Nein, keine Sorge, ich werde nichts über die „sportlichen Leistungen“ von Tokio schreiben, weil ich davon wirklich nichts verstehe.
Bei den üblichen Schlagzeilen während der Spiele, daß irgendein Deutscher im mixed Rodeln mit Steuermann Bahnverfolgung eine Bronze-Medaille gewonnen hat, blättere ich sofort desinteressiert weiter.
Einige sub-sportliche Aspekte entgingen mir aber nicht vollständig.
So trieb der Massenansturm von Reisenden aus aller Welt, genau wie es zu erwarten war, die Pandemie an.
[….] Japan könnte vor einer schwierigen Situation in der Corona-Pandemie stehen. Gesundheitsexperten sprachen davon, dass das Land einem „Corona-Desaster“ gegenüberstünde, da die Zahl der Neuinfektionen explosionsartig steigt. Die Situation sei „außer Kontrolle“. Die Experten sollen der japanischen Regierung geraten haben, sofortige Maßnahmen zu ergreifen, berichtet der Guardian. [….]
Der Nationen-verbindende Effekt ließ zu wünschen übrig. Mit Israels Sportlern will sich nicht jeder messen.
[….] Der Algerier Fethi Nourine wollte bei den Olympischen Spielen einem möglichen Kampf gegen den Israeli Tohar Butbol aus dem Weg gehen und hat seine Teilnahme in Tokio zurückgezogen. Nourine begründete das damit, dass er aufgrund seiner politischen Überzeugung nicht gegen einen Israeli antreten könne. [….] An diesem Montag ist der Sudanese Mohamed Abdalrasool nicht zum Kampf gegen Butbol erschienen. [….]
Zu ätzenden Diskriminierungen kam es auch beim IOC-Partner Rossiya 1, dem russischen Staatssender. Daß der schwule Tom Daley zwei Medaillen gewann und sogar eine Transgender-Frau unter den Teilnehmern war, brachte die homophoben Fanatiker in Rage.
[….] Alexei Zhuravlyov, [….], der Politiker ist Mitglied des russischen Parlaments. Im Laufe der Sendung zeigt er mit dem Finger auf den Studiobildschirm. Darauf zu sehen ist die Transgenderathletin Laurel Hubbard. „Wir sind gegen all diesen Schmutz und diese Perversion, stark dagegen”, poltert Zhuravlyov. „Wir sind gegen diese Abscheulichkeit”, fährt er fort. Dann benutzt der russische Politiker ein Schimpfwort, das schwule Männer beleidigt. Auch der schwule Athlet Tom Daley gerät ins Visier von Zhuravlyov. Er sei „angeekelt” von Schwulen und Transgenderpersonen, pöbelt der Politiker. [….] „Ich glaube nicht, dass Transgenderpersonen in Russland eine Perspektive haben, weil sie Männer lieben, während russische Männer Frauen lieben”, wird etwa Spiridon Kilinkarov, ein ehemaliger Abgeordneter des ukrainischen Parlaments, zitiert. Die Moderatorin der Show, Olga Skabeyeva, widerspricht keiner dieser Aussagen, im Gegenteil: Sie spricht von einer Bestrafung Ungarns und Polens durch die EU, nur weil „in diesen beiden Ländern die Mehrheit gegen Homosexualität” sei. Am selben Tag auf einem anderen Kanal: Bei Perwy, Russlands zweitmeistgesehenem Fernsehsender und dem offiziellen Partnersender des IOC, erscheint Moderator Anatoly Kuzichev auf der Bildfläche. Er trägt eine Perücke mit langen geflochtenen Zöpfen und verspottet Laurel Hubbard. Live auf Sendung bezeichnet er Transgenderpersonen als „Psychopathen” und schlägt vor, sie psychiatrisch behandeln zu lassen. [….]
Der russische Wasserspringer Wiktor Minibajew gewann mit seinem Partner Alexandr Bondar die Bronzemedaille im 10-Meter-Synchronspringen. Es war offensichtlich keine schöne Erfahrung für ihn, daß die Briten Tom Daley und Matty Lee Gold gewannen. Daley ist schwul und so beeilte sich Minibajew klarzustellen, daß Daley ihn keinesfalls anfassen dürfe.
[….] Von einem russischen Wettbüro-Portal war Minibajew gefragt worden, wie es seine Sport-Gemeinschaft mit Daley halte, der "zugegeben" habe, schwul zu sein. "Jeder weiß es schon lange. Jeder geht damit anders um", antworte der 30-Jährige laut dem am Mittwoch veröffentlichten Bericht. Auf die Rückfrage nach seiner Haltung fasste er sie dann so zusammen: "Fass mich nicht an und ich werde dich nicht anfassen." […..]
Der arme heterosexuelle Synchronpartner Matty Lee scheint gar nichts von der in Russland bekannten Schwuleritis-Ansteckung durch Berührungen zu wissen und umarmte seinen Goldpartner!
Einer der schlimmsten Doper in der Leichtathletik ist der belarussische Hammerwerfer Iwan Tichon. Er wurde immer wieder vollgepumpt mit illegalen leistungssteigernden Substanzen erwischt und gesperrt.
[….] Hammerwerfer Iwan Tichon war 2003, 2005 und 2007 Weltmeister. Den mittleren, in Helsinki erworbenen Titel, musste er wieder abgeben wegen Testosteron-Missbrauchs. [….] Tichon war 2006 auch Europameister und hatte 2004 Olympia-Silber gewonnen. Beide Medaillen musste er zurückgeben. Als ihm im April 2014 bei Nachtests sein Testosteron-Doping von 2005 nachgewiesen worden war, ging auch sein EM-Sieg flöten. Schon im Frühjahr 2012 war dem nur 1,86 Meter großen aber gut 100 Kilogramm schweren Athleten bei Überprüfungen der Proben von den Olympischen Spiele in Athen verbotenes Steroid-Doping nachgewiesen worden. Wegen dieses Vergehens wurde er auch gleich von der Teilnehmerliste der Spiele in London gestrichen. [….]
Da es eine beachtliche Leistung ist, quasi bei jeder Großveranstaltung beim Doping erwischt zu werden, reagierte der belarussische Diktator Lukaschenko und machte Tichon zum Präsidenten des belarussischen Leichtathletik-Verbandes (BFLA).
Das IOC, das traditionell Diktatoren liebt, rollte Tichon den roten Teppich aus und ließ ihn auch in Tokio als Hammerwerfer starten. Tichon wurde außerdem Kapitän der belarussischen Olympiamannschaft. Eine Medaille errang er diesmal nicht. Macht nichts; die werden ihm ohnehin a posteriori immer wieder aberkannt.
Einen noch schlechteren Eindruck abseits des Sports erreichte die Mannschaft, für die Sportminister Seehofer zuständig ist. Die Deutsche! Eine der vielen Zuständigkeiten des arbeitsscheuen Bayern, um die er sich nicht kümmert.
[….] Olympia 2021 scheint seinen ersten Rassismus-Skandal zu haben. Patrick Moster, Sportdirektor des Bundes Deutscher Radfahrer (BDR), ist während des Zeitfahrens bei den Olympischen Spielen in Tokio mit rassistischen Anfeuerungsrufen am Straßenrand aufgefallen. „Hol die Kameltreiber, hol die Kameltreiber, komm“, rief er seinem Athleten Nikias Arndt während des Rennens zu. Vor dem Start von Nikias Arndt bei Olympia 2021 waren der Eritreer Amanuel Ghebreigzabhier und der Algerier Azzedine Lagab im Kampf gegen die Uhr auf die Rad-Strecke gegangen. […..]
(FR, 27.07.2021)
Mosters Chef, Ex-Verteidigungsminister Scharping fand es nicht gut, reagierte aber wie üblich träge und langsam.
[….] "Die Aussage ist nicht akzeptabel", sagte BDR-Präsident Rudolph Scharping und ergänzte: "Wir werden darüber nach den Olympischen Spielen sprechen und dabei die Entschuldigung von Moster auch in die Bewertung einbeziehen, sowie den besonderen Stress, dem das deutsche Männer-Team Straße ausgesetzt war." [….]
Es dauerte Tage, bis man in Deutschland endlich auf die Idee kam, Moser nach Hause zu schicken.
Einen Tag später gab es wieder peinliche deutsche Schlagzeilen, als Judoka Martyna Trajdos von ihrem Trainer vor dem Kampf heftige Ohrfeigen verpasst bekam.
[….] Mehrere Ohrfeigen von Bundestrainer Claudiu Pusa für Judoka Martyna Trajdos vor ihrem Kampf haben bei den Olympischen Spielen in Tokio für Wirbel gesorgt. Der Judo-Weltverband IJF sprach eine Warnung gegen einen deutschen Trainer aus, ohne dabei explizit Trajdos, Pusa oder die Szene von den Wettkämpfen am Dienstag zu nennen. Die IJF rügte den Coach für sein "schlechtes Verhalten während des Wettbewerbs", wie sie via Twitter mitteilte. […..]
Noch ekelhafter wurde es bei der deutschen Fünfkämpferin Annika Schleu, die mit der Gerte auf ihr zu Tode verängstigtes Pferd Saint Boy eindrosch.
Als es sich weigerte los zu galoppieren, griff auch noch Bundestrainerin Raisner ein, trieb Schleu an mehr zu schlagen und boxte ihrerseits auf das Hinterteil des Pferdes. Auch Raisner wurde nach Hause geschickt.
[….] "Der Vorstand hat Videoaufnahmen überprüft, die zeigten, wie Frau Raisner das Pferd Saint Boy, geritten von Annika Schleu, während der Reitdisziplin des Modernen Fünfkampfs der Frauen mit der Faust schlug", teilte der Verband am Samstag (07.08.2021) mit. "Ihre Handlungen wurden als Verstoß gegen die UIPM-Wettbewerbsregeln angesehen, die für alle anerkannten Wettbewerbe im Modernen Fünfkampf einschließlich der Olympischen Spiele gelten." Damit durfte Raisner beim Wettkampf der Männer am Samstag keine Aufgaben übernehmen. "Hau drauf, hau richtig drauf!" hatte die Trainerin Schleu zugerufen, als sich das Pferd beim Springreiten im Modernen Wettkampf verweigerte. Anschließend schlug die Trainerin dem Pferd selbst noch mit der Hand auf die linke Seite. [….]
Schleu und Raisner erhielten den zu erwartenden Shitstorm in den sozialen Medien.
Interessant ist die radikale Einsichtslosigkeit der beiden Damen, die nicht nur keinerlei Fehlverhalten bei sich feststellen können, sondern sich auch noch im ZEIT-Interview larmoyant als Opfer selbst beweinen – weil sie durch das schlechte Pferd um die Medaille gebracht worden wären.
[….] Der Deutsche Tierschutzbund hat nach den Vorkommnissen bei den Olympischen Spielen Strafanzeige gegen die Moderne Fünfkämpferin Annika Schleu und Bundestrainerin Kim Raisner gestellt. Wie die Organisation mitteilte, wirft sie Schleu aufgrund der Ereignisse beim Reitwettbewerb Tierquälerei vor und Raisner Beihilfe zur Tierquälerei. [….] Schleu habe in anschließenden Interviews Einsicht vermissen lassen, kritisierte der Tierschutzbund. [….]
Moster, Schleu, Raisner und Pusa bleibt aber ein Trost. Sie sind nicht die meistgehassten Deutschen in Japan.
Die Ehre gebührt dem hochkorrupten selbstverliebten Diktatoren-Speichellecker Thomas Bach, FDP.
[….] Thomas Bach ist in Japan zur Hassfigur geworden. Der IOC-Präsident ist im Gastgeberland der Olympischen Spiele unbeliebt wie nie. Die Menschen fürchten, dass er mit dem Sportspektakel Unheil ins Land trägt. [….]
Christian Lindners Mann beim IOC ist das herzlich egal – die persönliche Raffgier ist wichtiger.
[…..] Echtes Interesse für Menschen, Anteilnahme und Verständnis hat sich Bach in seiner Karriere dagegen nicht antrainieren müssen. Und das erweist sich im pandemischen Japan als Problem, wo die Leute müde sind von andauernden und auf Dauer nicht effektiven Einschränkungen. Viele Umfragen haben gezeigt, dass die Mehrheit der Menschen Spiele im zweiten Sommer der Pandemie zu riskant findet. Mit seinen ewiggleichen Beteuerungen konnte Bach sie nicht auf seine Seite bringen. Ende Mai sagte er in einem Interview: "Wir müssen einige Opfer bringen, um das möglich zu machen." Das kam schlecht an in Japan, denn viele sehen Olympia eher als ein überteuertes Vergnügen als eine Notwendigkeit. Seit er am 8. Juli Tokio erreichte, ist auch nichts besser geworden. Eher im Gegenteil. Gleich bei seiner ersten Pressekonferenz sagte er aus Versehen "chinesische" statt "japanische Menschen" - immerhin korrigierte er sich gleich. Dass er, Bach, der Sportfunktionär und Ringe-Marketender, am 16. Juli trotz Pandemie Hiroshima besuchte wie ein hoher Staatsmann, fanden ebenfalls viele unpassend. Es gab eine Petition und Protest gegen seinen Besuch. Sueichi Kido, Vertreter einer Gruppe von Überlebenden aus den Atombombenabwürfen in Hiroshima und Nagasaki, sagte über Bach im Guardian: "Er sagt, er wird den Weltfrieden unterstützen, aber ich traue ihm überhaupt nicht. Bei Olympia geht es darum, Geld für das IOC zu machen." […..]
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen