Zum Glück gab es in meiner Teen- und Twen-Zeit keine Smartphones und kein Internet. Daher existiert keine Dokumentation all der dummen peinlichen Dinge, die ich damals anstellte.
Nur noch meine Erinnerungen, denn was andere erinnern, weiß ich glücklicherweise nicht. Eine der schlimmsten Episoden, für die ich mich sehr schäme und die illustriert, wie unbedarft und naiv selbst ich einst war, betrifft einen Aufsatz, den ich mit 14 oder 15 Jahren schrieb. Just hatte ich den Begriff „Philanthropie“ kennengelernt, las darüber und war begeistert, weil ich es als Gegenkonzept zu Autokratien und sonstigen Unterdrückungssystemen verstand. Die Idee gab es schon in der Antike und wurde über die Jahrtausende immer etwas anders verstanden. Ich hielt es als Teenager für eine Form des altruistischen Handelns und der positiven Betrachtung der Individualität. Zukünftig wollte ich auch ein Philanthrop sein, der selbstlos und großzügig agiert. Der aber insbesondere gegen die Politik und Religion aufsteht, die den guten Menschen vorschreiben, wie sie zu sein haben, ihre Entfaltung blockieren und sie für individuelle Entwicklungen maßregelt.
Wie dumm von mir! Tatsächlich bin ich ein altruistischer, fatalistischer Misanthrop, der nicht nur menschenscheu agiert, sondern den Menschen allgemein das Schlechteste zutraut. Wann ich mich genau zu meiner misanthropischen Veranlagung bekannte, weiß ich nicht mehr genau. Ich glaube aber, ein bewußt philanthropisch handelnder Mensch, landet zwangsläufig durch alltägliche Erfahrung mit sozialer Interaktion bei Misanthropie. (Es sei denn, man ist ein Idiot).
Ähnlich wie ein Religiöser, der sich intensiv mit der Bibel und Kirchengeschichte beschäftigt, zwangsläufig Atheist wird. (Es sei denn, man ist ein Idiot).
Vor Social Media war meine Misanthropie schwächer entwickelt. Erst in der Anonymität des Internets, in der Milliarden Menschen ungehemmt von Erziehung, Umgangsformen und Über-Ich ihre pure Essenz auskübeln, fand ich die empirischen Belege für meine misanthrope Weltsicht.
Die Nazi-Wahlergebnisse, der Brexit, die Trumpisierung der USA, die drastische Zunahme der xenophoben Übergriffe, die NoGo-Areas für POCs in Ostdeutschland, die selbstverschuldete Weiterverblödung des Publikums, welches sich freiwillig die debilsten Beschäftigungsformen und unseriösesten Nachrichtenquellen sucht, die Rücksichtslosigkeit gegenüber Fauna, Flora, nachfolgenden Generationen, der Neid, das Handeln wider besseres Wissen.
Man kann nicht im Jahr 2024 ernsthaft an das Gute der Menschheit glauben.
Aber ja, man soll altruistisch sein, weil zwar die Masse, das Pack und damit die Menschheit insgesamt mies ist, aber eben nicht jedes einzelne Individuum.
Selbst wenn etwas scheinbar Gutes passiert, wie der heute mutmaßlich stattfindende Rauswurf der Tories aus Downingstreet 10, geschieht das nicht, weil sich die guten Menschen für einen guten Labour-Chef mit guten Ideen begeistern.
Es passiert nahezu ausschließlich, weil schlechte Menschen aus schlechten Gründen 14 Jahre schlechte Wahlentscheidungen trafen, deswegen von sehr schlechten Politikern, sehr schlecht regiert wurden, sich das Land nun in einer katastrophal schlechten Lage befindet und sie irgendjemanden dafür bestrafen wollen.
In diesem Fall trifft es zufällig die Richtigen – Sunaks rechtspopulistische xenophobe Gurkentruppe.
[…..] Premierminister Rishi Sunak und seiner konservativen Partei droht bei der Parlamentswahl in Großbritannien eine deutliche Niederlage. Experten erwarten einen Sieg der sozialdemokratischen Labour-Partei von Keir Starmer, der dann die Nachfolge von Sunak antreten würde. Die Wahllokale schließen um 23 Uhr deutscher Zeit, kurz darauf wird es erste Prognosen geben.
Die konservativen Tories regieren seit 14 Jahren im Vereinigten Königreich - mit den Premiers David Cameron (2010-2016), Theresa May (2016-2019), Boris Johnson (2019-2022), Liz Truss (2022) und Sunak (seit 2022) an der Spitze.
Der Wechsel an der Macht könnte ein historisches Ausmaß erreichen: Projektionen sagen Labour weit mehr als 400 der 650 Mandate im Unterhaus (House of Commons) voraus. Damit liegt die Partei auf Kurs, die größte Mehrheit seit rund 190 Jahren zu erringen. […..]
Großbritannien ist am Ende nach fünf katastrophalen Tories-Premiers nacheinander.
Zu den Hintergründen empfehle ich die ZDF-Dokumentation „Wahl im Vereinigten Königreich“ von
Besonders eindrücklich ein Bonbon-Fabrikant im legendären Blackpool und einige Fischer, die begeistert für den Brexit gestimmt hatten, daraufhin genau den ökonomischen Niedergang erfuhren, der kommen musste: Fish und Chips, das „arme Leute Essen“ kostet nun 1/3 mehr, als vor dem Brexit, weil der Fisch aus Norwegen importiert wird. Statt 10.000 Tonnen Kabeljau fangen britische Fischer nur noch 700 Tonnen. Das war so sicher, wie das Amen in der Kirche, denn ohne die EU können sie nicht nur viel schwerer ihren Fisch in die EU verkaufen, auch ihre Fangquoten wurden zusammengestrichen.
Gute Menschen würden einsehen, sich beim Brexit geirrt zu haben. Aber sie sind eben Idioten, schieben Frust, sehen keine Schuld bei sich selbst, sondern bei der Tory-Regierung, die nicht radikal genug gehandelt hätte. Daher wählen sie nun den rassistischen kriminellen Nazi-Clown Nigel Farage.
Hauptsache dagegen.
Immerhin könnte sich in diesem Fall das absurde Mehrheitswahlrecht zu Gunsten Labours auswirken.
Zudem erweist sich der Ultra-Millionär Rishi Sunak, wie seine rechten Vorgänger im Wahlkampf als Garant für unfassbare Peinlichkeiten, fügt Panne and Panne.
Das Volk will ihn bestrafen.
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