Auf die Gefahr mich zu wiederholen: Ich zahle gern meine Abos für Süddeutsche Zeitung, SPIEGEL und Co. Wer sich kostenfrei durch Blogs und Social Media googelt, bekommt nicht das was (teurer) investigativer Journalismus kann.
Heute gebe ich eine dringende Kaufempfehlung für die aktuelle SPIEGEL-Ausgabe Nr. 50 vom 11.12.2021 ab.
Eine Fülle wichtiger Artikel mit vielen Hintergrundinformationen, zum Beispiel:
· Der Weg des Olaf Scholz zum Triumph: Erst verlacht, jetzt Kanzler
· Lauterbach über die Impfpflicht: »Ins Gefängnis muss niemand«
· Merkels Büroleiterin Beate Baumann: Die heimliche Macht in Zimmer LE 7.401
· Pandemie-Protokoll einer Lehrerin in Sachsen: »Die Schüler halten sich für unverwundbar«
· Schwarzarbeit, Gefälligkeitsatteste, geheime Märkte: Wie sich Impfgegner in ihrer Parallelwelt einrichten
· Biontech-Gründer Şahin über Omikron-Variante: »Wir sollten schon nach drei Monaten einen Booster anbieten«
· Wirtschaftsweise Monika Schnitzer über die Ampelpläne: »Wir müssen mehr Leute aus dem Ausland holen«
· Macron-Vertrauter im Interview: »Was erwarten Sie von Christian Lindner, Herr Canfin?«
· Russland verlegt massenhaft Streitkräfte nach Westen: Der rätselhafte Weg der 41. Armee
· Franziskus und die Krisen der katholischen Kirche: »Ich lebe noch, obwohl mich einige lieber tot sähen«
· Ibiza-Video, Kanzlerrücktritte, Wirtschaftsaffären: Österreich, wie konnte es nur so weit kommen?
· Modelliererin Priesemann über Weihnachten und Corona: »Wir sind die Überbringer der schlechten Nachrichten«
· Problematisch trotz Hinweis auf milde Krankheitsverläufe: Das Omikron-Paradoxon
· Wie frei ist die Wissenschaft?: Schweigen oder Shitstorm
Natürlich stürzte ich mich als erstes auf die große Titelgeschichte über den Kindersex-Sumpf von Trier.
Statt sich vor den Newsticker der Nachrichtenagenturen zu setzen, bildete der SPIEGEL ein investigatives Recherche-Team aus Britta Stuff, Annette Großbongardt, Max Polonyi, Katja Bernardy und Robin Hinsch, die über Monate in Ackermanns Skandal-Diözese unterwegs waren, Tausende Emails schrieben, an unendlich viele Türen klopften und 120 Interviews führten.
Sie deckten so viele Missetaten auf, daß die einzelnen Fälle nur stichwortartig runtergerattert werden konnten.
[….] In einem der Dörfer drückte ein Priester einem Mädchen beim Orgelspiel seinen erigierten Penis in den Rücken, in einem anderen lebt ein Geistlicher, der in einer Grundschule Religion unterrichtete. Er soll eine Zehnjährige an einen Stuhl gefesselt und missbraucht haben. Danach soll er sich mit offener Hose hingekniet und zur Jungfrau Maria gebetet haben.
In einer Gemeinde lebte ein Junge, als erwachsener Mann berichtet er, wie ihn der Pfarrer mit Weidenzweigen gepeitscht und vergewaltigt habe, mit der Begründung, Jesus habe auch leiden müssen. In einer anderen hat ein Priester im Schwimmbad unter der Dusche einen Jungen intim berührt und die Hand des Jungen zu seinem Genital geführt.
In einem Dorf begann ein Priester des Bistums ein Verhältnis mit einem Geflüchteten, dieser zeigte ihn 2016 an. Noch vor seiner Vernehmung nahm sich der Syrer das Leben, indem er vor ein Auto rannte. Einen anderen Pfarrer meldete ein 14-Jähriger bei der Polizei. Er habe ihm am Mainzer Hauptbahnhof 50 Euro für sexuelle Leistungen angeboten.
In einem Städtchen soll ein Betreuer in einem katholischen Internat zu einem Jungen gesagt haben, er wolle mal nachschauen, ob er schon geschlechtsreif sei. Ein paar Kilometer weiter lebt ein Priester, eine Frau sagte aus, was sie mit ihm als Mädchen erfahren habe: »Er weist mich an, ihn am Bauch zu küssen, und hält meine Hand fest und masturbiert mit meiner Hand. Er sagt, er sei ein erfahrener Mann und dass es für mich bestimmt schön wäre, von ihm entjungfert zu werden.« Der Mann sagte später, er könne sich daran nicht erinnern.
In einer Pfarrei zauberte ein Priester bei einer Show vor Schülern Tangas aus einem Hut, in einer anderen arbeitete ein Geistlicher, der seinem Neffen zwischen die Beine griff und sagte: »Da ist doch nichts Schlimmes, wenn man seinem Onkel einen Gefallen tut«, in einer dritten verbrannte ein Priester, als die Polizei vorfuhr, gerade Fotos nackter Messdiener hinterm Haus.
In einer Gemeinde erzählt ein ehemaliger Bergmann: »Ich wollte eigentlich Priester werden, zu Hause habe ich Messen nachgespielt. Ich war ein lieber Bub, etwa zehn Jahre alt. Der Pfarrer drang in mich ein, das geschah in den folgenden Jahren häufiger. Danach sagte er, das sei unser Geheimnis, wenn ich es doch jemand sagen würde, käme ich in die Hölle. Dann gab er mir für meinen Vater Zigaretten mit.«
In einem Städtchen sagt ein Mann, der einst Messdiener war, dass der Priester ihn zu sich gerufen habe. Er habe sein Gewand geöffnet und gesagt: Komm beichten. Der Junge trat an ihn heran, und der Mann schloss den Stoff über ihm. [….]
(SPIEGEL, Nr 50/2021 s.12f)
Aber das ist gar nicht das Hauptthema der Recherche. Es geht vielmehr darum, mit welchen perfiden Methoden es den zuständigen Chefs gelang, nicht nur die Opfer zu drangsalieren, die Aufklärung zu verhindern, sondern auch noch kontinuierlich dafür zu sorgen, den Sextätern in den Soutanen neue Opfer zuzuführen.
Extrem brisant sind die Namen der moralischen Hauptschuldigen:
1.) Der Trierer Bischof Reinhard Marx (2001 bis 2008), dem ausgerechnet einer der perfidesten Kinderfi**er-Schützer Kardinal Degenhardt 1996 die Bischofsweihe spendete. Später stieg Marx zum Erzbischof von München und Freising, Metropoliten der zugehörigen Kirchenprovinz, Kardinalpriester von San Corbiniano, Präsidenten der Kommission der Bischofskonferenzen der Europäischen Gemeinschaft (ComECE), Vorsitzenden der Deutschen Bischofskonferenz, Großprior der deutschen Statthalterei des Ritterordens vom Heiligen Grab zu Jerusalem, Mitglied des Kardinalrates und Papst-Vertrauten auf.
2.) Der seit 2009 amtierende Trierer Bischof Stefan Ackermann, der 2010 zum Missbrauchsbeauftragten der Deutschen Bischofskonferenz aufstieg.
3.) Georg Bätzing, ab 1996 Regens des Priesterseminars in Trier, ab 2012 Generalvikar des Bistums Trier, 2016 Franz-Peter Tebartz-van Elst-Nachfolger als 13. Bischof von Limburg und schließlich seit 2020 Nachfolger von Reinhard Kardinal Marx als Chef der deutschen Bischofskonferenz.
Es sind also gewissermaßen die prominentesten deutschen Top-Kleriker überhaupt, die sich die Hände im Missbrauchssumpf von Trier so unfassbar dreckig gemacht haben.
So erklärt sich mutmaßlich auch der von Marx im Juni 2021 angebotene und von Bergoglio prompt verwehrte Rücktritt als Erzbischof von München und Freising. Wahrscheinlich überwältigte ihn die Angst vor weiteren Enthüllungen.
Der ehemalige Leiter des Kriminologischen Forschungsinstituts Niedersachsen (KFN) Christian Pfeiffer hatte schon 2019 im Interview mit dem außerordentlichen frommen Giovanni di Lorenzo einen Einblick gegeben. 2012 übten Marx und Ackermann erheblichen Druck auf Pfeiffer aus, die begonnene Missbrauchsstudie zu Gunsten der kirchlichen Täter zu fälschen, boten sogar 120.000 Euro Schweigegeld an. Als Pfeiffer das ablehnte, feuerten sie ihn.
[….] Ganz andere Gegner sind zwei Vertreter der Kirche, mit der ich mich an jenem Tag endgültig überworfen habe. Heute sind sie Schlüsselfiguren bei der Aufklärung der Missbrauchsfälle in der katholischen Kirche in Deutschland. [….] Bischof Stephan Ackermann, der damals wie heute der Missbrauchsbeauftragte der Deutschen Bischofskonferenz ist, und von Kardinal Reinhard Marx [….] Ich sagte dem Bischof Ackermann: "Wir lassen uns nicht kaufen." Und ich machte klar, dass wir nicht über die Gründe für das Scheitern unseres Projektes schweigen würden. [….] Auf einmal verkrampfte Bischof Ackermann – körperlich und von der Sprache her. Er redete mich mit "Professor Pfeiffer" an und erklärte mir, wenn ich mich weigere, den Vertrag zu unterschreiben, und der Zensurvorwurf nach draußen dringe, dann sei ich ein Feind der katholischen Kirche – und das wünsche er niemandem. Er erklärte weiter, dass sie meinen guten Ruf öffentlich massiv attackieren würden und offenlegen müssten, welche Schwierigkeiten es mit dem Institut gegeben habe. Er sagte, dass mir das schaden würde, dass ich es bereuen und einen schweren Fehler begehen würde, wenn ich nicht unterschriebe. [….]
Zwei Gründe, weswegen neben Bischof Müller, dem späteren Kardinal
und Chef der römischen Inquisition, auch Marx und Ackermann so rabiat gegen
Aufklärung über den pädophilen Übergriffe bayerischer Priester vorgingen, sind
Georg und Joseph R., zwei höchst prominente Bayern, die unbedingt geschützt
werden mussten:
Der Ältere war ein jähzorniger Schläger, der 30 Jahre als Chef der Regensburger
Domspatzen in Müllers Bistum kleine Jungs verprügelt und den brutalen sexuellen
Missbrauch an seinen Schülern nie bemerkt haben will.
Der Jüngere war 1977-1981 Marx‘ Vorgänger als Erzbischof von München und Freising, verhinderte als Präfekt der Glaubenskongregation 1982 bis 2005 systematisch die Aufklärung von sexuellen Missbrauch durch Priestertäter weltweit und wurde schließlich Papst. Als solcher bedankte er sich bei Bischof Müller dafür, seine Familie geschützt zu haben, indem er ihm 2012 seinen alten Job als Präfekt der Glaubenskongregation der Nummer 3 der Weltkirche, gab.
Noch höhere Kreise gibt es unter den 1,3 Milliarden Katholiken nicht. Deswegen handelten Marx, Ackermann, Müller und Bätzing so. Deswegen musste Bergoglio auch so deutlich die zur Debatte stehenden Rücktritte der drei Erzbischöfe Marx, Woelki und Heße verhindern. Denn wenn einer von ihnen wegen der vertuschten Sexskandale fallen sollte, sind die anderen Bischöfe auch nicht mehr zu halten.
Stuff, Großbongardt, Polonyi und Bernardy weisen in ihrer wichtigen Recherche aber nicht nur auf die Kirchenführung. Dieses gewaltige System der sexuellen Missbrauchs und der myriadenfachen seelischen Zerstörung, wäre nicht ohne die Hilfe dreier wichtiger Akteure möglich gewesen:
Erstens, die deutschen Staatsanwaltschaften, die bei kirchlichen Tätern ein Auge zudrücken.
Zweitens „die“ Politik, die bis heute die Kirche, statt
ihrer Opfer schützen. Man kann nicht die Aufklärung der Täterorganisation
überlassen, sondern es muss wie in Irland, Holland, Australien, Frankreich, USA
eine staatliche Untersuchung geben. Es ist ein unfassbares Versagen von
Parlament und Regierung, sich nie darum gekümmert zu haben!
Drittens die Gläubigen selbst, die bisweilen rabiat gegen die Opfer der Päderastenpriester vorgehen, sie als „Nestbeschmutzer“ ausgrenzen. Vielfach haben fromme Eltern ihre missbrauchten Söhne sogar verstoßen
[….] Ein Opfer erzählt, es habe noch als Teenager seinen Eltern von den Übergriffen berichtet. Sie hätten nichts unternommen. Ein Mann sagt, er habe seinen Peiniger bei der Polizei angezeigt, der Täter wurde später verurteilt. Im Dorf hieß es allerdings, das Opfer sei ein Lügner und Wichtigtuer, ein »schwuler Hund«. Es wurde so schlimm, dass die Familie umziehen musste. [….]
(SPIEGEL, Nr. 50/2021 s.12f)
Der Kirchenfisch stinkt eben nicht nur vom Kopfe her, sondern all die frommen zahlenden Schafe machen sich mitschuldig.
Nur durch die Hilfe der 25 Millionen RKK-Mitglieder sind diese hunderttausendfachen Verbrechen an Kindern möglich.
[….] Der Missbrauch in der katholischen Kirche ist, wenn man so will, das perfekte Verbrechen. Auf der einen Seite steht die Kirche mit ihrer Wortgewalt, ihren Sonderrechten und ihrer Übung, sich zu präsentieren und zu äußern. Auf der anderen Seite stehen die Opfer, die oft Kinder waren. [….]
(SPIEGEL, Nr. 50/2021 s.12f)
Die mächtigen organisierten Christen der Bundespolitik halten mit ihrer bedingungslösen Unterstützung des Missbrauchssystems Kirche, den Pädo-Priestern weiterhin die Tür auf:
Kretschmann, Thierse, Schavan, AKK, Laschet, Merkel, Nahles, Griese, Steinmeier, Göring-Kirchentag, Wüst, Brinkhaus und so viele andere mehr.
Das Entsetzen über den Atheisten Olaf Scholz, der ohne „so wahr mir Gott helfe“ Bundeskanzler wurde, zeigt wie mächtig die dunklen Strukturen sind.
Und selbst, wenn eine künftige Bundesregierung endlich auf die Abertausenden gequälten, verprügelten und sexuell missbrauchten Kinder hören würde, kämen die allermeisten Verbrecher straflos davon. Da man der Kirche stets ihre Paralleljustiz zugestand, in der Opfer keine Rechte haben, sind auch die Täter-Akten im Kirchenbesitz. Akten, die längst manipuliert wurden. Es ist, als würde man der Mafia ihre eigenen Strafakten zur Verwahrung überlassen.
[….] Die Person war jahrelang ein ranghohes Mitglied des Bistums, auch unter Marx und unter Ackermann. Wenn man der Person vorhält, dass sich das Bistum Trier mit der Aufklärung von Missbrauchsfällen auffällig lange Zeit gelassen habe, lacht die Person und sagt: »Vertuscht haben wir.« Vertuschen sei nichts Schlechtes, sagt die Person, vertuschen sei auch gesund, es müsse nicht immer alles rauskommen. Wie man das Vertuschen nachweisen könne? Die Person sagt, man sei sehr gründlich vorgegangen. Wenn ein Priester gestorben sei, habe man sich die Akte angesehen und das Schlimmste rausgenommen – bevor sie ins Archiv gewandert sei. Die Person im Wohnzimmer lacht ein bisschen über die eigene Teufelskerlhaftigkeit. [….]
(SPIEGEL, Nr. 50/2021 s.12f)
Man kann nur zukünftige Generationen vor den geistlichen Verbrechern schützen, indem man jetzt aus der Kirche austritt.
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