ampel hat jeglichen Bezug zur Realität verloren. Mitten in der Migrationskrise senkt sie die Voraussetzungen für den deutschen Pass und setzt damit zusätzliche Anreize für illegale Zuwanderung nach Deutschland. Das macht fassungslos. Die Union lehnt den Gesetzentwurf klar ab.

Die verkürzten Einbürgerungsfristen werden dazu führen, dass vermehrt Ausländer eingebürgert werden, die sich noch nicht voll in unserem Land integriert haben. Das ist gerade jetzt, wo die Fliehkräfte in unserer Gesellschaft deutlich zunehmen, nicht richtig. Die Einbürgerung muss am Ende des Integrationsprozesses stehen. Integration braucht Zeit und ist mehr als Arbeit und Sprache. In europäischen Ländern mit einer vermeintlich fortschrittlichen Einwanderungspolitik in früheren Jahren sind heute gravierende Integrationsprobleme deutlich erkennbar. Die Ampel will das offenbar nicht wahrhaben.

Auch die generelle Möglichkeit zur doppelten Staatsbürgerschaft ist ein Fehler. Gerade in einer Zeit, in der unsere freiheitlich-demokratischen Werte weltweit immer stärker unter Druck geraten, sollte mit der Einbürgerung die klare Hinwendung zu unserem Staat verbunden sein.   [….]

(CDUCSU-Bundestagsfraktion, 30.11.2023)

Bevor Fritze Merz mir den deutschen Pass wieder wegnimmt, darf ich aber nun wenigstens einmal wählen.

Ich weiß schon mal eine Partei, die ich ganz sicher nicht ankreuze!

Montag, 13. Mai 2024

Bibi in der Falle

Osama bin Laden und Ismail Haniyya, die Chefs von Al Kaida und Hamas, stamm(t)en aus völlig unterschiedlichen Verhältnissen und führ(t)en unterschiedliche Kämpfe.

Bei ihren Megaanschlägen, dem „9-11“ 2001 in NY mit knapp 3.000 Toten und dem 07.10.2023 in Israel mit 1.200 Opfern, verfolgten sie aber dasselbe Kalkül. Sie reizten eine militärisch hochüberlegene Macht zur Weißglut. Die Terrortage selbst brachten der USA und Israel weltweites Mitgefühl ein, ihre Verbündeten verhielten sich solidarisch, die Regierungen Bush und Netanyahu wurden davon nicht gefährdet. An den beiden Tagen selbst hatten die Terrorpaten (noch) nichts gewonnen.

Aber der wichtigere Teil der Pläne sollte erst kommen, nämlich in den von vorn herein zum Scheitern verurteilten überzogenen Racheaktionen, welche für die USA und Israel ökonomisch extrem teuer wurden und, noch wichtiger, sowohl ihre Verbündeten abrücken ließen, als auch weltweit antiamerikanische, bzw antiisraelische Stimmungen anheizten. Aus Sicht von bin Laden und Haniyya war sicher ein Entflammen der gesamten muslimischen Welt gewünscht, welches den verhassten Westen mit Terror überziehen würde.

Das perfide Kalkül ging/geht zu weiten Teilen auf, weil den Terrorfürsten die Leben ihrer eigenen Leute viel weniger wert sind, als den demokratischen Regierungen, ihre Bevölkerung.

35.000 massakrierte Palästinenser in Gaza, darunter überwiegend Frauen und Kinder, sind für die Hamas eher zu verschmerzen als für die Israelische Regierung, die es nun mit der Wut der weltweiten Öffentlichkeit zu tun bekommt, so daß eine junge israelische Sängerin in Malmö nur noch unter massiven Polizeischutz auftreten kann.

Benjamin Netanyahu wird international verachtet. Er wird sicher problemlos damit leben können, daß ich ihn verabscheue. Daß ESC-Fans und Greta Thunberg in Schweden gegen den Gaza-Krieg protestieren, daß in US-amerikanischen und deutschen Universitäten Empörung über ihn herrscht.

Das Abrücken der USA, die weniger Munition liefert und Israel im UN-Sicherheitsrat nicht mehr mit ihrem Veto schützt, ist hingegen hochgefährlich.

Noch schlimmer ist nur sein Ansehen im eigenen Land. Bei den Israelischen Wählern, ist Bibi ungefähr so beliebt wie Fußpilz, weil er offenkundig seine eigenen Pläne nicht umsetzen kann. Weder ist die Hamas zerschlagen, noch hört der Terror auf, noch kamen die israelischen Geiseln frei.

Deswegen kann Bibi nicht neu wählen lassen, ohne damit zu rechnen in der Opposition zu landen. Aus seiner Sicht muss er aber Regierungschef bleiben, weil er so kriminell, korrupt und raffgierig ist, daß er ohne Immunität (wie sein Bruder im Geiste – Trump) im Knast landen könnte.

[….] Benjamin Netanjahu war und bleibt der Nullpunkt eines Krieges, der keine Sieger kennen wird. Der israelische Premierminister ist gefesselt in seiner Macht-Matrix, die aus so ungleichen Spielern besteht wie den Ultrarechten seiner Regierung und dem amerikanischen Präsidenten mit seiner demokratischen Wählerklientel. Netanjahu ist gefangen zwischen einer Terrororganisation, die aus dem Schutz der Zivilbevölkerung in Gaza heraus nach wie vor Krieg gegen Israel führt. Exakt für diese Zivilbevölkerung und die verheerende humanitäre Lage trägt Israel mit dem Einmarsch nach Gaza Verantwortung. Und schließlich steckt Netanjahu in einem rechtlichen Dilemma, weil ein unverhältnismäßig rücksichtslos geführter Krieg die politischen Ziele nicht erreichen wird, die sich Israel nach dem Terrorüberfall gegeben hat. Daraus erwächst ein völkerrechtliches Problem, das in einer Anklage münden könnte und bereits jetzt zu einer Niederlage im virtuellen Gerichtssaal der globalen Öffentlichkeit geführt hat.

Es ist inzwischen also möglich, dass dieser Krieg in einer umfassenden Niederlage Israels endet, vielleicht nicht militärisch, aber politisch und moralisch. Das wäre keine geringe Katastrophe für einen Staat, der auch aus dem Grauen des Holocaust entstanden ist und dessen Legitimität von Antizionisten und Antisemiten in naiver Einseitigkeit mehr denn je infrage gestellt wird. [….] So wie die Hamas für den Ausbruch dieses Krieges die Verantwortung trägt, so trägt der israelische Premier die Verantwortung für seinen Verlauf. Die Vorstellung, einen "Krieg gegen den Terror" führen und die Hamas militärisch besiegen zu können, bleibt so falsch wie 2001, als George W. Bush den Begriff prägte. Netanjahu hat diese Vorstellung übernommen, weil er in allen nicht militärischen Wegen zur israelischen Selbstbehauptung keine politische Überlebenschance für sich selbst erkennt.

Die Rafah-Offensive liefert den Beleg dafür, warum das Verhängnis seinen Lauf nehmen wird: Würde Netanjahu auf einen Waffenruhe-Plan eingehen, müsste er das Kriegsziel "militärische Zerstörung der Hamas" aufgeben, die extreme Rechte würde ihm die Gefolgschaft aufkündigen. Lässt der Premier die Armee dagegen in Rafah einmarschieren, verliert er den Rest der Unterstützung durch die Regierung Biden, die ihren Waffenstopp als Warnung verstanden haben will. Die Hamas würde der Premier damit nicht einmal zerschlagen - sie baut ihren Machtapparat gerade wieder im Norden Gazas auf. [….]

(Stefan Kornelius, 12.05.2024)

Einen kriminellen, unfähigen und amoralischen Regierungschef zu haben, ist unglücklicherweise nicht nur ein Problem für das kleine Israel.

Es ist ein Mann, in dessen Person sich alles, was im Nahen  Osten schief geht inkarniert: Bibi.

[….] Premierminister Benjamin Netanyahu nutzt das kollektive Trauma, um seine katastrophale Politik fortzuführen. Israel ist international zunehmend isoliert. Damit es zu einer Lösung kommen kann, muss er endlich gehen.

[….] Der Regierungschef soll immer wieder die Verhandlungen [zur Geiselbefreiung] torpediert haben: Er hält Delegationen davon ab, zu den Gesprächen nach Kairo zu reisen, zieht immer wieder neue Rote Linien bei der israelischen Verhandlungsposition, attackiert die Vermittler – und hat zuletzt einen Teilvormarsch nach Rafah verfügt. Vor allem sperrt er sich gegen einen Plan, den Krieg zu einem Ende zu bringen, gegen eine dauerhafte Feuerpause und gegen eine Regelung für den »Tag danach« unter Einbindung ausländischer Kräfte und der Palästinensischen Autonomiebehörde.

Netanyahu weigert sich, Verantwortung für den 7. Oktober zu übernehmen

Nach dem Urteil vieler Analysten geht es Netanyahu vor allem um die Fortsetzung seiner Koalition mit den Rechtsextremen. Er braucht Leute wie den vorbestraften Polizeiminister Itamar Ben-Gvir, der immer wieder mit Ausfällen gegen Bündnispartner empört, für sein politisches Überleben.

Benjamin Netanyahu – »der schlechteste Anführer in der jüdischen Geschichte« (»New York Times «-Kolumnist Thomas Friedman) – hatte sein Volk mit der sogenannten Justizreform , der versuchten Schleifung der Gewaltenteilung, im vergangenen Jahr bereits gespalten. Die durch das Zerwürfnis der politischen Lager verursachte Unaufmerksamkeit könnte die Terrorattacke des 7. Oktober wesentlich begünstigt haben. Doch Netanyahu weigert sich bis heute hartnäckig, für die Katastrophe auch nur eine Teilverantwortung zu übernehmen.

Stattdessen hat er die Armee in einen Krieg geführt, den sie so nicht gewinnen kann. Seit einigen Tagen kämpfen die Truppen wieder im Norden Gazas, darunter in Dschabalia, wo die Hamas längst als besiegt galt. Das Militär hatte sich – in Ermangelung einer Übergangsmacht, die die Verwaltung und Gebietssicherung hätte übernehmen können – von dort zurückgezogen, um sich nicht zum Ziel von Guerillaangriffen zu machen. Nun müssen die Soldaten erneut einrücken, weil die Islamistenorganisation wieder die Kontrolle übernimmt. »Die Hamas hat in den vergangenen Monaten Israels Verhalten studiert und gelernt. Sie lockt die israelischen Truppen nun förmlich dahin, wo sie sie attackieren kann«, sagt der palästinensische Analyst Khalil Shikaki , Gründer des »Palestinian Center for Policy and Survey Research «.

[….] Mit Neuwahlen und Netanyahus Abschied von der politischen Bühne wäre vieles davon noch längst nicht gelöst. Aber es gäbe zumindest wieder Hoffnung auf Besserung in Nahost. Und in Israel könnte endlich die Heilung beginnen. [….]

(Thore Schröder, DER SPIEGEL, 13.05.2024)