Europawahl
heute, Kiew-Wahl heute und auch noch jede Menge Kommunalwahlergebnisse.
Holla,
das sind jetzt aber eine Menge Zahlen, die ich jetzt ansehen muß.
Bei
so vielen Ergebnissen kann jeder einen für sich angenehmen Blickwinkel finden.
Naja,
das SPD-Ergebnis in Hamburg (34%) haut mich
jetzt nicht so um, aber ich freue mich, daß Schwarzgelb (zusammen 28%) unendlich
weit von einer eigenen Mehrheit entfernt ist, daß RRG mit insgesamt ~ 60% der
Stimmen sehr stark ist und daß die Piraten mit ihren extra-dummen
Plakaten nur zwei Prozent bekommen haben.
6 Prozent AfD sind sechs Prozent zu viel, aber dafür ist wenigstens die NPD mit 0,4% kaum nachweisbar.
6 Prozent AfD sind sechs Prozent zu viel, aber dafür ist wenigstens die NPD mit 0,4% kaum nachweisbar.
Interessanterweise korreliert das Ergebnis so gar nicht
mit der gefühlten Stärke der Parteien, die sich im plakatierten Straßenbild
zeigten.
Ich habe nicht ganz Hamburg besichtigt, aber in meiner
Umgebung, also im Zentrum Hamburgs, dominierten ganz extrem die CDU-Plakate.
Außerdem sah man viele FDP- und Piratenplakate. SPD-Werbung war viel seltener,
genau wie AfD. Grüne, bzw Linke habe ich im Straßenbild gar nicht wahrgenommen.
Ein ähnliches Bild ergab die Ausbeute meines Briefkastens: Ich erhielt ca zehn
Flyer/Briefe/Broschüren von der CDU und zwei von der FDP. Nichts von den anderen
Parteien.
Dafür war die AfD in Internet sehr stark und flimmerte
unablässig auf YouTube umher. Für Schwarzgelb hat sich der Einsatz offenbar
überhaupt nicht ausgezahlt.
Gruselig hingegen der Blick nach Frankreich. Die Faschisten mit 26%
stärkste Partei, dann folgen die Konservativen mit 21% und erst an dritter
Stelle die Sozialisten mit erbärmlichen 14%!
Nach
ersten Schätzungen mehrerer Meinungsforschungsinstitute erreichte die Partei
von Marine Le Pen rund 25 Prozent der Wählerstimmen - bei der Europawahl vor
fünf Jahren war der FN lediglich auf 6,3 Prozent der Stimmen gekommen. Die
Partei von Staatschef François Hollande kam demnach mit rund 14 Prozent nur auf
den dritten Platz hinter der konservativen UMP, für die 21 Prozent stimmten.
Auch die Konservativen mussten Verluste hinnehmen; 2009 lagen sie noch bei 27,9
Prozent. Die französischen Grünen brachen ebenfalls ein und landeten bei rund
neun Prozent. Das Wahlergebnis sei "die erste Etappe des langen
Marsches" der Rückkehr zur französischen Souveränität, sagte Le Pen im
Anschluss.
Man staunt, daß Demokratie und Medien im Kernland
Europas, das so eine extrem enge politische und ökonomische Verbindung beispielsweise
zu Deutschland hat, so extrem versagen können.
In
Österreich kommen ÖVP und FPÖ zusammen auf fast die Hälfte der Stimmen, während
die SPÖ mit knapp 24% nur zweitstärkste Kraft
wird.
In
Deutschland beobachtete ich in den letzten Wochen zwar durchaus eine mediale
Aufwertung der AfD, die unablässig thematisiert wurde. Über die Piraten
hingegen gab es so gut wie gar keine Berichterstattung.
Erstaunlich
war aber, daß selbst nicht gerade als seriös bekannte Medien wie die „Hamburger
Morgenpost“ oder der Fernsehsender „ntv“ sichtlich bemüht waren einige antieuropäische
Vorurteile abzuräumen.
Auffällig
oft wurden Mythen vom „Regulierungswahn“ richtig gestellt und betont welche
große Vorteile im alltäglichen Leben der Verbraucher durch die EU geschaffen
wurden; Stichworte Roaminggebühren, Handyaufladekabel, oder auch „sparsamere
Elektrogeräte.“
CDU und
CSU entzogen sich, wieder einmal, dem menschlichen Anstand und wollten dem Weg
der Wahrhaftigkeit nicht folgen. Ehrlichkeit und Aufklärung lag ihnen nicht.
Stattdessen
wurden nicht zur Wahl stehende Nebelkerzen gezündet – in Form von einer
omnipräsent grinsenden Kanzlerin mit wolkigen Sinnlosfloskeln – oder aber
gleich die hetzerischen Phrasen der Europa-feindlichen Rechten nachgeplappert.
Genützt
hat es offensichtlich nicht viel; ganz so doof (wie ich gelegentlich auch
meine) war der Urnenpöbel nicht und wählte dann lieber gleich das Original.
Für mich
ist es zwar unverständlich wie in dieser Gemengelage die CDU/CSU erneut
stärkste Kraft werden konnte, aber in Relation zur letzten Wahl ergeben sich
doch interessante Wählerwanderungen.
Die
Union verlor zwar rund 470.000 Stimmen an Luckes Populistenbande, aber sogar
noch mehr Stimmen an Rot/Grün (310.000 an die SPD und 240.000 an die Grünen.)
Haben
die Wähler etwa Seehofers und Merkels schäbiges Spiel verstanden?
Spannend
auch das absolut gerechtfertigte Ausbluten der FDP, die nicht etwa all ihre
Stimmen an die AfD verlor, wie man auf den ersten Blick meinen könnte.
Tatsächlich
haben die Ratten das gesunkene Schiff in alle Richtungen verlassen.
50.000
FDP-Wähler von 2009 gingen zu den Rechten, aber immerhin 30.000 gingen zur CDU
und sogar 70.000 zur SPD! Die FDP verlor sogar mehr Stimmen an die Grünen
(40.000) als an die CDU.
Unterm Strich
bedeutet das, die FDP verliert neun ihrer bisherigen 12 EU-Sitze, die Union
immerhin sieben von 42 Sitzen.
Erschreckend,
aber nach der massiven Wahlhilfe durch den rechtspopulistischen CSU (und CDU-)
Wahlkampf gewinnt die rechte Hetzpartei AfD sieben Sitze im EU-Parlament und
ist damit stärker manch ein ganzes Land (Luxemburg, Zypern, Malta und Estland
schicken je sechs Parlamentarier in die EU.)
Neben
den sieben Lucke-Epigonen und drei FDP-Rudimentariern sind sechs (sic!) weitere
deutsche Kleinstparteien im EU-Parlament vertreten und zwar jeweils mit einem
Abgeordneten: Freie Wähler, NPD, Familienpartei, ÖDP, Piraten und
Tierschutzpartei.
Man
hätte die 5%-Hürde beibehalten sollen und damit übrigens auch Graf Lambsdorff
verhindert.
Der
Verlierer des Abends sind neben Christian Lindner, dem es trotz seiner extrem
überproportionalen Medienpräsenz nicht gelang den nahenden Tod seiner Partei
aufzuhalten, die Piraten und die CSU.
Die
Piraten wurden inhaltlich überhaupt nicht mehr ernst genommen und liegen nun
mit bundesweit 1,4% sogar hinter den Freien Wählern (1,5%). Das ist die
Größenordnung NPD (1%) und Tierschutzpartei (1,2%).
Seehofers
Eiertanz, changierend zwischen Rechtspopulismus und Beliebigkeit, bleibt nicht
ohne Folgen.
Ähnlich
wie bei der Bundestagswahl liegt die CSU nun mit 5,1 % DEUTLICH hinter Gysis
Linken (7,4%) und traf in Bayern gerade mal die 40%-Marke.
Crazy
Horst kann also offenbar selbst seinen Bayern nicht mehr alles zumuten und
verliert gegenüber 2009 rund acht Prozentpunkte.
Seehofer
kriegt die Krise
Der Anti-Europa-Kurs
zahlte sich nicht aus: Mit nur 40 Prozent erzielt die CSU bei der Europawahl
eines ihrer schlechtesten Ergebnisse. Dass ihr Wahlkampf nicht richtig aus den
Startlöchern kam, lag auch an der Strategie von Parteichef Seehofer.
Parteichef Horst
Seehofer berichtet aus einem politischen Katastrophengebiet. [….] Er spricht von einer
"bitteren Stunde", und dass man jetzt "zusammenstehen"
müsse. Land unter im CSU-Land. 40,5 Prozent - es ist das schlechteste Ergebnis
überhaupt für die CSU bei einer Europawahl.
Die Partei leidet wie
schon lange nicht mehr. Die Berliner Statthalterin der Partei, Gerda
Hasselfeldt, sagt: "Ich kann das noch gar nicht glauben." [….] Weniger süffisant hört sich
die Kritik von Erwin Huber an, dem früheren Parteichef. Der weiß aus eigener
Erfahrung, was verlieren heißt: "Die Ursache für diese Katastrophe liegt
in der Politik der letzten fünf Jahre." Was Europa angeht, sei "sowohl
dafür als auch dagegen" alles andere als eine "glaubwürdige, klare
Linie". [….] Richtig heftig ging
es zu Jahresbeginn zu, als die CSU mit ihrer "Wer betrügt, der
fliegt"-Kampagne Stimmung gegen Rumänen und Bulgaren gemacht hatte.
[….]
"Man weiß, die Zeit von Seehofer geht zu
Ende. Man weiß nicht wann. Man weiß nicht wie", orakelt einer aus der
Parteiführung, der sich bereits an die Stoiber-Dämmerung erinnert fühlt. [….] Seehofer kriegt gerade die Krise.
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