Zunächst einmal ein Mea Culpa. In den letzten Tagen, gab es in der Flut der Laschet-Pannen, zwei Peinlichkeiten, von denen ich auch erzählte, die aber offensichtlich in der Zwitscher-Szene sinnentstellend verbreitet wurden.
Als Laschet sich mit Elon Musk traf, fragte er ihn nicht nach Wasserstoff-betriebenen Teslas, so wie ich es auch transportierte. Er wurde nicht von Musk ausgelacht für seine Doofheit. Die Süddeutsche Zeitung berichtet heute von einem anderen Hergang der Story.
[…..] Die wenigen Zeugen, die dabei waren, haben die Szene allerdings ganz anders wahrgenommen. Erstens hat Laschet die Frage nach der Zukunft des Autos gar nicht selbst gestellt, sondern für einen deutschen Journalisten ins Englische übersetzt. Zweitens hat Musk - sicher ein Unternehmergenie, aber schon auch schwer verhaltensauffällig - schlichtweg bei jeder Frage wie ein Pausenclown gelacht. [….]
Laschet plapperte zwar in der Tat eifrig das dümmliche Alice-Weidel-Sprech von 2015, das sich nicht wiederholen dürfe, nach. Aber er schloss nicht ganz so drastisch die Aufnahme afghanischer Flüchtlinge in Deutschland aus, wie es zuerst berichtet und auch von mir nacherzählt wurde.
[…..] Wegen einer falschen Meldung des WDR auf Twitter ("Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet möchte keine Flüchtlinge aus Afghanistan in Deutschland aufnehmen") geht Laschet im Auge eines Shitstorms schlafen. [….]
Die Union insgesamt zeigt sich aber von ihrer abscheulichsten menschenfeindlichen Seite. Sie ist nicht von der AfD zu unterscheiden.
[….] CSU-Politiker wenden sich gegen Aufnahme afghanischer Geflüchteter in Deutschland. Während sich die Situation nach der Machtübernahme der Taliban in Afghanistan weiter zuspitzt, ist sich die Union einig: Schutzsuchende sollen nicht nach Deutschland kommen. [….]
Nun liegt mir nichts ferner, als einen sehr religiösen CDU-Kandidaten in besserem Licht darzustellen, aber möglicherweise falsche Informationen will ich auch nicht stehen lassen. Es gibt schließlich 1.000 wahre Gründe, die es verbieten Laschet zum Bundeskanzler zu machen.
Die online kursierenden vielen Lascheseleien zeigen aber, daß die CDU nach sehr langer Zeit, nicht mehr als die Seriensiegerin angesehen wird, der man kleine Affären verzeiht.
Der Unionskandidat schmeckt vielmehr ein bißchen von dem was
Schulz und Steinbrück und Schröder kontinuierlich erlebten: Eine sprungbereite
Presse, die sich auch jeden noch so kleinen Fehler stürzt und ihn sofort mit einigen
Übertreibungen angereichert weiterverbreitet. Einem Kandidaten, der wie der sichere Sieger aussieht passiert
das nicht.
Auf der anderen Seite werden die hämischen und herablassenden Bemerkungen über
Olaf Scholz‘ Kanzlerambitionen leiser, weil es nun nicht mehr nur er selbst
ist, der daran glaubt.
Vier Jahre lang waren die Umfragen der SPD deutlich unter dem Schulz-Negativrekord von 20,5% angesiedelt. Nichts und niemand schien das ändern zu können. Die Gründe dafür waren neben der Un-Professionalität des Willy-Brandt-Hauses und der nahezu einheitlich feindlichen Presse, die unrühmliche Rolle als verzwergter Juniorpartner und die fehlende Machtperspektive.
Wieso eine Partei wählen, die so schwach ist, daß sie ihr Programm ohnehin nicht umsetzen können wird; die ihren Mann ohnehin nicht ins Kanzleramt schickt? Mit „Deine Stimme wird wahrscheinlich eh nichts bringen“ kann man phlegmatische und unentschlossene Wähler kaum motivieren. Warum die hinten, auf Platz drei liegende Loser-Partei wählen, wenn sich Grüne und CDU um die Führung streiten?
Olaf Scholz gelang es, entgegen aller Unkenrufe, freilich mit freundlicher Mithilfe des Konrad-Adenauer-Hauses und des Baerbock-Beraterteams, die Bundestagswahl wieder offen zu gestalten.
Grüne, SPD und CDU/CSU liegen nun in etwa gleichauf. Aber nur der Sozi-Trend zeigt nach oben. Die Grünen scheinen bereits überholt.
Emnid, Allensbach, Forsa und Insa sehen die SPD deutlich vor den Grünen
Die Trends lassen sich nicht mehr verheimlichen; der CSU-Chef spricht intern Klartext.
[….] Wie die SZ aus Teilnehmerkreisen erfuhr, sagte Söder, der Trend in den Umfragen sei "dramatisch", es sei unklar, wie es weitergehe. [….] Dass es wenige Wochen vor der Bundestagswahl sogar schwelende Debatten über den möglichen Austausch des Kanzlerkandidaten Armin Laschet gebe, "zeigt, wie schwer die Lage ist", sagte Bayerns Ministerpräsident Teilnehmern zufolge. [….] Anlass der Äußerungen war eine am Donnerstag veröffentlichte Umfrage des Instituts Kantar, der zufolge die Union bei 22 Prozent liegt, nur einen Prozentpunkt vor der SPD mit 21 Prozent (Grüne 19 Prozent, FDP 12 Prozent, AfD 11 Prozent, Linke 7 Prozent). Alle Umfragen, so Söder "haben den gleichen Trend nach unten". […..]
Wer die SPD wählt, könnte die entscheidende Stimme für einen Politikwechsel und die Verbannung der Unions-Flitzpiepen Klöckner, Karliczek, Scheuer, Spahn, Altmaier, Liminski und Laschet aus der Regierung bedeuten.
Zu den Grünen zu wechseln ist hingegen strategisch sehr unklug. Ihr Ergebnis von 2017 werden sie ohnehin verdoppeln und sie werden ohnehin in die Regierung kommen.
Sollten sie aber vor der SPD liegen, fällt die Regierungsoption
Ampel aus, weil die FDP garantiert nicht Baerbock zur Kanzlerin wählt.
Dann blieben nur Jamaika und Schwarzgrün; Laschet wäre nächster Kanzler.
Auch RotRotGrün als GRR-Version entfiele wegen der enormen
Animositäten zwischen Linken und den bürgerlichen Grünen. Die Linken werden
ebenfalls keine Grüne zur Kanzlerin machen.
Die Union können wir nur mit einer SPD-geführten Ampel loswerden. Es sei denn,
daß die SPD in den nächsten Wochen noch derartig stark wird, daß es zu Rotgrün
reicht, aber dafür fehlt noch einiges.
Jeder, der kein religiotisches von unten nach oben Umverteilen mit Kanzler Laschet will, ist also dringend aufgefordert SPD zu wählen.
Diese taktischen Überlegungen leuchten immer mehr Menschen ein und daher wird die gesamte CDUCSU zunehmend nervös.
Eine in Umfragen wegrutschende Union wird noch weniger gewählt, weil keiner auf den Verlierer setzen will, insbesondere, wenn die Machtoptionen so begrenzt sind. Wenn schon Merkel 2017 mit einer 33%-CDU und 8%-Grünen kein Jamaika mit Lindner schmieden konnte, weil ihm das alles zu links und ökologisch wurde; wie soll das mit einer 20%-Laschet-CDU und 20%-Baerbock-Grünen funktionieren?
Ein Kreuz bei der CDU wirkt mehr und mehr wie eine weggeworfene Stimme.
Als großer Fehlstratege erweist sich a posteriori Söders Versuch aus dem April 2021 selbst Kanzlerkandidat zu werden. Bei Bundestagswahlen ist die Union traditionell schwach in Nordost-Deutschland. Die Masse der Stimmen werden in Süddeutschland, insbesondere Bayern geholt. Das wird nun die Achillesferse des Armin Laschet, denn welcher konservative Bayer setzt schon gern auf einen Verlierer, den ihr Chef-Bayer Söder auch für ungeeignet hält?
[….] Söder steckt in der Klemme. Er hat in der Union gegen Laschet den Kürzeren gezogen, nun tritt ein, was er damals befürchtet hat: Der Kandidat zieht nicht, im Gegenteil, CDU/CSU brechen in den Umfragen zur Bundestagswahl ein. Und auch die Werte im eigenen Land sind für dortige Verhältnisse miserabel, der Negativtrend hat auch die CSU gepackt. Sollte Markus Söder darauf spekuliert haben, dass die Wählerschaft ihn als möglichen Retter der Gesamtpartei schonen und belohnen werde, dann ist die Rechnung nicht aufgegangen. Stattdessen profitieren von Laschets Sinkflug im Freistaat andere, wie die sonst unterhalb der allgemeinen Wahrnehmungsschwelle agierende FDP. [….]
(Joachim Käppner, SZ, 20.08.2021)
Konservative Bayern, die keinen Sozi im Kanzleramt wollen, wählen nun FDP.
Ich ergebe mich unterdessen, einem für mich völlig ungewohntem Gefühl: Hoffnung! Sollte die SPD mit 21-25% stärkste Partei werden, die CDU knapp dahinter demoralisiert aus der Regierung geschubst werden und die Grünen hätten sich auf 18-10% seit 2017 mehr als verdoppelt, wäre Olaf Scholz in der außerordentlich komfortablen Lage, sich zwischen RRG und Ampel entscheiden zu dürfen. Er könnte in den Verhandlungen die 10-12%-FDP und die 7-9%-Linken gegeneinander ausspielen und wäre beim Koalitionsvertrag nicht erpressbar.
Es wäre so schön, die xenophoben Maskendeal-Unioniker auf der Oppositionsbank zu sehen.
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