Freitag, 31. März 2023

Konfessionelles Hufeisen

 

Die evangelische Kirche für so eine Art „Katholizismus light“ zu halten, weil dort die drei großen aktuellen Forderungen des Synodalen Weges bereits umgesetzt sind (Kein Zölibat, weibliche Geistliche, Homo-Akzeptanz), bietet sich auf den ersten Blick an, ist aber grundfalsch.

 
Die Protestanten verfügen nicht über den praktischen Sündigen-Beichten-Schwamm-drüber-Mechanismus.

Die extrem Lust- und Lebensfreude negierenden Ausprägungen des Protestantismus sind logische Konsequenz: Hutterer, Evangelikale, Pietisten, Calvinisten, Amish.

Man darf die beiden Haupt-Charakteristika der Lutherschen Lehren niemals vergessen: Rasender Antisemitismus und radikales Obrigkeitsdenken. Man hat zu dienen, sich einzufügen, fleißig zu sein, sich stets unterzuordnen. Keine Extravaganzen, nichts Buntes, immer bescheiden sein. Adolf Hitler war zwar Katholik, aber den konkreten eliminatorischen Judenhass fand er bei Martin Luther. 

Die protestantischen „deutschen Christen, DC“ waren begeisterte Unterstützer der Nazis, während die prächtigen katholischen Kirchenfürsten schon wegen ihrer Privilegien und ihrer Arroganz eher Schwierigkeiten hatten, sich der NSdAP unterzuordnen. Militärisch, einheitlich, mit nivellierten Klassenunterschieden sollte es bei HJ und BDM zugehen. Das passte habituell besser zum Protestantismus, als eitle Kardinäle in Brokat und Gold.

Wer so trist und streng lebt, wie es die strengen lutherischen Kirchen verlangen, sehnt sich nach Pomp und Internationalität. Nach bunteren Gottesdiensten und extravaganten Titeln.

Der hochintelligente Gustav Heinemann (1899-1976) war durch und durch Protestant.

[….] Unter dem Einfluss seiner Frau Hilda entwickelte er großes Interesse an der Religion. Während des Nationalsozialismus gehörte er der Bekennenden Kirche an (eine Untergruppe der evangelischen Kirche, die den Machtanspruch des Nationalsozialismus nicht akzeptierte). Unter anderem war er Mitglied des Rats der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) und Präses der Gesamtdeutschen Synode. [….]

(Bundespräsident)

Bei Hilda und Gustav wuchs die ebenfalls hochintelligente Tochter Uta (1926-2021) auf, die immer eine freie und kritische Denkerin war. Aus der sittenstrengen Enge des Elternhauses zog sie 1953 den Schluß, zum Katholizismus zu konvertieren. Die brillante Akademikerin, die sich 1969 als erste Frau der Welt in katholischer Theologie habilitierte und 1970 als erste Frau der Welt einen Lehrstuhl als Professorin in diesem Fach innehatte, musste später oft erklären, wie sie auf die Idee gekommen war, nach einem langen Studium der evangelischen Theologie Katholikin zu werden.

Der Essener Bischof Franz Hengsbach konnte Ranke-Heinemann akademisch nicht annähernd das Wasser reichen und war doch derjenige, der ihr am 15. Juni 1987 die Lehrbefugnis für katholische Theologie entzog. Auch ihr Kommilitone Joseph Ratzinger, der in den nicht-akademischen Bereich wechselte, disste sie später.

War sie nicht durch ihre freiwillige Konversion selbst schuld, sich solchen Männern unterordnen zu müssen? Sie selbst sagte „Ich wußte ja nicht, daß ich vom Regen in die Traufe komme.“

Der Käßmannsche Luschen-Protestantismus des 21.Jahrhunderts wirkt oberflächlich betrachtet so viel liberaler als der Kindersexfreundliche Woelki-Katholizismus.

Aber wir vergessen dabei, wie erzkonservativ die eine Million Evangelikalen in Deutschland ticken und welche pietistischen Flügel zur EKD gehören.

Man denke nur an die unsäglich frauenfeindlichen drei Hamburger Rüß-Brüder – allesamt pietistische Pfarrer.

Oder an ihr Bremer Pendant Olaf Latzel.

[….]  Alles auf Anfang: Das Oberlandesgericht hat den Freispruch für den umstrittenen Bremer Pastor Olaf Latzel kassiert und das Verfahren an das Landgericht zurückgewiesen. Das Urteil sei zu knapp und lückenhaft, kritisierten die Richter. Das Verfahren gegen den Seelsorger der evangelikalen St.-Martini-Gemeinde wegen Volksverhetzung geht also weiter.

Im dem Verfahren geht es um Aussagen, die Latzel im Jahr 2019 in einem Eheseminar getätigt hat. Der Pastor sprach damals von "Genderdreck", einer "Homo-Lobby" und "Verbrechern" vom Christopher Street Day. Das Landgericht sah seine Äußerungen als von der Religionsfreiheit gedeckt und sprach Latzel vom Vorwurf der Volksverhetzung frei. Das Oberlandesgericht hat jedoch eine andere Auffassung. "Wenn der Tatbestand der Volksverhetzung erfüllt ist, kann das automatisch nicht mehr von der Religionsfreiheit gedeckt sein", sagte Peter Lüttringhaus, Sprecher des Oberlandesgerichts. [….]

(Buten und binnen, 23.02.23)

Besonders lustig übrigens agierte das Landgericht Bremen, als es im August 2021 einen Gutachter im Fall Latzel bestellte.

[….]  Gutachter für Latzel-Prozess: Ausgelebte Homosexualität ist Sünde

Der Theologe Christoph Raedel soll für das Berufungsverfahren Olaf Latzels dessen Aussagen zu Homosexualität und Gender anhand der Bibel prüfen. Raedel erklärte nun vorab, dass er praktizierte Homosexualität nicht gutheißen könne. Der theologische Gutachter für das Berufungsverfahren um den wegen Volksverhetzung verurteilten Bremer Pastor Olaf Latzel bezeichnet „ausgelebte Homosexualität“ als „Sünde“. Der Theologieprofessor Christoph Raedel von der Freien Theologischen Hochschule (FTH) Gießen sagte am Freitag dem Evangelischen Pressedienst (epd), er stimme der Haltung seiner methodistischen Freikirche voll zu: „Die weltweite Evangelisch-methodistische Kirche kann die praktizierte Homosexualität nicht gutheißen und betrachtet diese Handlungsweise als unvereinbar mit der christlichen Lehre.“ In dem Berufungsprozess am Landgericht Bremen solle er Latzels Aussagen über Homosexualität und Geschlechtergerechtigkeit theologisch-wissenschaftlich bewerten, bestätigte Raedel. [….]

(Pro Medienmagazin, 03.09.2021)

Protestantismus in Deutschland – ein Fall für das Titanic-Magazin.

[….]  Zur Klärung der Frage, ob es Volksverhetzung ist, wenn Latzel sagt, Homosexualität sei eine „Degenerationsform von Gesellschaft“ und „überall laufen Verbrecher rum vom CSD“ soll der Theologieprofessor Christoph Raedel beurteilen, ob diese Aussagen „noch von der Bibel gedeckt“ sind. Raedel wiederum bekennt sich selbst dazu Homosexualität für eine (heilbare) Sünde zu halten und „ein Symptom für den gefallenen Zustand der Welt, der die Entfremdung des Menschen von Gott beschreibt.“ Zusammengefasst soll also ein Quatschkopf beurteilen, ob der Quatsch eines anderen Quatschkopfes mit dem Quatsch eines jahrtausendealten Quatschtextes übereinstimmt. Hast Du, hohes Gericht, etwa vor, bei der Gelegenheit gleich die ganze Bibel der Volksverhetzung zu überführen?

Löblich, aber vielleicht gar zu emsig, findet:  [….]

(Titanic, 10/21)

Donnerstag, 30. März 2023

Verhältnis zu Russland

 

Wenn man heute durch die Stories der deutschen Presse scrollt, kommen Putin und ganz allgemein Russland, wieder sehr schlecht weg.

·        Putin eskaliert an der Atomdrohungsschraube, indem er russische Atomraketen in Belarus stationieren lässt.

·        Putin eskaliert auf diplomatischer Ebene, indem er seinen Geheimdienst einen US-amerikanischen Journalisten einsperren lässt.

·        Putin eskaliert auf Cyber-Ebene, indem seine Hacker große Angriffe auf westliche Infrastruktur vorbereiten.

Ich finde es wichtig, nach wie vor zwischen „Putin“ und „Russland“ zu unterscheiden. Natürlich sind nicht alle Russen Putin-Fans und natürlich sind nicht alle Russen gleich.

Aber selbst wenn man sich wie der AfD-Propagandist David Berger in tumber Ukraine-Phobie ergeht und Wolodymyr Oleksandrowytsch Selenskyj hanebüchene Perversionen andichtet, kann aller Whataboutism dieser Welt nicht rechtfertigen, welche Politik der Kreml-Chef 2023 betreibt.

Ich empfehle an dieser Stelle auch gern noch einmal die dreiteilige ARTE-Dokumentation „WER IST PUTIN?“. Ein kleines Meisterwerk, welches viel über die Hintergründe des Ukraine-Krieges erklärt, das auch drastische Fehlleistungen des Westens nichts ausspart, so daß Sahra Sarrazin und ihr Ehemann Oskar Lafontaine Whataboutism-Material über die USA sammeln können.

Aber auch all das macht eben nicht besser, was Putin jetzt gerade in anstellt: Die Zerstörung einer großen souveränen Nation und Massenmord.

Da ist es irrelevant, wie viele katastrophale Fehler die USA, der Westen, die EU, Deutschland, Merkel angestellt haben.

Mir gefallen Sanktionen auch nicht. Niemanden gefallen Sanktionen. Sie sind nie zielgerichtet, treffen einen auch selbst und wirken, wenn überhaupt, nur langsam.

Es hilft aber alles nichts; Sanktionen sind erstens die stärkste Waffe vor der militärischen Eskalation und zweitens finanziert man mit ohne Sanktionen indirekt die Massaker an der Ukrainischen Bevölkerung mit. Sanktionen, die uns selbst gar nicht schaden, kann es nicht geben; das liegt in der Natur der Sache.

Es ist aber ethisch nicht vertretbar, diesen Schaden an uns selbst zu vermeiden. Zumal eben nicht nur die CDU oder die Merkel-Regierung oder die Energiewirtschaft in den letzten Jahrzehnten vom russischen Gas und Öl profitierten, sondern ALLE Deutschen. Es war außerordentlich bequem, eine zuverlässige und billige Energieversorgung zu haben. Das brachte günstige Verbraucherpreise und ersparte uns hunderte Milliarden Euro Investitionen in den Umstieg zu alternativen Energien.

Jetzt kommt eben die dicke Rechnung für unsere bisherige amoralische Doofheit, das Weggucken, das sich einen schlanken-Fuß-Machen.

In Europa ist diese Erkenntnis aber noch nicht vollständig angekommen. Jeder will sich aus den Belastungen durch Russland-Sanktionen herauswinden.

Belgien beharrt auf den sanktionsfreien Import russischer Diamanten.

Die FDP blockiert aus blankem Populismus den längst überfälligen Einstieg in Gas- und Öl-unabhängigere Formen des Heizens und des Verkehrs.

In Norwegen, Finnland, Schweden, Estland und Dänemark herrschen im Januar durchschnittlich deutlich niedrigere Temperaturen als in Deutschland und trotzdem gibt es dort die meisten Wärmepumpen. Die Häuser sind ähnlich gedämmt wie hier. Verbote von Öl- und Gasheizungen gelten dort längst. Deutschland hängt nicht nur technisch Jahre hinterher, sondern weigert sich in Form der FDP auch noch 2023 die Putinsche Realität anzuerkennen.

[….]  Es gibt ein Land in Europa, in dem schon heute die meisten Menschen ihre Wohnungen mit einer Wärmepumpe beheizen. Etwa zwei Drittel aller Haushalte werden dort mit den Geräten warm gehalten, um die seit einigen Wochen in Deutschland fast schon ein Kulturkampf entbrannt ist. In dem nordeuropäischen Land, dem Weltmeister der Wärmepumpen, sind die äußeren Bedingungen für die neue Heiztechnik nicht unbedingt besser als in Deutschland. Es ist dort im Winter sogar bitterkalt. Und trotzdem hat Norwegen bereits im Jahr 2017 ein Verbot für den Einbau neuer Gasheizungen beschlossen, seit 2020 gilt das Gesetz. Das Land hat sich voll und ganz auf Wärmepumpen festgelegt. Generell gilt in Europa: Dort, wo im Winter die niedrigsten Temperaturen herrschen, laufen die meisten Wärmepumpen.   [….]

(ZEIT, 26.03.2023)

Genauso blamabel sieht es bezüglich der 2022 neu entfachten schwarzengelben Liebe zur Kernenergie aus. Da werden alle Sanktionsaugen zugedrückt. Das Uran dafür soll weiter aus Russland kommen und Putins Kriegskasse füllen.

[….] Russland soll bei Brennelemente-Fertigung in Lingen helfen

Das zeigt sich nun auch im Fall der Brennelementefabrik im niedersächsischen Lingen: Für die Produktion von Brennstäben haben russische und französische Firmen ein Gemeinschaftsunternehmen gegründet. Das sagte ein Sprecher des Umweltministeriums in Hannover am Mittwoch. Das Ministerium muss als atomrechtliche Genehmigungsbehörde über einen Antrag entscheiden, ob künftig auch in Lizenz in Lingen Brennelemente für osteuropäische Atomkraftwerke eines russischen Typs hergestellt werden dürfen. [….]

(SPON, 30.03.2023)

Mittwoch, 29. März 2023

Blamables aus Bayern

 

Bill Maher hat insofern Recht, daß die sich explosionsartig vermehrenden Trigger-Warnungen großer Unsinn sind.

Der psychologische Begriff „Trigger“ und das abgeleitete Verb „triggern“ sind aber im Social-Media-Zeitalter unverzichtbare Worte geworden.

2009, als Ratzi noch amtierte, drückte er es in einem Schreiben an alle seine Bischöfe mit „daß auch Katholiken, die es eigentlich besser wissen konnten, mit sprungbereiter Feindseligkeit auf mich einschlagen zu müssen glaubten“ aus.
Es ging um die heftigen Reaktionen auf seine Begnadigung des FSSPX-Bischofs und Holocaust-Leugners Williamson. Der Tiara-Geront hatte sein Publikum getriggert.

Tatsächlich können öffentliche Personen, auch völlig unschuldig zu „Triggern“ werden. Die Algorithmen von Twitter, Facebook und Instagram machen es möglich. Ricarda Lang oder Sawan Chebli sind solche Fälle. Allein die Nennung ihrer Namen triggert den rechten Mob. Sie müssen gar nichts sagen, um die braunen Trolle mit sprungbereiter Feindseligkeit auf sie einschlagen zu lassen.

Auch für das linke Publikum gibt es solche Namen, wie beispielsweise Gerd Schröder. Das triggert sie zuverlässig und lässt mit 99,9%iger Wahrscheinlichkeit die Begriffe „Gas-Gerd“ und „HartzIV“ folgen, während seine zweifellos großen Verdienste für Deutschland nie erwähnt werden. Die Bürgerlichen werden am meisten von Claudia Roth getriggert.

Facebook und Twitter sind zu toxisch, um dem Phänomen auf den Grund zu gehen, aber „in real life“ mache ich mir schon seit Jahren den Spaß nachzufragen, wenn wieder einmal jemand gegen Roth pestet; typischerweise sind das Handwerkermeister; denjenigen festzunageln, was ihn eigentlich ganz konkret stört. Interessanterweise kann das niemand beantworten. Die Pseudoantworten lauten dann „wie die schon aussieht! Was die für Klamotten anhat! Diese bunten Haare!“ Wenn es besonders seriös zugeht, wird eingeworfen, sie hätte gar keine Qualifikation, da sie „Ton, Steine. Scherben“ gemanaged habe.

Die Angriffe auf Roth sind aber insofern passend, als sie einer meiner ausgesprochenen Lieblinge ist. Ich kann mich nicht erinnern, jemals anderer Meinung gewesen zu sein und bewundere ihr kontinuierliches Engagement für Themen, die anders als die LGBTIQ-Rechte in Deutschland des Jahres 2023, kontrovers sind und kaum Aufmerksamkeit erregen. Den Kampf gegen die Todesstrafe, den Rechtsextremismus oder für Erinnerungskultur.

Die Staatsministerin für Kultur und Medien der Bundesrepublik Deutschland wird in ihrem Regierungsjob sogar noch mehr gehasst, als auf den beiden früheren Ebenen als Parteichefin und Bundestagsvizepräsidentin.  Die Augsburgerin Roth, die gut mit einem gewissen Günther Beckstein befreundet ist, verhält sich völlig richtig gegenüber ihres Heimatbundeslandes, wenn sie in den "Madame Soler"-Streit eingreift. Dabei handelt es sich um eins der berühmtesten Picasso-Gemälde, das 1903 entstand und dem berühmten jüdischen Sammler Paul von Mendelssohn-Bartholdy gehörte. Er wurde 1934/34 „arisiert“, das Portrait landete bei dem weltbekannten Galeristen Justin Thannhauser, der aber später aufgrund seiner jüdischen Verwandtschaft ebenfalls vor den Deutschen floh. 1964 kaufte der Freistaat Bayern das Werk. Vor 25 Jahren unterschrieb die Bundesrepublik Deutschland die Washingtoner Erklärung vom 3. Dezember 1998, in der geregelt wurde, von den Nazis geraubte Kunstschätze, den Erben der ursprünglichen Besitzer zurück zu geben. Nur CSU-Bayern weigert sich.

[….] Seit 2009 sind nun die Erben Paul von Mendelsohns bemüht, das Gemälde zurückzuerhalten, was jedoch die Pinakothek bisher stets verweigert hat. So sehr man nun eingestehen mag, dass die Angelegenheit überaus komplex ist, so ist empörend gleichwohl der Umstand, dass das Land Bayern sich unverdrossen weigert, das auf der Washingtoner Erklärung beruhende Verfahren zu akzeptieren: nämlich sich gemeinsam mit den Erben vor der sogenannten „Limbach Kommission“ zu verantworten.

Deren Aufgabe aber ist so definiert: „Die unabhängige Beratende Kommission im Zusammenhang mit der Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts, insbesondere aus jüdischem Besitz, ist 2003 von Bund, Ländern und kommunalen Spitzenverbänden eingerichtet worden, um bei Differenzen über die Rückgabe NS-verfolgungsbedingt entzogener Kulturgüter zu vermitteln.“

Der eigentliche Skandal dieser Affäre besteht weniger in dem Umstand, dass die Münchner Pinakothek dieses kunsthistorisch so bedeutsame Gemälde behalten will, sondern darin, dass das Land Bayern nicht bereit ist, die causa auch nur – gemeinsam mit den Erben – durch die Kommission überprüfen zu lassen. Das Land Bayern – kunstpolitisch gesehen ein Fall von postnationalsozialistischer Hehlerei? Die Haltung des Freistaats schädigt das Ansehen des ansonsten so kunstfreundlichen Bundeslandes Bayern.  [….]

(FR, 08.09.2022)

Claudia Roth kann, will und darf Bayern damit nicht durchkommen lassen.

 [….] Mit dieser Einschätzung stehen die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen, deren Direktor Bernhard Maaz sich nicht äußern wollte, seit Jahren allein da, internationale Institutionen wie das Museum of Modern Art und das Guggenheim Museum in New York haben Meisterwerke aus der Sammlung des jüdischen Bankiers restituiert. Aber sogar eine Petition der Erben an den Bayerischen Landtag blieb bislang ohne Erfolg. Ein Sprecher des Ministeriums teilte auf Anfrage der SZ mit, dass es keinen neuen Sachstand gebe. [….] Bislang hatte sich Claudia Roth, Staatsministerin für Kultur und Medien im Kanzleramt, nicht zu dem Fall geäußert, nun sagt sie der SZ: "Ich fordere die bayerische Landesregierung ausdrücklich dazu auf, endlich den Weg dafür freizumachen, dass die Bayerischen Staatsgemäldesammlungen einer Anrufung der Beratenden Kommission zustimmen. Das ist nun wirklich überfällig."

Offensichtlich ist die Ansage mehr als ein spontaner Wutausbruch. Im Kulturstaatsministerium wird grundsätzlich an dem Problem gearbeitet, dass es auch fast ein Vierteljahrhundert nach Verabschiedung der Washingtoner Erklärung, nach der sich Staaten dazu verpflichten, verfolgungsbedingt entzogenes Kulturgut zu restituieren, ausgerechnet im Land der Täter noch kein Raubkunst-Gesetz gibt und keine juristisch verbindlichen Verfahren. Nicht einmal belastbare Statistiken. [….] Rüdiger Mahlo, Vorsitzender der Jewish Claims Conference in Deutschland, kann immerhin vorrechnen, dass es bei dem Tempo, "noch gut 2000 Jahre dauern kann, bis das Thema abgearbeitet ist". [….] Der Koalitionsvertrag war in der Frage zwar deutlich, aber knapp: man versprach "die Restitution von NS-Raubkunst zu verbessern, indem wir einen Auskunftsanspruch normieren, die Verjährung des Herausgabeanspruchs ausschließen, einen zentralen Gerichtsstand anstreben und die Beratende Kommission stärken".

Nun sagt Claudia Roth der SZ, dass man in Berlin derzeit sehr konkret an der Umsetzung arbeite: "Mit dem Finanzministerium und dem Justizministerium ist mein Haus dazu im Gespräch." Denn: "Jede gerechte und faire Lösung bezüglich eines NS-verfolgungsbedingt entzogenen Kulturguts ist ein wichtiger Schritt für die Übernahme von Verantwortung für die Vergangenheit und unsere Pflicht, gegenüber den betroffenen Familien, an denen sich unser Land so sehr vergangen hat, zumindest etwas zur Gerechtigkeit beizutragen." [….]

(Catrin Lorch, 27.03.2023)

Dienstag, 28. März 2023

Limes, Rubikon und Rote Linie des Vatikans

 

Auch die heilige römisch-katholische Kirche ändert mal ein Dogma.

Tauend Jahre verheiratete Priester, Tausend Jahre Zölibat.

Neunzehnhundert Jahre Geozentrismus, 100 Jahre Heliozentrismus.

Achtzehnhundert Jahre Zinsverbot, 200 Jahre Bankgeschäfte.

(….) Während es im Islam heute noch  Zakat und Zinsverbot gibt, ist völlig in Vergessenheit geraten, daß die  Katholische Kirche die längste Zeit ihrer Existenz kein Herz für Kredithaie und Wuchergeschäfte hatte.
Im Gegenteil; die Bibel verbietet dies.


35 Wenn dein Bruder verarmt und sich neben dir nicht halten kann, sollst du ihn, auch einen Fremden oder Halbbürger, unterstützen, damit er neben dir leben kann. 36 Nimm von ihm keinen Zins und Wucher! Fürchte deinen Gott und dein Bruder soll neben dir leben können. 37 Du sollst ihm weder dein Geld noch deine Nahrung gegen Zins und Wucher geben.
(Levitikus 25)


20 Einen Fremden sollst du nicht ausnützen oder ausbeuten, denn ihr selbst seid in Ägypten Fremde gewesen. 21 Ihr sollt keine Witwe oder Waise ausnützen. 22 Wenn du sie ausnützt und sie zu mir schreit, werde ich auf ihren Klageschrei hören. 23 Mein Zorn wird entbrennen und ich werde euch mit dem Schwert umbringen, sodass eure Frauen zu Witwen und eure Söhne zu Waisen werden. 24 Leihst du einem aus meinem Volk, einem Armen, der neben dir wohnt, Geld, dann sollst du dich gegen ihn nicht wie ein Wucherer benehmen. Ihr sollt von ihm keinen Wucherzins fordern.
(Exodus 22)

20 Du darfst von deinem Bruder keine Zinsen nehmen: weder Zinsen für Geld noch Zinsen für Getreide noch Zinsen für sonst etwas, wofür man Zinsen nimmt. 21 Von einem Ausländer darfst du Zinsen nehmen, von deinem Bruder darfst du keine Zinsen nehmen, damit der Herr, dein Gott, dich segnet in allem, was deine Hände schaffen, in dem Land, in das du hineinziehst, um es in Besitz zu nehmen
(Deuteronium 23)

 

Insbesondere ab dem 12. Jahrhundert hat eine Vielzahl unfehlbarer Päpste das Zinsverbot als „unveränderliches kirchliches Gebot“ bestätigt.


Seinen Ausgangspunkt nahm das schon altkirchliche Zinsverbot im Mittelalter mit dem Zweiten Laterankonzil von 1139, dem Decretum Gratiani, einem ausdrücklichen Zinsnahmeverbot durch Papst Innozenz III. von 1215 und dem Konzil von Vienne von 1311. Danach war es verboten, Zinsen auf geliehenes Geld zu verlangen.
[…] Noch 1745 wandte sich Papst Benedikt XIV. in der an die hohe Geistlichkeit Italiens adressierte Enzyklika Vix pervenit entschieden gegen den Zins. In § 3, Absatz I heißt es: Die Sünde, die usura heißt und im Darlehensvertrag ihren eigentlichen Sitz und Ursprung hat, beruht darin, dass jemand aus dem Darlehen selbst für sich mehr zurückverlangt, als der andere von ihm empfangen hat […] Jeder Gewinn, der die geliehene Summe übersteigt, ist deshalb unerlaubt und wucherisch.
(Wiki)


In den nächsten Jahrhunderten fand man allerdings auch im Vatikan heraus wie wunderbar einfach man sich mit Geldverleih eine goldene Nase verdienen kann.
Insbesondere katholische Ritterorden waren extrem kreativ dabei die biblischen und Vatikanischen Regeln zu umgehen.
Im 19. Jahrhundert waren Zinsen dann inzwischen so alltäglich geworden, daß es überhaupt keinem mehr auffiel als Papst Pius VIII. am 18. August 1830 alle vorherigen Zins-Gesetze aufhob. (……)

(Wie sich die Zeiten ändern – Teil II, 06.10.2013)

Bei den für deutsche Katholiken so wesentlichen Themen – Schwulen/Lesben-Segnung, Pille, Kondom, Zölibat, Frauenpriestertum wird es in den nächsten paar Jahrzehnten kein Umsteuern geben.

Ich glaube nicht, daß die RKK in 500 Jahren noch existiert, da ich

1.) Von einem vorherigen, alle Menschen vernichtenden Atomkrieg ausgehe und

2.) Für den Fall, daß das nicht passiert, der menschengemachte Klimawandel die Erde in einen unbewohnbaren Glutofen transformieren wird und

3.) Für den Fall, daß Homo Demens auch das überlebt, die Menschheit sehr viel klüger geworden sein muss und das schließt wiederum Religiosität aus.

Aber rein hypothetisch kann ich mir einen Vatikan im 26. Jahrhundert vorstellen. Der wäre dann mutmaßlich nicht mehr boy-exclusive, hätte wahrscheinlich lesbische verheiratete sexuell aktive Bischöfinnen und würde sich also Vorkämpferin der Queeren Rechte feiern lassen.

Aber eins wird der Vatikan auch in 1.000 Jahren nicht tun: Freiwillig was von seinem Vermögen abgeben. Denn das ist die eine wirkliche Konstante der 2.000 Jahre alten Kirche: Die blanke Raffgier. Der manische Drang nach Reichtümern.

In 20 Jahrhunderten erwarb sich die Papst-Kirche mehr Expertise als jede andere Organisation der Erde, wurde zum reichsten Verein, der jemals existierte.

Die Marketing-Strategie, „Armut für die Schäfchen“ zu predigen, während die Hirten alle Register ziehen, um die Gläubigen noch ärmer zu machen, bleibt unübertroffen.







Während der prunkverliebte Ratzi wenigstens so ehrlich war, sich ständig in den teuersten Golddurchwirkten und edelsteinbesetzten, hermelinumhüllten Tand zu werfen, gibt der Jesuit Bergoglio eine Meistervorstellung der Heuchelei, indem er mit billigen Tretern im Fiat umherfährt und die Armen bejubelt. Während er natürlich andererseits auf den größten und wertvollsten Schätzen der Menschheitsgeschichte hockt und gar nicht daran denkt, den im Mittelmeer ersaufenden Flüchtlingen, Obdach in seinen Myriaden Immobilien zu geben oder mit seinen Vatikanbank-Milliarden Kinder vorm Hungertod zu retten. 

Geld abzugeben kommt überhaupt nicht in Frage. Erst Recht nicht, wenn der Vatikan als reichste Organisation, wie gewöhnliche Multimilliardäre Steuern zahlen soll, mit denen dann Sozialleistungen finanziert werden.

Niemals! Selbst fressen, macht fett!

[….] Die katholische Kirche hat in Rom einen gewaltigen Immobilienschatz und zahlt darauf nur wenig Steuern. Brüssel fordert die italienische Regierung zum Handeln auf. Wird sie sich mit dem Vatikan anlegen? [….] Die vatikanische Güterverwaltung, nicht einmal für alle Immobilien in Italien zuständig, weist mehr als 4000 Wohnungen, Büros und Geschäftsräume aus. Da ist viel Sakrales dabei, namentlich die Kirchen, aber auch Gewerbliches. Die Kirche verdient dabei gutes Geld, mit weltlichen Geschäften sowieso, aber auch mit karitativen: kirchlichen Schulen, Ordenskrankenhäusern und Gästehäusern für Pilger. Der Heilige Stuhl ist in Rom ein sehr gegenwärtiger Player der Wirtschaft, und kein kleiner.

Im Volk - wer auch immer das im Einzelnen ist - ein beliebtes Thema: Es sei nicht in Ordnung, dass dieser Player dort, wo er auch Geld verdient, vom Staat eingeräumte Ausnahmerechte genießt. So zahlt er zwar kommunale Immobiliensteuer, von 5,8 Millionen Euro im Jahr ist die Rede, das ist aber ganz sicher nur ein Bruchteil dessen, was für einen normalen Immobilienbesitzer gleicher Größenordnung anfallen würde.

In Brüssel, wo das Wirtschaftsrecht der EU-Staaten geschrieben wird, fallen solche Sonderregelungen auf, zumal wenn nicht kirchliche Konkurrenten eine Wettbewerbsverzerrung monieren. [….] Jetzt ist die Kommission mit ihrer Geduld am Ende. In einem neuen Beschluss fordert sie die italienischen Behörden auf, die infrage stehenden Immobiliensteuern für 2006 bis 2011 von nicht gewerblichen Besitzern nachträglich einzufordern. [….] Es ist unklar, um wie viel Geld es dabei genau geht, aber einige Milliarden Euro sollen es sein. [….]

(SZ, 27.03.2023)

Montag, 27. März 2023

Red State Business as usual

 

Der 66-Jährige John Cooper, Demokrat, amtiert seit 2019 als Bürgermeister von Nashville. Heute hatte er die wahrlich unangenehme Pflicht, das 19. US-Schulmassaker des Jahres 2023 mit sieben Toten zu kommentieren


Tragik?

Die private streng christliche Covenant School der Presbyterian Church liegt in Tennessee's 5th district, der seit im Januar 2023 eine gewisse Berühmtheit erlangte, als Trumps Zäpfchen Kevin McCarthy 15 Wahlgänge brauchte, um zum House Majority Leader aufzusteigen. Einer der hartnäckigen Verweigerer war nämlich der ultrarechtsradikale Verschwörungstheoretiker Andy Ogles, der als gewählter Abgeordnete von Tennessee's 5th district zusammen mit Matt Gaetz und Lauren Boebert seinem Parteifreund hartnäckig die Stimme verweigerte.

Der 51-Jährige Waffenfetischist gehört zum ultraradikalen Freedom-Caucus und wurde im November 2022 erstmals mit 56% der Stimmen in den US-Kongress gewählt.

[….] As an elected official, I took an oath to defend the Constitution. The Second Amendment is abundantly clear that “the right of the people to keep and bear Arms, shall not be infringed.” I will fight tirelessly to ensure that your constitutional rights are protected and never infringed upon. Disarming the people is the most effective way to enslave them, and we must remain vigilant when anyone seeks to erode our civil liberties. The rights of the people to keep and bear arms, protect themselves and their families, and prevent tyrannical rule is a fundamental liberty of our constitutional republic.   [….]

(Andy Ogles)

[…] Media sources have characterized Ogles's political views as conservative or far-right. Ogles opposes abortion and same-sex marriage. In a 2022 interview, he downplayed the need for exceptions in an abortion bill, calling them "red herrings". In June 2022, after the repeal of Roe v. Wade, Ogles said, "The next thing we have to do is go after gay marriage." Ogles has called for the impeachment of President Joe Biden and Vice President Kamala Harris, and for treason charges to be brought against Secretary of Homeland Security Alejandro Mayorkas. He has called for the United States Department of Education to be defunded. Ogles denies the legitimacy of the 2020 United States presidential election. Ogles supports school choice, term limits, deregulating health care, and lower taxes. He opposes earmarks.[…..]

(Wikipedia)

Ogles lügt wie gedruckt, so daß er schon mit George Santos verglichen wird.

Daß heute in der christlichen Schule sieben Menschen erschossen wurden, ist also nicht „tragisch“, wie Bürgermeister Cooper sagt, sondern folgerichtig. Die Nashviller wollten so einen Vertreter im Kongress. Durch die Wahlentscheidung der US-Amerikaner und insbesondere der Christen unter ihnen, wird jede Schusswaffen-Beschränkung, die Demokraten fordern, verhindert. Die US-Amerikaner wollen nichts gegen die täglichen Mass Shootings tun. Im Gegenteil, sie sorgen ausdrücklich dafür, daß sie weiter stattfinden. Erschossene US-Christenkinder können also nicht unter dem Begriff „Tragik“ subsumiert werden.

(….) Als tragisch wird es auch immer wieder erachtet, wenn kleine Kinder andere kleine Kinder töten. Das ist immer wieder eine Meldung wert, obwohl das in den USA jeden Tag mehrfach vorkommt.

[….] Im US-Bundesstaat Texas hat ein dreijähriges Mädchen versehentlich ihre ein Jahr ältere Schwester erschossen. Die Dreijährige habe »Zugang zu einer geladenen halb automatischen Pistole« bekommen, sagte der Sheriff des Countys Harris rund um die Millionenstadt Houston, Ed Gonzalez, am Sonntagabend (Ortszeit). »Familienmitglieder haben einen einzigen Schuss gehört. Sie sind in den Raum gerannt und haben das vierjährige Kleinkind ohne Lebenszeichen auf dem Boden gefunden.« Der Sheriff sprach von einer »weiteren tragischen Geschichte eines Kindes, das Zugang zu einer Schusswaffe bekommt und jemand anderem Schaden zufügt«. [….] In den USA kommt es immer wieder zu Fällen, in denen Kinder bei ihren Eltern eine Waffe finden und abfeuern. Für Aufsehen sorgten auch Fälle, in denen Kinder Schusswaffen mit in die Schule brachten. [….]

(SPON, 14.03.2023)

Dabei ist das, was Ed Gonzalez hier reflexhaft „tragisch“ nennt, gerade eben gar nicht tragisch, sondern absolut zu erwarten und gesellschaftlich gewollt.

Tragik wird durch ein schicksalhaftes unverdientes Leid definiert. Einer Person widerfährt völlig unerwartet etwas so schreckliches, daß alle anderen mitleiden.

Das war aber im County Harris genau umgekehrt. Durch Schusswaffen getötete Kinder sind an der Tagesordnung und das passiert keineswegs schicksalhaft, sondern weil die waffenfanatischen Eltern so komplett verblödet sind, geladene Waffen offen so rumliegen zu lassen, daß ihre Dreijährigen damit „spielen“.  (….)

(Unpopuläre Meinungen zu Amokläufen, 14.03.2023)

Wer so wählt und sich so verhält, wie die streng christlichen Bürger Tennessees, muss sich nicht wundern, über das was heute geschah.

[….] ·  At least three children and three adults are dead after a shooting Monday at the Covenant School, a private Christian elementary school in Nashville, Tennessee, that teaches preschool through 6th grade, police said.

·  The shooter, described as a 28-year-old Nashville woman, entered the building through a side door and was armed with at least two assault-style rifles and a handgun, police said.

·  The shooter, who police believe was once a student at the school, was killed during gunfire with police, authorities said.  […..]

(CNN, 27.03.2023)

Die Bürger Nashvilles stimmten gerade erst im November 2022 ganz freiwillig für einen moralisch völlig verkommenen Waffennarren, dessen gesamte Familie auf Weihnachtskarten mit automatischen Waffen posierte.

Ogles schickt nun den Opfern THOUGHTS AND PRAYERS!


Mit Tragik hat das nichts zu tun. Das ist einzig und allein perfide Dummheit.

Dummheit der Wähler und ihrer Repräsentanten. Die Amerikaner bekommen was sie sich wünschten.

[….] Back in December 2022, Tennessee Rep. Andy Ogles from the 5th district of Tennessee sent out a Christmas card to his constituents. The card showed Ogles, his wife, and his three children smiling and posing in front of a Christmas tree – with four of five family members holding assault-style rifles.  This type of thing is fairly standard for Republican leaders, and it wouldn’t really be a big deal except for the fact that a woman shot and killed three children and three adults at a Christian elementary school in his district earlier today. Through the lens of that, it doesn’t look good at all. Someone shared the photo and it quickly racked up more than three million views. Suffice to say, people are not happy about it.

“Praise the Lord and pass the ammunition. Parents will lay their babies to rest today but never tuck them in again. Thanks Tennessee law makers. Their blood is on your hands,” someone replied to the photo. Another person took the idea of Ogles’ Christian values and lampooned them.

“Thank you Lord of Lords, Prince of Peace, for bestowing upon us these murderous weapons. Thank you also for knowledge that ‘Thou Shalt Not Kill’ doesn’t literally mean we shouldn’t kill, or make sacrifices to protect children from being killed. In your name, amen.” Pretty good satire, unfortunately in the worst of circumstances.   [….]

(John Silman, 27.03.2023)

Sonntag, 26. März 2023

Franzis wenig subtiler Humor.

 

Ein Papst ist zwar allmächtig und könnte in seiner Kirche so ziemlich alles tun, aber da nur erzkonservative alte Männer Kardinäle kreieren, die daher auch alle alte konservative Männer sind und im Konklave seit Jahrhunderten nur aus diesen alten konservativen Männern ein Papst gewählt wird, handelt es sich bei ihm wenig überraschend auch um einen alten konservativen Mann. Diversität im kurialen Sinne bedeutet, daß man einen Endsiebziger (Ratzi, Franzi) auf den Papstthron schicken kann, aber auch mal einen Jungspund wie Karol Józef Wojtyła, der 1978 noch fast ein Kind war, als er mit 58 Jahren Papst wurde. Es gibt Schwarze und Weiße, es gibt Italiener und Ausländer. Es gibt verschiedene Orden.

Aber es gibt keine Frauen, keine Humanisten, keine Linken und auch darüber hinaus große Gemeinsamkeiten: Alle Kandidaten sind misogyne, homophobe, illiberale, antidemokratische, autoritäre Ewiggestrige.

So ein Papst schafft nicht den Zölibat ab, öffnet nicht die Geheimarchive mit den widerlichen Naziverstrickungen, erkennt nicht die Menschenrechte an, unterwirft sich nicht der weltlichen Justiz, akzeptiert nicht die Ehe für alle, oder würde gar Frauen dieselben Rechte wie Penisträgern zugestehen.

Das ist auch in der Weltkirche nicht gewünscht.

Realistischerweise kann ein Papst aber auf nationaler Ebene Rücksichten nehmen, indem er infinitesimale Abweichungen zur kurialen Linie hinnimmt oder spezifische Animositäten würdigt. Den katholischen Massen in Afrika, Asien und Südamerika ist es völlig egal, welcher Ortsbischof in Trier amtiert. Bei weltweit 4.116 Diözesanbischöfen (insgesamt 5.389 Bischöfe), kennt niemand jeden einzelnen persönlich. Rom könnte also in einem Land wie Deutschland, in dem, anders als in den meisten Nationen, die Zahl der Katholiken stark zurückgeht, welches aber zusammen mit Italien und den USA der wichtigste Finanzier des Vatikans ist, ein Zuckerli geben. Eine Möglichkeit dazu wäre es, zumindest in den Diözesen, in denen die Oberhirten dauernd vor Gericht stehen und von ihren Schäfchen so sehr gehasst werden, daß sie in Scharen davon laufen, einen Personalwechsel vorzunehmen.

In Deutschland bieten sich dafür die vier Bistümer mit den fähigsten atheistischen Agenten an, die ihre Arbeit als Säkularisierungsbeschleuniger außerordentlich erfolgreich betreiben:

1.   Köln

2.   Trier

3.   München

4.   Hamburg

Kardinal Woelki ist ohnehin nur noch auf Abruf im Amt, die meisten Brüder in der DBK hassen ihn, selbst seine Priester verweigern die Zusammenarbeit mit ihm.

Bischof Ackermann wird ebenfalls bereits von Gläubigen und Politik boykottiert, schockiert mit immer neuen Negativ-Schlagzeilen.

Kardinal Marx war 2002 bis 2007 selbst Trier Bischof und machte sich aber auch in München die Hände so schmutzig, daß er sogar selbst darum bat, gefeuert zu werden.

Erzbischof Heße stammt aus Kölner Meisner-Sumpf. Ihm wurden so viele Fehlverhalten gegenüber Opfern sexuellen Missbrauchs nachgewiesen, daß er wie Marx und Woelki ebenfalls Rom seinen Rücktritt anbot.

Alle Vier dürfen aber ihr, für Atheisten so erfreuliches, Gläubigenvertreibungs-Werk weiterführen. Die armen Reformschäfchen vom „Synodalen Weg“, die immer noch so naiv sind zu glauben, der Vatikan könnte ihnen zuhören, trösten sich mit der sprichwörtlichen Langsamkeit Roms. Da rechne man nicht in Jahren, sondern in Jahrhunderten.

„Haha, denen zeige ich es“, dachte sich Herr Bergoglio offenbar und schmiss überraschend und plötzlich Bischof Bode raus, indem er sein bisher gar nicht bekanntes Rücktrittsgesuch annahm.

[….] Erstmals ist ein katholischer Bischof in Deutschland im Zusammenhang mit den Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche zurückgetreten. Wie der Vatikan mitteilte, habe der Papst den Amtsverzicht des Osnabrücker Bischofs Franz-Josef Bode angenommen. [….] "Insbesondere im Umgang mit Fällen sexualisierter Gewalt durch Kleriker habe auch ich selbst lange Zeit eher die Täter und die Institution als die Betroffenen im Blick gehabt. Ich habe Fälle falsch eingeschätzt, häufig zögerlich gehandelt und manchmal falsche Entscheidungen getroffen", sagte Bode. "Ich kann heute nur alle Betroffenen erneut um Verzeihung bitten." Bode war der dienstälteste amtierende katholische Bischof in Deutschland. [….] Außerdem sei mit dem vorläufigen Abschluss des "Synodalen Weges" der katholischen Kirche in Deutschland ein ihm wichtiges Zwischenziel erreicht, auf dessen Basis er zuletzt noch einige konkrete Reformvorhaben für das Bistum Osnabrück in Kraft setzen konnte, so Bode. Die weiter notwendige Verstetigung des synodalen Prinzips in der Kirche werde allerdings noch viel Kraft verlangen, die er selbst nicht mehr aufbringen könne.

Mit seinem Rücktritt vom Amt scheidet Bode als Mitglied und stellvertretender Vorsitzender aus der Deutschen Bischofskonferenz aus. Der Bischofssitz im Bistum Osnabrück ist damit ab sofort nicht mehr besetzt, es beginnt die Zeit der Sedisvakanz. Das Kirchenrecht legt fest, dass zeitgleich mit dem Bischof auch das Amt des Generalvikars erlischt und alle dem Bischof zugeordneten Gremien aufhören zu bestehen. [….]

(Tagesschau, 25.03.2023)

Ein großer ausgestreckter päpstlicher Mittelfinger an die deutschen Katholiken: Woelki und Ackermann bleiben, Bode geht.

Sein Sündenregister ist selbstverständlich groß genug, um abzutreten. Auch Bode schützte Missbrauchstäter in Soutane, sorgte dafür, ihnen weiter Opfer zuzuführen.

Aber seine Abstoßungskraft auf die eigenen Gläubigen ist bei Weitem noch nicht so stark entwickelt, wie in anderen Fällen.

[….] Ein päpstliches Geheimnis bleibt, warum Franziskus Bodes Rücktritt annahm, den von Kardinal Marx vor zwei Jahren aber nicht.  [….]

(FAZ, 26.03.2023)

Offenkundig argentinischer Humor.

Samstag, 25. März 2023

Gerhard Schröder ist nicht das Problem

 

Einige Fakten werden gern vergessen:

1.   Bundeskanzler a.D. Schröder befindet sich seit 18 Jahren, einer politischen Ewigkeit, in Rente, ist Privatier.

2.   Die Schröder/Frischer-Regierung, 1998-2005, erkannte völlig richtig die Notwendigkeit einer Energiewende, stellte die Weichen auf erneuerbare Energien und schuf die ökologische Steuerreform.

3.   In der Schröder-Regierungszeit stieg Deutschland zum Weltmarktführer bei der Windkraft und Solartechnik auf. Umweltminister Trittin sorgte für mehr Arbeitsplätze im grünen Energiesektor als der deutschen Autoindustrie.

4.   Als Schröder aus dem Amt schied, lag der Anteil der deutschen Energieversorgung durch russisches Gas bei 30%. Tendenz stark fallend durch die erneuerbaren Energien.

5.   Die deutschen Wähler sorgten von 2005 bis 2021 ununterbrochen für CDU-Herrschaft im Kanzleramt. Merkel steuerte radikal um, setzte auf das für Industrie und Verbraucher kurzfristig viel bequemere und billigere russische Gas, schraubte die Abhängigkeit auf 50% hoch.

6.   In den katastrophalen schwarzgelben Regierungsjahren 2009-2013 sorgten die FDP-Wirtschaftsminister Brüderle und Rösler für das totale Aus der Förderung erneuerbarer Energien. Hunderttausende Arbeitsplätze gingen verloren, das gesamte deutschen Know How wanderte ab. Heute sind wir sowohl in der Photovoltaik, wie auch bei der Windkraft, abhängig von Lieferungen aus China.

[….] Bereits Ende letzten Jahres gaben das chinesische Handelsministerium (MOFCOM) und das Ministerium für Wissenschaft und Technologie (MOST) bekannt, dass sie eine Überarbeitung des Katalogs der verbotenen und mit Ausfuhrbeschränkungen belegten Technologien aus China planen. Wie das Photovoltaik-Magazin pv magazine berichtet, könnten infolgedessen die für die Solarindustrie wichtigen Technologien Wafer, schwarzes Silizium und Ingots in den Katalog aufgenommen werden.

Sollte es so weit kommen, bräuchten chinesische Unternehmen für den Export dieser Stoffe in Zukunft eine behördliche Genehmigung. Für Europa hätte das gewaltige Folgen – denn der chinesische Anteil im Solarsilizium-Sektor liegt bei mehr als 80 Prozent und über 98 Prozent der weltweiten Waferproduktion stammten im Jahr 2021 aus der Volksrepublik. Angaben des Spiegels zufolge kamen zudem 85 Prozent der Zellen und etwa drei Viertel der aus ihnen zusammengefügten Photovoltaikmodule aus dem sozialistischen Staat. China hat sich im Solar-Sektor also fast eine Monopol-Stellung erkämpft. Denn wenngleich die Nachfrage nach Solarenergie in den vergangenen Jahren immer weiter gestiegen ist, blieb der deutsche Markt auf Hersteller-Ebene im Zuge des weltweit harten Preiskampfes auf der Strecke. Als Subventionen gekürzt wurden und die Kosten für die Herstellung von Solarenergie in den Keller sanken, kollabierte der deutsche Markt vor über zehn Jahren. Zahlreiche Photovoltaik-Unternehmen in Deutschland gingen infolgedessen Pleite – und China erarbeitete sich eine Vormachtstellung.  [….]

(Kreiszeitung, 07.03.2023)

Vielen Dank FDP, CDU und Frau Merkel!

Es kommt aber noch wesentlich schlimmer. Während sich die SPD sehr kritisch mit ihrer Russland- und China-Politik der letzten Jahre auseinandersetzt, gibt es bei der CDU und Frau Merkel nicht den geringsten Erkenntnisgewinn, nicht den Hauch eines schlechten Gewissens.

[….] Bundespräsident Steinmeier gab sich im April 2022 zerknirscht, er habe sich in Wladimir Putin geirrt, habe dessen »imperialen Wahn« unterschätzt. Der Ansatz, Russland in eine gemeinsame Sicherheitsarchitektur einzubinden, sei gescheitert. Die SPD unter Parteichef Lars Klingbeil hat neue Richtlinien für die Außenpolitik definiert: Sicherheit könne nicht mehr mit, sondern es müsse Sicherheit vor Russland organisiert werden. Also Containment, Eindämmung. Die Kanzlerin der vergangenen 16 Jahre hat bisher keinen Grund gesehen, von Fehlern zu sprechen.  [….]

(Sabine Rennefanz, Spon, 23.03.2023)

Es kommt aber noch wesentlich schlimmer. Während sich Grüne und SPD, sowie notgedrungen sogar ein wenig die FDP in der Ampel darum bemühen, sich aus der Energieabhängigkeit von Russland zu lösen, befindet sich die gesamte Union in Blockadehaltung. In Bayern werden weder Windkraftanlagen, noch Stromtrassen gebaut.

Der Putin-affine CDU-Ministerpräsident von Sachsen, stemmt sich fast physisch gegen die Energiewende, will unbedingt wieder zurück zum russischen Gas. Vorgestern sperrte er sich im ZDF „mit berufsbedingter Rumpelstilzchenhaftigkeit“ (Süddeutsche Zeitung) gegen erneuerbare Energien.

[….] Die Energiewende verlangt allen alles ab. Das begreifen viele Menschen. Nicht dazu gehören erstaunlich oft CDU-Politiker aus Bundesländern, die Windkraft nicht mögen, Russen-Gas aber schon. Am Ende der einstündigen Sendung von Maybrit Illner sagt die "Wirtschaftsweise" Veronika Grimm: "Es wird teuer." Und das wollen wir uns bitte schon mal merken. Es ist nicht böse gemeint, nicht radikal, nicht politisch, nicht ironisch, nicht akademisch, nicht links, nicht rechts, nicht technologieverherrlichend, nicht technologiehassend - sondern: Das ist leider so. Nach zwei Jahrhunderten ohne jede Reue kommt jetzt die Rechnung. Im Grunde ist es Physik.

[….] Kretschmer gibt das Rumpelstilzchen, weshalb er es für eine gute Idee hält, den ZDF-Talk-Tisch, der eh etwas von Kranich-Origami hat, unentwegt mit der Handkante zu traktieren. Er hämmert auf den Tisch ein. Er ist wütend. Er rollt mit den Augen. Er zischt, blökt, hämmert. Weil: siehe oben - "es wird teuer". Und das will er nicht. Wie im Märchen. Wenn es noch eines Beweises bedurft hätte, warum die Energiewende niemals mit Politikern vom Schlage Kretschmers zu schaffen ist: Der Talk von Maybrit Illner hat ihn erbracht. Kretschmer hört nicht zu, perpetuiert Bild-Schlagzeilen, biedert sich bei "den Leuten" an ("die können denken"), echauffiert sich, haut mit der Faust auf den Tisch.  [….] In der Zeit hieß es neulich: "Man kann nicht abstrakt für den Schutz des Klimas sein - und zugleich gegen jede konkrete Schutzmaßnahme." Doch, kann man. Siehe: Rumpelstilzchen. [….]

(Gerhard Matzig, 24.03.2023)

Daß die CDUCSU mit so weitem Abstand die Umfragen vor der SPD anführt, lässt sich nur mit vollständiger Verblödung des Urnenpöbels erklären.

Offenbar wollen die Teutonen angesichts unserer enormen Probleme unbedingt wieder diejenigen an der Regierung haben, die uns a) in die Probleme reingeritten haben, b) keinerlei Einsicht zeigen und c) alle Fortschritte seither zurückdrehen wollen.

Es kommt aber noch wesentlich schlimmer. Während sich Wissenschaft, Industrie und viele Verbraucher einig sind, welcher wahnwitziger und suizidaler Irrweg in 16 Jahren CDU-Herrschaft eingeschlagen wurde, reiten die Schwarzen populistische Trumpsche Attacken gegen Fakten.

[….] »Konservative Energiepolitik«: Mit Vollgas in die falsche Richtung [….] Schon 2011 waren zwei Dinge klar:

    Die Menschheit muss dringend und so schnell wie möglich damit aufhören, fossile Brennstoffe zu verfeuern.

    Die Industrie der Zukunft wird eine sein, die, soweit irgend möglich, ohne solche Verbrennungsprozesse auskommt, und zwar weltweit.

Es gab 2011 einen weiteren Rekord: Die Zahl der deutschen Arbeitsplätze im Bereich erneuerbare Energien war auf 415.000 angewachsen. Zum Vergleich: Im Braunkohlebergbau arbeiteten damals in Deutschland noch knapp 23.000 Menschen. [….] 2019, acht Jahre später, gab es in Branchen für erneuerbare Energien (EE) aber über 100.000 Arbeitsplätze weniger . Der damalige Wirtschaftsminister Philip Rösler (FDP) und Umweltminister Norbert Röttgen (CDU) hatten gemeinsam das geschafft, woran die deutsche Wirtschaft heute leidet: Sie zerstörten die heimische Solarbranche fast vollständig. Sie schränkten 2012 nämlich die Förderung erneuerbarer Energien massiv ein. [….] 2012 geschah noch etwas Interessantes: Der heutige Finanzminister Christian Lindner (FDP) machte in Nordrhein-Westfalen Wahlkampf mit dem ehemaligen SPD-Ministerpräsidenten und damals noch aktuellem RWE-Aufsichtsratsmitglied Wolfgang Clement. Die beiden forderten eine »vernunftgeleitete Industriepolitik«. Und sie meinten damit: weniger EE, mehr Kohlekraftwerke. Wirklich.

[….] Fast schon lustig liest sich vor diesem Hintergrund ein Papier, das Christian Lindners FDP-Bundestagsfraktion gerade vorgelegt hat. Darin steht dem »Handelsblatt« zufolge : »Eine staatlich gelenkte Industriepolitik läuft Gefahr, dass Technologien und Produkte nicht wegen ihres Innovations- und Wachstumspotenzials gefördert werden, sondern weil sie politisch gewollt sind.« Und das von der Partei des Mannes, der 2012 den Abbau der EE-Förderung und den Ausbau der Kohleverstromung für »vernunftgeleitete Industriepolitik« hielt.

Was die FDP wirklich will, steht auch in dem Papier: Steuersenkungen, die vor allem Unternehmen und Gutverdienern zugutekommen. Und eine Anhebung indirekter Steuern, die Geringverdiener besonders hart treffen würde. Die FDP möchte also das Gleiche wie immer: Klientelpolitik für Wohlhabende. Diesmal aber mit den gewaltigen US-Subventionen fürs Klima als Ausrede. [….]

FDP und Union sprechen, wenn es um die Zukunft der deutschen Industrie und Energieversorgung geht, gern von »Technologieoffenheit« . Tatsächlich sind die beiden Parteien vor allem für Technologien offen, die definitiv dem Untergang geweiht sind. [….]

(Prof. Christian Stöcker, 19.02.2023)

Wer sich so hartnäckig wie Merz und Söder gegen die Realität stemmt, braucht Verbündete. Und die findet man auch. In der AfD.

[….] Im Osten galt Friedrich Merz vielen CDU-Mitgliedern lange als Messias. Auf einer Regionalkonferenz in Sachsen redet der Parteichef nun Klartext zur AfD und zum Krieg in der Ukraine. Das gefällt nicht allen - und sein Vize Michael Kretschmer taucht gar nicht erst auf. [….]  Dort hatte die von Merz höchstselbst aufgestellte Brandmauer zur AfD zuletzt Risse bekommen, als die CDU-Fraktion im Kreistag von Bautzen einen AfD-Antrag unterstützte, ausreisepflichtigen Asylbewerbern Integrationsleistungen zu kürzen und im Thüringer Landtag gemeinsam mit Rechtsaußen gegen das Gendern stimmte. [….] Zur Bundestagswahl 2021 landete die CDU bei den Zweitstimmen in Sachsen, Thüringen, Mecklenburg-Vorpommern und Brandenburg nur auf Platz drei hinter AfD und SPD. Einzig in Sachsen-Anhalt war sie minimal stärker als die AfD. "Diese Partei", sagt Merz am Donnerstag, "muss wieder verschwinden. Das geht nicht durch Anbiederung, sondern nur über einen eigenen Kurs." [….] "Wir sind immer auf der Seite der Freiheit und der Demokratie, der offenen Gesellschaft."   Spätestens jetzt wäre die Reaktion von Michael Kretschmer interessant gewesen, Sachsens Ministerpräsident und Merz' Stellvertreter im Parteivorsitz. Kretschmer hat in den vergangenen Monaten immer wieder Positionen zur Ukraine vertreten, für die er in Sachsen zwar Beifall, in Berlin und dem Rest der Republik aber mindestens Kopfschütteln erntete. Er war gegen die Lieferung schwerer Waffen, wehrte sich gegen ein Ölembargo und forderte zuletzt die Reparatur der zerstörten Gaspipeline Nord Stream 1. [….]

(Iris Meyer, SZ, 24.03.2023)

Freitag, 24. März 2023

Süddeutscher Sex-Sumpf – Teil II

 

Es gibt dieses erstaunliche Phänomen der nach unten offenen moralischen Unendlichkeit. Für die meisten Menschen gibt es persönliche moralische Grenzen, ein abgeschlossenes Koordinatensystem mit endlicher Abszisse.

 Jenseits dieser Grenzen liegen Bereiche, die man nicht betritt; nicht einmal verbal.

Beobachtet man aber völlig verkommene Prominente, die weit außerhalb der moralischen Schranken des Betrachters agieren – Idi Amin zum Beispiel – begeht man gelegentlich den Fehler, anzunehmen auch für so einen, existierten zumindest irgendwelche Grenzen. Müßte er nicht irgendwann so weit gesunken sein, daß es nicht mehr weiter geht? Ist nicht irgendwann das unterste moralische Kellergeschoss erreicht?

Oliver Kalkofe fragte sich vor einem Vierteljahrhundert etwas Ähnliches, als es um geschmackliche Grenzen und deutsche Volksmusik ging. Aber immer, wenn er dachte, das tiefste Kellergeschoss sei erreicht, kam flugs ein Troubadix daher, griff zur Schaufel und hob ein tieferes Untergeschoss aus.

Auch bei Donald Trump, der heute unverhohlen mit Bürgerkrieg droht, sollte man ihn für seine zahlreichen Verbrechen zur Rechenschaft ziehen; dachte man so oft, nun habe er aber wirklich „rock bottom“ erreicht, nur um ihn am nächsten Tag noch ungeheuerlichere Dinge sagen zu hören.

Ein ähnlicher Fall ist der verschwörungstheoretische bösartige Hetzblogger David Berger, der sich ebenfalls nahezu täglich moralisch selbst unterbietet. Natürlich erwartet man nichts anderes, als perfideste Heuchelei des rechtsradikalen Antisemiten, ist dann aber doch immer wieder auf Neue überrascht, wie er es vermag, moralisch eine weitere Etage abzusteigen.

Das Phänomen der nach unten offenen moralischen Unendlichkeit gibt es außerdem natürlich im klerikalen Umfeld des Kölner Metropoliten Woelki und seinen Suffragan-Herren, von denen der Trierer Bischof Ackermann charakterlich sogar noch verkommener als sein Chef ist.

(….) Ackermann, seit 2009 Ortsbischof, ab 2010 Missbrauchsbeauftragter, ließ seinen Freisener Ex-Pfarrer Otmar M., vorbestraft wegen sexueller Nötigung eines minderjährigen Ministranten, bis 2016 im Amt, so daß dieser sich jahrelang weiter an kleinen Jungs vergreifen konnte. Im Februar 2023 musste Ackermann zu dem Fall als Zeuge aussagen und ließ die fassungslosen Berichter sein lakonisches „dumm gelaufen“ wissen.

[….]  Zum ersten Mal hat ein Bischof in einem Missbrauchsprozess vor dem Landgericht Saarbrücken ausgesagt. Der Trierer Bischof Stephan Ackermann nahm vor dem Gericht Stellung zu den Missbrauchsvorwürfen gegen den ehemaligen Pfarrer von Freisen, Otmar M.. Der 69-jährige Pfarrer im Ruhestand steht vor Gericht, weil er 1997 einen Messdiener sexuell genötigt haben soll. Ackermann erklärte, der Mann habe sich nicht an Auflagen des Bistums gehalten; er habe auch nicht an einer Präventionsschulung zu Missbrauch teilgenommen und sei trotz Verbotes weiter mit Jugendlichen in Urlaub gefahren. Deshalb sei der Mann im April 2015 zunächst beurlaubt und dann in den Ruhestand versetzt worden.  [….]  Ackermann sagte, er habe dem Beschuldigten 2016 verboten, als Priester zu wirken. Im selben Jahr startete das Bistum laut Ackermann nach weiteren Vorwürfen eine kirchenrechtliche Untersuchung wegen Vorwürfen sexualisierter Gewalt. Seit 2018 befasst sich auf Anordnung des Vatikans das Kirchengericht Köln mit dem Fall. [….] Ackermann ging in seiner Aussage auch auf die Vorwürfe des mutmaßlichen Missbrauchsopfers Timo Ranzenberger ein, der den nun angeklagten Pfarrer M. schon 2006 angezeigt hatte, weil er ihn ebenfalls missbraucht haben soll. [….]

(Trierer Volksfreund, 15.02.2023)

Zehn Jahre nach Ranzenbergers Anzeige beurlaubte Ackermann die Pädokriminellen in Soutane. 14 Jahre nach Timo Ranzenbergers Anzeige befasst sich ein Kirchengericht mit dem Fall.  […..]       

Timo Ranzenberger wird von Ackermann, wie andere Missbrauchsopfer seiner Priester verachtet.

Wie in Köln, fangen auch die Trierer Schäfchen an, sich von ihrem eigenen Bischof zu distanzieren.

[….] Eine Pfarrei des Bistums Trier hat ihren Bischof Stephan Ackermann davon ausgeladen, die Firmung zu spenden. Stattdessen bittet die Pfarrei darum, dass einer der Weihbischöfe kommen möge. Das berichtete das „Domradio“ anhand einer Darstellung der „Katholischen Nachrichtenagentur“. Das Bistum Trier hatte ab dem Jahr 2006 mehrfach Informationen zu einem früheren Pfarrer der Pfarrei, es ging um Vorwürfe sexualisierter Gewalt. Doch handelte das Bistum erst später und der Pfarrer blieb bis 2015 in der Pfarrei. Das Bistum räumte später Fehler ein. Gegen den heutigen Ruhestandspriester erhob im März 2022 auch die Staatsanwaltschaft Saarbrücken Anklage wegen Verdacht auf sexuelle Nötigung, derzeit ist es noch unklar, ob es zu einem Prozess kommen wird. Auch kirchlicherseits laufen an mehreren Stellen Untersuchungen. In ihrer Trierer Zeit waren drei Bischöfe mit dem Fall befasst: Reinhard Marx, Stephan Ackermann und Georg Bätzing.  […]

(Kath.net, 22.05.2022)

Alle drei in Amt und Würden. Bedauerlich ist aber, daß engagierte Kirchengemeinden nur einige Bischöfe kritisieren, während sie eisern an einer Organisation festhalten, deren Strukturen selbst zum sexuellen Missbrauch führen. Sogar viele Missbrauchsopfer bleiben gläubig. Noch schockierender, aber wenig überraschend: Viele Sextäter waren einst selbst Opfer. Das ist die psychologische Macht der geistlichen Ideologie Kirche.

Es ist daher zum Scheitern verurteilt, die pädosexuellen Übergriffe in der Kirche von innen zu bekämpfen. Die einzige Möglichkeit, effektiv dagegen vorzugehen, bleibt der Austritt aus der Kirchen und politischer Druck auf die Bundestagsparteien, den organisierten Religionen ihre Privilegien zu entziehen.

Insofern ist es schon ganz nett, das der fromme Katholik Uwe Conradt (45, CDU), Saarbrückens Oberbürgermeister, so entsetzt von seinem Bischof Ackermann ist, daß er seinen Rücktritt fordert.

[….]  Nach der Vorstellung eines Berichts über sexuellen Missbrauch im Bistum Trier hat der Saarbrücker Oberbürgermeister Uwe Conradt (CDU) den Rücktritt des Trierer Bischofs Stephan Ackermann gefordert. "Die Amtsträger im Bistum haben selbst Verantwortung und sind dieser bis in die jüngste Zeit nicht gerecht geworden", schrieb Conradt im sozialen Netzwerk Linkedin. Auch Ackermanns Vorgänger, der heutige Münchner Kardinal Reinhard Marx, solle von seinem Amt zurücktreten, forderte Conradt.

Conradt reagierte damit auf den ersten Zwischenbericht der unabhängigen Kommission zur Aufarbeitung des sexuellen Missbrauchs im Bistum Trier (UAK), der am Donnerstag vorgestellt wurde. Dieser zeigte auf, wie Verantwortliche im Bistum Trier in der Vergangenheit über Jahrzehnte sexuellen Missbrauch durch Priester vertuscht haben. Von 1946 bis 2021 seien 513 Opfer und 195 beschuldigte oder überführte Täter erfasst worden, hieß es in dem Bericht.  Diese Zahlen seien erschreckend, schrieb Conradt. "Es ist Zeit, dass Amtsträger, insbesondere der ehemalige Trierer Bischof Reinhard Marx und der aktuelle Bischof Stephan Ackermann Verantwortung übernehmen und von ihren Ämtern zurücktreten." Ackermann ist seit Mai 2009 Bischof von Trier. Zum Bistum Trier gehören rund 1,3 Millionen Katholiken in Rheinland-Pfalz und im Saarland. [….]

(Die Zeit, 27.08.2022)  (….)

(Süddeutscher Sex-Sumpf, 05.03.2023)

Auch hier fragte man sich schon: Ist es überhaupt möglich, noch mieser zu sein? Ackermann schützte Sextäter, ließ sie weiter auf ihre kindlichen Opfer los, outete und verfolgte Opfer, landete vor Gericht und wird selbst von den katholischsten Schäfchen seiner Diözese so sehr gehasst, daß alle nur noch inständig hoffen, er möge endlich zurücktreten.

Aber im „Fall Karin Weißenfels“, die Jahrzehnte von einem Trierer Priester missbraucht wurde, holte Ackermann nun vor dem Gerichtstermin aus und trat erneut auf das Opfer ein. Wir erinnern uns; er hatte sie bereits einmal retraumatisiert.

[….] Es geht darum, dass die als Karin Weißenfels bekannte Frau 20.000 Euro Schmerzensgeld von Bischof Stephan Ackermann und dem Bistum fordert. Der Bischof hatte den Klarnamen der unter Pseudonym bekannten Betroffenen sexueller Übergriffe offengelegt. Die Frau gibt an, dadurch "erheblich retraumatisiert" und "gravierend in ihrem Persönlichkeitsrecht verletzt" worden zu sein.

Ackermann hatte den bürgerlichen Namen der Frau vor etwa 40 Mitarbeitenden genannt. Daraufhin musste er eine Unterlassungserklärung unterzeichnen und bat die Frau um Entschuldigung. Sie hatte zuvor mehrfach von "geistlichem Missbrauch" und sexuellen Übergriffen durch einen Priester von den 1980er- bis zu den 2000er-Jahren berichtet.  [….]

(Domradio, 23.03.2023)

Statt in Sack und Asche zu gehen, seine Strafe zu zahlen und um Vergebung zu flehen, schickte Ackermann seine Anwälte gegen „Karin Weißenfeld“ in die Schlacht. Was sich gestern vor Gericht abspielte, unterschreitet erneut das bisher schon tiefste moralische Ackermann-Niveau. In der bekannten Täter-Opfer-Umkehr, beweinte Ackermann sich selbst und sah sich als Opfer der Opfer.

[….] Saal 3 am Trierer Arbeitsgericht. Donnerstagmorgen 9:20 Uhr. Die Anwälte des Trierer Bischofs Stephan Ackermann betreten das Gericht. Die anwesenden Reporter machen Fotos. "Wir wollen nicht fotografiert werden", sagt einer der beiden Anwälte. [….] Der Anwalt sagte, man sei sich einig, dass der Bischof bei der Nennung des Klarnamens ein Fehlverhalten an den Tag gelegt habe.

Man sei aber nur bereit, über eine Entschädigungszahlung zu sprechen, wenn die Klägerin keine weiteren Vorwürfe gegen den Bischof erhebe. "Bischof Ackermann ist durch die Aussagen der Klägerin auch traumatisiert", so Anwalt Christoph Legerlotz. [….]

Es sei unfassbar, dass Ackermann sich jetzt als Opfer hinstellen wolle, sagte Rechtsanwalt Stegmann. Er vertrat Karin Weißenfels vor Gericht.

Die Klägerin war so wie der Bischof nicht zu dem Termin erschienen. "Ich weiß nicht, was den Bischof traumatisiert haben könnte", sagte Stegmann in der Verhandlung. [….] MissBit wirft Bischof Verhöhnung der Opfer vor

Die Betroffenen-Initiative MissBit wirft dem Bischof eine Täter-Opfer-Umkehr vor. Die heutigen Aussagen vor Gericht seien ein Tiefpunkt im Umgang des Bischofs mit den Betroffenen. Zu sagen, er würde durch eine offensichtlich tief traumatisierte Betroffene selbst traumatisiert sei eine Verhöhnung, so ein Sprecher der Initiative gegenüber dem SWR. [….]

(SWR, 24.03.2023)

Ich hege große Sympathie für den Verein MissBiT e.V., aber zu behaupten, mit Ackermanns Verhöhnung der Opfer sei „ein Tiefpunkt erreicht“, wird nicht lange vorhalten.

Ackermann wird auch die Peinlichkeit von gestern bald erneut unterschreiten.