Lieber 100 Stunden umsonst
verhandeln als eine Minute schießen.
Dieser
kluge Satz des Altkanzlers wird mal wieder viel zitiert im Moment.
Er
schmückt und ist sicherlich richtig. Ein sinnvoller Satz.
Man hält
sich allerdings nicht so gerne dran.
Mit
Assad und den Syrischen Bürgerkriegsparteien will keiner reden. Darum kümmert
sich auch niemand. Es gibt keine hektischen Gespräche zwischen Kerry, Lawrow
und Steinmeier.
Merkel
redet gar nicht über Syrien.
Und so sieht es in der Millionenstadt Homs gegenwärtig
aus.
Blicken
wir noch einmal zum innerukrainischen Konflikt, den weite Teile der Presse und
der Großkoalitionäre mit Isolation der russischen Regierung beenden
wollen.
Am
liebsten möchten die osteuropäischen Nato-Ländern und die USA sofort alle Gasleitungen
nach Russland kappen.
So
stellt sich Klein Fritzchen Politik vor:
Wladimir Putin ist der allmächtige Zampano des Ostens, der allein durch Willenskraft sämtliche Ukrainischen Konfliktparteien zur Raison bringen könnte – wenn er nur wollte. Um ihn dazu zu bringen das zu wollen, wird so lange die russischen Wirtschaft kaputt gemacht, bis der Präsident einknickt, bei Obama anruft und ihm sagt `du, Barack, du hattest doch recht, wir Russen waren böse, aber jetzt habe ich es eingesehen und werde zukünftig alle Interessen meines Landes dem Willen Washingtons unterordnen`.
Wladimir Putin ist der allmächtige Zampano des Ostens, der allein durch Willenskraft sämtliche Ukrainischen Konfliktparteien zur Raison bringen könnte – wenn er nur wollte. Um ihn dazu zu bringen das zu wollen, wird so lange die russischen Wirtschaft kaputt gemacht, bis der Präsident einknickt, bei Obama anruft und ihm sagt `du, Barack, du hattest doch recht, wir Russen waren böse, aber jetzt habe ich es eingesehen und werde zukünftig alle Interessen meines Landes dem Willen Washingtons unterordnen`.
Es ist
ja bekannt, daß sich Supermächte immer gerne klaglos erpressen lassen.
Und man
weiß ja auch, daß es immer nur die aus Millionären bestehende Regierung ist,
die unter Wirtschaftssanktionen zu leiden hat, während es die einfachen Leute
auf der Straße gar nicht tangiert, wenn man ihnen buchstäblich das Gas abdreht.
Diese in
westlichen Kleinhirnen erdachte Strategie geht auch davon aus, daß die
gegenwärtige russische Regierung klaglos alle ökonomischen Sanktionen hinnimmt
und auf den Bodenschätzen sitzenbleibt, weil es ja weltweit auch gar keine
anderen Abnehmer mit Öl- und Gashunger gibt.
Besondere Sorgen ruft
in der deutschen Wirtschaft aktuell hervor, dass Putin sich unmittelbar vor dem
St. Petersburger Forum in China aufhalten wird - um die Beziehungen zwischen
Moskau und Beijing zu intensivieren. Dies betrifft insbesondere den
Rohstoffexport, der gut 50 Prozent des gesamten russischen Staatshaushalts
einbringt. […] So
sollen in den nächsten Tagen der Bau einer Erdgaspipeline aus Russland nach
Nordostchina sowie umfangreiche Erdgaslieferungen beschlossen werden. Demnach
wird Gazprom sich verpflichten, ab 2018 jedes Jahr 38 Milliarden Kubikmeter
Erdgas in die Volksrepublik zu pumpen - 30 Jahre lang. Der Bau einer weiteren
Pipeline ist schon im Gespräch. "China könnte sich zu einem der größten
Abnehmer russischen Erdgases entwickeln und bis zu einem Drittel seines
Erdgasbedarfs mit Lieferungen aus Russland decken", mutmaßen deutsche
Experten: "Damit wäre für Russland der Ausfall von europäischen Abnehmerländern
fast kompensiert." […]
Wenn es
wirklich so kommt, wäre das ein beachtlicher geopolitischer Flop, den sich
Europa eingebrockt hätte:
Man stünde ohne den bisher verlässlichsten und größten Energielieferanten da, hätte seinen Einfluß auf Russland verloren und dabei geholfen eine stabile Ache aus den Supermächten zu bilden, die sich traditionell eher gar nicht um Menschenrechte und Demokratie im westeuropäischen Sinne kümmern.
Man stünde ohne den bisher verlässlichsten und größten Energielieferanten da, hätte seinen Einfluß auf Russland verloren und dabei geholfen eine stabile Ache aus den Supermächten zu bilden, die sich traditionell eher gar nicht um Menschenrechte und Demokratie im westeuropäischen Sinne kümmern.
Bravo,
das hätten Verona Feldbusch und Lothar Matthäus als Außenminister auch nicht besser
hinbekommen.
Kein
Wunder, daß vielen gestandenen Sozialdemokraten – von Bahr über Schmidt bis
Eppler – der Hut hochgeht.
Nicht immer kommt in
Parteien Freude auf, wenn sich pensionierte Politiker wieder in das
Alltagsgeschäft einmischen. In der Ukraine-Krise entsteht derzeit sogar der
Eindruck, als ob eine ganze Garde früherer SPD-Politiker wieder aktiv wird - um
gegen den Russland-Kurs der Großen Koalition mobil zu machen.
Am Samstag etwa lobte
Altkanzler Helmut Schmidt den russischen Präsidenten Wladimir Putin in der
"Bild"-Zeitung als "vorausschauenden Politiker", der keinen
Krieg wolle.
Die von der
Bundesregierung mitgetragenen EU-Sanktionen lehnt er ebenso ab wie der andere
SPD-Altkanzler, Gerhard Schröder, eine Woche zuvor - und betont nebenbei, dass
die Politik des Westens auf dem großen Irrtum beruhe, "dass es ein Volk
der Ukrainer gäbe, eine nationale Identität".[….] Dabei sind die Altkanzler nicht
die einzigen, die vehement das Erbe der Entspannungspolitik verteidigen wollen.
Auch die früheren SPD-Granden Erhard Eppler, Klaus von Dohnanyi und Matthias
Platzeck, der heute Chef des deutsch-russischen Forums ist, fordern statt Sanktionen
mehr Dialog mit Moskau. […]
Houston,
wir haben ein Problem.
Einerseits
möchte die aktuelle SPD-Führung sich als entschlossen handelnde
Regierungspartei zeigen, die einen Außenminister stellt, auf den sich Angela
Merkel verlassen kann. Und dabei kann man auch noch eine stabile
SPD-CDU-Abwehrfront gegen die CSU bilden.
Andererseits
kommt die konfrontative Politik an der Basis gar nicht gut an und man ahnt wohl
selbst, daß es nicht schlau ist Putin zu dämonisieren und auszugrenzen.
Gar
nicht mehr mit den Russen reden und so wie Frau von der Leyen schon die konventionelle Schlagkraft
des NATO-Waffenarsenals zu betonen, ist so ziemlich das
Letzte, das man unter dem Stichwort „sozialdemokratische Friedenspolitik“
subsummieren könnte.
Diesen
Widerspruch quittiert die SPD mit wortreichem Schweigen.
Erst nach einer
Abbitte in der Fraktionssitzung der Union am Dienstag und einer öffentlichen
Rüge von Fraktionschef Volker Kauder konnte [Philipp Mißfelder] sich
seines Amtes wieder sicher sein.
Der Vorfall ist
symptomatisch dafür, wie sehr angesichts der Eskalation in der Ukraine in allen
drei Regierungsparteien CDU, CSU und SPD über den richtigen Umgang mit Putin
gestritten wird. Die einen unterstellen Putin nach dem Griff nach der
ukrainischen Krim, sich nun die ganze Ukraine unterwerfen zu wollen. Die
anderen pochen immer wieder auf mehr Verständnis für russische Anliegen. […]
In der Union aber ist
zwischen "Russland-Verstehern" und Russland-Kritikern eine offene
Schlacht ausgebrochen - auch weil CDU und CSU auf dem falschen Fuß erwischt
wurden. […] Zum medialen Gau avancierte die
Unionsdebatte über Russland nach Meinung vieler Abgeordneter aber erst durch
den stellvertretenden CSU-Chef Peter Gauweiler, der die gefangengenommenen
deutschen OSZE-Militärbeobachter in einem "Spiegel"-Interview
kritisierte und gleichzeitig viel Verständnis für Russland äußerte. Noch in der
Sitzung der Unionsaußenpolitiker am Dienstagmorgen tobte Gauweiler nach
Teilnehmerangaben, dass der eigentliche Skandal in der Ukraine-Krise nicht im
Verhalten Russlands, sondern "der Radikalisierung der USA" läge.
Obwohl dies Kopfschütteln auslöste und sich Parteichef Horst Seehofer und
Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt öffentlich von den Gauweiler-Äußerungen
distanzierten, muss der Rechtsanwalt und Bundestag-Hinterbänkler nicht um sein
Parteiamt zittern. […]
Es kommt zu einer grotesken Situation im Seelenleben der Angela
Merkel.
Üblicherweise
tut sie das was Wirtschaftslobbyisten von ihr wollen. In den mittlerweile fast
neun Jahren ihrer Kanzlerschaft wurde kräftig von unten nach oben umverteilt.
Spekulationsgewinne
und Kapitalerträge werden weit weniger besteuert als Arbeitseinkommen. Lästige
Umweltschutzrichtlinien bügelt sie genauso zu Gunsten der Industrie ab, wie sie
auf Verbraucherschutz verzichten lässt, wenn es die großen Handelskonzerne so
wollen (Stichwort TTIP).
Die
einzig andere politische Konstante in Angelas Welt ist die bedingungslos bis
zur völligen Selbstverleugnung reichende devote Treue zu Amerika.
Normalerweise
sind diese beiden Denkschulen weitgehend kongruent.
Diesmal
aber will Washington einen radikalen Bruch der ökonomischen Beziehungen zu
Russland; mithin das diametrale Gegenteil der Wünsche der deutsche Industrie.
Gerade
die ganz großen Konzerne, die mit einem riesigen Lobbyistenheer in Berlin
vertreten sind, wollen mit Russland weiter Geschäfte machen.
Funny coincidence:
Genau das möchten auch Gregor Gysi, die Friedensbewegung und die alten
Sozialdemokraten des Schlages Eppler und Bahr. Eine nicht gerade übliche
Interessengemeinschaft.
Einflussreiche Kreise
der deutschen Wirtschaft sprechen sich seit je recht offen gegen eine
Ausweitung der EU-Sanktionen gegen Russland aus. Hintergrund sind nicht nur die
lukrativen Erdgasgeschäfte deutscher Konzerne und die langfristig zunehmende
Bedeutung des russischen Absatzmarktes für die exportfixierte deutsche Industrie.
Darüber hinaus hat eine nennenswerte Anzahl von Unternehmen in den letzten
Jahren wichtige Handels- und Produktionsstandorte in Russland aufgebaut. Die
Metro Group etwa, der nach Umsatz achtgrößte Konzern Deutschlands, führt das
Land in seinem Auslands-Standortportfolio an dritter Stelle auf - nach Italien
und Polen und deutlich vor Spanien und Frankreich. Volkswagen, nach Umsatz
größter deutscher Konzern, will nächstes Jahr ein Motorenwerk im russischen
Kaluga eröffnen und plant ein Logistikzentrum unweit Moskau; bis Ende 2018 will
das Unternehmen 1,2 Milliarden Euro in Russland investieren. Schon heute
verkaufe man dort über 300.000 Fahrzeuge im Jahr; es handle sich eindeutig um
den "Wachstumsmarkt Nummer eins in Europa", heißt es bei VW. Im Falle
einer Ausweitung der EU-Sanktionen gerate all dies in Gefahr. [….] Zwar werde die deutsche Wirtschaft Sanktionen im Zweifelsfalle
"mittragen", teilt BDI-Präsident Ulrich Grillo mit. Dennoch solle man
"mit Russland im Gespräch bleiben": "Die Politik weiß genau, was
Wirtschaftssanktionen auslösen können". BdB-Präsident Jürgen Fitschen
nennt es "grundfalsch", "alles auf(zu)geben, was (in Russland)
in jahrelanger Zusammenarbeit aufgebaut wurde": "Letztlich brauchen
wir ... den Dialog, um die Krise zu lösen." Vorstandsvorsitzende mehrerer
deutscher Konzerne kündigen für den kommenden Donnerstag ihre Teilnahme am
"International Economic Forum" in St. Petersburg an, darunter die
Chefs von Metro, von BASF (nach Umsatz viertgrößter deutscher Konzern) und E.ON
(nach Umsatz die deutsche Nummer zwei).
Und in
drei Tagen trifft man sich in St Petersburg (Achtung
Schröder-Putin-Umarmungsbilder-Trigger!) zum IEF (St. Petersburg International Economic Forum). Herr Putin wird auch da sein.
Nicht da sein werden hingegen die Vertreter amerikanischer Konzerne, die
politisch noch konservativer denken und dem antirussischen Kurs Washingtons
bereitwilliger folgen. Die die Vorstände von Goldman Sachs, Morgan Stanley,
Pepsi haben alle abgesagt. Freilich auch, weil sie viel weniger zu verlieren
haben.
[….] 2012 hatten Deutschland und Russland Waren im
Wert von 80 Milliarden Euro ausgetauscht - ein Rekord. Angela Merkel verkündete
optimistisch: "Die Hundert wollen wir erreichen." Und sie sprach
sogar über ein mögliches Freihandelsabkommen - den großen Traum von Putin. [….]
Eckhard Cordes, den
Vorsitzende[r] des Ost-Ausschusses der Deutschen Wirtschaft [….] und viele
Wirtschaftsvertreter warnen immer wieder eindringlich vor Sanktionen.
Adidas-Chef Herbert Hainer fordert zudem nun eine Kurskorrektur von der
Politik. "Wir müssen auf Russland zugehen. Aus meiner Sicht hat die
westliche Diplomatie vor der Krise auch Fehler gemacht. Man hätte zum Beispiel
Wladimir Putin und die russische Regierung früher einbinden müssen. Das sollte
die Politik jetzt korrigieren", sagte er der Süddeutschen Zeitung. [….] Deshalb nehmen am Petersburger
Wirtschaftsforum auch einige Spitzenmanager aus Deutschland teil, darunter
Cordes, Eon-Boss Johannes Teyssen oder Harald Schwager, Öl- und Gasvorstand von
BASF. Russland ist für den Chemiekonzern aus Ludwigshafen einer der wichtigsten
Märkte.
[….] Auch Metro-Chef Olaf Koch wird dabei sein.
Der Handelskonzern aus Düsseldorf ist in Russland sehr aktiv und beschäftigt
alleine dort 22 000 Mitarbeiter. [….]"Viele
Exporteure sehen bereits deutliche Bremsspuren in ihrem Russlandgeschäft",
sagt Martin Wansleben, Hauptgeschäftsführer des Deutschen Industrie- und
Handelskammertages (DIHK). Es werde ein Minus von mindestens zehn Prozent im
Gesamtjahr erwartet, etwa drei Milliarden Euro. [….]
Als
linker Großkonzernkritiker sage ich:
Richtig so, Konzernchefs! Fahrt nach Russland, trefft Putin und verwebt Euch weiter mit der russischen Ökonomie.
Richtig so, Konzernchefs! Fahrt nach Russland, trefft Putin und verwebt Euch weiter mit der russischen Ökonomie.
Denn
letztendlich sind enge wirtschaftliche und kulturelle Beziehungen der beste
Schutz gegen Krieg und die eleganteste Weise Einfluss zu nehmen.
Friede
ist nicht alles, aber ohne Frieden ist alles nichts.
Das
sollte sich auch Bellizistin von der Leyen hinter die Ohren schreiben.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen