Cyberchondrie ist eine üble Sache; ich rate immer dringend davon ab, Symptome zu googlen und sich selbst zu diagnostizieren.
Obwohl ich mich schon so viel mit dem epidemiologischen und politischen Aspekten des Pandemiebeschäftigt habe, war mir aber nicht ganz klar, welchen Impfdurchbruch-Krankheitsverlauf ich nach meiner Corona-Infektion zu erwarten habe.
Da ich meinem Grundprinzip, nur Freitagsabends oder an Feiertagen krank zu werden, treu blieb, erwischte mich der positive AG-Test am 23.12.2021 um 22.00 Uhr. Das heißt natürlich, erst mal für einige Tage keinen niedergelassenen Arzt erreichen zu können, geschlossene Apotheken und total überlaufene Notaufnahmen, weil sich so viele Betrunkene während des Zwangszusammenseins am „Fest der Liebe“ gegenseitig verletzten und verprügeln.
Also doch Dr. Google. Aber so viele Erfahrungsberichte konnte ich zu Omikron in Deutschland noch nicht finden. Spontan fiel mir nur CDU-Zerstörer Rezo ein, der von seinem Impfdurchbruch berichtete.
[….] Als sein geplanter Livestream am vergangenen Donnerstag ausfiel, dürfte sich so mancher Follower des Youtubers Rezo gewundert haben. Drei Tage lang mussten sie auf eine Erklärung warten. Am Sonntag dann, kurz vor dem nächsten geplanten Livestream, erklärte Rezo dann via Instagram: Er habe sich mit dem Coronavirus infiziert. „Keine Sorge: Mit geht's eigentlich wieder ein ganzes Stück besser“, teilte er mit. „Ich war in meinem erwachsenen Leben noch nie so krank gewesen und bin froh, dass ich geimpft bin.“ Rezo geht davon aus, dass die Infektion ihn deutlich stärker getroffen hätte, wäre er nicht geimpft. Nun will er sich noch einige Tage schonen. [….]
Twitterin Frau Lindhold beschreibt in einem Thread vom 21.12.2021 ihre Erfahrungen als Single mit Covid19 und gibt Tipps.
In meinem Bekanntenkreis häufen sich die Omicron-Fälle und wer weiß, vielleicht hilft das hier irgendjemandem. Alsooo... Dinge, die ich vor meiner Coronaerkrankung gerne gewusst hätte, ein Thread: [….] 1. Überall kursieren tausend Horrorgeschichten über schwere Verläufe, und ich weiß, die sollen Leute zur Vorsicht bewegen, aber in dem Moment, in dem man mit positivem Test allein zu Hause sitzt, hat man die alle plötzlich seeehr präsent und Ruhe bewahren ist nicht leicht. [….]
(Frau Lindhold @Symposiarchin 21.12.2021)
Danke an Frau Lindhold, aber da die Sache mit Omikron wieder ein bißchen anders aussieht und ich offenbar auch zu einer anderen Alterskohorte gehöre, habe ich mich entgegen meines ersten Impulses, nicht über persönliche Wehwehchen zu schreiben, doch dazu entschlossen, meine Krankheitsstory etwas auszubreiten.
Lindhold schreibt beispielsweise über ihren Geschmackssinnverlust „Das liest man nirgendwo aber ist voll das Ding: wenn ihr wie ich Comfort Food als Copingmechanismus habt, sucht euch was anderes!“
Bei diesem Rezo-Denglisch muss ich selbst als Amerikaner erst mal überlegen, was die junge Frau damit bloß meint. Offensichtlich geht es um so eine Art „Frustfressen“, also Schokolade, um die Misere zu kompensieren. Für mich sind weder die Sprache, noch die Begeisterung für Süßes nachvollziehbar. Außerdem scheint bei Omikron der Geschmackssinn gar nicht beeinträchtigt zu sein.
Bei einem anderen Lindhold-Tipp musste ich erst den einzigen U30-Menschen meines Bekanntenkreises fragen, was das überhaupt ist:
[….] Haltet unbedingt Kontakt zur Außenwelt. Dafür ist es egal, ob die Leute weit weg wohnen oder nicht, Hauptsache ihr könnt täglich mit jemanden schreiben/reden. Discord-Server sind ein Segen. Macht das auch, wenn ihr euch eigentlich zu müde fühlt. Mir hat bei aller Panik extrem geholfen, dass ich wusste, wenn es wirklich so schlimm wird, dass ich mich nicht mehr melden kann, merken Leute das schnell. Wenn man zwei Wochen völlig isoliert ist, gibt das eine unglaubliche Sicherheit. [….]
Discord-Server? Nachdem ich mir erklären lassen habe, was das ist, also irgendeine App mit Sprachnachrichten, die irgendwie zu Themen gebündelt sind (?), war sofort klar, daß es sich dabei um ein Tool für die digital natives handelt, die davon abhängig sind, unablässig zu kommunizieren und sich selbst in Bild und Ton mitzuteilen. Das trifft auf mich Ü50 natürlich überhaupt nicht zu. Im Gegenteil, ein Discord-Server ist eine Horrorvorstellung. Insbesondere, wenn ich krank bin, will ich meine Ruhe haben. Die Zwangsisolation ist das einzig Gute an der Covid-Erkrankung. Daher nun ein paar persönliche Eindrücke.
To whom it may concern. Es werden sich in den nächsten Wochen mutmaßlich noch Millionen mit Omikron infizieren, daher könnte es vielleicht einige interessieren „wie das so ist“.
Wichtig:
Das Folgende schreibe ich weitgehend auf meinen persönlichen Erfahrungen basierend. Symptombeschreibungen und Therapien können nicht verallgemeinert werden. Was mir hilft oder nicht hilft, kann bei dem nächsten ganz anders wirken. Ich bin kein Arzt und werde keinem Mediziner dazwischen funken.
Wer nach bald zwei Jahren Pandemie als Single in einem Haushalt mit nur einer Rolle Klopapier, einer halben Tube Zahnpasta und keinerlei Lebensmittelvorrat lebt, bekommt ein Problem.
Natürlich braucht man die genannten Drogerieartikel (Taschentücher!) und haltbare Lebensmittel in solchen Mengen, daß man auch mal zwei oder drei Wochen ohne neuen Einkauf auskommen kann.
In Großstädten gibt es natürlich Lieferservice, aber selbst das kann bei einer Feiertagsballung wie über Weihnachten schwierig werden. Ich habe einige Bestellungen am 22.12. aufgegeben und da gab es keine Termine mehr vor dem 27.12. Darüber hinaus empfehle ich folgende Dinge im Haus zu haben:
Digitales Fieberthermometer, Pulsoxymeter, reichlich Sterillium, Corona-AG-Tests, die üblichen Schmerz/Fiebermittel (Ibuprofen, Paracetamol, ASS), abschwellendes Xylometazolin-Nasenspray, Husten/Schleimlöser (zB Gelomyrtol forte), Hustensäfte/Hustenbonbons, eine ganze Kollektion von Vitamin-Brausetabletten, Instant-Brühe (zB Knorr Delikatessbrühe) und ein Halsdesinfektionsmittel (zB Dequonal-Spray).
Außerdem muss die berüchtigte Krankenhaustasche gepackt sein, die jeder Single immer an der Tür stehen haben sollte, von der er weiß, daß sie da sein muss und die er doch nicht vorbereitet.
Wie ich mich infizierte, bleibt aufgrund meiner extremen Vorsichtigkeit ein Rätsel. Omikron kann das offensichtlich schaffen.
Nach sehr heftigen Erkältungssymptomen und streckenweise hohem Fieber, waren meine Antigen-Selbsttests am 21.12. und 22.12. jeweils negativ. Am 22.12. war ich daher sogar noch selbst kurz einkaufen. Das Fieber war wieder weg, so daß ich als zweifach Geimpfter mit negativem AG-Test verantworten konnte mit FFP-Maske und Abstand einen Laden zu betreten. Die Beschwerden ließen aber gar nicht nach. Ich hatte enorme Kopfschmerzen und einen extrem nervigen Krampfhusten. Das Pulsoxymeter zeigt aber eine gute Sauerstoffsättigung um die 98%. Bei der Alpha- und Delta-Variante ist die zunächst unbemerkte schlechte Sauerstoffsättigung von unter 90% charakteristisch. Dennoch machte ich am 23.12. einen weiteren AG-Test, der auf einmal positiv war.
Für mein Gefühl, ist bisher allgemein nicht ausreichend kommuniziert, was man dann eigentlich zu tun hat. Niemand kann kontrollieren, wie sich derjenige verhält, der möglicherweise mit milden Symptomen allein zu Hause im stillen Kämmerlein einen positiven Selbsttest fabriziert und nicht gewillt ist sich ab sofort zu isolieren.
So ist der weitere Ablauf:
Nach dem positiven AG-Test muss man sich bereits selbst isolieren und den
extrem genauen PCR-Test veranlassen, um ein falsch-positives AG-Ergebnis
auszuschließen.
Über den allgemeinen Patientenservice 116117 wurde mir ein Termin fünf Tage später offeriert, den ich aus den genannten Gründen ablehnte.
Meine Symptome waren so extrem und ich so offensichtlich ansteckend, daß ich in keinen Warteräumen rumsitzen wollte.
Als bat ich telefonisch unter 116117 um einen Besuch des ambulanten Dienstes der Kassenärztlichen Vereinigung (KV-Dienst). Das ist die allgemeine Anlaufstelle, auch wenn man wie ich, nicht kassenärztlich versichert ist.
Die Dame vom Amt erklärte mir, der Besuch bei mir erfolge in 24 bis 36 Stunden; ich würde aber unmittelbar vor der Ankunft vom Team angerufen werden, solle also das Telefon immer griffbereit haben.
Da war es 22.00 Uhr am 23.12.; ich rechnete also mit einem Besuch in der Nacht auf den ersten Weihnachtstag, duschte sofort und erstellte schon einmal ein sehr detailliertes Kontaktprofil meiner letzten 14 Tage, informierte diejenigen, die ich in den letzten Tagen begegnet war.
Überraschenderweise klingelte es aber schon um kurz nach 5.00 Uhr morgens am 24.12., „KV-Dienst hier, legen Sie bitte ihre Krankenkassenkarte bereit“.
Da standen die Jungs aber schon vor der Tür; man hat nicht etwa Zeit, sich noch repräsentabel zu machen.
Ein Mitarbeiter kam in meine Wohnung, zog sich einen Kittel über und machte einen Rachenabstrich. Meine Kontaktliste interessierte ihn überhaupt nicht. Nicht sein Zuständigkeitsbereich. Das Procedere sei, das Labor informiert das Gesundheitsamt automatisch bei einem positiven PCR-Ergebnis und dann rufe das Gesundheitsamt mich an. Aber nur dann. Negative Ergebnisse würden per Email übermittelt. Ich solle in Quarantäne bleiben bis ich etwas höre, Ibuprofen nehmen und viel Wasser trinken.
Außerdem erhielt ich einen QR-Code für die Corona-Warn-App, die aber auf meinem minderwertigen Klugtelefon ohnehin nicht läuft und eine Code-Nummer, mit der ich auch direkt die Ergebnisse auf der Website des Labors nachsehen könne.
Ein Anruf kam nicht, eine Email kam auch nicht, der QR-Code funktioniert nicht.
Um 19.30 Uhr erschienen dann neue Testergebnisse online.
Meine Nummer ist dabei: Positiv.
Morgen geht es weiter.
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