Dienstag, 31. August 2021

2000 Jahre unabänderliche Moral

Frauen können nicht katholische Priesterinnen werden, weil Jesus und die Bibel das schon vor 2.000 Jahren so festgelegt haben.

Gott (=Jesus=HeiGei) ist aber allmächtig, unfehlbar und allwissend; also kann nicht nach ein paar Tausend Jahren Elfriede Meier daher kommen und feststellen, Gott habe sich damals aber gründlich geirrt, sie wisse es besser und daher müsse man einige seiner Aussagen nun umschreiben.

Das wäre Blasphemie und Gott mag das bekanntlich gar nicht, schickt einen dafür in die ewige Verdammnis, in der man am Spieß gegrillt wird.

[….] Die Öffnung des katholischen Priestertums für Frauen wäre ein gravierender Traditionsbruch [….] Das sagte der Salzburger Erzbischof Franz Lackner in einem Interview für die ORF-Sendung "Radio Salzburg Café" am Sonntag. Er verglich die auf Jesus zurückgeführte Regelung, nur Männer zu Priestern zu weihen, mit einem Flussbett, das heute nicht mehr umleitbar ist.  [….]

(Kath.net, 12.02.2014)

Die RKK will aber nicht nur, keine Frauen ordinieren, weil das immer so war, sondern unfehlbare Päpste stellten fest; er könne gar keine weiblichen Priester einführen, selbst wenn er wollte.

[….] Paul VI. beauftragte die Glaubenskongregation, die Argumente genauer zu prüfen, und veröffentlichte das Ergebnis am 15. Oktober 1976 unter dem Titel „Inter insigniores“. Dort wird ausführlich dargelegt, dass und warum „die Kirche, die dem Beispiel des Herrn treu bleiben möchte, sich nicht die Vollmacht zuschreibt, Frauen zur Priesterweihe zuzulassen.“ Damit erkennt das Lehramt seine eigenen Grenzen an und erklärt: Es gibt Grundlagen der Kirche, welche ihrer Kompetenz entzogen sind, weil sie diese als von ihrem Stifter vorgegeben erkennt; und dazu gehört die ungebrochene Praxis, Frauen nicht zu Priestern zu weihen. [….]

(Marianne Schlosser, 30.03.2020)

Auch die Nummer Drei des Vatikans, der Chef der Inquisitionsbehörde sieht keinerlei Spielraum.

[….] Das Nein der katholischen Kirche zur Priesterweihe für Frauen gehört zum unfehlbaren Lehramt der Kirche. Das erklärt der Leiter der Glaubenskongregation, Erzbischof Luis Ladaria, in einem ausführlichen Beitrag der Vatikanzeitung «Osservatore Romano» von Mittwoch. […..]

(Kath.che, 30.05.2018)

Das Genörgel liberalerer Katholikinnen in der westlichen Hemisphäre kann der Vatikan bequem aussitzen. Die zahlenmäßig größere Gruppe der Katholioten interessiert sich nicht für feministischen Schnickschnack. Im Gegenteil, die Faszination Katholizismus besteht genau darin, daß sich eben seit 2.000 Jahren nichts ändert. Gott hat alles einmal festgelegt und zwar PERFEKT. Daher gewinnt die RKK global immer mehr Mitglieder und wird immer reicher.

So wird es für die Kirchenchefs auch leichter, sich durch das politische und diplomatische Gestrüpp zu manövrieren.  Wenn die Kirchenlinie mal nicht positiv rezipiert wird, schiebt man es auf flüchtige Moden, denen man nicht folgen müsse. Das ethische Grundgerüst der RKK ist zementiert und göttlich. Da kann gar nichts schlecht sein.

Deswegen hisste das österreichische Episkopat auch im Mai 1938 die Hakenkreuzfahne am Wiener Stephansdom.

[….] Anbiederung, Zustimmung, Bedrohung, Opposition: Ein Kardinal, der zu Hitlers Ankunft in Wien die Kirchenglocken läuten lässt. Ein mit „Heil Hitler“ unterzeichneter Hirtenbrief der österreichischen Bischöfe, der den Gläubigen empfiehlt, für den ,Anschluss‘ zu stimmen. [….]  Noch am 10. März hatte Kardinal Theodor Innitzer Kanzler Kurt Schuschnigg volle Unterstützung der Kirche für die geplante Volksabstimmung über Österreichs Unabhängigkeit zugesichert.  [….]

(ORF, 2018)

Den Katholiken Adolf Hitler unterstützte die RKK damit demonstrativ; schließlich kann Jesus die Juden auch nicht ausstehen. Dafür muss man nicht ins finstere Alte Testament zurückgehen, das steht auch im Neuen Testament.

[……]  Denn, Brüder, ihr seid den Gemeinden Gottes in Judäa gleich geworden, die sich zu Christus Jesus bekennen. Ihr habt von euren Mitbürgern das Gleiche erlitten wie jene von den Juden. Diese haben sogar Jesus, den Herrn, und die Propheten getötet; auch uns haben sie verfolgt. Sie missfallen Gott und sind Feinde aller Menschen; sie hindern uns daran, den Heiden das Evangelium zu verkünden und ihnen so das Heil zu bringen. Dadurch machen sie unablässig das Maß ihrer Sünden voll. Aber der ganze Zorn ist schon über sie gekommen. [….]

(1 Thess 2,14-16)

In Österreich und besonders in der Millionenstadt Wien mit seiner zu knapp 10% jüdischen Bevölkerung tobten die Novemberpogrome wochenlang und außerordentlich grausam. Nahezu alle Synagogen wurden vollständig zerstört, 4.000 Wiener Juden in das KZ Dachau verschleppt. Die Täter waren Katholiken.

[….] Das Novemberpogrom in Wien war von besonders großer Brutalität gekennzeichnet. Mehr als ein Fünftel der Todesopfer des Novemberpogroms dürften auf Wien entfallen sein, nicht zuletzt weil eine verbreitete antisemitische Stimmung bereits vor der nationalsozialistischen Machtergreifung bestand und der Vermögensentzug der jüdischen Bevölkerung noch nicht soweit fortgeschritten war, um nicht die Bereicherung an jüdischem Eigentum als lohnend erscheinend zu lassen. Es war für Jüdinnen und Juden lebensgefährlich auf die Straßen zu gehen. Sie mussten sich vor brutalen Misshandlungen, willkürlichen Verhaftungen und Hausdurchsuchungen unter dem Vorwand, nach Waffen und politischem Material zu suchen, fürchten und waren völlig vogelfrei. In der Literatur ist die Zahl von 27 ermordeten, 680 Selbstmorden und 88 schwer verletzten Juden angegeben, jedoch sind diese Angaben nicht gesichert, da sie in verschiedenen Publikationen voneinander differieren. Die über 6.500 aufgegriffenen Juden wurden in das Polizeigefängnis in Wien 9, Roßauer Lände und zwei extra eingerichtete Behelfsgefängnisse, auch "Notarreste" genannt, in Schulen in Wien 7., Kenyongasse 2 und Wien 20., Karajangasse 14 eingeliefert. Dort kam es laut Zeitzeugenaussagen zu grausamen Übergriffen auf die dort Festgehaltenen, darunter in Wien 20 auch auf 200 Frauen, die besonderen Quälereien ausgesetzt waren. Zwischen 3.500 und 4.800 jüdische Männer wurden in das Konzentrationslager Dachau deportiert. Ca. 70% der Wiener Juden waren von Hausdurchsuchungen betroffen. Mehr als 4000 jüdische Geschäfte und Gewerbebetriebe wurden größtenteils von SA-Formationen und Parteidienststellen an einem einzigen Tag geplündert, verwüstet und enteignet.  [….]

(Wien.gov.at)

Nach der Pogrom-Nacht vom 09.11.1938 verlor die Österreichische RKK demonstrativ auch kein Wort zu Gunsten der Juden. Christen sind eben an längerfristige ethische Grundüberzeugungen gebunden.

Eigenartigerweise kam die RKK Österreich aber nach nur 75 Jahren (sic!), also geradezu blitzartig, im Jahr 2013 auf die Idee, daß es vielleicht doch irgendwie nicht so nett war, wie man sich 1938 in Wien verhalten hatte.

[…..] In einer Erklärung anlässlich der Novemberpogrome von 1938, die sich heuer zum 75. Mal jähren, haben Österreichs Bischöfe die Mitverantwortung der Kirche an den damaligen Übergriffen gegen Juden und ihre Einrichtungen bekannt. [….]"Wir sehen heute klar, dass auch die Kirche durch Akzente ihre Verkündigung im Sinn einer Verachtung des Judentums mitverantwortlich für jenes Klima war, in dem sich der nationalsozialistische Antisemitismus ausbreiten konnte", wird darin erklärt. 1938 habe die Kirche in Österreich nicht erkannt, dass sich ihr christlicher Glaube aus jüdischen Wurzeln nähre. Und dies, obwohl die Kirche beim Sturm auf das Erzbischöfliche Palais in Wien kurz vor dem Pogrom selbst Ziel des Naziterrors geworden sei.  "Die Kirche hat auch in ihrer damaligen Theologie versagt", weil sie den "ungekündigten Bund" Gottes mit dem Volk Israel ignorierte. "Und sie hat in der Liebe versagt, denn es waren unsere Nächsten, die unschuldig Opfer des gewalttätigen Antisemitismus wurden", so die Bischöfe weiter. […..]

(DS, 08.11.2013)

Den Katholiken von 1938, am selben Moralgerüst orientierten Laien, Priestern, Bischöfen, Kardinälen und dem Papst, war es aber mit all ihren Bibeln, mit denselben Worten, auf die sie sich 2021 stützen, nicht einsichtig, daß es irgendwie falsch sein könnte, Millionen Juden zu massakrieren.

Montag, 30. August 2021

Pendler pampern

 Wie spießig; neulich wurde mir klar, daß ich noch nie so lange an einer Stelle gewohnt habe, wie in meiner jetzigen Wohnung.

Damals war es ein Schnellschuss; ich musste aus der vorherigen Wohnung raus und wollte unbedingt in diese Gegend.

Da konnte ich mir nicht leisten, mich länger umzugucken und unterschrieb den Mietvertrag, obwohl die Bude eigentlich einen Tick zu klein war, damals teuer zu sein schien und seit 25 Jahren nicht modernisiert worden war. Der Deal: Ich bekomme sie zur gleichen Miete und einen Monat mietfrei, wenn ich die Renovierung selbst durchführe.

Damals war ich noch so grün hinter den Ohren, daß ich den Aufwand total unterschätzte. Die schrecklichen braungrün-gemusterten Kacheln in Bad und Küche aus den 1970ern, Dekor „Moorleiche“, überklebte ich kostengünstig mit DC-Fix-Folie. Lange würde ich ja ohnehin nicht bleiben.

20 Jahre später, nach nur zwei sehr moderaten Mieterhöhungen, stellt sich die Situation ganz anders dar: Vermutlich werde ich gar nicht mehr umziehen, weil inzwischen a) die Mieten so angestiegen sind, daß ich für eine Wohnung in meiner Größe mindestens das Doppelte zahlen müßte und b) in meiner Gegend ohnehin keine Wohnungen mehr frei werden.

Allerdings verändern sich im zunehmenden Alter die Prioritäten. Inzwischen hätte ich doch ganz gern etwas mehr Ruhe und insbesondere mehr Platz.

Aber wie soll man das anstellen, wenn man in der Innenstadt bleiben möchte, aber andererseits bedauerlicherweise über keinen Goldesel verfügt?

Immerhin war ich schlau genug, mir keine Kinder oder Haustiere anzuschaffen. Daher pressiert die Wohnungssuche nicht so sehr wie bei Millionen anderen bedauernswerten Wesen in Deutschland.

Das Thema Wohnen wurde inzwischen zu einem großen Politikum und so spukt langsam auch ein über Dekaden nicht vorstellbarer Gedanke in meinem Kopf:

Könnte ich nicht zu ähnlichen monatlichen Kosten luxuriöser und auf größerem Fuß in herrlicher Stille leben, wenn ich mich von den Annehmlichkeiten der Großstadtlage verabschiede? Ginge es nicht, zumindest in einigen Jahren, sich ganz auf Homeoffice umzustellen?

Irgendwohin, wo es billig ist. MeckPomm, Elbe-Weser-Dreieck oder Oberlausitz.

Obwohl ich unabhängig von Kitas und Schulen entscheiden kann, bleibt das Landleben mit Nachteilen behaftet. In den letzten Jahren wurde ich zweimal operiert, musste lange mit Krücken gehen. Das ist als Single ohnehin Mist, aber wenigstens waren es kurze Wege zum Arzt, ich fand eine Physiotherapeutin, die zu mir kam, konnte alle Lebensmittel unkompliziert liefern lassen.

Einem Bekannten, dem ein ähnliches Malheur in Cuxhaven passierte, stellten sich ganz andere Probleme. Dort kann man sich nicht rund um die Uhr liefern lassen und die Auswahl der medizinischen Versorgung ist deutlich reduziert. Je kleiner das Kaff, umso schwieriger wird es. Was soll man tun, wenn der Strom oder das Telefon ausfällt? Mal eben ein MRT machen, wenn der Flunk weh tut?

Aus dieser Unfähigkeit sich zwischen zwei Welten zu entscheiden, entstand die Spezies des Pendlers.

Er oder sie sind die egoistischen Hedonisten der Arbeits- und Wohnwelt. Sie wollen das Beste aus beiden Welten nehmen und die Nachteile den anderen überlassen.

Billig wohnen, mit viel Platz und einem Garten, geringere Gewerbesteuern, weniger Gebühren, keine städtischen Abgaben und Vorschriften, aber dafür den Städtern, die all das finanzieren, einen Arbeitsplatz wegnehmen.

Pendler sind eine ökologische Pest und/oder verstopfen zumindest den ÖPNV-Regionalverkehr. Sie wohnen flächenverbrauchend und damit energetisch mangelhaft.

Die Kosten werden partiell auch noch auf die Allgemeinheit abgewälzt, weil der Staat Pendlerpauschalen zahlt, Dienstwagen finanziert und Straßen kostenlos zur Verfügung stellt.

Warum ist das eigentlich so? Wieso sind alle Parteien so pendlerfreundlich und überbieten sich gegenseitig damit, den Wahnsinn der stundenlangen Arbeitswege zu unterstützen?

Könnte man nicht von den Menschen eine Entscheidung verlangen?

Lebt entweder wie ein echter Städter in der Stadt. Kleine Wohnung, wenig Platz, wenig Flächenversiegelung, wenig Emissionen durch sehr kurze Wege.

Oder zieht euch auf Land zurück, genießt da die günstigere Preise, die Ruhe und den Platz. Dann bleibt aber auch da, kauft regional, arbeitet im Homeoffice.

Wer sich mit einer Version nicht zufrieden gibt und beides will – Job mit mehr Geld in der Stadt UND Haus im Grünen mit großem Garten – soll das tun dürfen, aber statt dabei noch finanziell gefördert zu werden, sollte man ihn/sie zur Kasse bitten. Eine deftige CO2-Abgabe für die Pendelei und eine am Arbeitsplatz zu entrichtende Ausgleichsteuer, für die durch die Stadt finanzierte vom Pendler benutzte Infrastruktur.

Mopo-Redakteur Florian Boldt beklagt sich im Leitartikel vom Freitag über die Ungemütlichkeiten seiner Pendelei aus Stade nach Hamburg in die Redaktion. Er müsse bis zu zwei Stunden in Bahn und Bus sitzen, bei Sturm und Regen sei das oft ein Problem. Und die vielen Baustellen gefielen ihm auch überhaupt nicht.

Sehr witzig, Herr Boldt. Kein Hamburger freut sich über die Baustellen. Aber wenn nicht Myriaden Pendler wie Sie jeden Tag Hamburgs Straßen und Brücken abnutzen würden, ohne hier Steuern zu zahlen, hätten wir auch nicht so viele Baustellen.

Sie beziehen Ihr Gehalt aus der Leistungsfähigkeit der Stadt, schaffen das Kapital in eine Gegend, die dafür keinerlei Anstrengung unternommen hat und besitzen die Dreistigkeit sich dann auch noch zu beklagen, weil wir Städter ÖPNV-Parasiten wie Ihnen nicht noch mehr Bequemlichkeiten verschaffen?

Wenn Sie das alles in Hamburg so schrecklich finden, suchen Sie sich doch einen Job in Stade! Und wenn Sie keine Lust haben in der Provinz zu arbeiten, dann mieten Sie sich doch eine Einzimmerwohnung in Hamburg-Altona mit 28qm. Das ist praktisch, umweltfreundlich und erspart Ihnen schlagartig die vier Stunden Pendelzeit am Tag.

Sonntag, 29. August 2021

Triell 1

Nachdem ich nun eben zwei Stunden Laschet, Scholz und Baerbock auf RTL gesehen habe, bin ich kaum schlauer geworden, weil ich die Kandidaten und ihre Positionen vorher schon hinlänglich kannte.   Keiner leistete sich einen extremen Lapsus, keiner brillierte mit einem Hieb.  Am meisten überzeugte mich, wenig überraschend, Olaf Scholz.

Armin Laschet war, wie üblich, besonders peinlich, erging sich in unsinnigen von Unkenntnis gezeichneten Faseleien über angeblich von der SPD verhinderte Sicherheitsmaßnahmen.

Tanit Koch hatte mit ihm offensichtlich einige Draufhau-Sätze eingeübt, die er unbedingt coram publico laut deklamieren wollte, aber er schaffte es nicht, den richtigen Anknüpfpunkt zu finden und spulte "sie können nicht spielen wie Angela Merkel und reden wie Saskia Esken" noch hastig am Ende ab, als Scholz gerade die Koalition mit der Linkspartei ausgeschlossen hatte.

Laschets eingeübte Emphase gegen die bösen Kommunisten passte aber nicht nur inhaltlich nicht, sondern war zweitens auch eine peinliche verzweifelte Reminiszenz an „Rote Socken“-Kampagnen der 1990er. Was die CDU eben so tut, wenn sie selbst inhaltlich so gar nichts mehr beizutragen hat.

Dreifach peinlich wurde Laschets gefakter Ausbruch gegenüber den angeblichen Verfassungsfeinden bei der Linken, weil von den anwesenden Drei, eindeutig er selbst der einzige war, dem in der Hinsicht etwas vorzuwerfen ist. Die CDU kooperiert immer wieder mit der AfD, der CDU-Chef ist es, der nicht die Kraft und den Mut findet, sich gegen den Flirt der CDU-Fraktionen von Sachsen-Anhalt und Thüringen mit Antisemiten und Faschisten, auszusprechen.

Die auswendig gelernten Stanzen Laschets sind erstaunlich antik. Zum Thema „soziale Spaltung“ und Kinderarmut, plappert er tatsächlich das seit Ronald Reagan widerlegte Märchen vom „Trickle Down Effekt“ nach.

[……] Die Union geht, obwohl Friedrich Merz mit dieser wirklich jedem, der manchmal Zeitung liest, mittlerweile als Quatsch bekannten These, dass Steuersenkungen für Wohlhabende Wohlstand schaffen, weiterhin hausieren. Sogar der Wirtschaftsweise hat bei Illner am Donnerstag erklärt, dass das so nicht funktioniert. Das ist kontrafaktische Politik, wie von physikalischer Konservativenträgheit weiterbefördert.  […..]

(Prof. Christian Stöcker, 29.08.2021)

Nun wird es niemand an dieser Stelle sehr überraschen, daß ich kein Fan von Armin Laschet bin und mir Olaf Scholz als Bundeskanzler wünsche.

Immerhin könnte die SPD zum vierten mal in der Geschichte der Bundesrepublik stärkste Partei werden. Bereits drei Institute sehen die SPD knapp vor CDUCSU. Nach den großen demoskopischen Veränderungen des Augusts, ist auch eine rotgrüne Kanzlermehrheit nicht mehr völlig ausgeschlossen, wenn Scholz und Baerbock noch jeweils  drei, vier Pünktchen zulegen.

Realistischer ist aber natürlich ein Dreierbündnis und da meiner Ansicht nach, unbedingt eine Beteiligung von AfD, CDU, CSU und FDP an der nächsten Bundesregierung verhindert werden sollte, ist meine Wunschkoalition Rotrotgrün.

Die Variante ist leider von allen möglichen Bündnissen die Unbeliebteste in der Bevölkerung. Sehr viel deutet auf eine Jamaika-Koalition mit der SPD in der Opposition hin, weil die gesamte grüne Führung stark die CDU priorisiert. Da dies außerdem die einzige Konstellation ist, in der Laschet mit seinem Liebling Lindner zusammen regieren kann, würden sie allerhand Zugeständnisse an die Grünen machen. Die FDP kann sich nach 2017 ebenfalls kein erneutes Nein zu Jamaika leisten. Es wird also enormen Druck geben, ein schwarzgrüngelbes Bündnis einzugehen.

Baerbock räumt alle klassischen Hindernisse für Schwarzgrün eifrig ab. Sie will mehr Polizisten, mehr Geld für die Bundeswehr, Auslandseinsätze, Drohnen, mehr Rüstung, Videoüberwaschung – alles Punkte, die noch vor 20 Jahren für jeden Grünen absolute Ausschlusskriterien gewesen wären.

Die Grünen Landesverbände des Saarlands, Hessens, Baden-Württembergs und Hamburgs sind schon länger so stramm konservativ, daß sie jederzeit die CDU einer SPD vorziehen.

Dem schwarzgrünen Schulterschluss stehen aber auch einige wenige Punkte im Weg: Die Grünen und die FDP mögen sich habituell nicht. Das Klimathema, das Robert Habeck noch 2017 gleich freiwillig abräumte, um in die Bundesregierung zu kommen, ist diesmal viel wichtiger und lässt sich nur mit der SPD umsetzen. Die Steuerkonzepte von Grünen und SPD harmonieren eher als GrünSchwarz. Außerdem mag es einen gewissen Druck von der Grünen-Basis geben, nicht mit der CDU ins Bett zu gehen, wenn es auch für eine linkere Option reicht.

In Baden-Württemberg war der Druck allerdings nicht groß genug, um CDU-Liebling Kretschmann zur Regierungsbildung mit der SPD zu bewegen. Er wollte unbedingt weiter mit den erzkonservativen Atomfreunden von der CDU regieren.

Ein gutes Argument für eine Regierung links von der CDUCSU wäre ein möglichst starkes SPD-Ergebnis. Könnte die SPD deutlich zulegen, während die CDUCSU um über 10 Punkte abrutscht, würde dies allgemein als Wählerwille gegen einen CDU-Kanzler interpretiert und es wäre umso schwieriger für Habeck und Baerbock, Jamaika gegenüber einer Ampel oder RRG durchzudrücken. Also an alle CDU-Gegner da draußen: Wählt unbedingt SPD und nicht Grün oder Links – umso wahrscheinlich wird es, daß Laschet aus dem Kanzleramt ferngehalten wird.

Ich wünsche mir schon deshalb die ernste Möglichkeit von RRG, weil Olaf Scholz damit in den Koalitions-Sondierungen die Möglichkeit hätte, enormen Druck auf Lindner auszuüben. Der müsste in einer Ampel auf seine Steuergeschenke für die Superreichen verzichten, weil die SPD damit drohen könnte, anderenfalls die Linken ins Boot zu holen und die Superreichen noch erheblich mehr zu belasten. Für die FDP wäre es eine Möglichkeit ihr Gesicht zu behalten; sie könnten ihren Weg in die Ampel vor ihren rechten Gönnern damit rechtfertigen, damit den Kommunismus aufgehalten zu haben.

Genau deswegen hatte Scholz bisher RRG nicht explizit ausgeschlossen; als gewiefter Taktiker braucht er zumindest die Drohkulissen. Wohlwissend, daß diese Option mutmaßlich ohnehin an Baerbock und Habeck scheitern würde.

Bis heute.

Im Triell von heute schloß er nun doch de facto ein Bündnis mit der Linken aus.

Als Begründung führte er das skandalöse und moralisch verwerfliche NEIN der Linken zum Rettungseinsatz in Afghanistan an.

Keine Überraschung; schon in den Tagen zuvor äußerte sich Generalsekretär Klingbeil genau wie der erzkonservative ehemalige Grünen-Chef Özdemir wütend gegenüber der Linken.

[….] Nur fünf Linkenabgeordnete stimmten der Evakuierungsmission zu. SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil warf der Fraktion nun aufgrund der vielen Neinstimmen und Enthaltungen Unanständigkeit vor.  »Aus meiner Heimatregion sind Soldaten in Kabul, unter Einsatz ihres Lebens«, sagte Klingbeil den Sendern RTL und n-tv. »Sie haben in den letzten Tagen 5000 Menschen gerettet, sie haben Leben gerettet, und das, was sie brauchen, ist volle Rückendeckung aus dem Parlament.« Die Linksfraktion habe diese Rückendeckung verweigert: »Das ist unanständig, und das zeigt eben auch, dass die Linke beim Thema Außen- und Sicherheitspolitik nicht berechenbar ist.«   Auch andere Vertreter von SPD und Grünen empörten sich über den Kurs der Linken. Der Grünen-Politiker Cem Özdemir zweifelte gegenüber der »Welt« an der Regierungsfähigkeit der Partei: »In einer Regierung könnte sie sich so nicht verhalten«, sagte Özdemir. »Mit ihrem erratischen Abstimmungsverhalten verbaut sich die Linke außenpolitische Handlungsfähigkeit und läuft vor der Verantwortung davon.« Özdemir betonte, dass der Einsatz der Bundeswehr bei der internationalen Evakuierungsmission am Kabuler Flughafen auf die Rettung von Menschen abziele. »Dass die Fraktion der Linken sich im Bundestag selbst bei der Abstimmung über eine Rettungsmission enthalten will, in der über Leben und Tod entschieden wird, ist mir unbegreiflich«, sagte er. [….]

(SPON, 26.08.2021)

Lars Klingbeil hat Recht. Es ist nicht nur amoralisch, die Bundeswehrhelfer den Taliban zu überlassen, es zeigt auch die realpolitische Unfähigkeit der Linken. Wenige Wochen vor der Bundestagswahl rollt sie auf einmal solche gewaltigen Hindernisse in den Weg Richtung RRG. Damit beraubt sie sich selbst einer Machtoption. Dumm.

Nun wettert die AfD-Alliierte Wagenknecht gegen die SPD, statt den Menschen in tödlicher Gefahr zu helfen.

Annalena Baerbock schloss ohnehin ein RRG-Bündnis aus, aber nachdem nun auch Scholz die Option vom Tisch nahm, wird es verdammt schwer eine Bundesregierung ohne schwarz und gelb zu bilden.

Samstag, 28. August 2021

Pannen-Update.

Vor einer Woche in Berlin; die offizielle Einleitung der heißen Unionswahlkampfphase mit Laschet, Söder und Merkel. Nun sollte aber mal Schluß sein mit dem Schlafwagen-Modus. Angriff und Kämpfen sei nun angesagt.   Die beschlipsten JU-Jubler jauchzten vor Glück. Nun würde man es den Sozis und verrückten Links-Ökos aber zeigen.

Allein; niemand in der CDU-Führung erhöhte das Flehen; sie gingen alle feige in Deckung. Die ganze Woche passierte wieder einmal – Nichts!  Bis auf das Übliche natürlich; die SPD-Werte gehen steil nach oben und Pannen-Armin liefert zuverlässig Peinlichkeit auf Peinlichkeit.

Nach den Rezo-Erfahrungen von 2019, wollte die CDU lernen mit diesen eigenartigen Online-Menschen umzugehen.

Es war der mediale Unions-Tiefpunkt, als Rezo mit einem nicht sehr CDU-freundlichen Video, die im Fax-Zeitalter stehen gebliebene Partei so verwirrte, daß Parteichefin Kramp-Karrenbauer zunächst die Meinungsfreiheit abschaffen wollte, dann ihren jüngsten Bub, den Augustus-Lobbyisten Amthor mit einem Gegenvideo von der Leine ließ und selbiges gleich wieder einstampfen musste, weil es offenbar noch peinlicher war, als #Neuland-AKKs Plan die Freiheit im Internet abzuschaffen.  Der neue Parteichef Armin Laschet weiß inzwischen, wie man mit diesen virtuellen Typen umgeht, die sich täglich im Internet herumtreiben.

Zunächst einmal sagte er alle Gesprächsformate mit jüngeren Menschen und Youtubern ab. Ein Triell mit Scholz, Baerbock und Rezo? – Armin nahm Reißaus.

Vor einer Woche droppte (nennt man das so in der Jugendsprache?) der blauhaarige Youtuber ein weiteres CDU-Video, welches inzwischen 3,6 Millionen mal gesehen wurde.

Zum Vergleich: Der vom offiziellen CDU-Youtube-Kanale „CDUTV“ gestreamte „Start in die heiße Wahlkampfphase“ mit Merkel und Söder am 21.08.2021 wurde 2003 mal geklickt. Laschets große Rede am 23.08. wurde auf dem CDU-Youtube-Kanal immerhin 2.329 mal abgerufen.

Für diejenigen, die nur Klatschen und Singen in der Schule hatten: 3,6 Millionen ist mehr als 2.000. Sogar viel mehr.

Was als nächstes kam, war so sicher, wie das Amen in der Kirche: Alle starrten gebannt auf den CDU-Chef, wie er diesmal reagieren würde. Schließlich hatten sämtliche Medien über das Video berichtet. Welche souveräne Erwiderung hätten sich die versammelten CDU-IQs in zwei Jahren mit der massiven Medien-Kompetenz der BILD und der ehemaligen BILD-Chefredakteurin Tanit Koch als oberste Laschet-Beraterin ausgedacht? Welche Schlagfertigkeit würde die an Laschet (ver)zweifelnden CDU-affinen Wähler überzeugen? Vorgestern im SWR3-Interview war es so weit, die Moderatoren fragten Laschet, ob er das Rezo-Video schon gesehen hätte. Armin grinst und lacht.

Antwort: „Nein, wenn ich alle Videos ansehen würde, die irgendwer macht, hätte ich viel zu tun. [….] Die Thesen [….], die sind wie immer falsch. Und Stück für Stück kann man denen dann widersprechen.“

Kann man sich nicht ausdenken: Laschet erklärt in einem Satz, so ein Wahlkampf-relevantes Video gar nicht anzusehen, aber dennoch zu wissen, alles darin wäre falsch.

[….] Armin Laschet erklärt in der ARD, dass er das Rezo-Video nicht kenne und nicht angeschaut habe, aber alles darin Behauptete sei falsch!

Tja, Pech gehabt, Rezo… Das ist eine inhaltlich saubere und konsistente Widerlegung, der auch Du nichts entgegensetzen können wirst! […..]

(Lorenz Meyer, 28.08.2021)

Rezo fügte seinem Video ein „Inkompetenz Quellendokument“ mit 145 Quellen hinzu; er steckte viel Zeit hinein, um jede seiner Behauptungen absolut wasserdicht zu belegen. Von Laschet wird das jovial mit „wie immer alles falsch“ weggerinst.  Zu seinem Glück waren SWR3-Moderator Constantin Zöller und RBB-Moderatorin Angela Ulrich viel zu schwach und uninformiert, um Laschet in die Zange zu nehmen und nachzubohren, ob er ernsthaft alle 145 Links für falsch hält.

[….] Herr Laschet schafft es immer wieder sich noch schlechter dastehen zu lassen. Fakten als falsch zu bezeichnen. Alle Achtung. Aber das kennt man ja aus den letzten Wochen und Monaten. Wem etwas am Land, der Bevölkerung und der Zukunft liegt, der wählt jedenfalls nicht CDU im September. [….]

Schon eine sehr gewagte Aussage von Herrn Laschet zumal er behauptet das Video nicht gesehen zu haben. Wie kann er dann sagen, dass die Aussagen alle falsch sind.  Ich habe langsam die Befürchtung, dass er und seine Mitstreiter in einer Parallelwelt leben, fern ab der Realität. [….]

Rezo hat ganz klar alle dargestellten Informationen sachlich und klar bewiesen, Quellen hinterlegt usw usf. Dieses Video als "wie immer falsch" zu bezeichnen ist einfach eine klare Irreführung und dumme Aussage, denn bereits vorherige Videos waren schon nicht falsch. Laschet ist einfach ein Dummschwätzer. [….]

Tja, lieber Herr Laschet so kann man dann eine Wahl auch verlieren wenn man die junge Generation nicht abholt und ignoriert [….]

Das allein ist für mich schon Grund genug, warum die CDU/CSU auf die Ersatzbank gehört. [….]

Es geht mir auf den Sack. Liebe CDU/CSU, mit Verlaub, verpisst euch. [….]

Laschet nimmt zwanghaft jedes Fettnäpfchen auf seinem Weg mit. Und steht da mal keins, dann stellt er sich selbst noch eins hin um mit Wonne hineinzutreten. Unserem Land ist zu wünschen, dass er niemals Kanzler wird. Man stelle sich diesen Mann auf dem internationalen, roten Teppich vor. Wieviel Beherrschung müssten die anderen Staatsmänner und Frauen aufbringen um nicht in schallendes Gelächter auszubrechen!? [….]

(Kommentare auf SWR am 26.08.2021)

Und sonst so?  Es ist schließlich Laschets große Zeit. Da bleibt es sicherlich nicht bei einer Totalblamage pro Tag.

Ärger gibt es außerdem, weil der rheinische Katholiban sein Amt als Ministerpräsident mit dem eines Karnevalsprinzen verwechselt und staatliche Orden für Gefälligkeiten verteilt.

[….] »Man kennt sich, man hilft sich«, heißt es in Armin Laschets Heimat. Er verleiht als NRW-Ministerpräsident gern Orden und Medaillen und nutzt die Ehrungen als politisches Instrument. [….] Der NRW-Regierungschef hat dafür die Staatskanzlei umgebaut. Vor seiner Amtszeit wurden Orden, Titel und Staatspreise in einem Referat bearbeitet. Nun sind daraus drei geworden, ein Referat für Auszeichnungen, eines für den Staatspreis und eines für den Landesverdienstorden. 2018 führte Laschet eine neue Ehrung ein. [….] Dabei fühlt sich Laschet nicht nur in der Rolle des Gebers wohl. Seine persönliche Liste an Auszeichnungen ist ebenfalls beachtlich. [….]

(SPIEGEL, 28.08.2021)

Auch zum Megathema Klimaschutz gibt es Neuigkeiten. Um seine Spender von der Kohleindustrie zu schützen, klagte Laschet die Grünen an. Es nutze gar nichts, in Deutschland Kohlekraftwerke abzuschalten, weil in Afrika pro Jahr 450 neue Kohlekraftwerke entstünden.

Die Argumentation, man müsse seine eigenen Sünden nicht einstellen, weil andere noch mehr sündigen, ist ohnehin eine sehr peinliche Form des Whataboutism.

Aber da es hier um eine Laschet-Aussage geht, log er dabei auch noch sehr dreist.

 […..] "Mit allem Ehrgeiz" müsse man am Klimaschutz arbeiten, verlangte der CDU-Kanzlerkandidat - und legte ein großes Aber nach: "In Afrika sind 450 Kohlekraftwerke geplant", wusste Laschet. Er habe darüber mit Gerd Müller gesprochen, dem Entwicklungsminister von der CSU. "Das würde alles auffressen, was wir an Anstrengung unternehmen", warnte der CDU-Chef. Und damit hätte er auch recht. Wenn denn die Zahl stimmte.  Der "Global Coal Plant Tracker" etwa zählt für Afrika 25 angekündigte Kohlekraftwerke. Nimmt man noch die hinzu, die erste Genehmigungen haben, sind es 70. Immer noch 70 zu viel - aber keine 450.  [….]

(Michael Bauchmüller, 27.08.2021)

25 oder 450, wo ist da der Unterschied?

Die Merkel-Laschet-CDU ist effektiv bei der Zerstörung der Umwelt.

Im Ergebnis verfügt Deutschland nun über die schlimmsten CO2-Schleudern Europas.

[….] Die größten Klimasünder in Europa sind weiterhin die großen Kohlekraftwerke in Deutschland - sie besetzen sieben Plätze im Top-10-Ranking:

    Platz 1: Das weltgrößte Braunkohlekraftwerk Belchatow / Polen   (rund 38 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß)

    Platz 2: Das Braunkohlekraftwerk Neurath / Deutschland  (rund 30 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß)

    Platz 3: Das Braunkohlekraftwerk Niederaußem / Deutschland (rund 26 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß)

    Platz 4: Das Braunkohlekraftwerk Jänschwalde / Deutschland (rund 23 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß)

    Platz 5: Das Braunkohlekraftwerk Weisweiler / Deutschland  (rund 17 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß)

    Platz 6: Das Braunkohlekraftwerk Schwarze Pumpe / Deutschland (rund 12 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß)

    Platz 7: Das Braunkohlekraftwerk Lippendorf / Deutschland (rund 12 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß)

    Platz 8: Das Braunkohlekraftwerk Kraftwerk Maritza-Ost II / Bulgarien (rund 11 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß)

    Platz 9: Das Braunkohlekraftwerk Boxberg / Deutschland (rund 10 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß)

    Platz 10: Die irische Billigfluglinie Ryanair (rund 10 Millionen Tonnen CO2-Ausstoß) [….]

(Deutschlandfunk, 03.04.2019)

Freitag, 27. August 2021

Feiglinge in der CDU

Selbstverständlich ist es hilfreich für die SPD-Wahlkampagne, daß die anderen beiden Triell-Kandidaten im Pannenmodus dem 26.09. entgegenstolpern.

Aber das Geheimnis der seit 15 Jahren das erste mal wieder erfreulich aussehenden demoskopischen Zahlen, liegt auch in dem so chronisch unterschätzten Kanzlerkandidaten Olaf Scholz.

Die Hamburger wissen es schon länger; wählten Scholz 2011 mit absoluter Mehrheit (48,4%) und 2015 mit fast absoluter Mehrheit (45,6%) zu ihrem Regierungschef. Das Prädikat „König Olaf“ kam von der überregionalen Presse und war seinen enormen Wahlergebnissen geschuldet. Innerhalb Hamburgs wurde es nicht verwendet, weil „König“ die denkbar unpassendsten Konnotationen für seinen bescheidenen Stil liefert. Scholz spricht stets sehr leise und präzise, tritt zurückhaltend auf, übertreibt nicht, lebte schon immer in derselben Altonaer Mietwohnung, hat keinerlei Interesse an Protz und Statussymbolen, käme nie auf die Idee sich wie Ole von Beust Baudenkmäler zu setzen und sich weitgehend in der Sylter Schickeria, statt in seinem Rathaus-Arbeitszimmer aufzuhalten.

Er ist das diametral entgegengesetzte Modell zum CDU-Kurzzeit-Vorgänger Ahlhaus, dem es gar nicht protzig genug sein Konnte. Der sich mit seiner Frau für die Bunte als adeliger Regent inszenieren ließ, der seine Frau demonstrativ als „FILA“ (First Lady Of Hamburg) ansprach und sich sogleich eine grotesk überdimensionierte Millionen-Villa an der Elbchaussee zulegte, die er auf siebenstellige Steuerzahlerkosten zur Festung ausbauen ließ.

Olaf Scholz versteht sich selbst immer noch als „Diener“, der im Amt dem Volk dient und es nicht etwa wie die CDU-Masken-Raffkes in erster Linie nutzt, um sich zu bereichern und sich über andere zu erheben.

Die Attitüden süddeutscher Sonnenkönig-Bundesländerregenten, die sich  gewaltige Staatskanzleien bauen oder ein Weltraumprogramm starten, welches sie auch noch nach sich selbst benennen, könnte nicht ferner von der schlichten, spröden Unaufgeregtheit des Olaf Scholz sein.

Seine Frau nahm natürlich nicht bei der Eheschließung unterwürfig seinen Namen an, sondern heißt Britta Ernst und ging selbstverständlich weiter ihrem Beruf als Landesministerin weiter nach, statt an der Seite ihres Mannes „First Lady“ von Hamburg zu spielen. Sollte er Kanzler werden, planen sie diesbezüglich keine Veränderungen; Ernst wird weiter ganz unabhängig von ihrem Mann ihre eigene Karriere machen.

Einen Riesenzirkus macht Scholz nie. Das legte man ihm in den südlicheren Landesteilen als Farblosigkeit und Langweile aus.

Mittlerweile dämmert es aber immer mehr Menschen, daß der Fetisch von der Bierzelt-Tauglichkeit, also die Fähigkeit, eine tauendköpfige Masse betrunkener Anhänger in Raserei zu grölen, vielleicht doch weniger wichtig ist, als Regierungskompetenz und Intelligenz.

Die SPD kann mit einem Kanzlerkandidaten, der nicht mit Eitelkeiten und Extravaganzen auffällt, offenbar gut leben. Der linke Flügel hält nicht nur still, erduldet also nicht nur seine Kandidatur, sondern ist mittlerweile davon überzeugt, den richtigen Kandidaten ausgesucht zu haben.

In CDU und CSU das umgekehrte Bild. Hinter den Kulissen wird gehadert. Angesichts der rapide in den Keller purzelnden Umfragewerte, begreifen Laschets Parteifreunde ihren Vorsitzenden mehr und mehr als toxisch. YouGov sieht die SPD heute sogar schon zwei Prozentpunkte vor der CDU/CSU.

Sie kalkulieren inzwischen eine heftige Niederlage und den Gang in die Opposition zumindest mit ein. Wer anschließend noch Karriere machen will, lässt lieber den Finger von der Laschet-Kampagne, um a posteriori nicht mit dem legendären Loser-Team von 2021 assoziiert zu werden.

Nur Ex-Parteichef Schäuble, der (dann) 79-Jährig erneut in den Bundestag einziehen möchte, nachdem er schon seit 1772 im Parlament hockt, setzt sich für den Kandidaten ein.

Was bleibt dem großen Lügner und Zerstörer des europäischen Gedankens übrig? Auf eine Karriere ab der übernächsten Bundestagswahl 2025 kann er kaum bauen. Und so lobt er.

[….] Forderungen nach einem Austausch Laschets gegen CSU-Chef Söder lehnte Schäuble als "ganz falsch" ab. Die Union habe "mit Abstand das beste Angebot - das müssen wir im Wahlkampf geschlossen klarmachen".  Dass Schäuble sich überhaupt zu dieser Frage äußert, zeigt jedoch, wie dramatisch die Lage Laschets ist. Dass einen Monat vor der Bundestagswahl klargestellt werden muss, dass Laschet Kanzlerkandidat bleiben soll, ist nicht gerade ein Zeichen der Stärke.  [….]

(Robert Roßmann, 27.08.2021)

Dramatisch wirkt aber das demonstrative Schweigen der meisten anderen CDU-Größen. Die CDU-Ministerpräsidenten Volker Bouffier, Tobias Hans, Michael Kretschmer, Rainer Haseloff und Daniel Günther meiden Auftritte mit Ministerpräsident Laschet wie der Teufel das Weihwasser.  Abgetaucht sind auch die fünf Laschet-Stellvertreter als Bundesparteivorsitzende Volker Bouffier, Silvia Breher, Julia Klöckner, Jens Spahn und Thomas Strobl.  Die Unions-Bundesminister Seehofer, Braun, Müller, Karliczek, Spahn, Klöckner, Scheuer, AKK und Altmaier vermisst Laschet als lautsprechende Unterstützer. An seiner Seite stehen nur noch Paul Ziemiak (der als Generalsekretär muss), Brinkhaus, Söder (der aber in Wahrheit bei jedem Auftritt darauf hinweist, die bessere Wahl gewesen zu sein) und Friedrich Merz, der sich ohnehin für jede Rolle als besser qualifiziert ansieht.

[….] Dennis Radtke [….] ist [….] stellvertretender Bundesvorsitzender des Arbeitnehmerflügels. Vor allem aber verfolgt er von Tag zu Tag verzweifelter, wie die CDU in den Umfragen nach unten purzelt. Und wie tatenlos viele in seiner Partei das hinnehmen.  Er habe die CDU "noch nie so defensiv und mutlos erlebt", sagt Radtke. Derzeit habe man "manchmal den Eindruck, bei einem Schachturnier im Seniorenheim geht's im Vergleich zur CDU geradezu euphorisch zu". Seine Partei müsse jetzt endlich "mit Schwung und Selbstvertrauen" in den Wahlkampf-Endspurt gehen. [….] "Die Offiziere der Partei müssen sich jetzt hinter Laschet versammeln", sagt er. Denn aus der Loge heraus lasse sich keine Wahl gewinnen. [….]

(Robert Roßmann, 27.08.2021)

 

Was für ein Desaster. In der traditionell viel weniger linientreueren und undisziplinierten SPD ist Genörgel am eigenen Kandidaten üblich. Umso erstaunlicher, daß bis zu den linksten Jusos niemand Scholz kritisiert.

Die obrigkeitshörige CDU ist hingegen ein traditionell wenig an Inhalten interessierter Kanzlerwahlverein, der den Spitzenkandidaten bedingungslos bejubelt. Umso schwerer wiegt das dröhnende Schweigen der Unions-Fürsten.

Ihre Laschet-Distanz ist besonders feige, weil der NRW-Ministerpräsident natürlich nicht allein für die totale Konzeptions- und Inhaltslosigkeit der Partei verantwortlich ist. Die CDU hat keinen Plan für die Zukunft und nur noch den einen gemeinsamen Nenner: An der Macht bleiben und möglichst nichts ändern.

[….] Laschet will ins Kanzleramt, er möchte ein ganz Großer werden, in einer Reihe mit Konrad Adenauer, Helmut Kohl und Angela Merkel. Nur wirkt er im Wahlkampf bisher so klein, dass viele Deutsche ihn mittlerweile nicht einmal mehr zu ihrem Ortsbürgermeister wählen würden. Laschet scheint überarbeitet und den Anforderungen eines modernen Medienwahlkampfs allenfalls teilweise gewachsen zu sein. Aber alle Schuld an der Misere nur ihm zuzuschreiben wäre falsch. Das Problem reicht tiefer. Der CDU sind die Überzeugungen abhandengekommen, ihre Rituale sind veraltet, sie steckt in einer Sinnkrise.  Das ist nicht Laschets Schuld, sondern Angela Merkels. 16 Jahre lang ordnete die Kanzlerin alles dem Machterhalt unter. Bloß kein Stress, das war ihr Grundsatz. Sie überließ den Sozialdemokraten viele Erfolge und gefiel sich in der Rolle der Organisatorin in der politischen Mitte. Mit ihrer Geschmeidigkeit wollte Merkel ihre Gegner einschläfern – nur merkte sie nicht, dass nebenbei auch ihre Partei wegdöste. [….]

(Veit Medick, Spiegel Leitartikel, 28.08.2021)

Als Sozi oder Grüner darf man ausnahmsweise optimistisch sein.

Der traditionell konservative Mainstream macht es den Unionsparteien stets leichter zu gewinnen, weil es ihr reicht irgendwie da zu sein und keine allzu großen Fehler zu machen, während Rote, Rote und Grüne für jede Stimme harte Überzeugungsarbeit leisten müssen. Nun beraubt sich die Post-Merkel CDU selbst dieses Vorteils.

[….]  Der fehlende Rückhalt für Laschet und die Panik sind offensichtlich. Kann die Union also tatenlos abwarten, bis am Ende Olaf Scholz im Kanzleramt einzieht? Wahrscheinlich muss sie, weil Laschet nicht aufgibt und Söder nicht mehr will, auch wenn die Union mit ihm vielleicht ein paar Prozentpunkte mehr bekäme.  Gelassen bleiben können da nur die politischen Gegner der Union, weil diese sich im Frühling sehenden Auges für den falschen Kandidaten entschieden hat, der schon damals in allen Beliebtheitswerten himmelweit hinter Söder lag und der durch eigene Trampeltaten immer weiter abstürzt. Aus linker Sicht kann man der Union für ihre Fehlentscheidung eigentlich nur dankbar sein. Ihre Schwäche eröffnet allen anderen, sogar Rot-Rot-Grün, ungeahnte Chancen. [….]

(Lukas Wallraff, 27.08.2021)

Donnerstag, 26. August 2021

Aluhut-Dezimierung

Nun nörgeln Gastronomen und Veranstalter in Hamburg an der ab übermorgen geltenden Tschentscherschen 2G-Regelung herum, weil sie sich eine klare Senatsanweisung wünschen und sich nicht vor den Gästen verantworten möchten. Das könnte doch unangenehme Gespräche an den Einlasskontrollen geben.

In der Tat obliegt es nun die Unternehmern selbst, ob sie mit den bisher geltenden Mindestabstand-Regeln ihre Klubs, Kneipen, Kinos und Konzerte weiterhin mit halber Auslastung für das 3G-Publikum öffnen, oder ob sie sich auf 2G beschränken und dafür wieder ihre Läden voll machen können.

[….] Johannes Riffelmacher vom „Salt and Silver“ auf St. Pauli äußert sich distanziert. „Wir müssen erst mal schauen und halten bis dahin die Füße still“, sagt er. „Aber wir sind sehr enttäuscht davon, dass uns von der Politik die Verantwortung in die Schuhe geschoben wird.“ Ihn wurmt es, dass er als Gastronom entscheiden muss, ob er zukünftig noch Getestete bedienen möchte oder nicht.  „Dann müssen wir mit den Gästen wieder rumdiskutieren, viele wären dann auch enttäuscht, wenn wir uns für 2G entscheiden, einige enttäuscht wenn wir bei 3G bleiben.“ Er plädiert für eine einheitliche Regelung, schließlich sei er kein Politiker oder Virologe. [….]

(MOPO, 25.08.2021)

Für den Hamburger Senat gilt also: Wie man es macht, macht man es verkehrt. Hätte er alle auf 2G oder 3G verpflichtet, wäre das Geschrei derjenigen groß, die das jeweilige andere Model wollen, weil sie sich entmündigt fühlten.

Kiez-Wirt Dominik Großefeld („Silbersack“) beklagt, er könne 2G am Wochenende nicht umsetzen, da seine Servicekräfte noch nicht geimpft wären.

Hier fehlt mir jedes Verständnis. Seit anderthalb Jahren klagt die Branche über gewaltige Umsatzeinbußen und im September 2021 sind seine Angestellten noch nicht vollständig geimpft? Wer sich so verantwortungslos und schluderig verhält, sollte vielleicht besser nicht Gastronom sein.

Der Bundestagswahlkampf zeigt es deutlich; weil die halbe Stadt mit den FREIHEIT-Parolen auf Plakaten der Hardcore-Seuchenfreunde von „die Basis“ zugeklebt ist: Es gibt einen festen Bodensatz von unverbesserlichen Covidioten: 10 bis 20%; in Gegenden mit hohem AfD-Wähleranteil in Ostdeutschland gibt es vermutlich noch deutlich mehr Schwurbler.

Die vierte Corona-Welle, die zweifelllos erreicht ist, trifft die Ungeimpften. Alle Corona-Intensivpatienten in Hamburg sind ungeimpft.  Ja, es gibt Impfdurchbrüche, also Menschen, die sich mit der Delta-Variante anstecken und krank werden, obwohl sie zweimal geimpft wurden. Aber es sind erstens prozentual sehr viel weniger Covid19-Kranke als unter den Ungeimpften und zweitens sind die Krankheitsverläufe vergleichsweise harmlos.  Intensivstation und Beatmungsgerät sind extrem unwahrscheinlich.

Die Corona-Vakzine sind zudem weltweit so oft verabreicht worden, daß sie statistisch sicherer als so ziemlich jede andere Impfung sind.

Wer sich dennoch weiterhin bei den David Bergers, Wendlers, Naidoos, Hildmanns einreiht, ist also offensichtlich nicht durch Fakten und Argumente zu erreichen.

Idealerweise ließe sich jeder impfen, oder zumindest fast jeder, um Herdenimmunität zu erreichen. Das muss aber für alle Menschen auf der Welt gelten, wie Hamburgs Top-Virologin Marylyn Addo betont. Bevor man an eine dritte „Booster-Impfung“ denke, sollte man lieber in Afrika und anderen Entwicklungsländern impfen, weil sich dort unter den Ungeimpften die möglicherweise immer gefährlicheren Corona-Mutanten entwickeln.

All das wird aber nicht funktionieren, weil relevante Teile der Gesellschaft zu verblödet sind. Keine Herdenimmunität, keine weltweite Durchimpfung.   Dadurch wird die Mehrzahl der Vernünftigen – in Hamburg sind nun beinahe 2/3 der Erwachsenen vollständig geimpft – eben nie sicher vor Corona sein. Die Mehrheit hat aber ein Recht auf körperliche Unversehrtheit, sie darf nicht von den Aluhüten krank gemacht werden.

Da offensichtlich eine allgemeine Impfpflicht juristisch unmöglich ist, bleibt nur eine Möglichkeit: Geimpfte müssen sich geschützte Räume schaffen, in denen sie vor den infektiösen Covidioten sicher sind. So wie in Frauenhäusern ein Refugium geschaffen wird, das vor aggressiven Männern schützt, oder in schwul/lesbischen Zentren eine Atmosphäre herrscht, in der sie vor homophoben Attacken sicher sind, möchten wir Geimpften Rückzugsorte, wo wir nicht gefährdet werden. Und genau das erlaubt das 2G-Konzept.

Während aber ein prügelnder Ehemann nicht (so einfach) Zutritt in ein Frauenhaus bekommt, indem er selbst zur Frau wird, haben es die Anti-Vaxxer sagenhaft leicht, die Seiten zu wechseln: Wird es ihnen zu doof, mehr und mehr ausgeschlossen zu sein, brauchen sie nur zwei kleine kostenlose Piekse und sind all ihre Probleme los.

Sicherlich erhöht das den Druck auf Unentschlossene ,sich auch endlich einen Biontech/Moderna-Shot verpassen zu lassen. Und das ist auch gut so! Ein weiterer Pluspunkt für das 2G-Konzept.

Die Betonfraktion der „Basis“ wird das nicht überzeugen; sie werden sich Parallelwelten schaffen, in denen sie ohne Maske und ohne Impfung ihrem Irrglauben von den schwarzen Föten frönen können, die laut David Bergers PP zu Impfseren verarbeitet werden. Oder den Mikrochips, die eine Fernsteuerung der Menschen durch Reptiloiden vom Aledebaran-Nebel zu Folge haben, die uns magnetisieren und im Schwarzlicht leuchten lassen.

Die gute Nachricht: Durch 2G separieren sich diese mental morbiden Maximal-Schwurbler von uns, so daß sie weniger Vernünftige mit in den Tod reißen können.

Die nächsten Pandemiewellen könnten mehr und mehr zu einem Phänomen der Aluhüte werden. Höhere Sterberaten unter AfD-Wählern, Nazis, Trump-Wählern, schweren Religioten und Republikanern? Ich werde deswegen nicht in Tränen ausbrechen.

[….] Immer mehr US-Behörden, Unternehmen und Universitäten erlassen Corona-Impfpflicht-Vorschriften. Diese Pflicht ist kontrovers und stößt auf Widerstand bei solchen religiösen Menschen, die ihre Glaubensfreiheit bedroht sehen. [….] Impfskepsis ist in den USA laut Umfragen vor allem bei weißen evangelikalen Christen verbreitet. Der Jurist John Whitehead sagt, er habe zahlreiche Bitten um Beistand erhalten von Menschen, die Impfverweigerung mit ihrem Glauben begründen. Er ist Vorsitzender des «Rutherford Institute». Die Organisation in Charlottesville in Virginia setzt sich für Religionsfreiheit und Bürgerrechte ein. [….]  Es sei hilfreich, wenn Impfverweigerer Anträge mit Bibelstellen oder Kirchenlehren untermauern. [….] Entscheidend sei, dass ein Verweigerer geltend macht, dass er aufrichtig und ernsthaft überzeugt ist, Impfungen seien unvereinbar mit seinem Glauben. Es genüge zum Beispiel die Überzeugung, er wolle seinen vom Schöpfer geschenkten Körper nicht schädigen mit einem „experimentellen Medikament“. [….]

(Konrad Ege, 26.08.2021)

Weiße Trump-affine Evangelioten, die sich durch ihre Aluhutie selbst aus dem Leben nehmen?

WinWin.

Hassen CDU, CSU und AFDP Deutschland?

Letzte Woche lag ein ungeheuerlicher Kostenvoranschlag auf meinem Tisch; das war ein Vielfaches der Stundenzahl, mit der ich gerechnet hatte.  Ich rief meinen Maler an und fragte, ob er das ernst meint.  Bei 70,50 Euro Bruttostundensatz solle er sich nicht wundern, wenn die Leute ihre Buden lieber schwarz herrichten ließen.

Uiuiui, der war vielleicht sauer; hielt mir einen Vortrag über den Aufwand der Arbeitsschritte, rechnete seine diversen Neben- und Lohnkosten vor, beklagte wie schwierig es wäre überhaupt Angestellte zu finden und im Übrigen koste der mit dem Haus beschäftigte Anwalt 250 Euro exkl. MWSt die Stunde, obwohl der schließlich nur auf seinem Hintern säße, während seine Maler richtig malochten!

Diese Geschichte ist insofern erstaunlich, als ich erst im Alter von über 40 Jahren den Begriff „Gewerk“ kennenlernte. Vorher hatte ich mich nie dafür interessiert, was genau eigentlich welche Handwerker machen. Ich selbst bin bis zum heutigen Tage Mieter; als solcher ist man üblicherweise nicht mit Handwerker-Rechnungen beschäftigt.

Kleinere Problemchen in der Wohnung erledige ich selbst, indem ich zum Baumarkt fahre und mir das besorge, was dazu nötig ist.
Ist es eine aufwändigere Sache, rufe ich meinen Vermieter an. Der schickt einen Handwerker und bezahlt den.

Klempner oder Elektriker hielt ich immer für ähnlich rätselhafte Wesen, wie KfZ-Mechaniker oder Computer-Techniker, die sich mit furchtbar besorgtem Blick über das zu reparierende Gerät beugen, vernehmlich seufzen und dann ungeheuerliche Summen fallen lassen, die eine Reparatur kosten werde.
Man ahnt natürlich, gerade verarscht zu werden, kann aber nichts dagegen machen, weil man sich selbst nie für Autos oder Computer interessierte. Also muss man nun die Konsequenzen tragen und tief in die Tasche greifen.

Über dem Umweg der Betreuung von dementen Personen, fand ich mich aber auf einmal in einer Lage wieder, in der ich Mieter und Wohnungen zu versorgen hatte. Dabei muss ich selbstverständlich korrekt und transparent handeln, weil das Geld, das ich ausgebe, nicht mein eigenes ist. Ich brauche jeweils drei Kostenvoranschläge für jede Arbeit, muss aber auch abwägen, daß ich nicht den Günstigsten nehmen kann, wenn der erst in sechs Monaten einen Termin anbietet, während es bei dem Mieter schon von der Decke tropft und er die Miete mindert. Es gibt zudem diese berühmten behördlichen Anweisungen, die Immobilienbesitzer in den Wahnsinn treiben. Zum Beispiel müssen in Hamburg bis zum 31.12.2020 alle Abwasserleitungen auf Dichte geprüft und die Dichtheit zertifiziert werden.

Als Wahlbürger verstehe ich die Regelung. Es gibt unzählige alte Häuser in Hamburg, deren Abwasserrohre noch aus lose in der Erde verbuddelten Ton-Rohren bestehen. Die sind nach 100 Jahren selbstverständlich alle undicht und die Fäkalien modern sich ungebremst ins Grundwasser durch. Da muss etwas passieren.

Hat man aber wie zum Beispiel ich, gerade ein Haus Baujahr 1841 an der Hacke und muss (ohne einen Cent daran zu verdienen) den ordentliche Betrieb gewährleisten, ist das nicht nur außerordentlich lästig, weil der Keller aufgestemmt werden muss, sondern weil auf Grund der Frist bis Ende 2020 alle Rohfrei-Betriebe hoffnungslos überlastet sind.

Mein Termin ist erst im Februar 2022 und ich hoffe um die Strafe für die Verspätung herum zu kommen, weil ich den Auftrag schon 2019 (!) erteilt habe.

Der eingangs genannte Malermeister konnte mich auch deswegen so anfahren, weil wir uns inzwischen schon so lange und gut kennen, daß wir einen lockeren Umgangston pflegen.  Er leistet tadellose Arbeit und ich nenne ihn überheblich „meinen Maler“, weil ich ihn mit Aufträgen versorge und umgekehrt vorgezogen werde. Wenn ich ein Problem habe, kommt er sofort.

Kontakte zu Handwerkern sind eine harte Währung heutzutage.

Besonders stolz bin ich darauf, inzwischen eine Klempner-Firma zu kennen, die nicht nur sehr gute Arbeit leistet, sondern die auch noch schnell und zuverlässig agiert. Da kann ich nachts eine Email hinschicken und mich 100% darauf verlassen, daß sie sich morgens gleich um 07.00 Uhr um die Angelegenheit kümmern. Früher hätte ich an dieser Stelle Werbung betrieben, den Namen genannt, um den Jungs mehr Kunden zu verschaffen. Heute hüte ich ihn aber lieber, damit die nicht auch hoffnungslos überlaufen werden.

Es gibt aber auch Gewerke, bei denen ich nach wie vor hilflos herumstochere.  Stuckateure sind so gut wie nicht zu bekommen und wissen auch wie begehrt sie sind. Ähnliches gilt für Parkettleger. Aber Holzböden zu verlegen scheitert derzeit schon daran, daß es kein Material gibt. Der Holzweltmarkt ist leergefegt.  Ich hatte einen sehr guten polnischen Fliesenleger, der aber schon vor der Pandemie, also bevor die Leute alle anfingen ihre privaten Küchen und Bäder zu renovieren, eines Tages zu mir sagte, ich solle nicht mehr anrufen, weil er für Monate ausgebucht wäre.

Auf meine Frage, ob er mir dann wenigstens einen anderen Fliesenleger empfehlen könnte, lachte er mich herzlich aus: „Wenn ich einen Fliesenleger kennen würde, der nicht total ausgebucht ist, stelle ich den sofort ein!“  In dem Fall hatte ich schon Glück, weil das ein guter und seriöser Mann ist. Er sagte wenigsten klar ab.

Andere Firmen sind so gierig, daß sie erst mal alles zusagen und dann entweder nie kommen, oder absolute Mondpreise nehmen.
Ich wollte mal ein Holzfenster einbauen lassen, gab den Auftrag an eine große bekannte Fenster-Tischlerei, die mich Monate und Monate immer wieder verschob, bis ich schließlich den Chef so wütend anpfiff, daß er antwortete, „was wollen sie eigentlich? Wir nehmen eigentlich keine Aufträge von unter 100 Fenstern an. Mit dem einen Fenster müssen sie eben hintan stehen!“

Dieser Argumentation folgend wollte ich natürlich wissen, wieso er überhaupt das eine Fenster zugesagt hat. Er hätte meine Anfrage gleich ablehnen sollen, damit ich mir eine kleinere Tischlerei suche.

Wenn man eine Eigentumswohnung besitzt und diese auch selbst bewohnt, kann man bis zu einem gewissen Grad Handwerker vermeiden, leckende Armaturen mit Duct tape flicken, verkokelte Steckdosen mit Verlängerungsschnüren umgehen und ein bißchen Sprühlack auf die Türrahmen geben.

Als Mieter, Vermieter oder Verwalter gibt es diese Möglichkeit aber eher nicht. Da braucht man Handwerker, die ihren Job verstehen, die eine Rechnung stellen, die man beim Finanzamt einreichen kann und die vor allem eine Garantie geben.

Man ahnt ja gar nicht, was es für Pfusch gibt und es fragt sich, ob man am Ende gespart hat, wenn man sich den billigsten, schwarz abrechnenden Handwerker aus dem Netz sucht.
Also muss man in den sauren Apfel beißen, 70 Euro Stundenlohn zahlen.

Und warten. Denn alle Handwerkerfirmen suchen händeringend nach Mitarbeitern. Die Stadt fördert massiv das Anwerben von Lehrlingen in den über 130 Ausbildungsberufen des Handwerks. Der Fachkräftemangel ist gravierend.

Bei einigen körpernahen Dienstleistungen – Friseur, Kosmetik – bin ich nur mittelmäßig mit den Salon-Inhabern mitleidend, weil sie ihre Lehrlinge so ungeheuer schlecht bezahlen.  Man muss den Job schon sehr lieben, um ihn lernen, wenn man a priori weiß, daß der Lohn wohl nie reichen wird, um die Miete für eine Stadtwohnung zu bezahlen.

‚Aber wieso will denn bei Euch keiner anfangen` fragte ich schon mehrfach meinen Malermeister. Bei dem Stundenlohn müssten die Mädels und Jungs doch auch ein paar Euro am Ende des Monats nach Hause tragen.

Eine zufriedenstellende Erklärung hat er nicht, beteuert immer, er würde jederzeit wieder diesen Beruf ergreifen, der schließlich eine gewisse Sicherheit bietet, weil man mit den erlernten Fertigkeiten in quasi jedes Land der Erde auswandern kann, um dort zu arbeiten.

Aber woran auch immer es genau liegt; immer weniger junge Deutsche wollen Berufe ausüben, bei denen man körperlich gefordert wird.

Abitur und Studium sind das Maß der Dinge. Wer sich mit „mittlerer Reife“, oder gar Hautschulabschluss begnügt, wird schon schief angesehen.  Hochqualifizierte verlassen Deutschland, weil man als Arzt in Skandinavien oder England sehr viel bessere Arbeitsbedingungen hat, weil Spitzenforschung nicht mehr an den deutschen Universitäten stattfindet. Nach 16 Jahren Merkel hat Deutschland technisch den Anschluss verloren.

Die Bildungs- und Ausbildungspolitik, seit 16 Jahren in den Händen der CDU, ist ein Desaster.

Die Demographie tut ihr Übriges. Es werden weniger Kinder geboren, als Menschen in Rente gehen.  Wir wissen schon lange, daß immer weniger Beitragszahler immer mehr Rentner finanzieren müssen.

Das schlägt natürlich auch auf die Handwerksberufe durch, aus denen jedes Jahr in Deutschland 150.000 Menschen aufgrund ihres Alters ausscheiden.

[….] Ich mache mir gar nicht so viele Sorgen um die Zukunftsfähigkeit der deutschen Wirtschaft. Viele Firmen sind am Weltmarkt unterwegs, und sie haben gute Konzepte. Aber es wird durch die demografische Entwicklung in Deutschland zu wenig Arbeitskräfte geben. 2020 nahm die Zahl der Bürger im typischen Berufsalter, also der potenziellen Arbeitskräfte, um mehr als 50 000 ab. Dieses Jahr sind es fast 150 000. In den nächsten Jahren wird es viel dramatischer. Die Demografie ist kritischer als die Transformation. Ich verstehe nicht, warum darüber niemand redet. [….]

(BA-Präsident Scheele, 24.08.2021)

Keine Frage, bestimmte physisch sehr fordernde Berufe kann man mit 60 oder 65 üblicherweise nicht mehr ausführen. In anderen handwerklichen Bereichen (Kosmetikerin, Maskenbildner, Edelsteinschleifer, Feinoptiker, Porzellanmaler, Mediengestalter, Uhrmacher, Maßschneider, Augenoptiker) halte ich es für völlig widersinnig, gesunde 65-, oder 68-Jährige nach Hause zu schicken, wenn sie weiter arbeiten wollen. Flexirente jetzt!

Aber auch eine Abkehr vom starren Rentenalter wird das Problem nicht lösen, daß es für viele Berufe schon lange nicht genügend Nachwuchs gibt.

Die Veranstaltungsbranche und Gastronomie kann auch mit Peter Tschetschers neuer und goldrichtiger 2G-Strategie nicht wieder auf Volllast gehen, weil sie nicht genügend Servicekräfte haben.

Dramatisch ist der Mangel insbesondere in medizinischen und Pflegeberufen.

Umso grundfalscher und schädlicher ist das xenophobe CDU-Mantra von dem Jahr 2015, das sich nicht wiederholen dürfe.

Das ist nicht nur amoralisch und menschenfeindlich, sondern schadet auch dem deutschen Wohlstand massiv.  Ja, in Deutschland werden weniger Kinder geboren. Das ist aber angesichts der dramatischen weltweiten Überbevölkerung und der enormen Bevölkerungsdichte in Europa gleichzeitig ein Segen.  Es müssen nur mehr Einwanderer nach Deutschland kommen.  Mindestens 400.000 Menschen jedes Jahr, wenn wir unseren Lebensstandard halten wollen.

[….] Der Vorstandsvorsitzende der Bundesagentur für Arbeit, Detlef Scheele, hat vor einem massiven Arbeitskräftemangel in Deutschland gewarnt. "Wir brauchen 400.000 Zuwanderer pro Jahr. Also deutlich mehr als in den vergangenen Jahren", sagte Scheele der "Süddeutschen Zeitung". "Von der Pflege über Klimatechniker bis zu Logistikern und Akademikerinnen: Es werden überall Fachkräfte fehlen." [….]

(Tagesschau, 24.08.2021)

Die Briten bekommen durch den Brexit und ihre xenophobe Vertreibung von Ausländern schon einen Vorgeschmack auf das was uns auch bald blüht.

Die Landwirtschaft bricht zusammen. Hunderte Tonnen britischer Früchte vergammeln auf den Feldern, weil Saisonarbeiter nicht mehr nach England kommen.

Viele Briten dürften das erste mal seit den 1950ern keinen Truthahn mehr zu Weihnachten auf den Tisch bekommen – der Arbeitskräftemangel ist schuld.

[….] Doch ob es in diesem Jahr wieder genug für alle gibt, ist durchaus fraglich. Der British Poultry Council, der Verband der geflügelverarbeitenden Industrie, hat nämlich davor gewarnt, dass es zu Engpässen bei Truthähnen kommen könnte. Der Grund: Es fehlen Arbeitskräfte, die bisher aus der EU kamen. Anders gesagt: Schuld an der Misere ist vor allem der Brexit.  Der Verband hat deshalb einen Brief an die britische Innenministerin Priti Patel geschrieben. Darin heißt es, dass viele Unternehmen aufgrund von Personalmangel gezwungen seien, die wöchentliche Produktion um bis zu zehn Prozent zu kürzen. Der Verband geht davon aus, dass die Versorgung mit Truthähnen zu Weihnachten um ein Fünftel einbrechen könnte. Wörtlich heißt es in dem Schreiben: "Wir sehen uns mit einem ernsthaften Mangel an Produktions- und Verarbeitungspersonal konfrontiert, das im Sinne des Innenministeriums als gering qualifizierte Arbeitskräfte eingestuft wird, aber eine unglaublich wichtige Rolle bei der Aufrechterhaltung der Lebensmittelversorgung und der Ernährung der Nation spielt." Der Verband fordert deshalb Änderungen bei den Einwanderungsregeln. [….]

(Alexander Mühlauer, 22.08.2021)

Den englischen Fastfood-Giganten gehen die Getränke aus, keine Milchshakes mehr in Londoner McDonalds.

Die Supermarkregale leeren sich zunehmend, weil sich keine Lastwagenfahrer mehr finden, um die Waren zu transportieren.

[….] In Großbritannien fehlen Lastwagenfahrer. Das führt zunehmend zu Problemen. In britischen Supermärkten sind große Lücken in den Regalen seit Wochen nicht zu übersehen. Das Handelsverband British Retail Consortium bestätigte "geringfügige Störungen in den Lieferketten". Auch von Tesco, einer der größten britischen Supermarktketten, hieß es, man erlebe sporadische Störungen aufgrund des branchenweiten Mangels an Fahrern. Das führe dazu, dass es bei einigen bestimmten Produkten Engpässe gebe. Auch Tankstellen oder Fabriken, die ihre Produktion aussetzen müssten, sind betroffen.  [….]

(SZ, 24.08.2021)

Ohne Massenzuwanderung geht es nicht mehr in Westeuropa. Wir werden es wohl auf die harte Tour lernen müssen.

Wir brauchen viel mehr Ausländer in Deutschland. FDP, CDU, CSU und AfD versündigen sich, indem sie diese Erkenntnis verheimlichen und diskreditieren.

Offensichtlich hassen sie Deutschland, wenn sie ihrem Vaterland so sehr schaden.

Dienstag, 24. August 2021

Wärme um das sozialdemokratische Herz

Man möge mir verzeihen, wenn ich schon wieder in volatilen demoskopischen Daten bade, die (ja, ich weiß es) keine Wahlergebnisse, sondern bloß augenblickliche, ungenau gemessene Stimmungen widerspiegeln.

Aber seit einer knappen Generation lag die Union in der Sonntagsfrage nicht mehr hinter der SPD. Das möchte ich jetzt bitte genießen. SPD 23%, CDUCSU 22%, Grüne 18%.

[…..] Etwas mehr als einen Monat vor der Bundestagswahl ist die SPD erstmals seit Jahren in einer Sonntagsfrage wieder stärkste politische Kraft in Deutschland. Im am Dienstag veröffentlichten Trendbarometer des Forsa-Instituts für RTL und n-tv kommen die Sozialdemokraten auf 23 Prozent, die Union erreicht 22 Prozent. Die SPD gewinnt im Vergleich zur Vorwoche zwei Prozentpunkte hinzu, die Unionsparteien büßen einen Punkt ein. In der Datenreihe des Instituts landen die Sozialdemokraten damit erstmals seit fast 15 Jahren auf einem höheren Wert als die Union.   Die jetzt für die Union ermittelten 22 Prozent sind laut Forsa der schlechteste Wert, den das 1984 gegründete Institut jemals für CDU und CSU berechnet hat. Die Grünen rutschen um einen Prozentpunkt auf 18 Prozent ab und liegen auf Rang 3. […]

(SZ, 24.08.2021)

Die Erklärungen für den gegenwärtigen sozialdemokratischen Erfolg sind recht unumstritten:
Ein progressives, sehr konkretes Programm in Kombination einem hochseriösen, erfahrenen Spitzenkandidat, der Ruhe ausstrahlt.

[….] Mutig, programmatisch sattelfest und geschlossen - das offenbar war das Langfristrezept, auf das nicht nur Scholz setzte, auch der stellvertretende Bundesvorsitzende Kevin Kühnert, der seine Partei als Jusochef so oft quälte und doch aus früheren Fehlern lernte: "Bei Martin Schulz sind wir ja mit überschwappender Euphorie, aber ohne programmatische Einigung gestartet. Und haben gesehen: Da geht einem der Treibstoff auf halber Stecke aus."  Jetzt haben sie mit Scholz ein Modell "seriöse Langeweile" aber als Treibstoff immerhin ein sehr progressives Programm. Womöglich ist das ein Grund, warum jetzt funktioniert, was lange brauchte, meint Kühnert: "Vielleicht ist es anders herum sinnvoller: Erst die inhaltliche Klärung zu haben, mit ein bisschen weniger Euphorie in den Wahlkampf reinzugehen - zumindest, was die Herzenswärme gegenüber dem Kandidaten angeht. Dafür ist so ein hanseatisches Gemüt vielleicht auch einfach nicht so gemacht." Aber dafür wisse man, dass nicht so viele Tretminen auf die Partei warteten. [….]

(Tagesschau 24.08.2021)

CDU und Grüne versuchten es genau umgekehrt. Von ihnen gibt es jeweils nur ein vages Programm, in das man alles und nichts reinlesen kann.  Im Gegensatz dazu sollte der jeweilige Kandidat strahlen und nicht von programmatischen Fesseln ausgebremst werden.

Auch das ist ein politisches Wahlkonzept, das funktionieren kann. Könnte.

Dafür braucht es aber nicht nur schillernde Spitzenkandidaten, sondern auf faktenfeste überzeugende Redner.

Wie wir aber inzwischen wissen, haben Schwarze und Grüne auf eine/n falsche/n Kandidate/in gesetzt.

Laschet behauptet, es gäbe keinen Spielraum für Steuersenkungen und wenn doch, dann nur für die kleineren und mittleren Einkommen. Im CDU-Wahlprogramm stehen aber Unternehmenssteuererleichterungen und der Wegfall des Soli für die 10% der reichsten Deutschen. Das sind einseitige Steuererleichterungen für die Superreichen.

Entweder Laschet weiß das nicht – dann wäre er in so einem wichtigen Punkt nicht informiert und somit inkompetent als Kanzler.

Oder Laschet weiß es besser und lügt  - dann wäre er in so einem wichtigen Punkt moralisch untragbar.

Bei einem vagen Programm muss umso mehr der Spitzenmann vorlegen.

Dummerweise fällt dem CDU-Chef selbst nicht ein, was er eigentlich als Kanzler tun will.

[….] In einem Interview mit "Focus Online" wurde Laschet nach drei Punkten gefragt, die ihm politisch wichtig sind. Ihm fielen allerdings nur zwei ein.  "Digitalisierung" finde er sehr wichtig, so Laschet am Rande einer Wahlkampfveranstaltung in Osnabrück. Außerdem wolle er Bürokratie abbauen, um Industrie und Klimaschutz besser miteinander vereinbaren zu können. Ob ihm noch ein dritter Punkt einfalle, fragte die Reporterin. Da geriet Laschet ins Schlingern und hatte offenbar spontan keine Antwort parat: "Joa, was machen wir noch ..." [….]

(STERN, 20.08.2021)

Auch die Grünen liefern stetig neue Peinlichkeiten.

Nach dem desaströsen Laschet-Werbspot mit Holocaust, legen nun die Grünen ein Liedchen vor, von dem sich dem Zuhörer die Zehennägel hochbiegen.

Zum Mitschämen. Ich fasse es nicht. Was für Irre sitzen denn bitte im Baerbock-Wahlkampfteam? Das ist nicht nur eine Frage des (schlechten) Geschmacks, sondern auch strategisch deprimierend falsch, weil so etwas garantiert zum Shitstorm einlädt. Es erinnert fatal an die Nahles-Sangeseinlage am Bundestagsrednerpult. Aber das war ein Fehler einer einzelnen Person. Außerhalb des Wahlkampfes.




An „ein schöner Land“ wirkten aber offensichtlich viele Menschen aus der Parteispitze mit. Und keinem fällt auf, daß man damit nur Hohn und Spott generiert? Der Werbespot an sich ist also weniger das Problem, als die gruselige Erkenntnis, daß im Grünen-Hauptquartier immer noch so sagenhaft unprofessionell agiert wird, daß niemand rechtzeitig warnt.
Annalena Baerbock hat ihren Laden ganz offensichtlich nach wie vor nicht im Griff.

Wie sollte sie dann in der Lage sein, ein 82-Millionen-Volk  anzuführen?

[….] Der Spot richtet sich nach Angaben der Grünen vor allem an Menschen über 60 Jahren, die eher konservativ eingestellt sind. Der Parteivorstand mit Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock war zuvor in die Entwicklung des Werbespots eingebunden.  In den sozialen Netzwerken sind die Meinungen sehr unterschiedlich. Auf Twitter landete in kurzer Zeit das Wort »cringe« in den Trends, was häufig ein Gefühl des Fremdschämens ausdrücken soll. Einige lobten den Spot aber auch als Ohrwurm und passend für die gewünschte Zielgruppe. Außerdem äußerten sich mehrere Prominente. »Vielleicht WOLLEN die Grünen gar nicht gewählt werden!?«, fragte der Satiriker Jan Böhmermann auf Twitter. [….]

(SPON, 24.08.2021)

Noch bin ich bloß die Ü50-Alterskohorte, aber als jemand, der auch in absehbarer Zeit in die Ü60 aufrücken wird, empfinde ich eben diese Zuschreibung als besonders perfide von den Grünen. Alte sollen also gar keinen Geschmack haben?

Heute starb der Rolling-Stones-Schlagzeuger Charlie Watts im Alter von 80 Jahren. Rolling Stones. 80. Und die Grünen glauben, mit über 60 höre man grausige Volkslieder? Was für eine Unverschämtheit.