Samstag, 31. Mai 2014

One Man, Some Vote



Letzten Sonntag gingen Heinz-Jürgen und Sigrun Müller in Molfsee (Schleswig Holstein) in ihr Wahllokal und wollten an der Europawahl teilnehmen.
Obwohl sie ihre Wahlbenachrichtigungskarte dabei hatten, klappte es nicht. Ihre Namen waren in der Wahlliste schon abgehakt. Jemand anderes hatte offenbar schon für sie gewählt. Ihnen blieb nichts anderes übrig als unverrichteter Dinge nach Hause zu gehen. Sie durften nicht wählen.
Bürgermeister Roman Hoppe nahm es locker. Der Name „Müller“ sei nun einmal so häufig; da könnten sich mal Fehler einschleichen.
Giovanni di Lorenzo wählte dafür gleich zweimal. Auch das war illegal, aber woher sollte er das wissen? Der Mann ist schön. Das reicht doch. Er muß sich nicht auch noch mit Politik auskennen.
Ich spekuliere an dieser Stelle, daß der Fall Müller aus Molfsee nicht der einzige Wahlbetrug war in Europa war. Ob wohl jeder Roma in Ungarn ungehindert im Wahllokal seine Stimme abgeben konnte? Lief wirklich alles glatt in der Slowakei und auf Zypern?
Die Unregelmäßigkeiten in Deutschland fallen allerdings weniger ins Gewicht, weil es kaum irgendwo so viele Stimmen für einen EU-Parlamentssitz bedarf wie bei Merkel.
Europa wählt nämlich mit degressiver Proportionalität. Je mehr Einwohner ein Land hat, desto weniger zählt die Wahlstimme eines einzelnen Wahlberechtigten.
Das Prinzip wird immer dann verwendet, wenn sehr unterschiedlich große Einheiten verbunden werden. Wir kennen das aus dem deutschen Bundesrat, in dem die Sitze ebenfalls degressiv proportional zur Einwohnerzahl der Bundesländer vergeben werden. Das Bundesland Bremen hat beispielsweise 656.000 Einwohner und bekommt dafür drei Bundestagssitze. Es erhält also einen Sitz auf rund 220.000 Einwohner.
Nach diesem Schlüssel erhielte das bevölkerungsreichste Bundesland Nordrhein-Westfahlen mit seinen 17,5 Millionen Einwohnern satte 80 Sitze! Niedersachsen könnte noch 36 Vertreter in den Bundesrat entsenden, wenn jeder Einwohner Deutschlands das gleiche Stimmengewicht hätte.
Tatsächlich haben NRW und NdS aber nur je sechs Sitze.
In Nordrhein-Westfalen braucht man aber fast drei Millionen Menschen für einen Bundesratssitz.
Das heißt also, daß die vier Städte Köln (1 Mio Einwohner), Düsseldorf (600.000), Dortmund (570.000) und Essen (560.000) zusammen gerade mal einen Sitz bekommen, während Bremen allein mit 650.000 Einwohnern gleich drei Sitze innehat. Ein Bremer ist demokratisch betrachtet 13 mal so viel wert wie ein Kölner.

Das Prinzip gilt auch in der EU. Nach dem Vertrag von Lissabon (2007) wurden die Sitze sogar noch etwas unproportionaler als nach dem vorherigen System (Vertrag von Nizza 2000) verteilt.
Deutschland verlor drei Sitze, während das winzige Malta einen Abgeordneten gewann.
Das höchste Stimmengewicht hat ein Wähler in Malta. Es braucht nur 68.000 von ihnen für einen Sitz im EU-Parlament.
84.000 Luxemburger, 133.000 Zyprioten und 250.000 Letten repräsentieren jeweils einen Sitz im Brüssel.
Ein Franzose, Spanier, Italiener, Brite oder ein Deutscher hat relativ gesehen nur ein Zehntel des Stimmrechtes.
Es braucht jeweils deutlich über 800.000 Einwohner pro EU-Sitz. Das ungünstigste Verhältnis hat dabei nicht etwa das bevölkerungsreichstes Land Deutschland (852.083 Stimmen pro Sitz) sondern Frankreich mit sogar 874.514 Stimmen. Aber auch ein Spanier ist noch weniger wert als ein Deutscher.

Das Prinzip der degressiven Proportionalität führt also zu extremen Verzerrungen der Grundregel „One man, one vote“.
Rechtfertigen läßt es sich allerdings mit der Rücksicht auf die historisch entstandenen Nationen. Malta oder Luxemburg würden bei proportionaler Stimmenverteilung völlig untergehen, da sie jeweils nur ein Promille der EU-Bürger stellen.

EU-Wahlen sind aber auch auf nationaler Ebene keineswegs gleich.
Unser deutsches Wahlrecht und Auszählungssystem führt zu weiteren extremen Verzerrungen.
Martin Sonneborn bekam mit seiner PARTEI 184.525 Stimmen und damit genau einen Sitz in Brüssel. Damit sind die Satirepartei-Wähler die potentesten ganz Deutschlands!
Obwohl die Piraten mehr als doppelt so viele Stimmen bekamen, nämlich 424.510 Stimmen, erhalten sie ebenfalls nur einen Sitz. Wären ihre Wähler genauso viel wert wie Sonneborns Epigonen, könnten 2,3 Piraten in Brüssel sitzen.
Schuld ist das Auszählungssystem.
Während CDU und SPD jeweils rund 300.000 Wähler pro EU-Sitz stellen, gibt es bei ÖDP, freien Wählern und Piraten grobe Verzerrungen. Es liegt am mathematischen Mandatszuteilungsverfahren.
Steinmeier ist schon schwer genervt.

 „Hände weg von deutschen Titten! Nein zur EU-Norm-Brust“, stand auf Wahlplakaten von Ex-Titanic-Chefredakteur Martin Sonneborn und seinen Mitstreitern. Kaum war Sonneborn gewählt, verkündete er, sein Mandat bereits in einem Monat wieder niederlegen zu wollen. Frank-Walter Steinmeier regt das auf. „Parteien, die sich am Tag nach der Wahl einen Spaß daraus machen, sich publikumswirksam zurückziehen, leisten keinen Beitrag zur Demokratie, eher das Gegenteil“, sagt er am Freitag der FAZ. […] Die Freien Wähler benötigten knapp 429000Stimmen je Mandat, die größeren Parteien um die 300000. Sonneborn kam aber ins Europaparlament, obwohl seine Partei nur 184525 Stimmen erhielt. [….]   Bei den ersten beiden Europawahlen wurde das Verfahren von Victor d’Hondt eingesetzt, später das von Thomas Hare und Horst Niemeyer. Seit der Wahl 2009 wird das Sainte-Laguë/Schepers-Verfahren verwendet. Das hat sich eigentlich bewährt, der Wegfall der Sperrklausel hat jetzt aber eine Schwäche offenbart, von der Sonneborn profitiert. Das ist auch deshalb delikat, weil das Bundesverfassungsgericht die Hürden gekippt hat, um die Wahlrechtsgleichheit zu verbessern. Wegen des Wegfalls der Sperrklausel kann es jetzt aber passieren, dass eine Partei mehr als doppelt so viele Stimmen wie eine andere gewonnen hat, sich aber trotzdem mit derselben Zahl an Mandaten begnügen muss. So ist es diesmal jedenfalls den Freien Wählern im Vergleich zu Sonneborn ergangen.[…]

Freitag, 30. Mai 2014

Merkels Wechselwirkungen.


Während die Politjournalisten nach 24 Jahren Merkel in Bundesregierungsverantwortung, bzw Oppositionsführerin, immer noch rätseln, ob Merkel eigentlich noch irgendetwas anderes antreibt als die pure persönliche Machtgier, hat sich für den Urnenpöbel wenigstens eine Gewissheit herausgebildet.
Das Merkelsche Gesetz.

Seit Thomas Oppermann das Merkelsche Gesetz postulierte, stiegen ihre Popularitätswerte kontinuierlich an und kratzen gegenwärtig an der 80%-Marke.

Sie beläßt es bei vagen Ankündigungen, wolkigem Gewaber und einigen konkreten Aktionen, die sie für die Zukunft „ausschließe.“

Merkel treibt planlos vor sich hin - durch ihren aberwitzigen ZickZack- und Hinhaltekurs hat sie die Eurorettungsaktion zigfach verteuert. 
Ihr abstruses Spardiktat würgt die Konjunkturen diverser Nationen ab.
 So ein Rezept hätte sie nie für Deutschland gewollt. Hier reagierte sie 2008/2009 völlig gegenteilig auf die Krise; nämlich mit gewaltigen Ausgaben-Orgien, zwei dicken Konjunkturpakten und Geldrauswurfmaßnahmen wie der Abwrackprämie.

Die Chaotisierung der europäischen Finanzarchitektur durch Wolfgang Schäuble und Angela Merkel folgt einer Grundregel, die SPD-Fraktionsgeschäftsführer Oppermann sehr schön auf den Punkt brachte, nachdem der eben noch endgültig auf maximal 218 Milliarden Euro begrenzte Haftungsrahmen von Merkel doch auf 280 Milliarden
aufgeblasen wurde.

Wieder einmal, so Oppermann, komme das "Merkel'sche Gesetz" zur Anwendung: Je vehementer die Kanzlerin etwas ausschließt, desto sicherer ist, dass es später doch eintritt. Der Ärger der Genossen erscheint verständlich, denn es ist beileibe nicht das erste Mal, dass Merkel in der Schuldenkrise eine Position revidiert. Im Gegenteil: Die meisten Bundesbürger haben angesichts des Hü und Hott längst den Überblick verloren. Sie registrieren nur noch, dass die Summen, für die sie einstehen sollen, immer astronomischer werden und dass mittlerweile halb Europa auf ihre Kosten zu leben scheint. Wut, Frust und Missverständnisse haben ein Maß erreicht, das geeignet ist, die Demokratie in ihren Grundfesten zu erschüttern.    Die Hauptschuld daran trägt die Kanzlerin, der es nicht gelingt, mit den Bürgern so zu kommunizieren, wie es die Schwere der Krise von ihr verlangt. Keine Fernsehansprache, keine Rede zur Lage der Nation, stattdessen Gemauschel in Hinterzimmern nebst anschließender Kurskorrektur.

Griechenlandumschuldung, Wehrpflicht, Atomkraft, Mehrwertsteuer, Gesundheitsreform - wohin man auch blickt; man kann sich stets darauf verlassen, daß das was die Kanzlerin als absolut alternativlos einnordet doch nicht kommt, sondern eher das Gegenteil dessen angepeilt wird.

Dieses Gesetz scheint allgemeine Gültigkeit zu haben.
Man erinnert sich an Merkels großartige Ankündigungen ein „No Spy Abkommen“ abzuschließen und ihren Kommentar „Abhören unter Freunden – das geht gar nicht!“, als ihr Handy abgehört wurde.
Inzwischen war sie in Washington, erwähnte dort den NSA-Skandal mit keinem Wort, begrub das No-Spy-Abkommen und sieht jetzt sogar tatenlos dem Kotau des Generalbundesanwalts zu, der erklärt, daß er noch nicht einmal ermitteln werde.

Das kanzlerische Handling der Europawahl gestaltet sich also genauso wie man es von ihr kennt.
Erst stellt sich Merkel hinter Juncker, wirbt für ihn, verspricht diesmal würde nicht in Hinterzimmern gemauschelt, sondern das Wählervotum gelte. Stunden nach der Stimmenauszählung wendet die Kanzlerin dann das den Leitsatz des ersten CDU-Vorsitzenden und Bundeskanzlers an: „Wat kümmert mich ming Jeschwätz von jestern?“
Juncker? Auf den hat sie nun doch keine Lust mehr und was das Parlament möchte, ist ihr ohnehin egal – es soll wieder ausgeklüngelt werden.
100% Merkel also. Soweit, so normal.


Das Eigenartige ist aber, daß dieses völlig erwartungsgemäße Merkelverhalten urplötzlich einige der altbekannten Politjournalisten gar sehr aufregt.
Rolf-Dieter Krause konnte im Tagesthemen-Kommentar kaum noch an sich halten.

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Genauso äußerte sich Heiner Bremer in einem Kommentar für ntv. Die Kanzlerin habe den Wähler in nie dagewesener Weise „desavouiert“ und kümmere sich nicht um ihr Geschwätz von gestern.

Die Süddeutsche diagnostiziert streng „Merkels Undank.“

Es wäre absurd, Cameron ein Vetorecht einzuräumen
[….]   Dramatisch hat die Kanzlerin begründet, warum Jean-Claude Juncker eine zügige Nominierung zum Präsidenten der Europäischen Kommission verwehrt bleibt und sie selbst ihrem eigenen Kandidaten nun eine entschlossene Unterstützung versagt. Es drohe sonst ein Vertragsbruch, der Europa erneut an den Rand der Katastrophe führen könnte, hat Merkel erklärt. Wenn dem so wäre, bliebe den Staats- und Regierungschefs nur die Wahl zwischen Vertragsbruch und Vertrauensbruch. So tragisch ist die Lage nicht.
Merkel würde mitnichten vertragsbrüchig, bliebe sie nun bei dem, was sie zwar zunächst widerwillig, aber dann doch eindeutig im Wahlkampf getan hatte: Juncker in seiner Kandidatur für das Amt des Kommissionspräsidenten zu unterstützen. Der Vertrag von Lissabon verlangt keine Einstimmigkeit, sondern eine qualifizierte Mehrheit. Christ- und Sozialdemokraten im Rat erreichen diese Mehrheit leicht. […]
 (SZ vom 30.05.2014)

Andere Kommentatoren sind nicht weniger angewidert vom Verhalten der beliebtesten Kanzlerin aller Zeiten.

Lavieren, taktieren, auf die lange Bank schieben – die übliche Merkel-Taktik, könnte man meinen. Doch diesmal hat die Kanzlerin keine Ausrede. Es ist ihr Job, die nötige Mehrheit im Rat zu organisieren, der den nächsten Kommissionschef vorschlägt. Wenn sie das nicht energisch vorantreibt, schießt sie Juncker ab. Denn die Gegner sind gut organisiert. Angeführt werden sie vom britischen Premier Cameron. Zu seinen Verbündeten zählen Ungarn, Niederländer und wohl auch Schweden. Die Kanzlerin kann nicht so tun, als habe sie keine Ahnung.
Schließlich weiß sie nur zu gut, wie man Kandidaten abschießt. 2004 war sie es, die im Bunde mit Camerons Amtsvorgänger Blair den Kandidaten der damaligen Bundesregierung abblockte. Merkel und Blair zauberten den Portugiesen Barroso aus dem Hut – der sich dann als ausgesprochen schwacher Kommissionschef erwies. Das darf sich nicht wiederholen, sonst ist die EU am Ende. Und die nächste Europawahl kann man sich dann auch gleich schenken.

Jakob Augstein, der als einer der wenigen schon länger die Merkelpolitik deutlich kritisierte, gibt sich ebenfalls schwer genervt von seiner Kanzlerin. Er fährt schweres Geschütz auf und bezichtigt sie sogar der Zerstörung der EU.
Leider ist das nicht besonders übertrieben.

Verachtung? Ist es das, was unsere Kanzlerin in Wahrheit für die Menschen empfindet? Verachtung ist das Gegenteil von Respekt - und weniger Respekt als Angela Merkel jetzt den Wählern in Europa erwiesen hat, kann man als Politiker nicht an den Tag legen. Zwei Kandidaten wollten Kommissionspräsident werden. Es gibt Wahlen. Der Konservative gewinnt. Das Europäische Parlament sichert ihm Unterstützung zu. Aber Angela Merkel sagt: Abwarten!
Das berüchtigte "demokratische Defizit", das so viele Menschen an Europa beklagen, hier hat es Gesicht und Namen.
[…]  Merkel und die anderen Regierungschefs wollen ihre Macht nicht mit dem Volk teilen. Der Nationalismus ist das Problem. […] Europagegner wie Marine Le Pen oder David Cameron missachten und missverstehen das ebenso wie eine Europagleichgültige wie Angela Merkel.
[…] Die große europäische Krise wurde ja nicht durch die Sinti und Roma ausgelöst, denen Le Pen den Kampf angesagt hat. Sie wurde auch nicht von den ausländischen Hartz-IV-Empfängern ausgelöst, die Angela Merkel nicht mehr im Land haben will. Sie wurde von den Banken ausgelöst. Und gegen die Banken ist La France profonde von Le Pen allein genauso machtlos wie Merkels Wirtschaftswunderdeutschland. Und das gilt selbstverständlich auch für den Grenzstreit mit Russland, oder für den Überwachungskonflikt mit der NSA oder für den Datenkampf mit Google oder für das Handelsabkommen mit den USA.
[…] Merkels Rechthaberei hat aus Griechen, Italienern, Spaniern, Portugiesen Bürger zweiter Klasse gemacht und den Stolz der Franzosen gebrochen.
Hier liegt das große, historische Versagen dieser Kanzlerin. Sie hat im Moment der Krise nicht wie Adenauer (Römische Verträge), Schmidt (Europäisches Währungssystem) und Kohl (Maastricht-Vertrag) den europäischen Weg gesucht - sondern den nationalen. […]

Die scharfe Kritik an Merkel beschränkt sich nicht auf journalistische Kreise. Im Zusammenhang mit der deutschen Bundeskanzlerin fiel in anderen Regierungen sogar das Wort „erbärmlich.“

Es war ein EU-Gipfel, der Schockwellen ausgelöst hat. Das verkappte „Nein, aber...“ der 28 Regierungschefs zum konservativen Spitzenkandidaten Jean-Claude Juncker sorgte selbst in Kreisen der Europäischen Volkspartei für Empörung. „Ernüchternd bis erbärmlich“, schimpfte der luxemburgische Außenminister Jean Asselborn.

Ich nehme an, daß die Uckermärker Profilügnerin doch ein bißchen verblüfft war, als ihr Frau Christiansen und Frau Baumann den ungewohnt heftigen Presseshitstorm vorlegten.
Sie tat das, was ihre leichteste Übung ist: Zurückrudern.
„Merkel nun doch für Juncker“ meldete SPON heute Nachmittag.

Besser aufgepasst hatten allerdings die Jungs von der Süddeutschen.
In Wahrheit war auch diese neuerliche Kehrtwende der Kanzlerin wieder keine Richtungsentscheidung, sondern ein wachsweiches Wattestatement mit Hintertür.

Soll Juncker Präsident der EU-Kommission werden? Kanzlerin Merkel beteuert überraschend, sie führe "alle Gespräche genau in diesem Geiste". Das klingt nach Kehrtwende, aber Regierungskreise weisen auf die Feinheiten ihrer Formulierung hin. […] Auf dem Katholikentag in Regensburg sagte Merkel am Freitag, die Europäische Volkspartei sei mit ihrem Spitzenkandidaten als stärkste Kraft aus der Wahl hervorgegangen. "Deshalb führe ich jetzt alle Gespräche genau in diesem Geiste, dass Jean-Claude Juncker auch Präsident der Europäischen Kommission werden sollte."
Mit dieser Formulierung wollte Merkel nach Auskunft aus Regierungskreisen zweierlei klarmachen: Ihre Unterstützung für Juncker sei zweifelsfrei, sie sehe sich aber auch in einem Verhandlungsprozess mit 27 anderen Nationen, dessen Ende sie nicht absehen könne. Darauf deutet die Formulierung, wonach sie Gespräche "im Geiste" führe, und dass Juncker den Präsidenten-Posten bekommen "sollte".
[…] Merkel sagte am Dienstag, die (europäische) Agenda könne von Juncker, "aber auch von vielen andern durchgesetzt werden".  […]

Merkel ist sichtlich darum bemüht die ausufernde Diskussion wieder einzufangen.
Die Journalisten sollen sich gar nicht erst daran gewöhnen, daß man Angela, die Große, wie andere Politiker auch nach Kriterien des Anstands und der Vernunft kritisieren darf.
Der Urnenpöbel soll gar nicht erst aufwachen.
Sie könnte wieder einmal richtig liegen mit ihrer Strategie. Gestern war allgemeines Saufgelage („Vatertag“), jetzt ist Wochenende und ohnehin denken alle nur noch an die Fußballweltmeisterschaft.


Donnerstag, 29. Mai 2014

Schlechte Neuigkeiten für Obama.


Es ist nicht gut immer nur im eigenen Saft zu schmoren.

Durch Abschottung verliert man; ökonomisch und kulturell.
Die DDR und Nordkorea haben im Vergleich zu ihren offeneren Schwester-Nationen dementsprechend in fast allen Disziplinen sehr alt ausgesehen.
Es war in der Geschichte immer so, daß die Kulturen an den Küsten, die Handel trieben und vielfältige Kontakte zu anderen Ländern hatten nicht nur reicher wurden, sondern auch enorm an Wissen gewannen, so daß die Kultur aufblühte.
Das stimmt in allen Größenordnungen.
Andere Kulturen und Kontakte befruchten. Deswegen war Hamburg auch immer sehr viel reicher und kulturell prosperierender als Berlin: Die Hanseaten hatten durch die Hanse ein über Jahrhunderte gewachsenes Netz aus Handelsbeziehungen in alle Welt, man war polyglott und noch heute hat Hamburg nach New York die meisten Konsulate in der Welt.
Berlin hat aufgrund seiner geographischen Lage keinen Hochseehafen und liegt in der Mitte von Deutschland.

Im Lichte dieser Erkenntnis wird es umso bizarrer, daß die rechten Rattenfänger Europas und Amerikas auf Isolationismus setzen. Dabei sind wir mehr denn je auf Input von Außen, auf Handel und Ressourcenaustausch angewiesen.

Weniger Einwanderer, mehr Schutz für heimische Konzerne, weniger Einmischung aus Brüssel: Die Rezepte rechter Populisten bedienen die Sehnsucht nach einem besseren Früher, das es nie gab. Eine Politik der Abgrenzung kostet Jobs und Wohlstand. Das können sich Europas Staaten nicht leisten.
Schwere Zeiten für weltoffene Politiker: Bei den Europawahlen haben in vielen Ländern Populisten massiv hinzugewonnen - oft Parteien, die pauschal die EU, Einwanderer und Globalisierung für die Probleme des Landes verantwortlich machen. […]  Triumphe sind zugleich ein Problem für die Wirtschaft, für die Firmen in Europa - und letztlich auch wieder für die Millionen Arbeitnehmer.
Gefahr für Jobs und Wohlstand
Weniger Einwanderer, mehr Schutz für heimische Konzerne, weniger Einmischung aus Brüssel oder raus aus der Union: Die Rezepte der rechten Populisten kommen in der Krise gut an, sie bedienen die Sehnsucht nach einem besseren Früher, das es in Wirklichkeit nie gab. Doch sie sind pures Gift für die Wettbewerbsfähigkeit. Würden die Ideen umgesetzt, kosteten sie Jobs und Wohlstand. Wir ziehen rund ums Land die Zugbrücken hoch: So eine - moralisch ohnehin fragwürdige - Politik muss man sich erst mal leisten können. Europas Staaten können es nicht.  [….]

Das passiert, wenn Menschen unter sich bleiben und ohne kulturellen Input sind. Sie verdummen und brüten destruktive Taktiken aus.

Eine Ebene zurück geschaltet erlebt man das auch im politischen Leben Amerikas.
Die USA sind zwar ein multikulturelles Land, ja sogar ein klassisches Einwanderungsland, das so sehr wie keine andere Nation von dem frischen Blut profitiert, aber es schottet sich in kleinere Einheiten ab.
Die Medien sind so einseitig geworden, daß viele Millionen Menschen ausschließlich von FOX und rechtsextremen Radiostationen gefüttert werden, ohne jemals in Kontakt mit der Realität zu kommen.
Das gilt auch umgekehrt. Wer „liberal media“ konsumiert, Bill Maher mag und Rachel Maddows zuhört, der guckt keine Sekunde FOX-news.
Es sei denn als Satire.
Nur mit viel Inzucht und radikaler Verbannung der Vernunft kann es zu solchen Vorfällen kommen:

Son of Pastor Who Died from Snake Bite Nearly Dies from Snake Bite
[…] Even though his snake-handling father Pastor Jamie Coots died from a rattlesnake bite earlier this year, the younger Coots said at the time that if he were bitten, he would just send the paramedics away as his dad did.
[…] How many people have to die before the members of Full Gospel Tabernacle in Jesus Name church stop with this nonsense?

Auf diese Weise entstanden die Teebeutler, die so unfassbar verblödete Typen wie Palin, Bachmann, Rubio und Cruz hervorbrachten.

 
Der geistigen Autoabschottung der rechten Washington-feindlichen Basis verdankt Barack Obama seine Wiederwahl im Jahr 2012.
Nach den üblichen US-amerikanischen Wahlkriterien (ökonomische Erfolge) hätte er sicherlich keinen second term verdient; zumal er auch alle bürgerrechtlich Orientierten der eher linken Seite bitter enttäuschte.
Aber die GOPer stellten sich so unfassbar dumm an und warben mit derartig geistig verwirrten Kandidaten, daß die haushoch die Präsidentschaftswahl verloren und im Senat sogar noch Sitze abgeben mußten.

Das einzig Gute der Teeparty ist also bizarrerweise, daß sie durch ihren unbändigen Hass auf Obama (also diesen Neger aus Afrika, jedenfalls kein echter Amerikaner, zudem auch noch schwul, muslimisch und atheistisch. Versucht von purem Antiamerikanismus getrieben das Land durch Sozialismus zu zerstören!) zu seinen effektivsten Wahlhelfern wurden.
Aus Sicht der demokratischen Wahlkampfstrategen ist der Aufstieg der Teebeutler ein Gottesgeschenk. Man selbst kann gemütlich weiter vor sich hin stümpern und gewinnt am Ende doch wieder die Präsidentschaftswahlen, weil die Demographie für einen arbeitet:
Amerika wird bunter und kulturell vielfältiger.
Die WASPs (White Anglo-Saxon Protestant) werden weniger und Latinos, Schwarze und Asiaten werden von den GOPern so angefeindet, daß sie in ihrer übergroßen Mehrheit immer die Demokraten wählen.
Erstaunlicherweise gibt es aber selbst bei den Republikanern noch Restverstand.
Alte rechte Washingtoner Strategen, die sich darüber ärgern trotz der unterirdischen Obama-Performance in der Opposition zu sitzen.
Sie nutzen jetzt das Big Money und versuchen in einer großen Kraftanstrengung bei den innerparteilichen Vorwahlen die Irrsten der Irren loszuwerden.
Je besser ihnen das gelingt, desto schlechter für die Demokraten.

[…]  Mitch McConnell, 72, ist seit drei Jahrzehnten US-Senator in Washington, er ist der Anführer der Republikaner im Senat, und er möchte all das auch nach der Parlamentswahl im Herbst noch bleiben. In den Vorwahlen der republikanischen Partei hat ihn zuletzt der wesentlich jüngere Unternehmer Matt Bevin herausgefordert, ein erzkonservativer Anhänger der Tea Party. […] Am Dienstag in der Vorwahl hat McConnell seinen jugendlichen Widersacher nun mit 60 zu 35 Prozent der Stimmen geschlagen. […] Es ist nun ein Sieg des alten Washington, jedenfalls der Alteingesessenen in Washington.[…]
In anderen Staaten gingen die Vorwahlen am Dienstag ganz ähnlich aus. In Idaho setzte sich ein langjähriger Abgeordneter gegen einen rechten Herausforderer durch, ebenso in Pennsylvania. In Georgia wird eine Stichwahl entscheiden, welcher Republikaner für den Senat kandidieren darf, aber die beiden Tea-Party-Bewerber sind am Dienstag bereits ausgeschieden.
[…] Für Präsident Barack Obama und seine demokratischen Parteifreunde ist dies ein schlechtes Ergebnis. Sie hatten auf Erfolge der rechten Amateure gehofft, weil es leichter gewesen wäre, diese bei der Hauptwahl im November zu schlagen. Stattdessen müssen die Demokraten nun gegen erfahrene Republikaner antreten, die diszipliniert, gut vernetzt und finanziell bestens ausgestattet sind. Damit wächst die Wahrscheinlichkeit, dass die Demokraten in einem halben Jahr ihre Mehrheit im Senat, der zweiten Parlamentskammer, verlieren. Das Abgeordnetenhaus wird ohnehin in republikanischer Hand bleiben. Für Obama bedeutet das, dass er ab Ende des Jahres womöglich keine Machtbasis mehr besitzt im US-Kongress. Er würde damit, zwei Jahre vor dem Ende seiner Amtszeit, endgültig zu einer "lahmen Ente".  […]

Mangels eigener Erfolge bleibt den Demokraten nun nur noch die Merkelsche Strategie der asymmetrischen Demobilisierung. Sie müssen hoffen, daß mit einem weniger polarisierenden Wahlkampf die rabiaten FOX-Glotzer der republikanischen Basis aus Enttäuschung über die aus ihrer Sicht zu moderaten eigenen Kandidaten zu Hause bleiben.



Mittwoch, 28. Mai 2014

Frommes Glück

Wann immer ein christlicher Feiertag vor der Tür steht, dürfen die Theo-Journalisten der großen Zeitungen ihre Kirchenwerbung betreiben.
Im SZ-Leitartikel wird morgen der fromme Drobinski erklären „Warum Religion gut tut.“

Der Sinn des Glaubens liegt im Zwecklosen. Er setzt allen menschlichen Zwecken Grenzen, allen Taten, Plänen, Maßstäben und Vorstellungen. Das Gebet von Papst Franziskus an der Mauer zwischen Israel und Palästina und am Denkmal für die Ermordeten des Terrors war zwecklos: Einen Friedensplan für den Nahen Osten bringt das nicht. Aber es hat seinen Sinn, weil es den Herren Netanjahu und Abbas die Grenzen ihres Handelns zeigt. Wer meditiert und sich ins Gebet versenkt, entkommt dem Zweck und findet den Sinn. Der Gläubige kann sich in seinen Nöten und Ausweglosigkeiten vor seinen Gott werfen und den Fall an die höchste Instanz abgeben: Mach du was draus. Das ist zwecklos, aber nicht sinnlos.
Dem Zweck die Grenzen zeigen, sich selbst nicht die letzte Instanz sein müssen - und dürfen: Das sind die Gaben des Glaubens an die Gläubigen und an die ganze Gesellschaft. Es ist die Kraft des Transzendenten, die verhindert, dass der Mensch zum Objekt des Menschen wird, ob bei der Embryonenforschung, der Wirtschafts- und Flüchtlingspolitik.

Wenn ich so etwas lese, fühle ich mich ganz schwach.
Ohne gründliche Hirnektomie kann man sich doch nicht ernsthaft für solche Sätze erwärmen.
Und das wird von einer klugen Chefredaktion der besten Tageszeitung Deutschlands an prominenter Stelle ins Blatt genommen.

Papst, Religion, Kirche, Weltfrieden – das wird hier alles zu einem einzigen Brei der Güte verquickt.
Das ist nicht nur ein wenig an den Tatsachen vorbei formuliert, sondern das Gegenteil der Realität. Religion tut nicht gut, sondern das diametrale Gegenteil ist Fall. Religion spaltet und hetzt Menschen gegeneinander aus. Religion ist die häufigste Ursache für Kriege, rechtfertigt Folter und Genozide.
Und Religion ist auch eine individuelle Geißel, die Millionen Menschen zu psychischen Wracks macht, indem sie ihnen ein falsches schlechtes Gewissen oktroyiert.
Der Papst ist kein Friedensengel, sondern ein Mann, der Förderer und Vertuscher des massenhaften Kindesmissbrauchs stärkt.

Wie die „Gabe des Glaubens“ die Menschen bei der „Wirtschafts- und Flüchtlingspolitik“ leitet, zeigt sich ja eindrucksvoll an den christlichen Parteien weltweit; sei es die EVP oder die GOP; es ist immer das Gleiche: Je Christlicher, desto härter wird GEGEN Einwanderer agitiert und desto ungenierter wird den Großkonzernen genehme Wirtschaftspolitik betrieben.

Und zum Thema „Embryonen“, welches Drobinski auch noch als Ausweis der guten Religion auspackt, stolperte ich heute über eine passende Meldung aus dem stramm katholischen Irland 1920 – 1960.
Die Nächstenliebe war dort derart unterentwickelt, daß unverheiratete Schwangere sofort von ihren Familien verstoßen wurden.
Einzige Anlaufstelle waren der Bon Secours order, also ein katholischer Frauenorden, der die Schwangeren demütigte und ausbeutete.
Wie ihre lieben frommen Schwestern in Spanien sahen sie in den „gefallen Mädchen“ zunächst einmal eine Chance ordentlich Reibach zu machen.
Sie raubten den Frauen ihre Babys und verkauften sie gewinnbringend nach Amerika.

Die Verhältnisse in Österreich waren nicht anders und in Spanien betrieben dem faschistischen Regime treu ergebene Nonnen im 20. Jahrhundert sogar massenhaften Kindesraub und Menschenhandel. Sie sollen bis zu 300.000 Babies verkauft haben.
Morgen zeigt „Tele5“ wieder einmal den 2002 entstandenen Film „Die unbarmherzigen Schwestern“, welcher das perverse Treiben irischer Nonnen nachzeichnet.

Die Magdalenen-Heime - benannt nach der biblischen Figur der ehemaligen Prostituierten Maria Magdalena, der Jesus ihre Sünden verzieh - wurden im 19. Jahrhundert in Irland als Zuflucht für in Ungnade gefallene Frauen gegründet. Anfang des 20. Jahrhunderts übernahm die katholische Kirche diese Einrichtungen und führte strenge Regeln ein. Die Aufsicht unterstand den Barmherzigen Schwestern (Sisters of Mercy), die die jungen Frauen zu bis zu zehn Stunden unbezahlter täglicher Arbeit zwangen. Der sonst so heilige Sonntag bildete keine Ausnahme. Hunger, Prügel und sexueller Missbrauch führten zu zahlreichen Ausbrüchen und in den 50er- und 60er-Jahren auch zu Aufständen.

Auch wenn Nonnen keine Kinder oder Kranke in die Finger bekommen, stehen sie gern auf der Seite der Brutalen.
Beispiel Syrien. Dort ist die katholische Kirche eine der letzten und wichtigsten Stützen des Assad-Regimes. Daß Hunderttausende gekillt werden, teilweise sogar vergast wurden, stört nicht weiter.

Wie aber auch in den vielen anderen katholischen Kinderheimen, wurden uneheliche Kinder grundsätzlich als würdelose Sünder behandelt, die man vor allem zu schlagen und misshandeln hatte.
Natürlich wurde dabei auch gelegentlich ein Balg totgeschlagen.
Viele andere Gören ließen die frommen Nonnen einfach verhungern.

In 1885 the Sisters were invited to nurse the sick and poor in the Tuam area.  Later in 1944 the sisters acquired a residence at the ‘Grove’ and converted it into a small Nursing Home. This expanded over the years to become a Medical / Surgical Hospital. The Hospital was closed in 2002 and the sisters relocated to Knock and Galway. [….] Though times have changed, the Bon Secours mission remains the same since 1824 Sisters continue to bring compassion, healing and liberation to those they serve, either in healthcare, education or social services, in hospitals, long-term care facilities, clinics and parishes, in towns and cities and isolated villages, Bon Secours responds to a universal need: to provide to all who suffer a reason to live and a reason to hope.

Allein im Irischen Ort Tuam, wo von 1925 bis 1961 das St. Mary's Mother and Baby Home stand brachten die Nonnen insgesamt rund 800 Kinder um, die sie dann heimlich in einem Massengrab verscharrten. („1885 the Sisters were invited to nurse the sick and poor in the Tuam.”)
Der riesige Kinder- und Baby-Skeletthaufen wurde vor 30 Jahren von Barry Sweeney, einem spielenden Teenager gefunden. Wie das traurige Leben von Tausenden Kindern unter religiöser Aufsicht aussah, kann man sich vorstellen.

The women, or girls, sometimes found work with the nuns in the Grove Hospital.
Their children were fostered out – around the district or further. Some people believe their siblings or other relatives were fostered out and disappeared or died in the ‘Home’ without notice to the families.
An Irish Mail on Sunday front page article on 25th May 2014,  recounted a local health board inspection report from April 16/17th 1944 which recorded 271 children and 61 single mothers for a total of 333. The ‘Home’ had capacity for 243.
The report continues listing children as ‘emaciated’, ‘pot-bellied’, ‘fragile’ with ‘flesh hanging loosely on limbs’. 31 children recorded in the ‘Sun room and balcony’ were ‘poor, emaciated and not thriving’. The oldest child to die, according to the MoS, was Sheila Tuohy, aged 9 in 1934. The youngest was Thomas Duffy, aged two days. […] Oral history from ex-residents, who remember being left filthy for weeks, as well as health board reports damn the Sisters. While reports of systematic abuse haven’t emerged, there are initial reports from the Mail of poor conditions and harsh punishment.
[…] The children died at the rate of one a fortnight for almost 40 years. The figures are still confused.  Another report seems to claim that 300 children died between 1943 and 1946, which would change the statistic to almost two deaths a week in a relatively small institution.
[…] Clippings from the Connacht Tribune  […] show that ‘inmates’, as the infants were called, had an upkeep of 10 shillings per week which was judged excessive especially when they were fed by nursing mothers. […]

Die Kirche und der Mutterorden reagierten wie immer:
Es wurde geleugnet und vertuscht.
Bis heute mögen sich die Schwestern der Bon Secours noch nicht einmal an der Arbeit einer Bürgerinitiative beteiligen, die wenigstens den 796 identifizierten Kindern eine Gedenktafel errichten möchte. Die dafür benötigten €5.000 kommen nicht zusammen, weil niemand darüber sprechen will.
Das Children's Home Graveyard Committee kämpft allein gegen Papst Franzis fromme Epigoninen in Irland.

‘It’s time to do something’ – The forgotten mass grave of 800 babies in Galway
A campaign is now under way to construct a memorial.
[….]  Catherine Corless, a local historian and genealogist, was researching the home when she discovered death records for 796 children, ranging from infants to children up to the age of nine.
[….] She could also find no record of their burial in other graveyards in the county, or in areas where the mothers had been from.
[….] Local authorities have so far donated €2,000 towards the memorial, but those involved hope to raise €5,000 to build a plaque containing all 796 names and a small statue.
 “People aren’t really talking about the discovery,” she said.
“If two children were discovered in an unmarked grave, the news would be everywhere. We have almost 800 here.”
[….]   Corless spoke to a number of people who were residents at the home, and said they were treated very harshly.  [….]


Dienstag, 27. Mai 2014

Viele Deppen.


 Das war heute eine merkwürdige Titelstory in der Hamburger Morgenpost.

„Zeit“-Chef di Lorenzo: Kann ein kluger Mann so dusselig sein?“ – das sollte offensichtlich eine rhetorische Frage sein?

Giovanni die Lorenzo erlebt vielleicht nicht gerade einen Shitstorm, aber natürlich macht man sich im Internet gehörig über ihn lustig.
Für diejenigen, die noch nichts vom „Giovanni-Gate“ gehört haben:
Am späten Abend der Europawahl saß der schöne Chefredakteur in einer ARD-Quasselrunde und plapperte aus, er habe sogar zweimal gewählt. Erst als Italiener im Hamburger Konsulat Italiens und später noch einmal als Deutscher in seinem Wahllokal.
Doppelt hält besser dachte er sich offenbar.

Es dauerte nur wenige Stunden, bis Strafanzeigen eintrudelten: Am Schnellsten war die ohnehin Europa- und Ausländer-feindliche AfD.
Nun ermittelt die Hamburger Staatsanwaltschaft gegen den ZEIT-Chef.

In Betracht komme auch der Tatbestand des Fälschens von Wahlunterlagen, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Hamburg, Nana Frombach. Die zuständige Anklagebehörde habe bereits Kontakt mit dem Landeskriminalamt aufgenommen.[…]   Das Europawahlgesetz schreibt vor, dass jeder Wahlberechtigte nur einmal seine Stimme abgibt. Über die Problematik von EU-Bürgern, die ihren Wohnsitz in einem anderen Mitgliedsland haben, hatte vor wenigen Tagen ausgerechnet die Online-Ausgabe der "Zeit" berichtet.
Di Lorenzo könnte nun unter den Paragrafen 107a des Strafgesetzbuches fallen. Der besagt: "Wer unbefugt wählt oder sonst ein unrichtiges Ergebnis einer Wahl herbeiführt oder das Ergebnis verfälscht, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft." […]

Der Elitejournalist beherzigte mehrere eherne demokratische Grundsätze.
Es handelt sich um freie, geheime und ungleiche Wahlen mit dem bekannten Prinzip „One Chefredakteur two votes.“

Und wenn man schon mal dabei ist sich so richtig zu blamieren, dann muß man immer noch einen drauflegen. Di Lorenzo, der immerhin Politik studiert hat ahnte nicht, daß einige nicht mehr Stimmen als andere haben dürfen und spricht sich nun selbst mit Dummheit frei.
In seiner Welt gilt also offenbar auch der bekannte Rechtsgrundsatz „Unwissenheit schützt vor Strafe.“

"Mir war nicht bewusst, dass man bei der Europawahl nicht in zwei Ländern abstimmen darf. Hätte ich es gewusst, hätte ich es nicht getan und natürlich auch nicht in der Sendung von Günther Jauch erzählt", sagte di Lorenzo. "Mir tut das aufrichtig leid."

Ein interessanter chefredakteuresker Kausal-Zirkelschluss.

Das ist in etwa so, wie zu erzählen, daß man eben einer Oma mit einem Knüppel eins übergezogen hätte, um ihre Handtasche zu rauben.
Man habe aber nicht gewußt, daß man das nicht tun dürfe. Das beweise die Tatsache, daß man überhaupt erzählt habe die Gerontin niedergemacht zu haben! Also könne man auch nicht bestraft werden. Logisch.

Was will uns nun aber die MoPo mit ihrer Schlagzeile vom „klugen Mann“ di Lorenzo sagen?
Daß der Mann mit der bekannten religiotischen Inselverarmung nicht nur im Punkt Metaphysik partiell debil ist? Daß di Lorenzo lügt? Daß es Italiener nicht so genau mit den Regeln nehmen?

„Kann ein kluger Mann so dusselig sein? […]
Jeder Wähler trägt selbst die Verantwortung: Wenn er redlich ist, wird er seine Stimme wie alle anderen nur ein Mal abgeben“, wird ausgerechnet der Sprecher der italienischen Botschaft zitiert.

Nein, ein kluger Mann kann natürlich nicht so dusselig sein.
Statt über di Lorenzos Dusseligkeit zu sinnieren, sollte man sich lieber fragen mit welcher Berechtigung der ZEIT-Chef „klug“ genannt wird.

Es gibt mittlerweile eine ganze Reihe von schweren intellektuellen Fehlleistungen, die mich sehr daran zweifeln lassen, daß der Edeljournalist wirklich klug ist.

Ist es etwa „klug“ die ZEIT über Jahre zum intellektuell verflachten Katholikenblättchen umzuformen, daß selbst Menschen, die wie ich über Dekaden ein ZEIT-Abo hatten, entnervt hinwerfen und notgedrungen kündigen, weil sie diesen L'Osservatore Romano light nicht mehr finanzieren wollen.

In der aktuellsten ZEIT-Ausgabe ist die Rubrik „Glauben und Zweifeln“ übrigens mal wieder auf den doppelten Umfang ausgedehnt worden. Nur das „Zweifeln“ hat di Lorenzo  - wie üblich – vergessen.
Zunächst gibt es ein Interview mit Leonardo Kardinal Sandri, der aber nicht etwas korrekt in der Form „(Vorname) Kardinal (Nachname)“ beschrieben wird, sondern tumb Kardinal Leonardo Sandri genannt wird.
Aber das kennen wir ja vom „klugen“ die Lorenzo – seine Kirchenbejublungsseiten strotzen vor Fehlern.
Außer dem äußerst untertänig geführten Kardinal-Interview gibt es noch einen Aufsatz von stramm Papst-treuen Chef der Katholischen Nachrichten Agentur (KNO) Ludwig Ring-Eifel und schließlich eine ganze weitere Seite voll des Lobes über Papst Franzens Nahost-reise.

Oder ist es etwa klug, wenn der ZEIT-Chefredakteur einen peinlichen Versuch unternimmt als Stichwortgeber in einem Buch den mehrfach der Täuschung und Lüge überführten Baron von und zu Guttenberg zu einem Comeback auf die politische Bühne zu verhelfen?
Noch dazu ein völlig erfolgloser Versuch, nach dem der Milliardenschwere Freiherr endgültig den Kontinent verlassen mußte und di Lorenzo selbst einen ungeahnten Shitstorm auf die ZEIT lenkte.

Es geht nicht darum, wie viel der Baron verkraften kann. Es geht um seinen Narzissmus. Der Guttenberg, den man hier wiedertrifft, kreist um sich selbst - und liefert kaum Substanz. Denn wenn es um politische Inhalte geht, sind die Äußerungen des Mannes, den sein Interviewer "zu den größten politischen Talenten des Landes" zählt, dürftig, um es freundlich zu formulieren.
(Jakob Augstein 01.12.11)

Wieso läßt ein intelligenter Mann wie di Lorenzo Guttenberg alle seine dummdreisten Lügen und haltlosen Behauptungen durchgehen, ohne kritisch nachzufragen?
Wollte er ihn womöglich nur entlarven, indem er ihn reden ließ?

Dagegen spricht die Tatsache, daß di Lorenzo ihn noch mit als letzter verteidigte, bevor Guttenberg zurücktrat.

Dagegen spricht auch di Lorenzos Rechtfertigungsschrift in der nächsten Ausgabe der ZEIT.

Ist es klug sich als Chefredakteur von Deutschlands (noch) renommiertester Wochenzeitung seit Jahrzehnten zusätzlich in der Boulevardsendung „3 nach 9“ zwischen Deppen aller Art als Moderator zu verdingen?

Ist es klug von Giovanni di Lorenzo als ZEIT-Chefredakteur und Tagesspiegel-Herausgeber bräunliche Sozialneiddebatten anzustoßen, indem er vor  massenhafter Einwanderung in die sozialen Netze“ Deutschlands warnt, wie es 2010 geschehen ist?

Nein, di Lorenzos Wahl-Aussetzer ist kein völliges Rätsel, sondern passt ganz gut zu einem Mann, der ursprünglich mal ein sehr vielversprechender integrer Journalist war und den seine ungeheure Eitelkeit im Laufe der Jahre dazu verführte das kritische Denken aufzugeben und stattdessen bloß „di Lorenzo“ zu sein, der immer mal wieder ungeniert Urteile über Dinge abgibt, die er überhaupt nicht beurteilen kann.

Aber in der causa „Wahlbetrug durch di Lorenzo“ ist der Delinquent immerhin nicht selbst der Dümmste.
Nein, die Empörung spült noch wesentlich idiotischere und rechtere Edelschreiberlinge an die mediale Oberfläche.

Den Vogel abgeschossen hat Jan Fleischauer, der Sozifresser vom SPIEGEL, der anhand der illegalen Doppelwahl gleich die Doppelstaatsbürgerschaft insgesamt verdammt und die GroKo dafür geißelt noch mehr Menschen zwei Pässe zugestehen zu wollen. (Wohlgemerkt NICHT MIR – ich bin nach wie vor zu undeutsch, als daß ich von der GroKo einen Deutschen Pass zugebilligt bekäme.)

Das Bekenntnis von "Zeit"-Chefredakteur Giovanni di Lorenzo, bei der Europawahl zweimal gewählt zu haben, zeigt die Probleme des Doppelpasses. Statt die Sache aus der Welt zu schaffen, will die Große Koalition die Mehrstaatlichkeit jetzt auch noch ausweiten.

Der arme Giovanni di Lorenzo. Eben noch Darling des Hamburger Medienbetriebs, Träger des Theodor-Wolff-Preises, des Bambi und der Goldenen Feder, bewundert und beneidet für seine sensiblen Interviews mit Menschen, die es auch nicht leicht im Leben haben. Und nun: ein Wahlfälscher, überführt vor einem Millionenpublikum. […]
So ist das mit dem Doppelpass. Was in den besseren Kreisen als Ausweis besonderer Weltläufigkeit gilt, hat im praktischen Vollzug leider seine Tücken. […]  Die Vorstellung, dass jede Stimme in einer Demokratie elementar ist, kommt einem schnell abhanden, wenn man Staatsangehörigkeit für eine Sache hält, die sich vervielfachen lässt.
Der Fall wäre kurios, wenn wir nicht gerade dabei wären, die Doppelstaatlichkeit auf die größte Migrantengruppe im Land auszuweiten. Es ist im Getöse über Mindestlohn und Mütterrente etwas aus dem Blick geraten, aber mit der Überarbeitung des Staatsangehörigkeitsrechts steht eines der größten Reformprojekte der Großen Koalition noch aus. Wer in Deutschland aufgewachsen ist, soll künftig auch als Nicht-EU-Bürger zwei Pässe besitzen dürfen. […]  Am Ende könnte der Doppelpass eine ganze Generation in einen Loyalitätskonflikt treiben, den man durch die Einrichtung desselben gerade vermeiden wollte. […]

Noch so eine angebräunte Flitzpiepe, die ich durch mein Abo mitfinanziere…..
Wenigstens wurde Fleischhauer noch nicht öffentlich als „klug“ bezeichnet.




Montag, 26. Mai 2014

Scherbenhaufen

Nun stehen wir vor einem EU-Wahlergebnis, welches jede Menge Radikale und Verrückte in Parlament spülte.

 
Verursacht wurde es von fahrlässig apathischen Deppen-Europäern, die zu 57% gar nicht erst den Hintern von der Couch bekamen, um wählen zu gehen.

Diese Bewohner der Insel der Glücksseligkeit sollten sich schämen. Was ist bloß los mit den osteuropäischen Ländern, die doch so sehr von der EU profitieren und unbedingt Mitglieder werden wollten?
30% der Letten wählten, 28,9% der Ungarischen Wahlberechtigten nahmen teil, 25,1 % der Kroaten, 22,7% der Polen, 21,0 % der Slowenen, 19,5% der Tschechen und nur armselige 13 Prozent der Slowaken schleppten sich in ein Wahllokal.

Es wäre vielleicht an der Zeit die Zahl der nach Brüssel geschickten Volksvertreter einer Nation mit dem Faktor Wahlbeteiligung zu multiplizieren.
In dieser Hinsicht stehe ich dem Orban-Fan Igor Janke (Leiter des unabhängigen Thinktanks Instytut Wolnosci in Polen) nahe.

"Es ist in den Köpfen der Menschen ja egal, wie viele Wähler zu den Urnen gehen. Durch die Wahlbeteiligung ändert sich nicht der Anteil der polnischen Mandate im Europaparlament. Ob 20 Prozent oder 90 Prozent wählen gehen, es sind gleichbleibend 61 polnische Mandate."
(Janke via Welt.de)

Es würde mich sehr interessieren, ob die CDU auch so ostentativ desinteressiert Wahlkampfphrasen abließe und ihren Spitzenkandidat versteckte, wenn sie befürchten müßte bei mieser Wahlbeteiligung deutlich weniger Mandate (und damit hochdotierte Jobs für verdiente Parteimitglieder) zu vergeben hätte.
Merkels immer wieder verwendete Strategie der asymmetrischen Demobilisierung bekäme dadurch einen extremen Schönheitsfehler.

In Deutschland wurde die mit Abstand niedrigste Wahlbeteiligung in den ostbayerischen Landkreisen gemessen.
Die große Mehrheit der Wahlberechtigten ging dort nicht wählen und verhagelte Crazy Horst auf diese Weise sein Wahlergebnis.
Er hatte immer geschworen, daß auch zukünftig acht CSU-Mitglieder im EU-Parlament sitzen müßten. Nun werden es nur fünf, weil die CDU durch die höhere Wahlbeteiligung in ihren Bundesländern relativ mehr ins Gewicht fiel. Drei Bayern aus Ferbers Gang rausgekegelt – wenn das kein gutes Ergebnis ist!
Big Horst is pissed und die CDU’ler reiben ihm genüsslich etwas Salz in seine Wunden.

"Die CSU hat offenkundig dramatisch verloren. Es ist schon so, dass die Wähler wohl lieber wissen wollen, wofür wir Wahlkampf machen und nicht wogegen wir alles sind", sagte die thüringische Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht am Montag vor der Sitzung des CDU-Präsidiums in Berlin. Ähnlich äußerte sich die saarländische Ministerpräsidentin Annegret Kramp-Karrenbauer.
"Ich glaube, dass man Europawahlen nur gewinnen kann, indem man offen für Europa wirbt", mahnte der CDU-Vize Armin Laschet. Der Vorsitzende des NRW-Landesverbandes verwies darauf, dass die Euro-Gegner der AfD in seinem Bundesland unterdurchschnittlich abgeschnitten hätten. In Bayern erzielte die AfD dagegen ein Ergebnis über dem Bundesschnitt. "Ich glaube, dass man in der Auseinandersetzung mit der AfD offen für Europa werben muss, und nicht deren Sprüchen auf den Leim gehen sollte", sagte Laschet.
[….]  Der CDU-Europapolitiker Herbert Reul warf der CSU Fehler im Wahlkampf vor: "Man kann nicht den Versuch machen, eine andere Partei, die das Original ist, zu kopieren", sagte er mit Blick auf die AfD. [….]

Mehr oder weniger elegant verschweigen die CDUler damit wie wenig überzeugt sie sich selbst von Europa gezeigt hatten, wie gerne sie sich hinter Phrasen versteckten, oder gar, wie die Parteichefin selbst, die AfD bewarben, indem gegen eine angebliche „Sozialunion“ polemisierte und ihren Innenminister die Grenzen für Flüchtlinge zumachen ließ.
Man darf gespannt sein, ob der Bayerische Imperator nun seine Obstruktionsstrategie überdenkt und sich einer verlässlicheren Politik verschreibt. Sehr wahrscheinlich ist das nicht bei dem Mann, der zu allem mindestens drei Meinungen hat. Zunächst einmal übernimmt Seehofer formal Verantwortung und stellt gleichzeitig klar, daß es keine Konsequenzen (für ihn) geben wird.

Einfach ist dieser Tag für Horst Seehofer nicht. Von einem "schmerzlichen Wahlergebnis" spricht der CSU-Chef. Es ist der Tag nach der Europawahl, der Tag, nachdem die Partei das schlechteste Ergebnis ihrer Geschichte eingefahren hat. 40,5 Prozent der Stimmen hat die CSU bekommen. [….]  Die letzten Stunden hätten jedenfalls "nicht zu den schönsten meiner politischen Laufbahn" gehört, sagt Seehofer. Auch wenn der Politiker immer wieder betont, dass die genaue Analyse erst in einigen Wochen stattfinden werde.
[….] Was genau "Verantwortung übernehmen" jedoch heißt, lässt er offen. Erst wolle man die genaue Analyse des Wahlergebnisses abwarten. Nur eines macht er klar: Personelle Konsequenzen im Vorstand werde es nicht geben. Und auch bei ihm nicht. Er sei für die gesamte Legislatur gewählt und werde diese auch zu Ende bringen. "Flucht ist kein anständiger Umgang." Das steht für ihn fest. [….]

Statt sich selbst zu bedauern, sollte sich CDU und CSU mit einem „mea maxima culpa“ an ihr Wahlvolk wenden und sich öffentlich dafür schämen die Antieuropäer à la Lucke groß gemacht zu haben.
Es tröstet nur wenig, daß die Parteien anderer Europäischer Nationen genauso zwischen Phlegma und Nazis-Nachplappern mäanderten.
Ihr schlaffen Parteien! Es genügt nicht immer nur mit vollen Hosen vor den Demoskopen zu stehen und stets danach zu schielen es möglichst vielen recht zu machen.

 […] So ähnlich wie die Schafe haben sich im Europawahlkampf etliche etablierte Parteien der gemäßigten Rechten und Linken verhalten. Bedrängt von radikalen, populistischen Europa-Gegnern wurden sie nervös. Sie brachen aus ihrer früheren europafreundlichen Politik aus, schoben alle Schuld für Missstände auf Brüssel und plapperten Parolen der Radikalen nach. Bürgerliche Parteien, etwa die CSU in Bayern, agitierten gegen Einwanderer. […] Doch so fielen die Etablierten erst recht unter die Wölfe. Euro-Feinde und EU-Skeptiker wurden bei dieser Wahl so richtig satt.
Europa ist anders geworden seit dem Sonntag. In sein Parlament, das bisher die Spielwiese der Europa-Freunde war, sind viele entschlossene Gegner eingezogen. Die Wähler haben griechische Neofaschisten und Linksradikale, italienische Fundamental-Oppositionelle, britische Brachial-Nationalisten, Wahre Finnen und antisemitische Ungarn zu Europaabgeordneten gemacht. In Frankreich, Gründerland und Säule Europas, triumphierte der rechtsradikale Front National von Marine Le Pen als stärkste Partei.
Der Grundkonsens ist dahin, jetzt triumphieren die Radikalen
[…] Die Folgen: Viele Europa-Freunde verzagen. Der Untergang des Einigungswerks wird prophezeit, oder zumindest sein massiver Rückbau. […] Es muss nicht so kommen. Denn es gibt Beispiele, wie man Extremisten besiegt. Matteo Renzi hat gerade eines gegeben. Der junge italienische Regierungschef erzielte mit seinen Sozialdemokraten ein sensationelles Ergebnis. Er erhielt 41 Prozent der Stimmen, fast doppelt so viel wie sein großer Konkurrent, der demagogische Komiker Beppe Grillo. Noch nie hat in Italien eine Partei bei Europawahlen so gut abgeschnitten wie am Sonntag die Sozialdemokraten. […] schwankte.  Wie hat Renzi das gemacht? Und lässt sich von ihm lernen? Renzi zeigte Courage. Er stellte sich den Europa-Skeptikern und führte einen selbstbewussten, europafreundlichen Wahlkampf. Er bekannte sich zum Euro und zu seriöser Haushaltsführung und sagte den Italienern, dass sie ihr Land nicht Europa zuliebe, sondern für sich selbst reformieren müssten. Renzi suchte die Schuld nicht in Brüssel. Renzi übernahm Verantwortung. Renzi ging rasch Reformen an, auch wenn das in Rom besonders schwer ist. Er verjüngte die politische Klasse. Er weckte Hoffnung, wo lange keine mehr war. […]

Ihr Kanzler und Ministerpräsidenten müßt auch mal vorangehen und das Richtige tun! In den Politkommentaren des heutigen Tages steht dazu erstaunlich viel Richtiges. Es wäre schön, wenn sich die Regierenden daran hielten.
Aber wie soll das gehen, wenn phlegmatische Aussitzer wie Merkel regieren?????? Also liebe Politkommentatoren; Ihr habt da was richtig erkannt, aber dann müßt Ihr auch die Kanzlerin viel radikaler kritisieren und ihr nicht immer achselzuckend ihr Nichthandeln durchgehen lassen! Merkel hat den Tranquilizer Barroso durchgesetzt - einfach, weil sie damit den regierenden Kanzler Schröder ärgern wollte. Es war pure Obstruktion dieser ökologisch-außenpolitische Nero-Strategin, die für den kurzen eigenen machtpolitischen Vorteil jeden Schaden in Kauf nimmt. So geht das nicht. Das muß auch die Presse scharf kritisieren und nicht immer nur mit Gefälligkeitsartikeln Merkel bejubeln.

[…] Rattenfängerparteien wie der Front National oder Ukip haben so ein leichtes Spiel mit ihren Früher-war-alles-besser-Sprüchen. Umso wichtiger ist politische Führung. Nicht weniger, sondern mehr Europa ist die Antwort auf den Angriff der Einfältigen. Die europäische Integration muss vorangetrieben werden. Wenn sich die Europa-Freunde nun vor den Gegnern der EU verkriechen, droht das gesamte Projekt zu scheitern. Gegenwehr fängt damit an, dass sich die Beteiligten nun schnell auf einen - Achtung: guten - Kandidaten für den Posten des EU-Kommissionspräsidenten verständigen. Bitte ärgert den Kontinent nicht schon wieder mit einer blassen Kompromissnase wie Noch-EU-Chef José Manuel Barroso. […] Deutschland kann sich nicht auf den eigenen Erfolgen ausruhen.
Die Wirtschaft wächst, selbst die Wahlbeteiligung bei der EU-Wahl ist hoch. Toll. Aber Deutschland ist mit dieser positiven Entwicklung ziemlich allein in Europa. Nur weil es bei uns gut läuft, dürfen wir nicht vergessen, dass wir auf ein funktionierendes Europa angewiesen sind. Wenn sich die politische und wirtschaftliche Krise des Kontinents verschärft, werden auch wir in diesen Sog geraten. Etwas mehr Großzügigkeit und Offenheit bei der Diskussion um Beistand für andere EU-Staaten würde den Deutschen gut anstehen. […]