Mittwoch, 23. März 2022

Getroffene braune Hunde

Manchmal ist so viel los in der Welt, in den Nachrichten, oder auch im Privatleben, daß man doch dabei hinterherhinkt, jede Entwicklung zu durchdringen.
Dann gibt es irgendeine politische Meldung, ein Gesetz oder eine behördliche Aktion, die man auf den ersten Blick gar nicht einschätzen kann.

So ging es mir gestern mit einer dpa-Meldung über 100 bundesweite Hausdurchsuchungen.

[….] Im Kampf gegen Hasspostings haben Ermittler bundesweit mehr als 100 Wohnungen und Häuser durchsucht. Grund waren Beleidigungen gegen Politikerinnen und Politiker auf Social-Media-Plattformen zur Bundestagswahl 2021. Im Zuge von Ermittlungen gegen Verfasser diffamierender Internet-Postings haben die Sicherheitsbehörden bundesweit zahlreiche Verdächtige vernommen sowie Häuser und Wohnungen durchsucht. Die Aktion richtete sich gegen mehr als 100 Beschuldigte in 13 Bundesländern, wie das Bundeskriminalamt (BKA) in Wiesbaden und die Frankfurter Generalstaatsanwaltschaft mitteilten.  [….]

(Tagesschau, 22.03.2022)

In so einem Fall sind rechtsradikale Hetzblogs ein idealer reziproker Indikator.

Je lauter covidiotische Verschwörungstheoretiker aufjaulen, desto sinnvoller und notwendiger war die Aktion Staatsanwaltschaften.

[….] Die Ermittlungsverfahren basieren auf dem Paragrafen 188 im Strafgesetzbuch, der erst vor etwa einem Jahr neu gefasst worden war. Er stellt die Beleidigung, Verleumdung und üble Nachrede von Personen des öffentlichen Lebens besonders streng unter Strafe, unabhängig auf welcher Ebene der Politiker oder die Politikerin tätig ist. Das Gesetz sieht je nach Tat Verurteilungen zu Geldstrafen bis hin zu fünf Jahren Haft vor.  "Es geht um das ganze scheußliche Arsenal an Möglichkeiten, mit dem im Netz beschimpft, gehetzt und verleumdet wird", sagte die niedersächsische Justizministerin Barbara Havliza (CDU). Die Razzien würden helfen, den politischen Diskurs und damit die Demokratie zu sichern, so die Ministerin. In Niedersachsen ermittelt federführend die Staatsanwaltschaft Göttingen. Bei der Justizbehörde ist die Zentralstelle zur Bekämpfung von Hasskriminalität im Internet angesiedelt. Die Stelle hat seit ihrer Einrichtung im Jahr 2020 bereits in Hunderten Fällen ermittelt. [….]

(NDR, 22.03.2022)

Die konservative Havliza macht offensichtlich einen guten Job, wenn der antisemitische und anti-islamische Verschwörungstheoretiker David Berger dazu schreibt

[…..] Die immer totalitärer agierende Bundesregierung hat erneut mit Instrument der Hausdurchsuchung zugeschlagen: […..] Kaum bemerkt von der Öffentlichkeit hatte der Gesetzgeber vor einem Jahr die Neuregelung des § 188 StGB durchgesetzt: […..] Zuvor waren „nur“ Verleumdung und üble Nachrede gesondert strafbar. […..] Die selektive Strafandrohung, mit deren Hilfe man fast jegliche Kritik an politischen Funktionären und Amtsträgern kriminalisieren kann, hat zudem anrüchige Vorbilder. So findet sich im Strafgesetzbuch der DDR in der Fassung des Gesetzes vom 19. Dezember 1974 ein durchaus ähnlich klingender Gummiparagraph: „§ 106. Staatsfeindliche Hetze. […..] 40 Jahre vorher wurde am 20. Dezember 1934 vom NS-Regime das „Gesetz gegen heimtückische Angriffe auf Staat und Partei und zum Schutz der Parteiuniformen“ erlassen. […..][…..] Mehr muss man zu den Vorgängen nicht mehr sagen .. [….]
(Phimose Penis, 22.03.22)

Mustergültig exerzieren die braunen Blog-Bestien vor, wie die Täter versuchen, sich als Opfer zu deklarieren.

Eine sagenhafte Perfidie, wenn die Revanchisten (12 Jahre Hitler waren nur „ein Vogelschiss“), die geistigen Nachfolger der NS-Diktatur, die Ultrarechten, die Meister der gruppenbezogenen Menschenfeindlichkeit, sich ausgerechnet mit NS-Opfern vergleichen.

David Berger ist eben nicht nur faktisch auf abstrusen Abwegen, streut aberwitzige Lügen, sondern beeindruckt dabei auch noch mit einer ausgesprochen abstoßenden persönlichen Verkommenheit. Der Mann agiert maximal moralisch verdorben.

Bedauerlicherweise agieren die deutschen Strafverfolgungsbehörden noch viel zu milde. Anders ist nicht zu erklären, daß Berger und seine Philosophia-Perennis-Hetzer noch keinen Besuch von der Polizei hatten.

Wenigstens erwischte es mit dem islamophoben Hetz-Blogger Michael Stürzenberger (von einer der ersten bekannten rechten Hassplattformen „PI“) einen geistigen Bruder Bergers, der dementsprechend getroffen aufjault.

[….] Islam-Kritiker Michael Stürzenberger wegen „Volksverhetzung“ zu sieben Monaten Haft auf Bewährung verurteilt!  Michael Stürzenberger dazu: „Sie haben es wirklich knallhart durchgezogen. Eine junge Richterin, ein junger Staatsanwalt, in Verbindung mit einem jungen Kripobeamten. Das Urteil schien bereits vor dem Prozess festzustehen. Argumente, Fakten, Tatsachen, Differenzierungen, interessierte alles nichts. Sieben Monate Haft auf Bewährung plus 800 Euro Geldstrafe wegen Kritik am Politischen Islam und seinen Auswirkungen, da dies einen Teil der Moslems negativen Emotionen aussetze und deswegen „Volksverhetzung“ bedeute.“  [….]

(PP-Blog aus der Hölle, 23.03.2022)


Liebe Behörden, liebe Polizei, liebe Staatsanwaltschaften, ich bin nicht immer überzeugt von Euren Handlungen, aber wenn PI und PP sich so fürchterlich darüber aufregen, macht Ihr es offensichtlich gerade goldrichtig.

Aber 800 Euro Geldstrafe? Hätten bei der Zahl nicht noch ein paar Nullen mehr kommen können? 


 

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