Freitag, 26. Juli 2024

Bibi immer trumpiger

Die Parallelen zwischen Bibi und Donnie sind hinlänglich bekannt. Beide verloren schon das Regierungsamt, beide sehen es ausschließlich unter dem Aspekt des persönlichen Nutzen. Vollkommen ausgeschlossen, daß Netanyahu oder Trump, einen Schritt wie Biden gehen könnten und das Wohl der Nation vor ihr eigenes Interesse setzten.

(…..) Bibi und Donnie sind tatsächlich in vielerlei Hinsicht vergleichbar. 

Bibi, dreimal verheiratet, ist 74. Donnie, dreimal verheiratet, ist 77.

Beide wachsen an der US-Ostküste auf, beide haben berühmte Väter, beide sind/waren Regierungschefs, beide sind rechtsradikale Staatszersetzer, die demokratische Strukturen zerschlagen wollen, um sich als Autokrat zu installieren, beide sind extrem raffgierig, benutzen ihr Amt, um sich persönlich zu bereichern, beide haben rechtsextreme halbdebile Söhne, die Vaters Kulturkampf kräftig anheizen, beide stürzen ihr Land in Katastrophen mit extrem vielen Toten, beide betrachten die Opposition als Feind, beide spalten ihre Nation in zwei unversöhnliche Hälften, beide hassen Joe Biden wie die Pest, beide wollen die Demokraten für immer aus Washington vertreiben, beide haben abstoßende Luxus-geile Modepüppchen als First Ladys, beide sind zutiefst kriminell, beide wollen unbedingt das Regierungsamt, um Immunität zu erlangen, bzw behalten, weil beide anderenfalls mit hoher Wahrscheinlichkeit in den Knast wandern.

Es gibt aber auch bedeutende Unterschiede.

Bibis Vater Benzion Netanyahu war ein Intellektueller; nämlich Professor für jüdische Geschichte und Herausgeber der Encyclopaedia Hebraica. Bibi selbst ist intelligent, hat einen Abschluss in Harvard und Einen am MIT.

Donnies Vater Fred Trump hingegen war genauso rechtsradikal und verblödet, wie sein Sohn, der sich nie intellektuelle Meriten erwarb, kaum lesen kann und keinen Truth/Tweet ohne Rechtschreibfehler hinbekommt.

Die Länder, die Bibi und Donnie regier(t)en, unterscheiden sich ebenfalls erheblich.

Bibis hat neun Millionen Einwohner auf 22.380 km² Fläche und generiert ein BIP von 539 Milliarden US-Dollar.

Donnies hat 335 Millionen Einwohner auf 9.525.067 km² Fläche und generiert ein BIP 27.000 Milliarden US-Dollar.

Das sind keine Vergleiche auf Augenhöhe!

Die USA haben 37 mal so viele Einwohner wie Israel, sind 426 mal so groß und 50 mal so reich.  (….)

(Zeitalter der Idioten, 26.03.2024)

In den letzten Monaten des Gaza-Krieges kommen mir allerdings langsam Zweifel an meiner „beide gleich verbrecherisch, aber Bibi ist schlauer als Donnie“-Sichtweise.

Denn der israelische Regierungschef, der in der Tat alles daran setzt, Neuwahlen zu verhindern und im Amt zu bleiben, könnte als schlauer Kopf trotz dieser sinisteren Absichten, versuchen in irgendeiner Weise zur Verbesserung der Situation seines Landes beizutragen. Es wäre auch intelligent, seine Regierungskoalition aus rechtsradikalen Irren und ultrarechtsradikalen Irren NICHT vorsätzlich zu sprengen.

Günstig wäre es zudem, ausnahmsweise mal, nicht die wenigen verbliebenen Freunde Israels aktiv zu verprellen. Ein Regierungschef, der nicht auf den Kopf gefallen ist, könnte auch versuchen eine Lösung in der Geiselfrage auszuhandeln und damit die Myriaden Israelis, die beinahe täglich bebend vor Wut gegen ihren eigenen Regierungschef demonstrieren, etwas zu beschwichtigen.

Wäre Bibi tatsächlich schlau, könnte er der internationalen Gemeinschaft und den Organisationen, die Israel kritisieren, 10 Monate nach dem 07.10.2023 mal einen leisen Hinweis darauf geben, wie er sich eigentlich zukünftig eine Co-Existenz mit dem palästinensischen Volk vorstellt.

Und wäre Netanyahu nicht dumm wie Bohnenstroh, würde er nicht alles daran setzen, seinen mit Abstand wichtigsten Verbündeten, die USA, so sehr zu vergrätzen, daß irgendwann die Militär- und Finanzhilfe aus Washington ganz gestoppt wird.

Wäre Bibi etwas klüger, würde er die Möglichkeit einkalkulieren, daß sein Alter Ego Trump möglicherweise doch nicht die Mehrheit am 05.11.2024 bekommt.

Netanyahu könnte mit ein paar mehr funktionierenden Synapsen auch Abstand von der Darstellung seines Orangen Kumpels in Mar A Lago nehmen, nach der alle Demokraten antisemitische Israelhasser sind.

Ein nicht vollidiotischer israelischer Ministerpräsident würde sich fragen, ob die scharfe Washingtoner Kritik an seiner Politik vielleicht doch nicht dem Hass auf Juden entspringt, wenn sie von dem Juden Bernie Sanders, dem Juden Chuck  Schumer, dem Juden Jamie Raskin und der mit einem Juden verheirateten Kamala Harris kommt.

[….] Benjamin Netanjahu hätte die Welt überraschen können. Er hätte sich, wie ein Kolumnist der New York Times es vor der Rede des israelischen Regierungschefs im US-Kongress ausgedrückt hat, als „großer Mann in einer großen Zeit“ erweisen können, der sein Amt nicht nur dazu nutzt, einer möglichen Haftstrafe auszuweichen, sondern tatsächlich etwas Mutiges, strategisch Weitsichtiges für sein Land zu tun.

Aber seine Rede enthielt nichts Mutiges oder Weitsichtiges. Netanjahu erläuterte keinen Plan, wie er sich das Zusammenleben von Israelis und Palästinensern nach dem Terrorangriff der Hamas vom 7. Oktober 2023 und dem darauffolgenden Einmarsch der israelischen Armee in Gaza vorstellt. Er sagte nichts über eine kurzfristige Waffenruhe, über die Zehntausenden toten Zivilisten, über die Verhandlungen zur Freilassung der israelischen Geiseln, die die Hamas immer noch gefangen hält. Er sagte auch nichts über das israelisch-saudische Abkommen, an dem die amerikanische Regierung vor dem 7. Oktober gearbeitet hatte.

Stattdessen sprach Netanjahu in markigen Worten über die Vernichtung der Hamas, den „totalen Sieg“ Israels und den Kampf, den Israel und Amerika gegen Iran führen müssten. Wie dieser Sieg eigentlich aussehen soll, verriet er nicht. Wie auch? Hinter dem, was die israelische Armee in Gaza tut, mögen bestimmte, taktische militärische Ziele stecken. Aber eine politische Strategie, die einem anderen Zweck dient, als Netanjahus Verbleib im Amt zu sichern, ist nicht zu erkennen. Von einer Lage, die man als israelischen Sieg definieren könnte, ist die Region jedenfalls weit entfernt.

Vielleicht erinnert der amerikanische Präsident Joe Biden, den Netanjahu am Donnerstag treffen wollte, seinen Gast daran, dass er nach dem 7. Oktober vor genau diesem Szenario gewarnt hat. Biden hat miterlebt, wie die USA nach dem Terroranschlag am 11. September 2001 loszogen, erst nach Afghanistan, dann in den Irak. Wie der damalige Präsident George W. Bush versprach, al-Qaida zu vernichten und den Terror zu besiegen. Und wie das Trauma von 9/11, der Schock und die Wut – so verständlich diese Reaktionen auch sind – zu einer Kaskade von politischen und militärischen Fehlentscheidungen geführt haben, unter denen die USA und der Nahe Osten bis heute leiden.

Netanjahu, das haben die vergangenen zehn Monate gezeigt, war für diese Warnung nicht empfänglich. Und man kann bezweifeln, dass sich das in naher Zukunft ändern wird. Biden ist nur noch ein halbes Jahr Präsident, danach, so zumindest scheint Netanjahu zu erwarten und zu hoffen, wird wieder sein Kumpel Donald Trump die USA regieren, der ihm schon immer freie Hand gelassen hat. [….]

(Hubert Wetzel, 25.07.2024)

Donnerstag, 25. Juli 2024

Die Double-Hater

Der in New York geborene James Charles Dickinson, 25, TikToker, ist ein echtes Phänomen: Dumm, wie Bohnenstroh; beschäftigt sich mit gänzlich irrelevanten Dingen und macht immer mal wieder Schlagzeilen mit pädosexuellen Übergriffen.

Wieso halte ich den jungen Mann für erwähnenswert? Das beginnt schon damit, daß ich, der einige Dekaden mehr auf dem Buckel hat, keinen Tiktok-Account besitzt und noch nie geschminkt war, überhaupt seinen Namen kenne.

Kein Wunder, der zig Millionen schwere James Charles verfügt über eine Social-Media-Reichweite, von der Politiker nur träumen können:
38,8 Millionen Tiktok-Follower mit 1,4 Milliarden Likes.

25 Millionen Youtube-Abonnenten mit 4 Milliarden Aufrufen.

20 Millionen Instagram-Follower und bei der Senioren-Plattform Facebook immerhin noch 2,5 Millionen Subscriber.

Wenn der Mann einen Furz lässt, bebt die Social-Media-Welt.

Und so rutschten seine Brüllattacken gegen US-Präsident Joe Biden auch in meine Feeds. In völliger Verkennung der politischen Lage und sagenhafter Unkenntnis der Fakten, beschuldigte James Charles ausgerechnet den Demokraten Biden, Roe v. Wade gekippt zu haben und als Präsident untätig zu sein.

Es ist natürlich genau umgekehrt: Biden versucht alles, um die „reproductive rights“ zu schützen. Sie wurden aber von Trumps rechtsextremen Supremecourt-Richtern abgeschafft. Das Rumpelstielzchen-Gezeter des Jungmillionärs wurde sofort vielfach „debunked“, aber was nützt das schon?

Gemäß Brandolini kann man solche Lügen nicht debunken und schon gar nicht, wenn sie von Accounts mit zig-millionenfacher Reichweite kommen, während beispielweise „2RawTooReal Entertainment“ mit (3290 Abonnenten) die Lügen richtigstellt und damit 700 Aufrufe generiert.

James Charles ist das Paradebeispiel eines „Double-Haters“, also eines US-amerikanischen Wahlberechtigten, der so sagenhaft verblödet ist, keinerlei Unterschiede zwischen Trump und Biden, zwischen den Demokraten und Republikanern, zu erkennen.

Sie wählen lieber gar nicht, was bei dem extrem die GOPer bevorzugendem Wahlrecht Typen, wie Trump, McConnell und Mike Johnson in Machtpositionen bringt, die daraufhin die Rechte und Sozialleistungen abschaffen, welche die jungen Double-Hater betreffen.

James Charles ist bedauerlicherweise nicht nur ein einzelner Idiot, der natürlich denken darf, was er möchte, sondern er ist ein gewaltiger Multiplikator, der seine demokratiegefährdenden Ansichten 100-millionenfach unter den Urnenpöbel bringt.

Menschen meines Alters, die sich mit Politik beschäftigen, können dieses Ausmaß an Dummheit nicht begreifen.

Natürlich muss ich die Jugend, ihre Moden, ihre Kommunikationsmethoden, ihren Sprachgebrauch, ihren Musikgeschmack weder kennen, noch verstehen. Privileg einer jeden neuen Generation, es anders als die Vorherigen zu machen.

Offenkundig waren aber alle seriösen Influencer, pundits, Journalisten, auch all die Social-Media-affinen wirklich guten Typen, wie David Pakman, Brian Tyler Cohen, Ben, Jordan und Brett Meiselas, Harry Sisson, JoJoFromJerz, David Hogg, Waleed Shahid, Dash Dobrofsky, Tim Miller, Luke Beasley alle zusammen nicht in der Lage gegen Bullshitter mit Mega-Reichweite, wie James Charles, anzukommen.

Die Double-Hater, die achselzuckend in eine autoritäre Trump-Zukunft trudeln, sind zahlreich und nicht zu knacken.

Joe Biden musste vor ihnen kapitulieren und seine Kandidatur zurück ziehen.

[….] In seiner Rede an die Nation erklärt Joe Biden nur kurz, warum er seine Kandidatur für die Präsidentschaft zurückzieht. Vor allem blickt er nach vorn. Sehen Sie hier die wichtigsten Ausschnitte.

Doch diesmal geht es nicht nur um das Politische. Es geht, fast mehr noch, um das sehr Persönliche. Der 81-jährige spürbar gealterte Biden erläutert, was er am Sonntag, als er noch in der Coronaisolation war, bereit schriftlich bekannt gab: Warum er keine zweite Amtszeit mehr anstrebt, warum er aus dem Wahlkampf ausgestiegen ist und warum er die Kandidatur seiner Vizepräsidentin Kamala Harris überlassen hat.

Er nennt keine konkrete Begründung. Er spricht nicht vom Alter. Er spricht nicht von Schwächen. Er hüllt sich vielmehr in viel Pathos, als wolle er sich selbst versichern, dass der Verzicht, der ihm so schwerfiel, wirklich der richtige Schritt ist. »Die Verteidigung der Demokratie, die auf dem Spiel steht«, sagt er, »ist wichtiger als irgendein Titel.«

Biden muss auch gar nicht von seinem Alter reden. Diese Rede allein ist ein weiterer Beweis dafür, dass er für die Demokraten als Kandidat nicht mehr zu halten  war. Er nuschelt, stolpert übers Manuskript, verliert den Faden trotz Teleprompter. Man merkt, dass ihm die Worte am Herzen liegen, doch nur noch schwer über die Zunge kommen. Dieser Mann hat keine Reserven mehr für eine zweite Runde.

Man merkt aber auch, dass Biden sich damit in eine Reihe zu stellen versucht mit jenen, die Historisches vollbracht haben. Er zitiert Thomas Jefferson, George Washington, Abraham Lincoln und Franklin D. Roosevelt, deren Ölporträts im Oval Office hängen. Auf dem Tisch hinter ihm sind Familienfotos aufgereiht. »Ich verehre dieses Amt«, sagt er. Doch: »Ich liebe mein Land mehr.« Es klingt wie eine wehmütige Rücktrittsrede, als seien die nächsten Monate schon vorbei.

Es ist ein markanter Kontrast zu Harris, die Stunden zuvor als wahrscheinliche Präsidentschaftskandidatin eine weitere feurige Rede vor jubelndem Publikum gehalten hat. Biden dagegen wendet sich mühsam an anonyme TV-Zuschauer; im Raum selbst sitzen nur seine engsten Weggefährten, allen voran First Lady Jill und Sohn Hunter.  Der Wechsel von Biden zu Harris war schockierend, doch überfällig; am Ende vollzog er sich erstaunlich rasant.  […..]

(Marc Pitzke, 25.07.2024)

Das Resultat des Rückzugs ist verblüffend. Die Stimmung ist wie ausgewechselt. Die Double-Hater verstummen.

Auf einmal passiert das, was die geballte Macht der demokratischen Influencer und enorme Wahlkampfspenden nicht vermochten:
Eine Demokratin wird populär.

[…..] »kamala IS brat«: Als die britische Sängerin Charli XCX diese drei Worte auf X  postete, waren seit Joe Bidens Rückzug von der Präsidentschaftskandidatur der Demokraten erst wenige Stunden vergangen. Biden sprach sich für Kamala Harris als Nachfolgerin aus, und Charli XCX schob – beabsichtigt oder nicht – die Kampagne an und verpasste ihr ein frisches Image.

Der offizielle Wahlkampf-Account der Demokraten wurde nach Bidens Rückzug auf den sozialen Plattformen von @BidenHQ in @KamalaHQ umbenannt  und griff Charli XCX’ Unterstützung direkt auf. Als @KamalaHQ am Sonntag an den Start ging, kopierte das Team den Stil des Albumcovers von Charli XCX’ Album »brat« für den Account-Header – alles in Kleinbuchstaben auf einem einfarbigen hellgrünen Hintergrund .

Das verfängt beim Publikum. Innerhalb der ersten beiden Tage seit der Verkündung hat das Kampagnenteam mehr für die Sichtbarkeit seiner Social-Media-Kanäle erreicht als Bidens Team in den vergangenen Monaten. Mittlerweile hat der Account auf X mehr als eine Million Follower, bei Instagram sind es 176.000 und bei TikTok mehr als 752.000 Abonnenten.  […..]

(Kim Staudt, 23.05.2024)

Mittwoch, 24. Juli 2024

Fernsehen und AfD

Es greift immer mehr um sich, populistisch auf die öffentlich-rechtlichen Sender einzudreschen, die als „Staatsfunk“ zu diffamieren und gegen die „Zwangsgebühren“ zu hetzen.

Es ist das große Thema der Nazis um Bernd Höcke.

[…..] Es gehört zu den zentralen Wahlversprechen der Thüringer AfD, den Staatsvertrag über den Mitteldeutschen Rundfunk (MDR) aufkündigen zu wollen. Doch so einfach, wie Spitzenkandidat Björn Höcke sich die Abschaffung der Landesanstalt vorstellt, dürfte sie in der Praxis nicht sein. Davon zumindest geht der Juristische Direktor des MDR, Jens-Ole Schröder, aus.

Im Gespräch mit dem Medienmagazin des Deutschlandfunks, „mediasres“, sagte er: „Wenn ein Staatsvertragsland – nehmen wir mal Thüringen – den MDR-Staatsvertrag, der ein Dreiländerstaatsvertrag ist, kündigen würde, dann würde das den MDR nicht auflösen.“ Stattdessen würde der Rundfunkstaatsvertrag zwischen den verbliebenen Ländern Sachsen und Sachsen-Anhalt wirksam bleiben, so Schröder.  [……]

(FAZ, 24.07.2024)

Auch wenn Faschistenführer Höcke das in diesem Fall auch als Thüringer Ministerpräsident allein nicht schaffen wird; so ist der Gedanke in Ossistan sehr verbreitet. Wenn sich das ungewaschene Pack mit den schlechten Zähnen bei AfD-Veranstaltungen auf den Straßen zusammenrottet, müssen darüber berichtende Journalisten um ihr Leben fürchten, weil die braunen Antidemokraten handgreiflich werden. Die als „Spaziergänge“ euphemisierten Montagsdemonstrationen der Schwurbelmafia illustrieren ihre Schizophrenie. Sie gehen auf die Straße, um Aufmerksamkeit zu erregen und sobald Journalisten erscheinen, um ihren Anliegen Gehör zu verliehen, werden sie weggeprügelt.

Besonders übel dabei die Rolle der CDU, die seit Jahren ungeniert auf den AfD-Zug aufspringt und ebenfalls gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk agitiert.

(…..)  Nach elf Jahren ohne Gebührenerhöhung empfahl die Politik-unabhängige Die Kommission zur Ermittlung des Finanzbedarfs der Rundfunkanstalten (KEF) nun die Erhöhung um 86 Cent.

Eine sehr moderate und eher zu geringe Erhöhung, wie ich meine.

Aber wie auch Corona selbst ist die Rundfunkgebühr ein heißes Thema bei Rechtsextremen, Verschwörungstheoretikern und Aluhüten jeder Art. Die GEZ (Gebühreneinzugszentrale), die es seit 2012 gar nicht mehr gibt, ist eins der Hauptfeindbilder der Schwurbler/Impfgegner/Reptiloiden/Reichsbürger.

Also setzt sich auch die chronische Heulsusen-Partei AfD auf das Thema.

Die Gauland-Höcke-Bande, die erst durch die Öffentliche-Rechtlichen richtig große gemacht wurde, indem die ARD- und ZDF-Talkshow extrem überproportional AfD-Themen diskutierten, versinkt nun wie ihr Idol Trump im Selbstmitleid.

Sie fühlen sich nicht ausreichend gewürdigt und vermissen ihre kostenlose Werbezeit.

Also setzen sie sich populistisch an die Spitze der Gebühren-Gegner, zumal sie als Corona-Leugner ohnehin von seriösen Informationen benachteiligt werden.

Bis hierhin wäre die Geschichte eine typisch traurige Episode aus dem faschistoiden AfD-Kosmos.

Aber da ist noch die Sachsen-Anhaltinische CDU, die es nicht nur wie die Kollegen in Thüringen und Brandenburg mit einer extrem rechtsaußen stehenden vom Verfassungsschutz beobachteten AfD zu tun haben, sondern ebenso wie die Möhring-Fraktion in Erfurt immer mal wieder selbst braun blinkt und den Faschisten fröhlich die Hand reicht.

Den Empfehlungen der KEF müssen alle 16 Ministerpräsidenten und alle 16 Landesparlamente zustimmen.

Alle Regierungschefs haben es schon getan; es fehlt aber noch das Parlamentsvotum aus Magdeburg.

Die extrem rechts stehende Landes-CDU möchte nun ein Kemmerich 2.0-Drama inszenieren und ohne Not statt mit den Grünen und Sozi-Koalitionspartnern mit der AfD stimmen, um die Gebührenerhöhung in der ganzen BRD zu kippen.  MP Haseloff gelingt es nicht, seine eigenen Leute einzufangen.

[….] "Der Ministerpräsident hat das Thema und die eigene Fraktion unterschätzt", urteilt Katja Pähle, Fraktionsvorsitzende der Sozialdemokraten. "Es gibt eine Gruppe innerhalb der CDU, die keine Berührungsängste mit der AfD hat." Die Sozialdemokraten drohen mit einem Sonderparteitag zum Fortbestand der Koalition, sollte die CDU bei ihrem Nein bleiben. [….] Da gebe es eine pyromane Landtagsfraktion, deren Vertreter aus Überzeugung oder mindestens strategischem Eigeninteresse die Nähe zur AfD suchen, selbst wenn dafür das Heiligste zu opfern ist, der öffentlich-rechtliche Rundfunk. Das klingt auch deswegen zunächst plausibel, weil die CDU in Sachsen-Anhalt mit so vielen Sonderbarkeiten aufgefallen ist, dass sich ein ganzes Vorgeschichtsbuch schreiben ließe. Es gab den Fall des CDU-Kreisvorstands Robert Möritz, dessen rechtsextreme Vergangenheit in Form eines Tattoos zutage trat. Da ist der CDU-Fraktionsvize Lars-Jörn Zimmer, der in einer "Denkschrift" das "Soziale mit dem Nationalen versöhnen" wollte. Kurz nachdem in Thüringen der FDP-Mann Thomas Kemmerich mit Stimmen von CDU und AfD kurzzeitig zum Ministerpräsidenten gekürt wurde, sagte Zimmer in die Kameras des ZDF, dass er eine CDU-Minderheitsregierung mit Tolerierung der AfD generell für "absolut denkbar" halte. [….]

(SZ, 28.11.2020)

Wie schon bei der faschistoiden Katastrophe von Erfurt, als sich FDP und CDU mit dem Flügel-Führer Bernd Höckler zusammentaten und damit die eigene Bundespartei derartig beschädigten, daß Kramp-Karrenbauer den Bundesvorsitz und die Kanzlerkandidatur in die Tonne trat, sind die Nazi-Freunde in der Sachsen-anhaltinischen CDU nicht zur Raison zu bringen.

[…..] Im Großen geht es darum, wie die Christdemokraten es mit den Rechten halten, ob die Brandmauer steht oder sie langsam einbricht, zerbröselt. [….] »Die CDU ist offensichtlich dabei, alle Tore nach rechts zu öffnen«, kritisiert Grünenchef Robert Habeck. Von einem »Skandal« spricht die SPD. In Magdeburg drohen beide Parteien mit dem Ende der Koalition. [….] Die Christdemokraten in Magdeburg scheinen unbeirrt. »Die CDU wird nicht umfallen. Wir lassen uns in dieser Frage nicht erpressen. Von niemandem«, sagt Sven Schulze, der Landesgeneralsekretär. AfD hin oder her. Fast wirkt es wie ein Déjà-vu. Im Frühjahr scheiterte Kramp-Karrenbauer schon einmal damit, eine renitente Landtagsfraktion auf Linie zu bringen, nachdem die CDU in Thüringen mit der AfD einen FDP-Mann kurzzeitig zum Ministerpräsidenten gewählt hatte. Danach stellte die Parteichefin ihren Rückzug in Aussicht. Jetzt, kurz vor ihrem Abtritt, soll bloß kein neues Erfurt entstehen. [….] Siegfried Borgwardt [….] der Vorsitzende der CDU-Fraktion, [….]  sagt [….]  laut Teilnehmern: Die CDU-Fraktion habe sich in ihrer Sitzung noch einmal mit dem Thema Rundfunkbeitrag befasst. Man bleibe beim Nein zur Erhöhung. [….] Es lasse sich nicht einfach »die Nazikeule schwingen«, sagt Markus Kurze, Parlamentarischer Geschäftsführer der Landtagsfraktion. Die CDU kämpfe seit Jahren für Reformen beim Rundfunk. [….] »Was sich in Sachsen-Anhalt aufbaut, ist alarmierend«, kritisiert Grünenchef Habeck. »Wenn die CDU tatsächlich mit der AfD gegen den Rundfunkstaatsvertrag stimmt, macht sie sich mit deren Kampf gegen den öffentlich-rechtlichen Rundfunk und seine Unabhängigkeit gemein[….] In der SPD schießt Lars Klingbeil gegen die CDU. »Nazis reicht man nicht die Hand«, sagt er in klassischer Generalsekretärsmanier [….] Schon länger stellt sich in Magdeburg die Frage, wie entschlossen sich die CDU von Rechtsaußen abgrenzt. Im August 2017 beschloss der Landtag, eine Enquete-Kommission zur Untersuchung des Linksextremismus zu bilden. Für den Antrag stimmten neben der AfD weite Teile der CDU-Fraktion. Im Juni 2019 veröffentlichten zwei CDU-Vizefraktionschefs eine sogenannte Denkschrift, in der sie eine mögliche Koalition mit der AfD ins Spiel brachten. Im Dezember 2019 flog die rechtsradikale Vergangenheit eines CDU-Kreisvorstands auf. Tagelang stellte die CDU sich vor ihn. [….]

(Der SPIEGEL Nr 49/2020, 28.11.2020)

Die sogenannte Brandmauer zwischen der CDU und den Nazis ist eine Illusion. (…..)

(Mehr schwarzbraune CDU-Nüsse, 30.11.2020)

Dabei leistet der öffentlich-rechtliche Rundfunk im Schwurbelzeitalter eine wichtigere Aufgabe, denn je.

Klar, als Intendant würde ich die Gelder anders einsetzen, kein Geld für Fußball, Tour de Farce und Olympische Spiele ausgeben. Den Talkshow-Redaktionen würde ich auch ordentlich auf den Kopf klopfen. Aber die Informationssparte leistet Großartiges.

Zwei Beispiele von gestern:

[…..] Erdrückende Papierflut - Von Bürokratiemonstern, Überregulierungen und Schnappatmung.

Es ist der Evergreen unter den Wahlversprechen: der Bürokratieabbau. Doch gemessen am alltäglich anfallenden Papierkram im Land kann man den Traum von weniger Verwaltung schnell abheften. Die Last der stetig zunehmenden Verordnungen und Dokumentationspflichten bringt nicht nur Handwerksbetriebe an ihr Limit, sondern auch die verantwortlichen Behörden selbst.  Die FAKT-Recherche taucht tief in den Alltag eines Betriebes und einer Behörde ein, die im Paragrafendschungel nach kreativen Pfaden suchen. Denn der Einsatz ist hoch: Je mehr die Verwaltung versagt, desto mehr verlieren die Menschen das Vertrauen in den Staat. [….]

(MDR, 22.07.2024)

Da kam ausführlich auch der sächsische Landrat Dirk Neubauer zu Wort, der gestern auch zurücktrat. Deutschland ist ABSOLUT VERLOREN!

Das wird hier nie mehr was.

Bitte unbedingt hier ansehen.

Sehr empfehlenswert auch die  ZDF-Doku gestern: "37° - Arbeitskräfte verzweifelt gesucht"

[…..] Die ZDF-Reportage '37°: Arbeitskräfte weltweit gesucht!' zeigt die alarmierenden Folgen des Fachkräftemangels in Deutschland. Migranten wie die Brasilianerin Elaine und der Tunesier Yassine stehen trotz hoher Motivation vor massiven bürokratischen Hürden.

An den Zahlen gibt es nichts zu rütteln – wohl aber wird über die Schlüsse, die daraus zu ziehen sind, eifrig gestritten: Wie der neue Beitrag "37°: Arbeitskräfte weltweit gesucht!" aus der sozial engagierten Reportage-Reihe des ZDF zeigt, ist der Fachkräftemangel in Deutschland weiterhin alarmierend. Bis zum Jahr 2035 werden Schätzungen zufolge beispielsweise rund 350.000 dringend benötigte Pflegekräfte fehlen. Längst geraten Logistik-Ketten ins Stocken, weil etwa aktuell rund 70.000 Lkw-Fahrer fehlen. Umso erschreckender: Wer als Migrant in Deutschland arbeiten möchte – gerade in den von Mangel bedrohten Branchen – steht oft vor unerwarteten Problemen. Bürokratie-Abbau wäre das Gebot der Stunde, um im internationalen Wettlauf um Arbeitswillige nicht noch mehr Boden zu verlieren. […..] Die 37-jährige Brasilianerin Elain ist Fachfrau durch und durch. In einer Klinik in São Paulo hatte sie einen Leitungsposten in der Notaufnahme, Pflege hatte sie studiert. Und ihre Motivation, ihre Heimatstadt, die ein hohes Kriminalitätsproblem hat, zu verlassen, war groß: "Ich kann als Frau nicht alleine morgens zur Arbeit gehen. Entweder werde ich vergewaltigt oder ausgeraubt", blickt sie im Beitrag zurück. Doch Elaines Ankommen in Deutschland war schwer. Sie musste noch in Brasilien viele Sprachkurse belegen, um die nötigen Zertifikate zu erhalten. Außerdem schlug sie sich lang mit Anträgen und Genehmigungen herum, um das nötige Arbeitsvisum zu erlangen. Es vergingen Monate. […..] Ähnlich trübe Erfahrungen hat der 26-jährige Yassine gemacht, der nach seinem Studium in seiner Heimat Tunesien als Lkw-Fahrer jobbte. Über die Bundesagentur für Arbeit gelangte der junge Mann an die Zusage, sich in Deutschland zum Berufskraftfahrer ausbilden zu lassen. Yassine wurde an eine Spedition vermittelt. Sein neuer Arbeitgeber unterstützt ihn so oft wie möglich. Doch die ausufernde Bürokratie und zunächst nicht leicht zu durchschauende Zuständigkeiten unterschiedlicher Ämter überfordert auch die deutschen Logistiker oft.   [……]

(Beschreibung via Prisma)

Begleitet wurden Yassine, der LKW-Fahrer aus Tunesien und Elaine, die Krankenschwester aus Brasilien.

Sie hat 14 Jahre Berufserfahrung, war Intensivschwester und Stationsleiterin.

Wurde von einer Klinik in Düsseldorf abgeworben.

Die Einreiseerlaubnis lies ein Jahr und neun Monate auf sich warten. Die Personalchefin der Klink meinte, daß die Hälfte der der Angeworbenen in der Wartezeit wieder abspringen und nie in Deutschland ankommen, weil die längst in andere Länder gegangen sind, wo das viel schneller geht.

Untergebracht wurde Elaine die Krankenschwester dann eine Stunde Bahnfahrt von der Klink entfernt in einem 12qm-Zimmer ohne Küche und ohne Klo.

Yassine haust ebenhfalls in einem Behelfszimmer ohne Küche und Bad, was ihm so peinlich war, daß er sich da nicht filmen lassen ließ.

Sein Chef kennt das Problem, daß Arbeitskräfte nicht kommen, wenn sie keine Wohnung finden. Er hat über seinem Betrieb mit den ganzen LKWs eine leerstehende Bürofläche, die er anfing zu Wohnungen umzubauen.

Aber das wurde verboten, weil man in einem „Gewerbemischgebiet“ nicht wohnen darf.

Macht ja nichts bei dem enormen Wohnungsüberangebot in Deutschland.

Elaine wurde in der Düsseldorfer Klinik besserwisserisch erklärt, daß man plane die Papierdokumentation zu digitalisieren, dann würde es ganz modern.

Darauf die Brasilianerin: „ ???? Krankenakten auf Papier?“

 Gibt es in Brasilien schon ewig nicht mehr.

Bitte unbedingt hier ansehen.

Dienstag, 23. Juli 2024

Der hepatitisgelbe Wahnsinn.

Im Gegensatz zu allen anderen Industrienationen, schrumpft oder stagniert die deutsche Wirtschaft.
Die Gründe sind offensichtlich: Eine katastrophal falsche finanzpolitische Weichenstellung durch den deutschen Wachstumsbremsen-Fetisch und ein Finanzminister, der vollkommen blind für die Realität gegen den Rat aller Wissenschaftler, aller Fachleute, aller Journalisten ein totes Pferd reitet, um Deutschland endgültig kollabieren zu lassen.

Während die andere großen Nationen massive Konjunkturprogramme auflegen, in die Zukunft, also beispielsweise grüne Technologien investieren und so Wirtschaftswachstum generieren, spart Lindner in der Krise. Etwas, das man niemals tun darf, wie man schon in der Schule lernt und das bei allen ökonomischen Denkschulen unstrittig ist.

Der fanatische Lindner hofft offenbar, mit dem Abwürgen der deutschen Ökonomie, die Ampelpartner so zum Kollabieren zu bringen, daß er nach 2025 in seiner Traumkonstellation mit dem ewig-gestrigen xenophoben Blackrocker Merz, lupenreine Lobbypolitik für Superreichen und gegen die Umwelt machen zu können.

Ein halbes Jahrhundert nach Franz-Josef Strauß, fährt der FDP-Chef eine Sonthofen-Strategie 2.0 innerhalb der Regierung.

Man möchte Trumps Arzt „Ronny Jackson“ ins Bundesfinanzministerium bestellen, um an Lindner einen Demenztest durchführen zu lassen.

Ihm gelingt es zwar logischerweise mit der Blockade der notwendigen Investitionen, die Wachstumsbremse, die Zukunftsbremse, die Modernisierungsbremse, die Klimaschutzbremse, die Infrastrukturbremse zu installieren und damit Deutschland international drastisch absteigen zu lassen, aber dadurch wird nicht die FDP als strahlender Sieger aus der Bundestagswahl 2025 hervorgehen. Sondern er macht lediglich die Nazis stark und wird zum zweiten mal (wie nach der 2009er Regierungsbeteiligung der gelben Pest, die er als Generalsekretär mitgestaltete) seine Partei vom einem Rekordwahlergebnis direkt ins parlamentarische Aus führen.

Nie gab es schlechtere Minister als Stark-Watzinger, Wissing und Lindner. Nie schadete eine Partei so extrem dem Standort Deutschland.

Borniertheit und Dummheit können Lindners neroeskes Verhalten nicht mehr erklären. Ganz offensichtlich hat er völlig den Verstand verloren.

[……] In Deutschland tut sich ein gewaltiger Investitionsstau auf. Mehr als 200 Milliarden Euro müssten in den nächsten zehn Jahren allein in die kommunale Infrastruktur investiert werden.

So hat es das Deutsche Institut für Wirtschaft errechnet. Hinzu kommen notwendige Investitionen in Bildung, Wohnungsbau, Klimaschutz und die überregionale Infrastruktur. Insgesamt knapp 600 Milliarden Euro in zehn Jahren – zusätzlich zu den ohnehin vorgesehenen Ausgaben in den öffentlichen Haushalten.

Prof. Michael Hüther, Institut der deutschen Wirtschaft:

"Der Investitionsstau ist in der Tat dramatisch, weil er ja keine Kurzgeschichte ist, sondern seit etwa 20 Jahren durch eine Unterfinanzierung öffentlicher Investitionen zustande gekommen ist. So kann´s wohl nicht weitergehen. Ich wundere mich, wenn manche meiner Kollegen sagen, hier würde der Staat nicht kaputtgespart, sondern er ist schon kaputtgespart."

Die Ampel aber rühmt sich in diesen Tagen dafür, nach den Corona-Jahren endlich wieder die Schuldenbremse einzuhalten. Allen voran der Finanzminister. Sein Haus schaltete vor einigen Wochen sogar Werbung für die Schuldenbremse, die Ausgaben von Bund und Ländern streng beschränkt. In der FDP-Farbe Gelb. [……]

Wie schlecht es um zentrale Bereiche der deutschen Infrastruktur steht, zeigte die Fußball-EM: Fans aus ganz Europa erlebten unzureichenden Nahverkehr und ausgefallene Züge. Österreichische Fans mit einer pointierten Lagebeschreibung: "Die Deutsche Bahn ist so im Oasch, die Deutsche Bahn ist so im Oasch!"

Das deutsche Schienennetz ist marode. Mehr als 90 Milliarden Euro, schätzt die Bahn, bräuchte es, um das Netz zu erneuern.[……]

Prof. Isabella M. Weber, Ökonomin:

"Ich denke, dass sich Deutschland gerade eigentlich ins eigene Fleisch schneidet mit dieser Art von Schuldenbremsen-Politik. Die Schuldenbremse ist aus der Zeit gefallen. Es war wahrscheinlich nie eine gute Idee, die Schuldenbremse in die Verfassung zu schreiben."

Unter den G7-Staaten hat Deutschland die mit Abstand niedrigste Staatsschuldenquote mit lediglich 64 Prozent. Und gleichzeitig hat Deutschland das geringste Wirtschaftswachstum, steckte 2023 sogar in einer Rezession.

Prof. Isabella M. Weber, Ökonomin:
"Es ist das eine, wenn man eine Schuldenbremse hat in einer Situation, in der die Wirtschaft in einer guten Lage ist und insofern es keinen großen Schaden anrichtet, wenn der Staat spart. Und es ist das andere, wenn mitten in einer der tiefsten Krise seit der Nachkriegszeit auf der Schuldenbremse besteht, weil genau in dieser Situation der Staat ganz besonders gefragt ist, um Investitionen voranzutreiben, um die Wirtschaft widerstandsfähiger zu machen."

In den USA etwa hat Präsident Biden die Wirtschaft mit einem 400 Milliarden Dollar Investitionspaket angekurbelt. Es soll helfen, das Land klimaneutral und zukunftsfest umzubauen.  Selbst der Internationale Währungsfonds und die OECD mahnen mittlerweile eine Reform der deutschen Schuldenbremse an. Auch die Bundesbank zeigt sich offen dafür.

Prof. Isabella M. Weber, Ökonomin:

"Ich würde sagen, dass man in Ökonomenkreisen – und zwar über verschiedene Denkschulen hinweg – den Kopf schüttelt, weil es einfach nicht nachvollziehbar ist. Aus 'ner wirtschaftspolitischen Perspektive ist das keine Vorbildfunktion, sondern gleicht eher einer Art von Masochismus.

Doch nicht nur für die Wirtschaft könnte der Sparkurs zum Problem werden:

Prof. Michael Hüther, Institut der deutschen Wirtschaft:

"Parallel zur Infrastruktur-Lücke haben wir uns eine Verteidigungs-Lücke oder eine Friedensdividende gegönnt, die etwa auch so groß ist. Zu der 600-Milliarden-Lücke bei den öffentlichen Infrastruktureinrichtungen kommen so etwa 650 Milliarden Unterfinanzierung der Bundeswehr, gemessen an dem 2-Prozent-Ziel." [……]

(KONTRASTE, 18.07.2024)

Neben Lindner gibt es aber zwei weitere unüberwindbare Probleme:

Einerseits die Opposition, die noch wahnsinniger sonthofinisiert und die Schuldenbremse wie eine Monstranz vor sich herträgt.

Zweitens der komplett verblödete Urnenpöbel, der RotGrün die FDP aufzwang und nach allen Umfragen bei Neuwahlen nach einem Ampel-Kollaps mit Merz und der AfD Parteien zusammen eine absolute Mehrheit zuschanzen will, die noch viel dramatischer Deutschland zerstören wollen. Und zerstören werden, weil es dann kein Grünes und Rotes Korrektiv der Vernunft mehr in der Bundesregierung gäbe.

Wir sind verloren. Verdammt. Putin kann sich freuen.


https://youtu.be/eqfiQyfW5Us?si=BuQtxu_WXNYJLXyQ

Montag, 22. Juli 2024

OK, dann also Harris.

Bisher schien der US-amerikanische Präsidentschaftswahlkampf 2024 zu einem Referendum über Bidens kognitive und physische Kräfte zu mutieren. Eine entsetzliche Situation für die Demokraten, die zwar auf eine enorme Erfolgsliste der Biden-Präsidentschaft verweisen konnten, damit aber überhaupt kein Gehör fanden, weil alle nur auf seinen nächsten Versprecher am Rednerpult und den nächsten Stolperer auf einer Gangway fokussiert waren.

[…..]  in den vergangen dreieinhalb Jahren haben wir große Fortschritte in diesem Land erzielt. Heute hat Amerika die stärkste Wirtschaft der Welt. Wir haben historische Investitionen getätigt, in den Wiederaufbau unser Nation, in Preissenkungen für verschreibungspflichtige Medikamente für Rentnerinnen und Rentner, und in eine bezahlbare Gesundheitsversorgung für eine Rekordzahl von Amerikanerinnen und Amerikanern. Wir haben einer Millionen Veteranen, die mit giftigen Substanzen in Kontakt kamen, dringend benötigte Hilfe zukommen lassen. Haben erstmals in dreißig Jahren das Waffenrecht für mehr Sicherheit angepasst. Und die erste afroamerikanische Frau in den Obersten Gerichtshof berufen. Außerdem haben wir die bedeutendste Klimagesetzgebung der Welt verabschiedet. Amerika war noch nie in einer besseren Verfassung für eine Führungsrolle in der Welt.

Niemals hätten wir das ohne Sie, das amerikanische Volk, schaffen können, das weiß ich. Zusammen haben wir eine Jahrhundert-Pandemie und die schlimmste Wirtschaftskrise seit der großen Depression überwunden. Wir haben unsere Demokratie verteidigt und gesichert. Und wir haben das Verhältnis zu unseren Verbündeten weltweit revitalisiert und gestärkt.  […..]

(Joe Biden, 21.07.2024)

Das Tattergreis-Thema wurde von eben auf jetzt begraben. Biden tritt nicht mehr an.

Worüber sich die QTrumpliKKKans eben noch so köstlich amüsierten, sucht sie nun selbst heim: Der Wahlkampf wird zu einem Referendum über Trumps mentalen Verfall.

24 Stunden nach Joe Bidens unausweichlichem, aber dann doch überraschenden Rückzug, haben sich die Demokraten erstaunlich konsolidiert

Anders, als gestern, glaube ich nicht mehr an eine „open convention“ oder die alternativen Kandidaten, wie Newsom, Whitmer oder Buttigieg. Alle haben sich bereits hinter Harris versammelt.

Glücklicherweise scheint auch das Thema „Dolchstoßlegende“ einigermaßen vom Tisch zu sein. Biden beugte sich nicht dem zunehmenden Druck durch Megapromis wie Pelosi und Obama, um endlich Platz zu machen. Es war nicht seine Partei, die ihm in den Rücken fiel.

Ihm fiel niemand in den Rücken. Es waren seine engsten langjährigen Berater Mike Donilon und Steve Ricchetti, die seit den frühen 1980ern für ihn arbeiten und denen er grenzenlos vertraut, die ihm in der Covidschen Abgeschiedenheit von Delaware Daten präsentierten, welche die Erosion seiner Zustimmung in den Swingstates so klar belegten, daß es keine Möglichkeit mehr für eine Mehrheit im Electoral College gibt. Donilon und Ricchetti, an deren absoluter Unterstützung Bidens keinerlei Zweifel besteht, erklärten ihm, er werde definitiv am 20.01.2025 nicht mehr Präsident sein. Die Frage sei nur noch, ob er dann an Donald Trump übergebe, oder an eine/n Demokrate(i)n. Offenbar ist Biden aber durchaus noch fähig, rationale Entscheidungen zu treffen und zog aus diesen Datensätzen die einzig mögliche Konsequenz: Rückzug und volle Unterstützung für seine Stellvertreterin.

Ganz gegen meine Natur, bin ich leicht optimistisch. Die meisten Demokraten vermochten es nicht, Biden direkt zu attackieren, weil sie ihn wirklich schätzen und verehren. Umso unerträglicher war der Geronto-Mehltau, den der Präsident über den Wahlkampf ausbreitete. Von dieser Fessel sind sie nun befreit und zwar ohne das schlechte Gewissen, einen politischen Meuchelmord begangen zu haben.

Enthusiasmus macht sich breit, Spenden sprudeln wieder und alle demokratischen Aktivisten, die bisher ihre Energie für eine deprimierende „lesser of two evils“-Argumentation verbrauchten, um widerwillig Biden schön zu reden, können jetzt auf eine positive Botschaft umschwenken und Harris preisen.

Das Megathema „Roe v. Wade, das für die GOPer bei den 2022er Zwischenwahlen bereits katastrophal wirkte, scheint anders als für den alten Mann Biden, für Harris maßgeschneidert.

Über Harris bricht nun eine gewaltige Welle der Unterstützung ein.

Zudem passt er bisheriger Karriereweg als Anklägerin ideal als Gegenentwurf zum notorisch kriminellen Trump.

1989 Promotion Jura, 1990 Anwältin. Von 1990 bis 1998 Assistentin des District Attorneys von Alameda County, 1998 Mitarbeiterin des Bezirksstaatsanwalts von San Francisco. 2003 Bezirksstaatsanwältin in San Francisco. 2007 Wiederwahl. 2010 Attorney General/Justizministerin in Kalifornien. 2015 Wiederwahl in ihre zweite Amtszeit. 2016 Wahl zur US-Senatorin, 2021 US-Vizepräsidentin.

Damit käme es bei ihrer Kandidatur für die US-Präsidentschaft zu dem  interessanten Duell PROSECUTER gegen CONVICTED FELLON.

Sexualstraftäter gegen Staatsanwältin.

Sie betrat immer voller Stolz mit dem Satz "Kamala Harris for the people" den Gerichtssaal. Das diametrale Gegenteil zu Trump, der nur an sich denkt und immer auf der Anklagebank saß. Das gibt für die Organisatoren der demokratischen Wahlkampfkampagne enorme Vorlagen, um gegen den kriminellen und mit 78 Jahren ältesten Menschen, der je zum Präsidentschaftskandidaten nominiert wurde.

Wie verzweifelt die Republikaner über die neue Lage sind, zeigt sich daran, wie sie sofort in die unterste Schublade der persönlichen und rassistischen Beleidigungen greifen.

Hulk Hogan, der weiße Wüterich, der für die Verwendung des Wortes „Nigger“ 2015 bei "World Wrestling Entertainment" (WWE) rausflog, wurde auf dem Trump-Nominierungsparteitag 2024 zum Star der Republikaner.

Statt „Nigger“ setzt FOX-News auf die drei Buchstaben „DEI“ (Diversity, Equity and Inclusion), die immer mit dem Namen Harris verwendet werden, um auf ihre Hautfarbe hinzuweisen.

[….]  “Cackling,” “ho,” “ditzy,” “bimbo,” “DEI Vice President.”

These are the classy terms right-wing media has used to caricature Kamala Harris over the last four years. Following President Joe Biden’s disastrous debate performance, the possibility of a Kamala takeover has jumped from a fever-dream conspiracy theory on right-wing airwaves to a real possibility, leaving right-wing media scrambling. [….] Yes, Harris endures an enormous amount of racist, sexist bullshit from Fox News and the far-right noise machine. And if there’s one thing to be said about right-wing media, it’s that it can adapt, and adapt fast. But after Harris’ four years as vice president, the right’s attacks on her as a so-called “DEI Vice President” are still falling short of the toxic misogyny that helped Donald Trump win the 2016 election. In this video, Kat outlines right-wing media’s favorite jabs against Harris, how they differ from their endless campaign against Hillary, and why they are now firing on all cylinders to reinvent the Kamala narrative for their viewers before it’s too late.  [….]

(Mother Jones, 12.07.2024)

Besonders perfide: Dazu wird ihr Vorname „Kamala“ stets absichtlich falsch, um sie als unamerikanisch zu diskreditieren.

[…..] Kuh-MAL-a. Kuh-MEL-a. Camel-a.

Nearly half of the speakers who used Vice President Harris’s first name at this week’s Republican National Convention pronounced it incorrectly.

Whether by mistake or intentionally, some of Harris’s political opponents have repeatedly mispronounced her name. Among the speakers at the convention who did so are members of Congress and a governor.

For the record, it’s Comma-la.

Harris has drawn attention from the Republican speakers amid calls from within the Democratic Party for President Biden to drop out of the 2024 race. While nearly all mentioned Biden in their speeches, more than four in 10 spoke about Harris, whom Republicans have tied to immigration by deeming her the “border czar.”

Bob Unanue, CEO of Goya Foods, went a step further Monday night, mocking her name as “‘Que-mala,’ which means ‘so bad’” in Spanish. (Kamala means lotus in Sanskrit.) [….]

(Washington Post, 19.07.2024)

So gefällt es ihrem misogynen sexistischen Messias, der Kamala als „fucking Kumalla“, „nuts“, „crazy“ und vieles anderes mehr bezeichnet.

Das ist das Intellektuelle Niveau der konservativen Christen.

Die Republikaner sind der unterste und mieseste Dreck, der sich je politisch in den USA tummelte.

Aber sie haben nun ein Problem.

[….] Die ersten Reaktionen kamen schnell. Wenige Minuten nachdem Joe Biden am Sonntag erklärt hatte, dass er sich aus dem Wahlkampf um die US-Präsidentschaft zurückzieht, gingen die Republikaner bereits zum Angriff über. Biden müsse nun auch als Präsident zurücktreten, hieß es von den einen. Kamala Harris einfach als Ersatzkandidatin zu installieren, sei undemokratisch, von anderen. Auch Donald Trump selbst meldete sich umgehend zu Wort, trat gegen Biden nach und verkündete, dass Harris bei der Wahl im November noch einfacher zu schlagen sei. [….] Auch für das Trump-Lager ist der Wechsel ein Problem. Die Kampagne hatte sich voll auf die Gebrechlichkeit des amtierenden Präsidenten als Thema eingeschossen. Nun ist es wahrscheinlich, dass die deutlich jüngere Kamala Harris übernimmt , auch alle sonstigen Alternativen der Demokraten ließen den 78-jährigen Trump alt aussehen. Die »Grand Old Party« braucht eine neue Strategie, um ihre Gegner zu diskreditieren – und sie fängt damit bereits an. [….] Trump und seine Leute nennen sie »Grenz-Zarin« und »Abtreibungs-Zarin« – Themen, die von Harris im Laufe ihrer Vizepräsidentschaft besetzt worden waren, werden als ihr persönliches Versagen ausgelegt. Kurz nachdem Biden seinen Rückzug verkündet hatte, ging ein Anti-Harris-Video online. Darin erzählt eine Sprecherin zu düsteren Bildern, nicht nur habe Harris das US-amerikanische Volk über die Gesundheit des Präsidenten belogen, sie habe auch die Grenzen für Migrantenströme geöffnet und den amerikanischen Traum zerstört. Sollte die Vizepräsidentin tatsächlich auf dem Wahlzettel nach oben rutschen, dürften noch ganz andere Attacken auf sie warten. Die Republikaner bringen sich in Stellung.  […..]

(Muriel Kalisch, SPON, 22.07.2024)

[…..]  Heftig, aber so wird es weitergehen in den kommenden Wochen. Wobei die Demokraten gerne daran erinnern, dass Trump sogar einmal eine schöne Wahlkampfspende an Kamala Harris überweisen ließ: 6000 Dollar, 2011 und 2013 vor ihrer Wahl zur Generalstaatsanwältin in Kalifornien. Die Republikaner hätten „Angst, gegen Kamala Harris zu kandidieren“, spottete die Wahlkampfmannschaft „Harris for President“, die bis Sonntag noch „Biden for President“ hieß: „Donald Trump ist nicht der erste Verbrecher, den Kamala Harris zur Rechenschaft zieht.“  [……]

(Peter Burghardt, 22.07.2024)

Sonntag, 21. Juli 2024

Karten neu mischen

Das ist natürlich die Meldung des Tages: Nancy Pelosi hat mal wieder ihre eisernen Kräfte eingesetzt und ihrem Freund Joe Biden die Eier zerquetscht.

Obwohl der streng gläubige Katholik erklärte, nur Gott der Allmächtige könne ihn von einer erneuten Kandidatur abhalten, warf er heute doch hin. Keine kleine Leistung der 84-Jährigen Kalifornierin, denn einen amtierenden Präsidenten nach nur vier Jahren von einer weiteren Kandidatur abzuhalten, ist fast nicht möglich, ohne die Partei zu zerreißen. Zu viele Trümpfe hält er mit seinen Amtsinsignien und seiner weltweiten Bekanntheit in seiner Hand, während alle anderen theoretischen Kandidaten bei der notorisch ungebildeten und desinteressierten US-Bevölkerung erst die unglaublich teure und langwierige „Name Recognition“-Arbeit zu leisten haben.

Große Teile der demokratischen Partei waren schon lange verzweifelt, weil ihnen nicht verborgen blieb, wie unbeliebt Biden gerade bei vielen jungen Wählern ist. Sie mussten einen sehr schwachen TURN OUT am 05.11. befürchten und das würde wiederum Trump nutzen, weil seine fanatischen Anhänger unter allen Umständen wählen. Es gibt in den USA eine homogene relative Mehrheit aus konservativen weißen Christen, die alle republikanisch wählen. Um diesen Block zu übertrumpfen, braucht man die sehr heterogene „Obama-Coalition“, in der sich die unterschiedlichsten Gruppen versammeln: Kämpfer für strengere Waffengesetze, Gewerkschafter, Junge, Aktivisten, People Of Color, Queere, Umweltschützer, Hochgebildete, eingebürgerte Migranten, Feministinnen, Blue Collar Worker.

Sie alle zusammen, sind zwar zahlenmäßig mehr als der homogene rassistische Trump-Block, aber ungleich schwieriger zusammen zu halten. Dafür braucht es einen sehr charismatischen strahlenden Anführer, der so viel Optimismus ausstrahlt, daß alle an seine Wahlchancen glauben.

Trump schoß und schießt immer wieder Arschflugkörper in die Obama-Coalition, um doch ein paar migrantenfeindliche Schwule, ein paar Genervte aus Cuba stammende, einige verwirrte Jugendliche, hier und da einen abgehängten Schwarzen, unter Inflation leidenden Arbeiter im Rust-belt; aus Bidens Wählerpool zu jagen.

Die GOP-Faschisten müssen diese Abtrünnigen gar nicht auf ihre Seite ziehen. Sie brauchen nicht Trump zu wählen. Es genügt, so viel Zweifel zu säen, daß sie am 05.11.2024 nicht zur Wahl gehen. Das die Republikaner extrem bevorzugende Wahlrecht regelt den Rest. Auch 2016 wurde Trump Präsident, obwohl er drei Millionen Stimmen weniger als Hillary Clinton bekam.

[……]  Ich hoffe, dass die Wähler ihn aufhalten werden, denn sonst sehen wir einer düsteren, faschistischen Zukunft für Amerika entgegen. Glauben Sie wirklich, dass der Typ, der versucht hat, die letzte Wahl für nichtig zu erklären, eine weitere überhaupt noch zulassen wird? Russische Soldaten schreiben Trumps Namen auf die Bomben, die sie über der Ukraine abwerfen. Weil sie wollen, dass er wieder an die Macht kommt. Er würde seinem Vorbild Putin erlauben, das Land komplett zu zerstören und es in einen Sklavenstaat zu verwandeln. Ich kann mir ja viel vorstellen, aber nichts könnte beängstigender sein als das, was jetzt gerade passiert.

TAZ: Wie könnte man Trump noch mit demokratischen Mitteln stoppen?

Indem ein Teil der Leute, die beim ersten Mal für ihn gestimmt haben, nun gegen ihn stimmt. Das Problem dabei ist das amerikanische Wahlleute-System, das ­Electoral College. Meine Stimme hier in Kalifornien mit seinen 39 Millionen Einwohnern ist praktisch bedeutungslos. Die Stimme von jemandem in Ohio oder einem der Hinterwäldlerstaaten zählt tausendmal mehr als meine Stimme. Diese Staaten haben sehr viel weniger Einwohner, können aber überproportional viele Wahlleute entsenden. Die schlechtesten Präsidenten, die wir in letzter Zeit hatten – Bush und zuletzt Trump –, hatten keine echte Mehrheit. Die Rechten haben die Schwächen der Verfassung genutzt und sich den Obersten Gerichtshof zu eigen gemacht. Ich sehe keinen Ausweg – es sei denn, es erheben sich alle liberal gesinnten Menschen. Die Frauen haben uns bei den Halbzeitwahlen 2022 gerettet. Das war nach der Entscheidung des Obersten Gerichts, wonach der Staat darüber bestimmen dürfen soll, was eine Frau mit ihrem Körper machen darf.

TAZ: Nach der Niederlage gegen ­Biden 2020 dachten wir, Trump sei als Politiker erledigt.

Nach dem Bierkellerputsch von 1923 dachten alle, Adolf Hitler sei erledigt. Aber er kam in den dreißiger Jahren zurück und gelangte mit legalen Mitteln ins Amt. Das ist genau das, was hier auch passieren könnte.

TAZ: Was ist schiefgelaufen?

Trump geht mit Rassismus und Hass hausieren. Die USA haben sich in den vergangenen Jahrzehnten radikal verändert. Wir sind nicht länger eine überwiegend weiße, christliche Nation. Das ist für die weißen, christlichen Nationalisten beunruhigend. Deshalb unterstützen sie – egal, was passiert – Trump. Die Evangelikalen stehen hinter ihm. Trotz der Tatsache, dass niemand weniger christlich und evangelikal sein könnte als er. Es geht ihnen um ihre Agenda, die darin besteht, das Liberale zu zerschlagen, den Multikulturalismus zu zerstören und eine Art Apartheidstaat zu errichten, wo eine kleine Minderheit rechtsradikaler, bewaffneter Schläger den Rest von uns kontrolliert.  [……]

(T.C. Boyle, 20.07.2024)

Wenn auch nur ein Teil der Obama Coalition nicht genügend vom demokratischen Spitzenkandidaten motiviert wird, sich zur Wahl registrieren zu lassen – auch das wird ihnen in allen red states ohnehin extrem schwer gemacht – und für ihn zu stimmen, gewinnt Trump. Ein Riesenproblem, wenn man mit einem nuschelnden, stotternden Tattergreis antritt, der 81 Jahre alt ist, aber wirkt, als wäre er 181.

Daß Biden Lichtjahre besser regiert als Trump und extrem viel erreicht hat, ist bedauerlicherweise für den Großteil des Urnenpöbels irrelevant.

Deswegen musste Biden seine Kandidatur zurück ziehen. Ich würde ihm gern dafür danken, aber erst einmal muss meine Wut darüber verraucht sein, wie starrköpfig er seine Partei erst in diese fürchterliche Lage brachte.

Jetzt noch anzufangen, einen Präsidentschaftskandidaten zu suchen, während die anderen Ihren schon nominiert haben und der auch weltbekannt ist, muss man ebenfalls als hochproblematisch bezeichnen.

Der Nominierungsparteitag findet in der zweiten Augusthälfte statt, am 22.08. ist die Kandidatenkür und bereits Mitte September beginnt das Early Voting.

Nach bisherigen Maßstäben, in dem die Kandidatenkür und der Wahlkampf anderthalb Jahre brauchen, bleibt dem Biden-Nachfolger praktisch gar keine Zeit.

Wie soll sich jemand so schnell bekannt machen?

Das spricht für Kamala Harris, die als einzige bereits weltbekannt ist und daher heute schon eine beträchtliche Unterstützergruppe mit Ultraschwergewichten, wie den Familien Clinton, Obama und Biden hinter sich versammelt.

Vorstellbar wäre zudem, daß sich Biden ab sofort auf das reine Repräsentieren verlegt und Harris die harte Regierungsarbeit überläßt, so daß sie sich einen Amtsbonus erarbeitet.

Es gibt aber auch zwei große Nachteile: Sie ist sehr unbeliebt, gilt als VP ohne eigene Leistungen und außerdem wirkt es wenig demokratisch, wenn die Partei eine Kandidatin zum Abnicken vorgesetzt bekommt.

Daher spricht auch einiges für eine „open convention“ (auch brokered convention oder contested convention) mit vorherigen Blitz-Primaries, so daß die Parteitagsnominierten eine echte Auswahl haben, sich demokratisch zu entscheiden. Nun verweisen alle auf die Democratic National Convention 1968 in Chicago, als der amtierende Präsident Lyndon B. Johnson überraschend nicht mehr antrat,  Vizepräsident Hubert H. Humphrey in einem offenen Verfahren nominiert wurde und prompt bei der Präsidentschaftswahl gegen Richard Nixon unterging.

Solche Vergleiche sind meines Erachtens aber nicht zielführend, weil Wahlkämpfe im Internetzeitalter anders laufen und weil die bisherigen Kandidaten beider Parteien schon so lange bekannt und so alt sind, daß ihnen das eher als Nachteil ausgelegt wird.

Ein anderer demokratischer Kandidat hätte den enormen Vorteil einfach NEU zu sein und damit für all die frustrierten Amerikaner attraktiv wird, die keinen Geronten an der Staatsspitze wollen. Bill Maher sagte es schon voraus.

Ja, Bidens Rückzug, jetzt noch, ist sehr riskant.

Aber die Situation ist mit keiner bisherigen Konstellation vergleichbar: Der Gegenkandidat war bereits Präsident, ist uralt, lügt wie gedruckt, wurde 34 fach als Verbrecher verurteilt, zweimal impeached, überlebte gerade ein Attentat und wird religiös verehrt.

Möglicherweise gibt es doch noch genügend US-Amerikaner, denen so ein Kandidat zu irre erscheint und die nun gern den Reset-Knopf drücken, um ein ganz anderes Gesicht ins Oval Office zu bekommen. Es besteht eine neue Chance.

Klar, die Demokraten versauen diese Chance vermutlich, weil sie nun mal Demokraten sind und nun rumjammern, statt eiskalte Entscheidungen zu treffen. Aber mit Biden waren die Chancen unter die Wahrnehmbarkeitsschwelle gerutscht.

[….] Joe Biden hat sich dem Druck seiner Partei und breiter Teile der amerikanischen Öffentlichkeit gebeugt und das Ende seiner politischen Karriere verkündet und sich für Vizepräsidentin Kamala Harris als Nachfolgerin ausgesprochen. Die Demokratische Partei ist damit freilich nicht von ihren Problemen erlöst, sondern sie steht am Beginn einer historisch einmaligen Situation, die ebenso viele Gefahren wie Chancen birgt. Eine neue Kandidatin, ein neuer Kandidat kann die USA elektrisieren und das Land von einer Wahl zwischen zwei unbeliebten Politikern befreien. Der Weg hin zu dieser neuen Führungsfigur kann die Partei jedoch ebenso gut zerreißen und ihre Unfähigkeit zur Fortführung der Regierungsgeschäfte offenbaren. Dann würde sich das Land dem vermeintlich Stärkeren zuwenden – Donald Trump.

Die amerikanische Parteiendemokratie steckt voller Absonderlichkeiten, die erklären, warum Präsident Joe Biden eben nicht so einfach zur Seite geschoben werden konnte. Der Austausch des demokratischen Präsidentschaftskandidaten macht die Partei nämlich nicht zwingend stärker, sondern kann sie genauso gut auch schwächen.

Das Wahlsystem in den USA wird nicht von den Parteien bestimmt, sondern von charismatischen Führungsfiguren, die sich eine Parteiorganisation auf den Leib schneidern. Nicht die Partei entscheidet über einen Kandidaten, sondern der informelle Anführer zwingt die Anhänger und mithin die Partei zur Loyalität. Dieser Prozess wird in den Vorwahlen abgewickelt, die nicht zufällig als Härtetest der Präsidentschaftswahl angesehen werden.

Parteien in den USA sind also Wahlvereine, die sich hinter einem Kandidaten versammeln – weitgehend bedingungslos. Sie nötigen dem Kandidaten kein Wahlprogramm auf und erwarten keinen religiösen, ethnischen oder regionalen Proporz bei der Verteilung von Posten. Es handelt sich um Persönlichkeitsbewegungen, die zwar einer politischen Grundidee folgen, aber ansonsten eine Person mit fast schon übermenschlichen Erwartungen aufladen. [….]

(Stefan Korneluis, 21.07.2024)

Samstag, 20. Juli 2024

Konzerttouren

Als ich mit den ersten zarten Anzeichen der Pubertät natürlich auch zum Popmusik- und NDW-Fan wurde, bekam man Informationen über die Hitparade in ausgehängten Listen aller Läden (darunter Kaufhäuser), die Platten verkauften.

Die Verkaufsrankings wurden wesentlich von den ganz wenigen Pop-Musik-Radiosendungen beeinflusst. Dort lernte man neue Songs kennen, auf die man tage- oder wochenlang wartete, um sie mit einem vor das Radio gestellten Cassettenrekorder aufzunehmen. Wolle man eine Aufnahme in besserer Qualität, kaufte man die Single, die dann hoffentlich noch nicht vergriffen war und für die man sechs Mark ausgeben musste. Nicht ganz wenig für ein Kind, das auf Taschengeld angewiesen ist.

Aber auch wenn man genügend gespart hatte, war das Vorhaben oft mit einem sehr aufwändigen Plattenladen-Hopping verbunden.

Ich hatte damals eine feste Route aus sechs oder sieben Plattenläden in der Innenstadt, die ich per Bus und Bahn abklapperte, wenn ich auf der Suche nach bestimmten Liedern war. Das dauerte Tage.

Die höchste Form der Verehrung war es, die Langspielplatte zu erwerben, die aber 14 bis manchmal 19 DM kostete. Kaum ein Teenager konnte sich das mehr als einmal im Monat leisten.

Für den bräsigen GenZ/GenAlpha von heute, der auf seinem Sofa klebend buchstäblich mit einem Fingerschnipp jeden Song der Welt in höchster Digital-Qualität quasi umsonst spotifyet, dürfte es nicht vorstellbar umständlich erscheinen, wie ich 1981 einen Song ergatterte.

Aber Achtung, jetzt kommt erwartungsgemäß der „früher war alles besser“-Satz des alten Sacks: Man wertschätze so eine neue Platte ganz anders und die Künstler gaben sich erheblich mehr Mühe, ein Album mit qualitativen Stücken zu füllen.

Für eine neue Platte nahm man sich voller Stolz sehr viel Zeit, studierte das Cover und die Texte, hörte konzentriert jeden einzelnen Takt.

Man traf sich sogar mit Freunden, um gemeinsam Musik zu hören. Eine pekuniäre Notwendigkeit, da selbstverständlich nicht jeder alle aktuellen Platten besaß.

Für die Sänger/Band hatte der damalige technische Stand ebenfalls einen Vorteil: Ihr Einkommen wurde weitgehend von den Plattenverkäufen sichergestellt.

Konzerte waren finanziell nicht sehr relevant und sprachen auch ein anderes Publikum an. Für sie wurde vergleichsweise wenig Aufwand betrieben. Bühnenshows und Tanz-Choreographien waren bis zum Aufkommen der Boybands unbekannt.

Abgesehen von Stadionbands, die es natürlich auch schon gab, konnte aber seine Lieblings sehr niederschwellig auch live erleben. Eintrittskarten gab es für 10 bis 20 DM, in kleinen Clubs 7-9 DM, bei besonderen Superstars auch mal 25 DM.

Leisten konnte man sich das Musikerlebnis; ein Hinderungsgrund war eher das Schmuddelimage. Ein leicht derangiertes Volk wurde angelockt. Im Publikum soff und rauchte man um die Wette, kam ganz nah an seine Stars ran.

Ich erinnere mich an ein Cure-Konzert in der abgehalfterten Alsterdorfer Sporthalle, als ich so betrunken und von dem konzentrierten Cannabis-Schwaden in der Halle benebelt war, daß ich auf dem Weg vom Klo kurz auf einem Sitz der ersten Reihe hocken blieb. Es saß ja ohnehin keiner – alle pressten hoppsend im Innenraum zusammen. Neben mir saß ein Typ, den ich von anderen Konzertbesuchen kannte; den ich aber erst verzögert bemerkte, dann fragte „und was machst du hier so?“, woraufhin er murmelte „ich warte nur bis die fertig gebumst haben“, mit glasigen Augen auf ein Grufti-Paar deutete, das genau zu unseren Füßen auf dem Hallenboden liegend, seelenruhig kopulierte, während diejenigen, die auf Klo mussten, desinteressiert über sie hinüber stiegen. „Ach so“, entgegnete ich achselzuckend. „Ich gehe dann wieder nach vorn zu Robert; bestimmt spielen sie gleich noch From The Edge Of The Deep Green Sea.“

Das ist heute alles ganz anders. Von CD-Verkäufen kann niemand mehr leben. Daher lohnt es sich wenig, zu viel Zeit und Mühe in die Song-Produktion zu stecken.

Geld kommt statt dessen über TV-Auftritte, Social-Media-Werbung, Merchandising und Konzerttournee herein.

Karten für internationale Stars sind unfassbar teuer, können das Hundertfache dessen kosten, das ich als Teenager durchschnittlich ausgab. Dafür gibt es technisch ultraaufwändige Bühnenshows, die Klinisch rein sind.

Keine Helicopter-Mum muss sich um das Seelenheil ihrer Elfjährigen sorgen, wenn sie allein zu Taylor Swift geht, um deren 45 (!) Songs mit 16 Kostümwechseln in drei Stunden für ihren Insta-Account abzufilmen.

Für Madonna, Lady Gaga und Co lohnt es sich; Swift ist inzwischen 1,1 Milliarden Dollar schwer.

Den ganz großen Mammon macht man heute durch Tourneen.

Das hat auch Donald Trump verstanden, der seit neun Jahren ununterbrochen tourt, um seinen fanatischen Jüngern seinen horrend überteuerten Merchandising-Krempel anzudrehen.

Wenig überraschend also, daß der Verein, der am geldgierigsten von allen ist, inzwischen auch verstärkt auf Tourneen setzt: Die Katholische Kirche.

[….] Der Kult um Reliquien in der katholischen Kirche ist so alt wie skurril, die Faszination ungebrochen: Demnächst geht das Herz des jungen „Influencers Gottes“ auf Deutschland-Tournee – und drei Schädel dürfen auf Heimaturlaub.

Carlo Acutis wird „Cyber-Apostel“ genannt oder „Influencer Gottes“: Der 2006 im Alter von nur 15 Jahren an Leukämie verstorbene fromme Katholik programmierte einst religiöse Internetseiten. [….]. Erst vor Kurzem hat Papst Franziskus entschieden, dass Acutis heiliggesprochen werden soll, als erster „Millennial“ überhaupt. In dieser Woche nun kommt ein Stück von Carlo Acutis nach Deutschland, genauer: sein Herz. Zuerst wird der in Gold eingefasste Hohlmuskel am 21. Juli in der Münchner Heilig-Geist-Kirche erwartet, von dort geht es weiter nach Kloster Weltenburg, dann nach Berlin, Köln und Hamburg – es ist die Tournee des Herzens, gewissermaßen.

Manche dieser heiligen Reste gehen eben auch auf Reisen

Der katholische Reliquienkult ist uralt, aber erfreut sich – aller Säkularisierung zum Trotz – immer noch einer großen Faszination. Oberschenkel, Haarbüschel oder Totenschädel von Heiligen sind in vielen katholischen Kirchen mehr oder weniger sichtbar zu finden, in Gefäßen oder Schreinen oder im Altar eingearbeitet. Und manche dieser heiligen Reste gehen eben auch auf Reisen.

Gut 300 Kilometer nördlich von München zum Beispiel laufen gerade die Vorbereitungen für eine solche Tour: Die Schädel der Frankenapostel Kilian, Kolonat und Totnan dürfen, so teilte es das Bistum Würzburg mit, Anfang Oktober auf Heimaturlaub nach Irland. Wird auch Zeit, nach immerhin 1338 Jahren. Schon 686 nach Christus nämlich war der irische Mönch Kilian mit seinen beiden Begleitern an den Main aufgebrochen, um die Franken zu missionieren. Das hat rückblickend ganz gut geklappt. Nicht so super lief es am Ende für die drei Iren selbst. Davon zeugen Löcher in zwei der drei Hirnschalen – Wunden, wie sie bei einem Schwerthieb entstanden sein könnten, sagt der Würzburger Domkonservator Wolfgang Schneider. Um 698 fanden die Frankenapostel in Würzburg den Märtyrertod, mutmaßlich ermordet von den Schergen des Herzogs Gosbert und seiner Gefährtin Gailana. [….]

(Annette Zoch, 19.07.2024)