Mittwoch, 17. Juli 2024

Bleibt alles gleich – Teil III

In diesen Zeiten der großen Unsicherheiten, der ständigen Veränderungen und Verschiebungen, in denen man sich auf gar nichts mehr verlassen kann, wird Angela Merkel zu ihrem 70sten Geburtstag gefeiert und fürchterlich vermisst.

Man sehnt sich zurück in ihre Schlafwagen-Regierungszeit. Als es so bräsig blieb, wie es immer war und man nicht mit Ruckreden, Zeitenwenden oder Agenda-Plänen genervt wurde. Als einen nicht störte, daß sie nie konkret wurde und alle Probleme ignorierte.

Zeiten, in denen es ein riesiger Aufreger war, als sich Klaus Wowereit outete, oder man sich über Joschka Fischer empörte, weil er als Landesminister in Turnschuhen vereidigt wurde. Das war schön. Man konnte sich abendfüllend echauffieren über Angelegenheiten, die einen rein gar nicht betrafen, die den eigenen Alltag nicht einen Mikromillimeter veränderten.

Wer hätte auch damit rechnen können, daß sich die böse globalisierte Welt einfach weiterdreht, während Deutschland Telefonkabel aus Kupfer für sehr modern hält, mit Fax-Geräten kommuniziert wird und die CDU-Bildungsministerin Anja Karliczek verkündet, der Netzausbau sei wahrlich nicht dringend, "5G nicht an jeder Milchkanne notwendig". Die Kanzlerin hielt diese ominöse Internet für #Neuland.

Und dann das! Kaum ist die Ampel im Amt, geht das Elend los. Krieg! Und wir brauchen plötzlich doch eine  Bundeswehr. Sogar mit Soldaten! Und als neuester Schock, sollen deren Waffen auch noch FUNKTIONIEREN! Den Klimawandel dürfen wir auf einmal nicht weiter ignorieren dürfen, weil halb Deutschland absäuft und in Hamburg im Sommer 41°C im Schatten gemessen werden. Plötzlich sollen wir auch noch erneuerbare Energien anschaffen. Photovoltaik und Windräder. Dabei hatten wird doch den ganzen Öko-Kram 2009-2013 in der schwarzgelben Regierungszeit wieder abgeschafft, weil Angela Merkel von dem netten Herrn Putin so günstig Erdgas bekam.

Zu allem Übel, stellt sich nun auch noch heraus, daß dieses Internet doch nicht nur einen Phase war und es doch ganz nützlich wäre, zum Rest Europas aufzuschließen. Angeblich wollen einige Tech-Nerds sogar funktionierende Handynetze in ganz Deutschland. Der Wahnsinn! Angeblich soll es sogar Autos geben, die nicht einfach wie irre fossile Energieträger verbrennen und dafür Stickoxide und Kohlendioxid in die Atmosphäre blasen. Aber mit dem neumodischen Kram muss man sich in Deutschland glücklicherweise nicht beschäftigen. Autoindustrie spielt hier ja keine Rolle.

Es ist aber alles so lästig. Neue Energieträger, Häuserdämmungen, andere Autoantriebe, neue Heizungen, Impfungen. Andere Lerninhalte, überall Fahrradspuren und fünf mal im Jahr nach Malle ist auch nicht mehr richtig.

Bei so viel schrecklicher Veränderung freut man sich umso mehr über jede Konstante, die es noch gibt.

Zum Beispiel die beiden Axiome der CDU-Affären:

Erstes Axiom: Wenn erste Meldungen über eine kleine Affäre eines CDU-Politikers hereinkommen, ist das garantiert erst die Spitze des Eisbergs.

Zweites Axiom: Wenn der Affären-Betroffene verspricht aufzuklären, lügt er garantiert und macht es mit seiner Salamitaktik noch viel schlimmer.

Beispiel Schluckspecht Jan Redmann. Der Spitzenkandidat der CDU in Brandenburg war johlend mit 1,3 Promille auf einem E-Scooter durch den Wahlkampf gebrettert und gab dann beschämt selbst seinen Führerschein ab. Es käme nicht mehr vor.


[….] Für E Scooter gelten die strengen Promille-Grenzen für Kraftfahrzeuge:

    Ab 0,3 Promille droht bereits ein Strafverfahren, wenn alkoholbedingte Ausfallerscheinungen vorliegen (z.B. schwankendes Fahren).

    Ab 0,5 Promille liegt eine Ordnungswidrigkeit vor, die mit einem Bußgeld geahndet wird.

    Ab 1,1 Promille besteht absolute Fahruntüchtigkeit. Wer trotzdem einen E Scooter fährt, macht sich strafbar (§ 316 StGB).

Fahrverbote und Führerscheinentzug sind möglich und gelten auch für die Fahrt mit dem Auto oder Motorrad.

Die Polizei kann zur Überprüfung der Blutalkoholkonzentration einen Bluttest anordnen. Dieser muss geduldet werden.

Auch einem betrunkenen E Scooter Beifahrer können ein Fahrverbot oder Entzug der Fahrerlaubnis drohen  [….]

(KanzleiWehner)

Für CDU-Größe Redmann aber nur eine Petitesse.

Woher sollte Redmann, Jahrgang 1979, promovierter Jurist, auch solche Regelungen kennen?

[….] Die Polizeikontrolle bei der Alkoholfahrt von Brandenburgs CDU-Spitzenkandidat Jan Redmann auf einem Elektroroller lässt noch Fragen offen. Der CDU-Landes- und Fraktionschef wurde nach eigenen Angaben ohne spezielle Begründung von den Beamten gestoppt. »Mir haben die Polizistin und der Polizist gesagt, dass es sich um eine allgemeine Verkehrskontrolle handelt«, sagte Redmann. »Ein besonderer Grund für die Kontrolle wurde mir nicht genannt.«   Laut einem internen Polizeibericht, der dem SPIEGEL vorliegt, ist Redmann allerdings »aufgrund seiner Fahrweise von den eingesetzten Beamten« kontrolliert worden. Die »Märkische Allgemeine« hatte zuerst darüber berichtet. Außerdem sei ihm Blut abgenommen worden, Redmann selbst hatte nur von einem Atemtest berichtet und angegeben, dass er seinen Führerschein freiwillig abgegeben habe. [….] Ihm sei es wichtig gewesen, zu seinen Fehlern zu stehen, so Redmann. Deswegen habe er seinen Führerschein »freiwillig« an die Polizei ausgehändigt und nicht auf eine »richterliche Beschlagnahme« gewartet. In seiner Antwort auf die SPIEGEL-Anfrage bleibt Redmann außerdem bei seiner Aussage, dass die Polizei ihm keinen konkreten Anlass für die Kontrolle genannt habe. [….] Der Fall sorgt rund zwei Monate vor der Landtagswahl für kritische Reaktionen der Koalitionspartner. SPD-Landtagsfraktionschef Daniel Keller stellte Redmanns Ziel infrage: »Wenn sich bewahrheitet, dass es keine Routinekontrolle war oder dass er seinen Führerschein abgeben musste, dann ist er ungeeignet, Ministerpräsident zu werden«, sagte Keller.  Der Grünen-Fraktionsvorsitzende Benjamin Raschke fordert Aufklärung: »Redmann hat die Blutentnahme verschwiegen, die Verkehrskontrolle erfolgte offenbar auf Verdacht und der Führerschein hätte bei diesem Promillewert in jedem Fall abgegeben werden müssen«, sagte er. [….]

(SPON, 17.07.2024)

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen