Freitag, 2. Mai 2014

Die andere Realität.

Darauf wies ich im Laufe der Jahre immer wieder hin; zwischen der öffentlichen und der veröffentlichten Meinung können Welten liegen.

In extremem Maße wird das derzeit bei der Causa Putin deutlich.
Der Russische Präsident ist bei 99% der Journalisten als Wurzel allen Übels ausgemacht und wer das auch nur ein bißchen relativiert bekommt sofort wie Gerd Schröder Klassenkloppe.

Die im eigenen Saft schmorenden Kolumnisten und Leitartikler sind so verwirrt über die renitent ihnen nicht folgende öffentliche Meinung, daß sie inzwischen unter die Gürtellinie zurückschlagen.

Wer sich nicht der minimalistischen Sichtweise „Putin ist doof“ und die Ukrainische Übergangsregierung besteht ausschließlich aus grundanständigen EU-liebenden Demokraten, muß entweder vollkommen verblödet oder böswillig sein.

Einen Tiefpunkt dieser Ich-allein-habe-die-Wahrheit-gepachtet-Methode erlebte ich vorgestern mit dem SPD-Regionalpolitiker Jörn Buhde.

Heute schlägt SPIEGEL-Online-kolumnist Diez ähnlich um sich. Wer nicht so denkt wie er, ist dumm, desinteressiert und hasserfüllt.

Die deutschen Verteidiger Putins haben weniger Stabilität und Frieden im Sinn, sie interessieren sich nicht für die Ukraine - und verachten den Westen.
[….]   Hat also Erhard Eppler sein Herz im Kalten Krieg verloren? Mit ein paar kurzen, falschen Sätzen skizziert er die Situation der Ukraine - rein strategisch, ohne ein Wort darüber zu verlieren, was es für uns hier im "Westen" bedeuten könnte, dass da eine Bevölkerung entdeckt, dass Politik mehr sein kann als "Ruhe".
Eines immerhin machte Epplers Text klar: Das Problem der "Putin-Versteher" ist nicht, dass sie Putin verstehen wollen - das Problem ist, dass sie die Ukraine selbst nicht interessiert.
[…] Es hat mehr damit zu tun, worüber man reden will und worüber nicht als Gesellschaft: Die Faszination für den starken Mann, der Putin ist, oder der Ekel vor dem "Westen", der ja ein altes deutsches Topos ist, das gerade wieder bildungsbürgerlich kultiviert wird - die schwache Freiheitstradition dieses Landes aber erweist sich als Hindernis für eine Politik, die mehr ist als Krisenmanagement. […]

Ne, ist klar, Diez. Nun bin ich überführt. Ich sehne mich einfach nach einem starken Führer und hasse die EU. Das ist ja genau die Schublade, in der man stecken MUSS, wenn man nicht auf der Sanktions- und Drohungsspirale mittanzen möchte.

Anderes Thema, gleiches Phänomen: Franziskus-Jubelei.
Also am letzten Wochenende der Kinderfickervertuscherpapst Benedikt dem neuen dabei zusah, wie der große Kinderfickerförderer Papst Johannes Paul II heilig gesprochen wurde, jubilierten sämtliche deutschen Großmedien ergriffen vom historischen „Vier-Päpste-Tag.“
Die grundsätzlich kritiklose Franziskus-Lobhudelei, die all seine hochproblematischen Seiten ignoriert, dehnt sich nun auch auf die beiden vorherigen Päpste aus, die zweifellos schwerste Schuld auf sich geladen haben, indem sie als Beschützer der schlimmsten Kinderficker des letzten Jahrhunderts (Pater Murphy und Marcial Maciel) agierten, die aktiv förderten und vor Strafverfolgung schützten, so daß sie hunderte Jungs vergewaltigen und missbrauchen konnten.
Ob nun ein Journalist religiös ist, oder nicht: Wer solche Ausbunde der Brutalität schützt und dafür sorgt, daß sie in Ruhe weitere Opfer zugeführt bekommen, gehört ins Gefängnis und sicherlich nicht heiliggesprochen.

Ziemlich vergessen gegangen ist in der Berichterstattung über Johannes Paul II. leider, dass er ziemlich lange beim Vertuschen, Verschweigen und Verheimlichen der Kindsmissbräuche und Kindsvergewaltigungen durch den römisch-katholischen Klerus mitgewirkt hat. Extrem unappetitlich war beispielsweise sein Verhalten im Fall von Marcial Maciel Degollado, dem Gründer der Legionäre Christi. Degollado war ein Kindsmissbraucher der übelsten Sorte. Über ihn wurde aber die schützende Hand des Vatikans gehalten, während und nachdem er Hand an Kinder legte und diese dazu brachte, an ihm Hand anzulegen. Beim Vertuschen war der JP2 natürlich nicht alleine, auch Joseph Aloisius Ratzinger aka Benedikt XVI. hat eifrig mitgewirkt. Ratzinger war damals Vorsteher der Glaubenskongregation. […]

In den großen deutschen Periodika klingt das hingegen ganz anders – und dazu muß ich noch nicht einmal explizit katholische Blätter zitieren.

Dieser Akt war doppelt heilig!
So viel Papst war noch nie: Papst Franziskus hat gleichzeitig zwei Päpste heiliggesprochen. Mit dabei war auch unser Papst Benedikt XVI., den die Menge mit viel Applaus begrüßte.
Franziskus verlas vor einer riesigen Menschenmenge auf dem Petersplatz am Ende seiner Predigt feierlich die Formel, mit der die beiden Päpste Johannes Paul II. und Johannes XXIII. in das Verzeichnis der Heiligen der katholischen Kirche aufgenommen wurden. Damit können beide nun weltweit als Heilige verehrt werden.  Auf dem Petersplatz Riesenjubel und Beifall.
(BLÖD-Zeitung 27.04.2014)

Sämtliche Politiker werfen sich dem Neuen aus Argentinien ohnehin devot im vorauseilenden Gehorsam zu Füßen.
Unter den Jublern für den Kinderfickerfreund war auch die deutsche Bundesministerin Andrea Nahles.

Inder VERöffentlichten Meinung wird nun viel von der Renaissance des Glaubens gejubelt.
Am 24.04.2014, in der letzten NDR-Talkshow aus Hamburg beispielsweise saß der sich kontinuierlich in manischen Phasen befindende Andreas Englisch und jubilierte so fanatisch vom Papst, daß beide Moderatoren ihre Neutralität vergaßen und beinahe von Orgasmen geschüttelt wurden. Auch die anderen Gäste schienen mir kurz davor zu sein alle zum Katholizismus zu konvertieren.

Die Heiligsprechungszeremonien wurden am letzten Wochenende in einer Weise von den elektronischen Medien inszeniert, daß dagegen das nordkoreanische Staatsfernsehen schon extrem kritisch im Umgang mit Kim Jong Il wirkt.

Es fragt sich nur, wieso es eigentlich immer noch Nichtkatholiken in Europa gibt.

Die Antwort ist leicht:
Es ist noch nicht jeder Katholik, weil die VERöffentlichte Meinung nichts mit der Realität zu tun hat. Die öffentliche Meinung bewegt sich hingegen weiter eindeutig in Richtung „RKK ist Mist“

In Wahrheit rennen die Menschen nicht zur Katholischen Kirche, sondern rennen raus!

Jeder Monat ist Kirchenaustrittsmonat.

Nehmen wir heute mal die Niederlande als Beispiel.

Das Vertrauen der Niederländer in die christlichen Kirchen war in den letzten 20 Jahren noch nie so gering wie heute. Zu diesem Ergebnis kommt ein Bericht des Sociaal en Cultureel Planbureau (SCP), der am gestrigen Montag veröffentlicht wurde. 58 Prozent der Befragten äußerten „sehr wenig bis gar kein Vertrauen“ in konfessionelle Institutionen zu haben.
Die Zahl der Kirchenmitglieder in den Niederlanden hat sich von 1970 bis heute auf 31 Prozent halbiert. Von diesem Mitgliederrückgang war die katholische Kirche am stärksten betroffen. Vermutlich besteht ein direkter Zusammenhang zwischen den in jüngerer Zeit bekannt gewordenen Missbrauchsfällen in der katholischen Kirche (NiederlandeNet berichtete) und dem Vertrauensverlust bei der Bevölkerung. Allerdings wurde in der vorliegenden SCP-Studie nicht ausdrücklich danach gefragt. Insgesamt büßten jedoch alle konfessionellen Einrichtungen, nicht nur die katholischen, an Vertrauen ein.
Vor 50 Jahren sah rund ein Drittel der Niederländer ihren Pfarrer oder Pastor als wichtigen Ansprechpartner für Gewissensfragen. Heute gilt das nur noch für zehn Prozent. […..]
Die vollständige Version der Studie zu den konfessionellen Entwicklungen in den Niederlanden kann in niederländischer Sprache auf der Homepage des SCP heruntergeladen werden.



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