Dienstag, 29. April 2025

Trump kann schon was

In Canada wechseln sich die politische Lager beim Regieren immer mal wieder ab.

1957-1963: John Diefenbaker, Konservative

1963-1979: Lester Pearson/Pierre Trudeau, Liberale

1979-1980: Joe Clark, Konservative

1980-1984: Pierre Trudeau/John Turner, Liberale

1984-1993: Brian Mulroney/Kim Campbell, Konservative

1993-2006: Jean Chrétien/Paul Martin, Liberale

2006-2015: Steven Harper, Konservative

2015-2025: Justin Trudeau, Liberale

Das war 2015 ein Honeymoon mit dem weltweiten Liebling der Linksliberalen: Der moderne Justin Trudeau, der fröhlich feiernd zu CSDs ging und auf die Frage, wieso die Hälfte seines Kabinetts weiblich wären, schlicht antwortete „Because it is 2015“.

Aber in der folgenden Dekade ging es kontinuierlich bergab, bis sexy Justin nur noch als das nervende linke Nepo-Baby wahrgenommen wurde, das drastische Preissteigerungen und Inflation verursachte. Die Liberalen waren so tot, daß Trudeau wenigen Wochen vor dem Wahltermin aus dem Amt gedrängt wurde. Die Liberalen waren nicht mehr tragbar, würden absolut sicher eine vernichtende Niederlage einfahren. Nächster Premier würde, der globalen Mode entsprechend, der zackige Rechte Pierre Poilievre, dessen Konservative zum Ende der Trudeau-Zeit fast 25 Prozentpunkte uneinholbar vor den Liberalen lagen. Die einzige Frage war, wieso der Direktor der britischen Zentralbank (Governor der Bank of England), Mark Carney, als weltweit angesehener Ökonom, auf die Idee verfallen konnte, seinen renommierten Posten zu verlassen, um als Trudeaus Nachfolger für die Liberalen das Himmelfahrtskommando „kanadische Unterhauswahlen“ anzutreten.

Aber die Trump-Regierung mit ihrer beispiellosen antikanadischen Aggression, stellte die politischen Verhältnisse im zweitgrößten Flächenland der Erde, auf den Kopf. Trumps Parteifreund Pierre Poilievre wurde in Windeseile zur Pee-pee-Witzfigur degradiert.

Die Kanadier wollen sowas von gar nicht der „51.Bundestaat der USA“ werden und ihren Premierminister nicht als „Governor“ verspotten lassen, daß „Little PP“ nicht mal mehr seinen eigenen Wahlkreis gewann. Carney wird der alte und neue Regierungschef.

Der so gestärkte Liberale schenkte Trump und den Trumpanzees bei seiner Siegesrede ordentlich ein. Sie würden sich mit allen Kräften gegen Washington wehren und neue Alliierte im Rest der Welt suchen.

[….] Besonders bitter: Poilievre verlor seinen eigenen Wahlkreis an den Herausforderer der Liberalen und muss nun hoffen, dass ein anderer Konservativer Abgeordneter seinen Sitz für ihn aufgibt.  Man kann den Wahlausgang auf einen kurzen Nenner bringen: Trump hat Poilievre um den Wahlsieg gebracht. Und ohne Trump wäre Carneys Amtszeit eine der kürzesten in der Geschichte Kanadas gewesen. Carney hat seinen Wahlsieg somit ausgerechnet dem Mann zu verdanken, mit dem er jetzt um Kanadas Zukunft ringen muss.  [….]

(Tagesschau, 29.04.2025)

Beeindruckend, Trump wirkt transnational derart destruktiv, daß er es vermag, Wahlen spektakulär zu verlieren, bei denen er gar nicht angetreten war.


Eigenartig, manche Leute finden es scheinbar unsympathisch, krebskranke Kinder mit US-Staatsbürgerschaft ihren Eltern zu entreißen, um sie zu deportieren.

Außer den weißen US-Christen; die ergötzen sich an diesem Sadopopulismus:

[….] 72 Prozent der weißen Evangelikalen und 51 Prozent der nicht-evangelikalen weißen Protestanten seien mit Trumps Amtsführung einverstanden, berichtete das Institut Pew Research Center am Montag in Washington.

Im Gegensatz dazu sagt die Mehrheit der schwarzen Protestanten, hispanischen Katholiken und Konfessionslosen, dass sie mit der Art und Weise, wie Trump seine Präsidentschaft handhabt, nicht einverstanden ist. Bei den schwarzen Protestanten sind es sogar 85 Prozent, die nicht mit dem aktuellen Präsidenten zufrieden sind. Insgesamt sind nur 40 Prozent der US-Amerikaner mit Trump zufrieden.

Weiße Protestanten gehören seit langem zum harten Kern der Trump-Anhänger. Rund 80 Prozent der weißen Evangelikalen haben vergangenes Jahr für Trump gestimmt.  [….]

(Jesus.de, 29.04.2025)

Montag, 28. April 2025

Schwarzbrauner Personal-Alptraum

Das Willy-Brandt-Haus (WBH) arbeitet fleißig, wie ein Bienenstock. Während des Wahlkampfes wurde ich täglich auf allen Kanälen mit Informationen geflutet. Kurz nach der Wahl erreichte mich ein Rundschreiben, in welchem sich die Partei der Aktualität meiner Kontaktdaten versicherte. Schließlich sollen möglichst viele Parteibuch-Sozen am Mitliedervotum teilnehmen. Es gab viele Gelegenheiten, Fragen zu stellen, sich auszutauschen und zu Informationsveranstaltungen mit Parteipromis zu gehen. Alle, die sich über „die da oben“ in der Politik beschweren, sollten in eine Partei eintreten. Es lässt sich leicht von außen meckern. Tatsächlich sind Parteien aber demokratische Diskussionsplattformen, die sich über neue Mitglieder freuen und in denen jeder sofort partizipieren kann. Aber ehrenamtliche Arbeit kostet viel Zeit; da lästert es sich doch viel einfacher fernab der Parteien, indem man seine auf Tiktok und X generierten Vorurteile kultiviert und „Merkel/Scholz muss weg“ grölt.

Heute erreichte mich per Messenger eine der Nachfragen aus dem WBH, ob ich schon über den CDUCSUSPD-Koalitionsvertrag abgestimmt hätte und lud mich erneut dazu ein.

Glücklicherweise habe ich bereits vor zehn Tagen abgestimmt und das getan, was getan werden musste.  Über Merz, die Themen, den Vertrag, Söder, die Mehrheitsverhältnisse und die Wähler habe ich mich wirklich die Pest geärgert, aber mit Weidel und Höcke ante portas, denen der deutsche Urnenpöbel unaufhaltsam in immer größerer Zahl zuläuft, bleibt keine Wahl.

Ich bin froh, die elende Angelegenheit schon vorletzte Woche abgehakt zu haben, denn nachdem ich heute die Personalliste der Union sah, hätte ich es nur noch mit schweren Magenkrämpfen und Brechdurchfall geschafft mit „ja“ zu stimmen.


Was ist das nur für ein schwarzbrauner Personal-Alptraum, den sich die beiden großen C-Männer zusammengestümpert haben?




Homophobe, Klimawandelleugner, Energielobbyisten, Rechtsextreme, mehrere erprobte Totalversager und Typen, die sich die eigenen Taschen vollmachen.

Die radikal homophobe Katherina Reiche, die 2002 gegen das rotgrüne „Homo-Ehe Light“-Gesetz eine Verfassungsklage unterstützte, ist so rechts, daß sie vor sechs Jahren selbst von Jens Spahn dafür kritisiert wurde. Mit Merz kommt das mittelalterliche Schwulenbild zurück.

[…] Die Empörung im Netz ist riesig: "homophob", "Hasspredigerin gegen Homosexuelle", "Unsinn" ist da seit gestern zu lesen. Es geht um Katherina Reiche, Staatssekretärin im Bundesumweltministerium, Bundestagsabgeordnete und einstige Familienministerin in spe im Schattenkabinett von Edmund Stoiber. Die hatte in der Bild-Zeitung "klare Kante in der Debatte um die Homo-Ehe" gezeigt, unter anderem mit dem Zitat: "Unsere Zukunft liegt in der Hand der Familien, nicht in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften. Neben der Euro-Krise ist die demografische Entwicklung die größte Bedrohung unseres Wohlstands". Und: „Die Union muss ganz klar sagen, dass sie auf Familie, Kinder, Ehe setzt. Die Gesellschaft wird nicht von kleinen Gruppen zusammengehalten, sondern von der stabilen Mitte.“  Daraufhin brach im Netz ein Wutsturm aus. Der war so heftig, dass die Politikerin ihre eigene Facebook-Seite erst einmal vom Netz nahm. Doch die Empörung bricht sich weiter Bahn, unter anderem auf der kurz darauf ins Leben gerufenen Facebook-Seite[…] "Gerade von Ihnen hätten wir erwartet, dass Sie aufgrund Ihres eigenen unehelichen Kindes wissen, dass Familie im 21. Jahrhundert nicht automatisch „Ehemann + Ehefrau + Kinder“ heißt. Ihre Aussagen sind ein Schlag ins Gesicht aller Familien, die nicht Ihrer tradierten Normen entsprechen." Und kommen zu dem Schluss: "Frau Reiche, Sie sehen keine Zukunft für ein Deutschland, in dem Homosexuelle dieselben Rechte haben wie Heterosexuelle - wir sehen daher keine politische Zukunft für Sie in der deutschen Politik des 21. Jahrhunderts." […]  Der CDU-Bundestagsabgeordnete Jens Spahn twitterte: "Lasse mich und mein Leben nicht indirekt als "Bedrohung unseres Wohlstandes" diffamieren. Da geht die Kollegin zu weit." Und die Junge Union Potsdam, dem Wahlkreis von Reiche, veröffentlichte eine Mitteilung, in der sie sich "entsetzt über die Äußerungen" zeigte: "Das humanistische Weltbild Frau Reiches scheint an ihrem Gartenzaun zu enden.", so der Kreisvorsitzende der JU Potsdam, Tino Fischer, selbst bekennend homosexuell. „Frau Reiche ist mit ihren Ansichten auf weiter Linie alleine innerhalb der Partei", resümierte der Vorsitzende des Regionalverbands Ost der Lesben und Schwulen in der Union, Martin Och. [….]
(FR, 20.01.2019)

Die „regierungsamtliche Rechtsauslegerin und Dunkelfrau Reiche“ fiel keineswegs nur mit ein paar unbedachten schwulenfeindlichen Aussagen auf, sondern bekämpft jede Gleichstellung seit Jahrzehnten. Heute lebt die 1973 in Luckenwalde geborene Chemikerin mit dem sagenhaften Lügen-König Karl-Theodor von und zu Guttenberg zusammen. Ihre Ehe mit dem Affären-geplagten CDU-Rechtsaußen Sven Petke hielt wohl nicht so lange, wie es sich für eine Erzkatholikin gehört.

Politische Affären, ultrarechte menschenfeindliche Einstellungen und staatsanwaltliche Ermittlungen sind für Merz offenbar kein Hinderungsgrund, um eine Eon-Lobbyisten zu bestellen.

[…] Als Bundestagsabgeordnete und Staatssekretärin hatte Reiche aus ihrer Abneigung gegenüber Schwulen und Lesben nie einen Hehl gemacht. Bereits bei Einführung des Lebenspartnerschaftsgesetzes erklärte sie, es sei ein "Angriff auf Ehe und Familie", wenn gleichgeschlechtliche Paare rechtlich anerkannt werden. Sie hoffte damals, dass das Bundesverfassungsgericht die Lebenspartnerschaft wieder abschafft. Danach fiel sie immer wieder durch homophobe Ausbrüche auf: 2011 sagte sie in einer Talkshow, dass sie lesbische und schwule Paare als "nicht normal" ansehe (queer.de berichtete). Ein Jahr später erklärte sie in einem Interview mit der "Bild"-Zeitung, dass Homosexuelle eine Gefahr für das Land darstellten: "Unsere Zukunft liegt in der Hand der Familien, nicht in gleichgeschlechtlichen Lebensgemeinschaften. Neben der Euro-Krise ist die demografische Entwicklung die größte Bedrohung unseres Wohlstands" (queer.de berichtete). Das führte zu scharfer – auch innerparteilicher – Kritik und einem Shitstorm in sozialen Medien. Die Kritik wurde von Reiche aber als "Intoleranz" zurückgewiesen (queer.de berichtete).
Auch später polemisierte Reiche weiter gegen Homosexuelle. So behauptete sie 2012, dass die gleichgeschlechtliche Eheschließung zu "unendlich viel Leid" führe, und warf Schwulen und Lesben "Hedonismus" vor (queer.de berichtete).

Vor vier Jahren hatte sich Reiche aus der Politik verabschiedet und wurde Hauptgeschäftsführerin des Verbandes kommunaler Unternehmen (queer.de berichtete). Nun soll sie zum 1. Januar 2020 als Vorsitzende der vierköpfigen Geschäftsführung des Tochterunternehmens Innogy Westenergie zum E.on-Konzern wechseln – und damit eine der größten und wichtigsten operativen Einheiten im deutschen Netzgeschäft leiten. Die Personale sei "politisch getrieben" und "bereits im Vorfeld der Verkündigung bei E.on umstritten", berichtete die "WirtschaftsWoche". Reiche sei in Sachen Energiewirtschaft "eher unbedarft".
An die homophoben Tiraden der ehemaligen CDU-Politikerin hatte im vergangenen Monat als erster der Nollendorfblogger Johannes Kram erinnert. Für ihn steht die Berufung Reiches im klaren Widerspruch zu einem Diversitätsversprechen des Konzerns.
[….]

(Queer.de, 10.11.2029)

Willkommen im Merzland 2025


 

Sonntag, 27. April 2025

Der US-Sadopopulismus

Seine Zustimmungswerte sind schwach; sogar FOX-News meldet das. Daher tobt Trump vor Wut.


Zum 100-Tage-Jubiläum gibt auch erste große Demonstrationen gegen seine Regierung.

Wirklich beunruhigen muss ihn das allerdings nicht. Seine Macht ist nicht nur nicht gefährdet, sondern er sitzt fester im Sattel, denn je. Der Welt-Intellektuelle, Historiker und Faschismus-Experte Timothy Snyder beantwortet die Frage, ob Trump Faschist ist, mit einem klaren „Ja“. Viele wollten sich diese Erkenntnis aber nicht eingestehen, weil das zum Handeln zwinge.

Trump dominiert Exekutive, Legislative und Judikative nach Belieben. Die Gewaltenteilung ist weitgehend entfallen. Letzte aufmüpfige Richter werden verhaftet.

[….] Es ist eine weitere Eskalationsstufe im Konflikt zwischen der US-Regierung unter Donald Trump und der Justiz: Am Freitag verhafteten Bundespolizisten des FBI in Milwaukee, Wisconsin, die Bezirksrichterin Hannah Dugan. Der Vorwurf: Behinderung der Justiz. Dugan, 65, hat sich vor ihrer Berufung als Richterin einen Namen als Sozialanwältin gemacht.

Acht Tage zuvor hatte Dugan vor Gericht eine Verhandlung wegen Körperverletzung gegen den mexikanischen Staatsbürger Eduardo Flores-Ruiz geführt. Noch während Flores-Ruiz vor ihrer Richterbank saß, erhielt sie die Information, dass insgesamt sechs Beamte vom FBI, der Ausländerbehörde ICE, des Zolls und der Drogenbehörde DEA vor dem Gerichtssaal ständen, um Flores-Ruiz festzunehmen. […]

(Bernd Pickert, 27.04.2025)

Presse und Notenbank, die man nicht zu den traditionellen drei Staatsgewalten zählt, die aber dennoch unabhängig von der Exekutive arbeiten sollen, bringt Trump ebenfalls längst unter seine Kontrolle. Es ist Faschismus.

[….] Donald Trumps Umbau der Vereinigten Staaten von einer der ältesten Demokratien der Welt zu einer protofaschistischen Kleptokratie schreitet beinahe ungebremst voran. Zwei der drei offiziellen Staatsgewalten hat der US-Präsident bereits weitgehend geschleift: Die Judikative, allen voran der Supreme Court , fällt entweder Urteile zu seinen Gunsten oder wird von Trump ignoriert. Die Legislative, den Kongress, umgeht der Präsident, der per Dekret regiert, weitgehend; die Republikanische Partei hat sich ihm ohnehin ausgeliefert.  Sein nächstes Opfer könnte die amerikanische Notenbank Federal Reserve (Fed) sein. Der US-Präsident liebäugelt damit, Fed-Chef Jerome Powell, den er selbst 2017 als obersten Währungshüter nominiert hatte, durch einen willfährigen Handlanger zu ersetzen. Der soll auf sein Geheiß die Leitzinsen niedrig halten, damit sich Amerikas Wirtschaft mit billigen Krediten vollpumpen und durch Zölle vor ausländischer Konkurrenz geschützt wachsen kann. Andere Schlüsse lassen Trumps Tweets und sonstige Äußerungen nicht zu. [….] Zwar gehört die Fed nicht zu den drei Staatsgewalten, die eine Demokratie im Kern ausmachen. Aber genau wie regierungskritische Medien und das Recht auf freie Meinungsäußerung gehört die politische Unabhängigkeit der Zentralbank zur DNA jeder liberalen, demokratischen Marktwirtschaft. [….]

(Tim Bartz, SPON, 23.04.2025)

Aufmüpfige Studenten, Filibusternde Demokraten oder Kongressmitglieder beim Sit-In muss der orange Autokrat wirklich nicht fürchten.

Die Masse der US-Amerikaner ist viel zu ungebildet, um zu antizipieren, was ihnen da gerade droht und wie wichtig es wäre, rechtzeitig zu handeln. Was das Ende der Rechtsstaatlichkeit für sie bedeutet, begreifen sie nicht.

[…..]  Abgesehen davon, dass es ethisch ohnehin unvertretbar ist, wenn man die Rechtsstaatlichkeit abschafft, führt das auch zu einem wirtschaftlichen Zusammenbruch. Das spielt sich gerade direkt vor unseren Augen ab. Aber wenn man nicht glaubt, dass die Demokratie in Gefahr ist, kann man auch nicht darüber reden, was das in einem breiteren sozialen oder wirtschaftlichen Sinn bedeuten würde. Und jetzt sind wir alle ein Jahr zu spät dran. Nicht alle. Aber das Land ist ein Jahr zu spät dran. Denn wir hätten das Jahr 2024 damit verbringen sollen, darüber zu reden, was passiert, wenn Oligarchen an der Macht sind, wenn es Zölle gibt, wenn die staatlichen Institutionen nicht funktionieren, und eben vor allem, wenn keine Rechtsstaatlichkeit mehr gibt. Das ist der eine Teil der Antwort.

Der andere Teil der Antwort ist, dass die Amerikaner sich selbst als außergewöhnlich ansehen. Dabei sind sie, sind wir sehr provinziell. Es fällt uns schwer, uns vorzustellen, dass es zu drastischen Veränderungen kommen könnte. Wenn es doch zu drastischen Veränderungen kommt, heißt es dann: Das ist noch nie jemandem passiert. So wird der Provinzialismus zu einem ständigen Gefühl der Überraschung. Ein Problem der Amerikaner ist, dass sie nicht mit Menschen aus Brasilien, den Philippinen, Polen, der Ukraine oder wo auch immer reden und denjenigen zuhören, die erfolgreiche Erfahrungen gemacht haben. Und soweit ich weiß, sprechen amerikanische CEOs auch nicht mit deutschen CEOs über die 1930er-Jahre und welche Lehren deutsche Geschäftsleute aus dieser Zeit gezogen haben. [….]

(Prof. Timothy Snyder, 25.04.2025)

Die SADOPOPULISTISCHE Ausprägung des Trump-Faschismus amüsiert die religiotischen Mitglieder des Trump-Kultes so hervorragend, daß sie darüber die Realität vollständig verdrängen.

[…..] Was ich mit Sadopopulismus meine, ist das Regieren durch die Verteilung von Schmerz. Man verspricht also nicht mehr, dass die Regierung allen helfen wird. Was sie sagen, ist, dass die Regierung im Grunde allen schadet, aber einigen mehr als anderen. Und sie bieten die Möglichkeit an, zum inneren Kreis zu gehören. Wir bieten ihnen die Möglichkeit, den Schmerz eines anderen als Voyeur zu erleben. Das ist es, was meiner Meinung nach so beliebt ist. Da stimme ich Ihnen zu, das ist jetzt eindeutig der Fall. Die Trump-Leute schieben ja nicht mehr Menschen ab als die Biden-Regierung. Aber sie machen daraus ein Spektakel des Schmerzes. Das ist ihr Stil. So wie die Angriffe auf Selenskij oder die Ablehnung von jedem, der versucht, etwas Positives in der Welt zu tun. Die Regierung funktioniert nicht wirklich, und alles, was sie tun können, ist, andere zu entlassen, zu verletzen, zu schikanieren, abzuschieben und zu überwachen. Und so gibt es eine Politik des Sadismus. Es ist mir nicht so wichtig, ob das jetzt jeder als Faschismus ansieht, aber ich möchte darauf hinweisen, dass das Spektakel des Schmerzes sehr gut mit dem Faschismus übereinstimmt, weil man eine Politik von „wir“ und „sie“ auf der Grundlage eines Spektakels schafft. Und wenn man sich die Videos ansieht, die die Sprecherin des Präsidenten, Karoline Leavitt, als „fun videos“ bezeichnet, dann ist das genau das.

Das ist durchaus eine faschistische Herangehensweise. Man soll sich mit den Leuten identifizieren, die diese Menschen abschieben. Dann fragt man sich nicht: Wer sind diese Leute eigentlich? Kamen die vor ein Gericht? Hat jemand wirklich Verbrechen begangen? Sie sollen sich mit denjenigen identifizieren, die die Macht haben, Schmerz zuzufügen. Also ja, das ist definitiv Sadismus. Ich glaube aber nicht, dass man sagen kann, dass das nicht faschistisch sei. Ich finde, dass diese Videos ziemlich eindeutig faschistisch sind.  [….]

(Prof. Timothy Snyder, 25.04.2025)

Die Zeichen stehen also günstig für Trump: Extreme Machtfülle in Kombination mit einem indolenten und verblödeten Urnenpöbel.

Eigentlich.

Uneigentlich gibt es aber multiple Faktoren, mit denen sich Trump laufend selbst in die Füße schießt. Am augenfälligsten ist sicher seine ökonomische Inkompetenz. Mit seinem Zoll-Chaos wird er ziemlich sicher eine Rezession auslösen, die seine Fans im Portemonnaie merken werden.


Und beim Geld hört die Freundschaft auf.

Aufgrund der Unterqualifikation seiner gesamten Regierung, die sich nur auf Destruktivität versteht, wird aber auch das Funktionieren all dessen, das US-Amerikaner für selbstverständlich halten, mittelfristig betroffen sein. Snyder hält einen daraus resultierenden Bürgerkrieg für durchaus möglich.

[…..] Das hängt von uns ab. Meiner Meinung nach ist das, was die Trump-Leute versuchen, unhaltbar. Diese Anstrengungen, die amerikanische Bundesregierung gleichzeitig zu schwächen und sie in ein Instrument der Unterdrückung zu verwandeln, ist in sich widersprüchlich. Die Leute werden nicht nur lang-, sondern auch kurzfristig mit einer Regierung unzufrieden sein, die ihnen ganz selbstverständliche Dinge verweigert, so wie Gesundheitsversorgung, Datenschutz, Infrastruktur, Rente, Verbraucherschutz. All die Aufgaben einer normalen Regierung ignorieren sie, stattdessen sehen sie es als ihren Job an, Menschen zu unterdrücken, angefangen mit Menschen ohne Papiere. Das ist auf lange Sicht ein sehr unbefriedigendes Projekt. Das wird die Bundesregierung zum Einknicken bringen. Bundesstaaten werden sich fragen, ob es noch sinnvoll ist, Teil dieser Union zu sein. Und natürlich wird es die Menschen dazu bringen, zu protestieren. Das geschieht ja schon. Das ist alles nicht haltbar. […..] Ich glaube nicht, dass es dazu führen wird, dass die USA von einer in sich kohärenten Diktatur übernommen werden. Aber es kann zu verschiedenen Zusammenbrüchen führen. Und klar, wenn das zu einem Zusammenbruch des Gesundheitswesens führt, des Verbraucherschutzes, zu Zusammenbrüchen wegen des Klimas, also zu Waldbränden oder Ähnlichem, dann werden sie versuchen, das auszunutzen. Darüber müssen wir nachdenken.  [….]

(Prof. Timothy Snyder, 25.04.2025)

Abhängigkeiten.

Auf dem Papier sind die USA noch mit einigem Abstand die stärkste Wirtschaftsmacht der Welt vor der Nummer Zwei; China.

Die sind verdammt reich, die Amis und verfügen über diese enorme Softpower, die man nicht in einer Fabrik herstellen kann.

Die Mehrheit der Armen in der Welt träumt vom „american way of life“ und nicht vom „chinese way of life“.

Volkswirtschaften kann man immer nur unzureichend anhand von ein paar Parametern vergleichen.

Die USA leben durch ihre enorm starke Binnenkonjunktur. Das Volk verdient viel, verschuldet sich gern und willig. Und es prasst, wie verrückt. Dadurch gibt es eine enorme Nachfrage, es wird importiert und nur allzu gern bedienen andere Länder den Finanzbedarf der USA, indem sie Anleihen kaufen. Die US-Wirtschaft ist so kräftig, daß sie als „sicherer Hafen“ gilt und sich niemand daran stört, wenn die Schuldenobergrenze jedes Jahr um Trillionen aufgebläht wird.

Die private Sparquote liegt unter Null, man leistet sich was.

In Deutschland liegt die private Sparquote traditionell bei 10-12%. Deutsche kaufen nicht gern auf Kredit und erachten es als sehr tugendhaft, nicht so viel Geld auszugeben, vorzusorgen und vor großen Anschaffungen zu sparen. Mit dieser „schwäbische Hausfrau“-Mentalität gewinnen FDP und CDU seit Jahrzehnten Wahlen.
Dabei ist das volkswirtschaftlich nicht schlau, so viele Billionen aus dem Wirtschaftskreislauf zu ziehen und tot zu legen. Man stelle sich vor, die Deutschen gingen wie die US-Amerikaner mit ihren Sparbüchern um, würden alles in die Läden tragen oder sich mit Dienstleistungen verwöhnen lassen. Das gäbe einen enormen Konjunkturboom, der Einzelhandel, Gastronomie und Massagesalons florierten, würden mehr Personal einstellen und viel mehr Steuern zahlen.

Vermutlich hätten die Deutschen auch viel bessere Laune und wären kulturell gebildeter.

Aber das entspricht nun einmal nicht unserer Mentalität. Deutsche sind keine Amerikaner. Sie mögen kein Trinkgeld geben und kaufen sich dafür lieber noch die 12. Versicherung, um im Alter auch wirklich abgesichert zu sein. Weder die eine, noch die andere Variante ist „richtig“. Beides hat enorme Kehrseiten.
Ich möchte lieber nicht die US-amerikanische Waffengewalt, Obdachlosigkeit oder zig Millionen Menschen ohne Krankenversicherung haben.

Aber gute Laune beim Einkaufen, freundlicher Smalltalk im Supermarkt und Serviceorientierung wünsche ich mir schon für Deutschland.

Deutschland findet im spezialisierten Export seine internationale Nische. Insbesondere Maschinenbau können wir. Früher konnte Deutschland auch sehr gut Autos, aber das ist vorbei. Mit der teutonischen Sparsamkeit und Bräsigkeit zog eine Investitions-Zurückhaltung ein. Technologisch sind deutschen Autos inzwischen abgehängt. Software können wir nicht. Für Spitzenforschung sind die Unis unterfinanziert und das xenophobe Volk wirkt zu abstoßend auf internationale Fachkräfte. Die wollen in die USA. (Noch. Trump ändert das gerade.)
China kann man weder mit den USA, noch mit Deutschland vergleichen. Eine zentralistische hyperkapitalistische Diktatur, die keine Individualrechte kennt, mag ein humanistischer Alptraum sein, ist aber ökonomisch in vieler Hinsicht überlegen.

Großprojekte sind in China längst umgesetzt, wenn Deutsche sich noch über die Planung zanken. Dort ist die Regierung auch nicht dösend mit Däumchendrehen beschäftigt, wenn die Auto-Industrie international nicht mithalten kann, sondern setzt ehrgeizige Zielvorgaben, um die Nummer Eins zu werden. Proteste und Bedenken der Bevölkerung gibt es nicht. Oder falls doch, landen diejenigen schnell im Gulag und verschwinden.


Peking denkt voraus und weiß, wie es anderen Nationen die Daumenschrauben ansetzen kann. Es gibt Rohstoffe, wie Seltene Erden, quasi nur in China. Aber China liefert auch viele elektronische und chemische Industrieprodukte exklusiv.

Ohne Lieferungen auch China, keine Handyproduktion in den USA und kein Hustensaft in Deutschland.

Ob Masken, Ibuprofen oder Paracetamol – wir sind komplett abhängig von China und haben aus der Pandemie nichts gelernt.

Das ist der Unterschied. Bei einem US-chinesischem Handelskrieg kann die Mega-Exportnation China seine Produkte auch im Rest der Welt absetzen. Die Mega-Importnation USA kann aber vielfach nicht woanders einkaufen.

In unserer Hightechwelt und dem tobenden Cyberkrieg funktionieren alle Geschosse – Revolverpatronen, wie Artilleriegranaten, nur mit Schießbaumwolle. Die kommt aus China und wir können sie nicht herstellen.

[……] Die Haare an den Baumwollsamen sind nur wenige Millimeter lang und eigentlich ein Abfallprodukt. Für die Textilindustrie sind die Linters genannten Baumwollfäden zu kurz und damit unbrauchbar. In einem anderen Bereich können die Fäden jedoch im wahrsten Sinne des Wortes kriegsentscheidend sein: Die hochreinen Fasern eignen sich perfekt für die Weiterverarbeitung zu Schießbaumwolle und damit für die Munitionsproduktion von der Pistolenkugel bis zum Artilleriegeschoss.

Mit dem russischen Überfall auf die Ukraine ist der Bedarf nach Munition massiv gestiegen. [……] Die Nachfrage nach den kurzen Baumwollfäden ist enorm, aus der Rüstungsindustrie ist von steigenden Preisen auf dem Weltmarkt zu hören. Für Beunruhigung sorgt zudem, dass nach Angaben aus Branchenkreisen derzeit rund 70 Prozent der in Europa verfügbaren Baumwoll-Linters aus China stammen.

Experten stellen die Verlässlichkeit Chinas infrage, schließlich ist die asiatische Großmacht ein enger Verbündeter von Russlands Staatschef Wladimir Putin. Nach dem Angriff auf die Ukraine hat Russland seine Exporte von Schießbaumwolle aus China mehr als verdoppelt, wie die britische „Financial Times“ bereits im vergangenen Jahr berichtete. In der Munitionsindustrie wird befürchtet, dass China seine Lieferungen nach Europa aus strategischen Gründen einschränken oder sogar stoppen könnte.

Ein erstes Warnsignal gab es vor ein paar Wochen: China fordert nach Angaben aus der Rüstungsbranche neuerdings von Abnehmern in Europa, bereits zu Nitrocellulose – so der Fachbegriff für Schießbaumwolle – verarbeitete Baumwoll-Linters nur noch für die Herstellung von Sport- und Jagdmunition zu nutzen, aber nicht mehr für militärische Geschosse. Importeure in Europa sollen demnach entsprechende Verpflichtungen schriftlich abgeben. Die Folgen seien eine Verknappung auf dem Markt und ein regelrechter Verteilungskampf.

„Ja, diese Forderungen sind bekannt“, bestätigt ein Sprecher des Rüstungskonzerns Rheinmetall dieser Redaktion die Auflagen aus China. [……]

(Abendblatt, 26.04.2025)

Freitag, 25. April 2025

Die zwei Verbrecher und ihre vielen Fans

Sascha Lobos Kolumne von gestern, in der er die Berichterstattung über Trumps gefährliche Umtriebe scharf kritisiert, ist wichtig.

»Sagen, was ist« reicht allein nicht mehr. Es gilt auch, zu »werten, was gewertet werden muss«.

Die meisten Medien, auch die Seriösen, normalisieren ihn nämlich, indem sie seine Attacken in sachliche Termini überführen und nicht ausreichend einordnen. Indem sie das nicht tun, rechtfertigen sie ihn schleichend.

Man kann aber einen Verbrecher, welcher die Demokratie zerstört und offen die Gewaltenteilung in eine absolutistische Alleinherrschaft überführt, nicht normalisieren.

Jüngste Volte: Trump lässt missliebige Richter, die nicht so urteilen, wie er will, vom FBI verhaften.

Unglücklicherweise gibt es auf der Welt mit Wladimir Putin einen zweiten extrem mächtigen Verbrecher ohne moralische Skrupel, der zwar ökonomisch erheblich schwächer, dafür allerdings wesentlich intelligenter als Trump ist und ihn daher nach Belieben für seine Pläne ausnutzen kann.

[….] Alle Welt tut immer so, als sei Wladimir Putin ein Politiker. Das hängt vermutlich damit zusammen, dass er ein politisches Amt bekleidet, das des Präsidenten der Russischen Föderation. In Wahrheit aber ist Wladimir Putin ein Gangster. Und zwar nicht nur irgendein hütchenspielender Kleinkrimineller oder Straßenschläger von der Ecke, sondern ein Verbrecher von globalen Dimensionen, noch dazu ein sehr erfolgreicher. [….] Offenbar steht der Kriegsherr im Kreml kurz davor, die Belohnung für seinen illegalen, brutalen, in jeder Hinsicht menschen- und völkerrechtswidrigen Raubzug in der Ukraine zu kassieren.  Überreicht wird diese ihm in Form eines sogenannten Friedensplans, der von zwei New Yorker Immobilienkaufmännern zusammengestoppelt wurde – Donald Trump und Steve Witkoff –, die dummerweise derzeit als Präsident der Vereinigten Staaten respektive als dessen Ukraine-Verhandler tätig sind. Wobei „zusammengestoppelt“ vielleicht eine zu freundliche Charakterisierung ist – was bisher über den Inhalt bekannt ist, klingt eher so, als habe Putin Witkoff eine Liste von Forderungen diktiert, die Trump dann der Ukraine als „letztes Angebot“ der USA weitergeleitet hat. Demnach soll das Opfer der Aggression dem Aggressor de jure und/oder de facto große Teile der besetzten Gebiete überlassen, die USA sollen eine Mitgliedschaft der Ukraine in der Nato für immer verhindern und die gegen Russland verhängten Wirtschaftssanktionen aufheben.

Die Ukraine bekommt im Gegenzug für diese Zugeständnisse – eigentlich nichts. So funktioniert Weltpolitik, wenn ein erpresserischer Diktator, der Krieg, Mord und Vergewaltigung für legitime Mittel hält, und ein großmäuliger Narzisst sie machen, dessen geschäftliche und diplomatische „Deals“ in der Regel aus Insolvenzen und Kapitulationen bestehen.

Aber das ist die Welt, in der wir jetzt leben. So sehen Leute wie Putin und Trump die internationalen Beziehungen: Der Stärkere hat immer recht, und wenn der Schwächere sich nicht beizeiten unterwirft, ist eigentlich er daran schuld, wenn die Bomben fallen. [….]

(Hubert Wetzel, 23.04.2025)

Die globale mediale Weichspülung des trumpschen Treibens funktioniert erschreckend effektiv. Ganze Staaten, europäische Regierungschefs, mehrere deutsche Parteien, Publizisten kaufen inzwischen die verbrecherische Trumputinsche Pervertierung der Welt ab, reden ihnen nach dem Mund.

Dabei sind die „Argumente“ des US-Präsidenten an Perfidie nicht zu überbieten: Putin habe enorme Zugeständnisse an die Ukraine gemacht, indem er noch nicht die gesamte Nation überrollt; noch nicht alle Ukrainer massakriert, noch nicht alles zerstört habe. Nun müsse sich aus Dankbarkeit auch Selenskyj bewegen.

 [….] Der US-Präsident und sein amtlich bestallter Kläffer J. D. Vance wollen „einen Deal“, der den Begriff Friedensabkommen ins Lächerliche, ja ins Absurde zieht. Trump möchte eine für die Ukraine eigentlich unannehmbare Vereinbarung erzwingen: eingefrorener Frontverlauf, völkerrechtlich verbindlicher Verzicht auf die Krim, dauerhaftes Nein zur Nato-Mitgliedschaft, keine belastbaren Sicherheitsgarantien. [….] De facto läuft sein Deal auf eine neue ukrainische Teilung hinaus: zwischen dem Aggressor Russland und dem Kriegsgewinnler USA. Denn Washington versucht, aus der gedemütigten Rumpf-Ukraine noch herauszuschlagen, was es kriegen kann. Die Bezahlung bereits gelieferter Waffen, Zugang zu Seltenen Erden, den Betrieb von Europas größtem Atomkraftwerk.

Das wären Reparationen, die das Opfer zahlt: Perverser lässt sich Frieden kaum gestalten. Selten hätte ein Angriffskrieg sich so sehr gelohnt. Wenn man die enorme Zahl gefallener Soldaten aufseiten Russlands außer Acht lässt – was Putin tut –, wäre der Ukrainekrieg für Moskau ein Bombengeschäft gewesen, im Wortsinne. Nach einem Friedensschluss à la Trump – samt einem Ende der Sanktionen gegen Moskau – könnte Putin seine Streitkräfte wieder aufrüsten, frische Truppen ausheben und sich in vier oder fünf Jahren den Rest der Ukraine holen. [….] Wer Krieg für einen politischen Betriebsunfall hält und nicht für ein grauenvolles historisches Kontinuum, sollte auf die professionell Berufenen hören. Carsten Breuer, Deutschlands oberster General, ist kein Säbelrassler. Er sagt: „Ich glaube, es war in den 40 Jahren, in denen ich Soldat bin, noch nie so bedrohlich wie jetzt gerade.“ [….]

(Thomas Avenarius, 24.04.2025)

Nicht nur Precht, Schwarzer und Wagenknecht, Berliner Zeitung und Emma, BSW und AfD, folgen der Putinschen Perversion. Nein, der Schlächter verfügt auch über viel Sympathie in der ostdeutschen CDU und allgemein bei den Ossis.

[….] Gedenken an Kriegsende in Torgau: Kretschmers Botschaft an Russlands Botschafter[….] Vor 80 Jahren trafen sich in Sachsen sowjetische und amerikanische Befreier. Zum Gedenken kam auch Russlands Botschafter. Nicht er wurde ausgebuht. [….] Applaus und empörte Buhrufe vermengen sich, als Sachsens Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) den Höhepunkt seiner Rede erreicht und sich direkt an den russischen Botschafter wendet. Kretschmer steht am Freitagvormittag im sächsischen Torgau am Fuße des Monuments der Begegnung. Kyrillische Buchstaben über ihm ehren die Rote Armee und ihre Verbündeten für den Sieg über das faschistische Deutschland. [….] Jährlich gedenkt Torgau feierlich diesem Tag. [….] Krieg sei das Schlimmste, was es gibt, beschwört Kretschmer und wendet sich dann an den russischen Botschafter Sergej Netschajew, der inmitten der Menge vor dem Monument steht und lauscht.

Manche der Zuhörer:innen tragen wie der Botschafter das Sankt-Georgs-Band, das seit Beginn des russischen Angriffskriegs als Propagandazeichen gilt. [….] Unmittelbar vor Beginn des offiziellen Gedenkens kamen zudem Rocker des russisch-nationalistischen Motorradclubs „Nachtwölfe“ zum Denkmal. Sie legten Kränze und rote Nelken nieder. Vor den Motorrädern ritt eine Frau mit einer Russland-Fahne auf einem Pferd. [….] Kretschmer sagt, er habe eine Botschaft an Netschajew: „Es war Russland, das einen völkerrechtswidrigen Krieg gegen die Ukrainer begonnen hat.“ Netschajew blickt unverändert auf Kretschmer. [….]  Während der letzten Worte applaudieren einige der Anwesenden, andere buhen Kretschmer für diese Bemerkung aus. [….]

(David Muschenich, taz, 25.04.2025)

Donnerstag, 24. April 2025

Never change a winning team.

Kein Bundesland ist so rotgrün, wie Hamburg. Bei der Hamburger Bürgerschaftswahl am 02.03.2025 überdeckten sich mehrere Effekte.

·        Frust, daß in der Woche zuvor, unser Hamburger Jung Olaf Scholz die Bundestagswahl gegen den rechtspopulistischen Hallodri Merz verloren hatte. Da wählt mancher schon aus Trotz SPD.

·        Hamburg wird nach den unrühmlichen Chaos-Jahren 2001-2011 (CDU/Beust/Schill/Ahlhaus) wieder professionell regiert.

·        Hamburg geht es ökonomisch deutlich besser, als den anderen Bundesländern.

·        Amtsinhaber Tschentscher passt mit seinem extrem zurückhaltenden seriösen hanseatischen Habitus perfekt zur Mentalität der Stadt.

·        Die rechtsextremistisch blinkende Ploß-CDU steht viel zu weit rechts, um im liberalen multikulturellen Hamburg gewählt zu werden.



Da kann ein rational denkender Wähler eigentlich nur bei SPD oder Grün sein Kreuz machen. Aber ich habe auch volles Verständnis für die 483.154          Menschen, die LINKS wählten, weil die annehmen konnten, RotGrün bekäme ohnehin eine Regierungsmehrheit und es wäre wichtig ein Zeichen gegen Rechts/Merz/AfD zu setzen. Das gelang. Die Linke holte beeindruckende 160.000 Stimmen mehr als die AfD und gilt in Hamburg als hochseriös. Insbesondere nachdem sich Putinellas Fan-Club (mit 75.000 Stimmen unter 2%) abgespalten hatte. Auf die Hamburger Linken ist Verlass; die parlamentarische Zusammenarbeit mit SPD und Grünen funktioniert hervorragend.

[….] Stabil, stabiler, Hamburg

SPD und Grüne regieren im Norden seit zehn Jahren – und das wird auch erst mal so bleiben. [….] Knapp acht Wochen nach der Bürgerschaftswahl am 2. März haben sich SPD und Grüne auf die Fortsetzung ihrer Koalition geeinigt und das Ergebnis der Verhandlungen auf einer Pressekonferenz vorgestellt. Der 148 Seiten umfassende Koalitionsvertrag ist überschrieben mit: „Hamburg vereint – mit Herz und Verstand“. Der Titel ist dabei die Verschmelzung der Wahlkampfslogans von Hamburgs Erstem Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) und der Zweiten Bürgermeisterin Katharina Fegebank (Grüne).

 am wichtigsten. Diese schickte der Mann, der seit 2018 regiert, zu Beginn seiner Erklärung vorneweg. Mit dem Regierungsprogramm wolle man den Menschen in Hamburg „soziale, wirtschaftliche und politische Sicherheit in unsicheren Zeiten geben“. Es ist, wenn man so will, auch einer der Gründe für Tschentschers hohe Zustimmungswerte in den vergangenen zehn Jahren: politische Stabilität, keine Überraschungen, keine öffentlich ausgetragenen Streitereien zwischen den Koalitionspartnern. „Wir wissen nicht, was auf uns in Deutschland, auf uns in Europa, auf uns in Hamburg noch zukommt“, sagte Tschentscher ernst. Niemandem muss man in diesen Zeiten erklären, was der 59-Jährige damit meint.

Tschentscher hatte früh zu verstehen gegeben, dass seine Präferenz auf einer Fortsetzung der bisherigen rot-grünen Senatsarbeit liegt. Bei der Wahl war die SPD erneut stärkste Kraft geworden, die CDU hatte die Grünen auf Platz drei verdrängt. Daher wäre auch eine rot-schwarze Regierung möglich gewesen. Aber Tschentscher weiß sehr genau um die hohen Zustimmungswerte aus der Bevölkerung für die bisherige Arbeit des rot-grünen Senats. Er sprach von der Fortsetzung „eines in Deutschland beispiellosen Erfolgskurses“. [….]

(Jana Stegemann, 24.04.2025)

Aber wieso haben Rot und Grün dann überhaupt so viele Sitze verloren und wurden deutlich vom Souverän geschrumpft?

Als Zentral-Hamburger und aufmerksamer Beobachter der politischen Szene, gebe ich darauf eine eindeutige Antwort: Die Verkehrspolitik. Ich kenne niemanden in Hamburg, der nicht auf den Verkehrssenator Anjes Tjarks schimpft.

Ein grüner von Pleite zu Pech stolpernder Antipath, der es sich mit jeder Bevölkerungsgruppe verscherzt hat und eine manische Freude daran hat, Bäume abzuhacken. Und die Wiederpflanzung zu verhindern.

Die Grünen Debakel-Senatoren Tjarks und Gallina sind die ganz großen Schwachpunkte des Senats. Die CDU-affine grüne Bürgermeisterin Fegebank überzeugt ebenfalls nicht viel mehr.

Bei aller Liebe, aber wieso die Grünen ihr das Ressort Wissenschaft entziehen, sie auf Umwelt umtopfen, aber beide Mega-Tölpel - Verkehrssenator Tjarks und Justiz-Laiensenatorin Gallina - im Amt belassen, bleibt mir ein absolutes Rätsel.

Meiner Ansicht nach, ist Tjarks zu 95% für die rotgrünen Verluste verantwortlich.

Die Botschaft des Wählers war klar: Er soll rausfliegen.

Aber die Hamburger Grünen sind traditionell sehr schwer von Begriff und müssen offenkundig bei der nächsten Wahl noch mal um die Hälfte gerupft werden, um zu verstehen, daß sie sich von Tjarks lösen müssen.

[….] Ob sich die Grünen mit Fegebanks Wechsel in die Umweltbehörde einen Gefallen tun, ist dabei mehr als fraglich. Das Manöver dient erkennbar dazu, der bislang unauffälligen Parteichefin Maryam Blumenthal einen Senatsposten zu verschaffen. Vergleichbares ging aus Sicht selbst vieler Grüner bereits 2020 schief, als die Nichtjuristin Anna Gallina aus der Parteizentrale in die Justizbehörde zog. [….] Die Koalition muss in ihrer jetzt dritten Legislatur aufpassen, es sich nicht zu behaglich einzurichten. Denn gemessen wird Rot-Grün an den großen Problemen, die seit Jahren drücken: [….] Gelingen U- und S-Bahnausbau, Verkehrswende und dringend nötige Brückensanierungen ohne Baustellenchaos? [….] Ein einfaches „weiter so“ jedenfalls wird da nicht reichen. [….]

(Mathis Neuburger, 24.04.2025)

Mittwoch, 23. April 2025

Starker, schwacher Trump

Donald Trump wird extrem gestärkt durch die beispiellose Verblödung großer Teile der US-Wählerschaft.

So konnte er zum zweiten Mal US-Präsident werden.

So schwingt er sich zum Diktator auf.

So transformiert er generalstabsmäßig die US-Demokratie.

[….] Das Vorgehen Trumps in der Wirtschaft offenbart die gleiche zerstörerische Dynamik, mit der er den Staat und die Demokratie umbauen will. Ohne gute Vorbereitung wäre das alles in so einem Tempo nicht möglich gewesen.

Die Manöver der Trump-Regierung basieren auf einem faktischen »Playbook«, dem Handbuch der Spielzüge des modernen Autokratie-Umbaus, das auch schon Populisten wie Ungarns Premierminister Viktor Orbán, dem türkischen Präsidenten Recep Tayyip Erdoğan und dem Präsidenten Venezuelas, Hugo Chávez, lang anhaltend Macht bescherte: Aushöhlung und Ideologisierung des Beamtenapparats, strukturelle Einschüchterung auf allen Ebenen, wirtschaftlicher Druck auf Medieneigner und gesetzliche Bestrebungen, die Pressefreiheit einzuschränken, politischer und finanzieller Druck auf Universitäten, um die Freiheit der Lehre und der Forschung einzuhegen und diese neu zu definieren, ideologische Umdeutung der eigenen Geschichte (das Smithsonian Institute und das Museum für Afro-Amerikanische Geschichte hat Trump gerade im Visier ), Veruntreuung zur Ermächtigung von Freunden und Familie (oder es ihnen zu erleichtern, sich zu bereichern, wie ein neuer Dokumentarfilm zeigt ), die Politisierung der Justiz – und schlussendlich – in Orbáns Fall – neue, verfassungsrechtliche Befugnisse, um den zuvor etablierten Bruch mit politischen Normen zu zementieren. Es gibt also auch einen Ausblick auf das, was noch kommen könnte.  [….]

(Cathryn Clüver Ashbrook, 19.04.2025)

So verdummt er sein Volk systematisch weiter.

[….] Der antielitäre Kulturkampf wurde in den Bundesstaaten zum Nahkampf erklärt. So wurden im vergangenen Schuljahr mehr als 10.000 Bücher  aus Bibliotheken entfernt und immer mehr Kinder  zu Hause unterrichtet. Nach der Aufhebung des nationalen Rechts auf Abtreibung wurde dieses auf Bundesstaaten-Ebene weiter eingeschränkt oder abgeschafft – eine faktische Kriminalisierung  fand statt.  [….]

(Cathryn Clüver Ashbrook, 19.04.2025)

Die logische Folge ist ein Brain-Drain. Die klügsten Köpfe der USA verlassen das Land. Die Doofen bleiben, werden immer lauter und konzentrieren sich auf.

Die MAGA-Religion feiert damit enorme Erfolge, die 250 Jahre alten Institutionen der US-Demokratie erweisen sich als erstaunlich wehrlos. Es scheint sich in breiten Teilen der Bevölkerung und der Presse eine tiefe Sehnsucht nach faschistischer Herrschaft zu manifestieren.

[….] Donald Trumps Umbau der Vereinigten Staaten von einer der ältesten Demokratien der Welt zu einer protofaschistischen Kleptokratie schreitet beinahe ungebremst voran. Zwei der drei offiziellen Staatsgewalten hat der US-Präsident bereits weitgehend geschleift: Die Judikative, allen voran der Supreme Court , fällt entweder Urteile zu seinen Gunsten oder wird von Trump ignoriert. Die Legislative, den Kongress, umgeht der Präsident, der per Dekret regiert, weitgehend; die Republikanische Partei hat sich ihm ohnehin ausgeliefert.  Sein nächstes Opfer könnte die amerikanische Notenbank Federal Reserve (Fed) sein. Der US-Präsident liebäugelt damit, Fed-Chef Jerome Powell, den er selbst 2017 als obersten Währungshüter nominiert hatte, durch einen willfährigen Handlanger zu ersetzen. Der soll auf sein Geheiß die Leitzinsen niedrig halten, damit sich Amerikas Wirtschaft mit billigen Krediten vollpumpen und durch Zölle vor ausländischer Konkurrenz geschützt wachsen kann. Andere Schlüsse lassen Trumps Tweets und sonstige Äußerungen nicht zu. [….] Zwar gehört die Fed nicht zu den drei Staatsgewalten, die eine Demokratie im Kern ausmachen. Aber genau wie regierungskritische Medien und das Recht auf freie Meinungsäußerung gehört die politische Unabhängigkeit der Zentralbank zur DNA jeder liberalen, demokratischen Marktwirtschaft. Konsumenten, Unternehmer, Investoren müssen sicher sein können, dass Währungshüter auf Basis objektiver Faktoren wie Inflation, Geldmenge, Wirtschaftswachstum oder Kreditversorgung Entscheidungen fällen und die Richtung für Zinsen und Wirtschaft vorgeben und nicht etwa nach Gutdünken des jeweiligen Machthabers agieren. [….] Und wie wenig Probleme der von Republikanern dominierte Supreme Court mit einem nahezu allmächtigen Präsidenten Trump hat, bewies er bereits im Sommer 2024. Damals, noch vor der Präsidentschaftswahl, sicherten die Richter künftigen US-Präsidenten weitreichende Immunität für ihre Amtshandlungen zu. Eine bahnbrechende Entscheidung, die die Axt anlegt an das System der Checks and Balances und die demokratische Kontrolle politischer Entscheidungsträger. [….] Schon jetzt, nach nicht einmal 100 Tagen im Amt, hat Trump das Vertrauen  der Investoren in die US-Wirtschaft, das auf Stärke, Verlässlichkeit und Rechtssicherheit basiert, wie kein anderer US-Präsident vor ihm erschüttert. [….]

(Tim Bartz, SPON, 23.04.2025)

Den Jüngern des Trump-Kultes fehlt es an intellektueller Kapazität, um sich vorzustellen, sie selbst könnten von den negativen Auswirkungen des Trumpismus getroffen werden. Die glauben freilich, es träfe nur People Of Color, Atheisten, Queere, Natives und Gebildete.

Aber sie werden selbstverständlich ebenfalls betroffen sein, weil die Weltwirtschaft in den Abgrund gezogen wird. Außerdem sind die orangen Epigonen im Kabinett kaum weniger debil als ihr Messias: Hegseth, Noem, Navarro, Witkoff, RFK, Vance arbeiten alle hart daran, den USA maximalen Schaden zuzufügen.

Es gibt aber möglicherweise auch international weitere Kehrseiten des Trumpismus‘ für das US-Volk. Konkurrenten schließen sich zusammen, kombinieren notgedrungen ihre Kräfte. Gut möglich, daß die USA ökonomisch und politisch bald einer gemeinsamen Front aus EU, GB, Kanada, Mexico und China gegenüberstehen.

Zudem wird die Unterqualifikation der Trump-Administration auf Ebene der Staats- und Regierungschefs gnadenlos ausgenutzt. Putin, aber auch Xi, ebenso wie vermeidliche Verbündete (Netanyahu) können Washington beliebig manipulieren und so ihren Willen durchsetzen.

[…..] „Friedensplan“ der US-Regierung: Putin wird belohnt, die Ukraine aufgegeben. Trump wollte den Ukraine-Krieg großmäulig innerhalb von 24 Stunden beenden. Mit seinem aktuellen Plan wirft er Russland die Ukraine zum Fraß vor. [….] Weit über hunderttausend Tote und Verletzte, schwerste Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit sowie gewaltsame Grenzverschiebungen: Der russische Präsident Wladimir Putin kann sich glücklich schätzen. Sein Angriffskrieg, mit dem er seit über drei Jahren das Nachbarland Ukraine nahezu täglich in Grund und Boden bomben lässt, zahlt sich also doch noch aus.  So und nicht anders muss der sogenannte Friedensplan der US-Regierung unter Donald Trump gelesen werden, der mit dem Begriff Kapitulation aus der Sicht Kyjiws wohl treffender umschrieben wäre. Washington erkennt Russlands völkerrechtswidrige Annexion der Krim genauso an wie die partielle Besetzung der vier Gebiete Luhansk, Donezk, Cherson und Saporischschja.

Zum Dank für Moskaus freundliches Entgegenkommen, vielleicht doch einem Waffenstillstand zuzustimmen – spätestens nach 24 Stunden ohnehin schon wieder Makulatur –, gibt’s die Aufhebung der US-Sanktionen noch obendrauf nebst vertieften Wirtschaftsbeziehungen. Die Ukraine oder besser das, was von ihr übrig ist, wird den Europäern vor die Füße geworfen.

Für Trump, in Sachen Demokratie, Menschenrechte und Rechtsstaatlichkeit ähnlich verwahrlost wie sein neuer Bruder im Geiste Wladimir Putin, ist das ein echter Deal. [….]

(Barbara Oertel, 23.04.25)

Dienstag, 22. April 2025

Schwerste Volksverdummung

Rund die Hälfte der Amis finden Trumps Politik immer noch gut.

Mehr Amerikaner sehen die USA jetzt „auf gutem Weg“, als zuletzt unter Joe Biden.

Das zeigt, wie völlig ungeeignet die durch rechtsradikale Fernsehsender und X/FB/Tiktok gehirngewaschenen Wähler für die Demokratie sind. 

Sie kannten schließlich Trump, den 34-fach verurteilten Verbrecher, zweifach impeachten Rassisten und Vergewaltiger, der zu einem gewalttätigen Staatsstreich auf das Kapitol aufgerufen hatte. Dennoch befand der US-Souverän, Donald Trump sei „besser für die Wirtschaft“, als eine schwarze Frau, unter deren Vizepräsidentschaft die Wirtschaft sich ausgesprochen positiv entwickelt hatte und das ökonomische Desaster der ersten Trump-Präsidentschaft repariert hatte.

Trumpanzees sind aber eben gerade keine, souverän die Fakten abwägenden Entscheider über die Zukunft der Nation, sondern in der großen Mehrheit debile Ungebildete. Nur gut 30% der US-Wahlberechtigten konnten sich am 05.11.2024 dazu aufraffen, für Harris, also gegen Trump zu stimmen. 70% war das egal, oder sie stimmten aktiv für Trump.

Es ist ebenfalls keine Frage der subjektiven Meinung, sondern objektiv messbar, was für ein ökonomisches Desaster Trump in kürzester Zeit anrichtet – also ausgerechnet dem Bereich, den 70% der Amis als seine Kernkompetenz ansehen.

So ganz, ganz langsam aber geht es bergab mit der Zuversicht in Trumps ökonomische Kompetenz. Denn Trumps Zoll-Irrsinn zieht die gesamte Weltwirtschaft in den Abgrund, wie just auch das IWF bestätigt.

[….] Das, was die IWF-Ökonomen in ihrer neuen Analyse veröffentlichen, durchaus dramatisch. Denn dieser zufolge wird das Wachstum der Weltwirtschaft demnächst deutlich zurückgehen. Der Grund ist die erratische Zoll- und Wirtschaftspolitik von Donald Trump. Besonders betroffen sind die USA selbst.  Es zeigt sich also: Der Kurs von Trump ist so unvernünftig und zerstörerisch, dass er auch den USA selbst schaden wird. Zum einen fürchtet die Wirtschaft natürlich nichts so sehr wie Unsicherheit. Wenn hohe Zölle angekündigt, diese kurz danach für einige Zeit ausgesetzt, darauf wieder neue Ausnahmen gemacht werden – dann ist das Gift. Wenn Verlässlichkeit fehlt, wird niemand investieren und neue Fabriken bauen. [….] Noch bejubeln viele Unternehmerinnen und Unternehmer in den USA die Politik des Präsidenten. Was könnte Donald Trump zur Umkehr bewegen?   [….]

(Caspar Busse, SZ ,22.04.2025)

Selbstverständlich versuchen die Demokraten diese, sich verschlechternden Zahlen, für sich auszunutzen. Aber bekanntlich sind Zahlen und Fakten wenig effektiv, um damit Wahlentscheidungen zu beeinflussen. Anderenfalls Hätte Kamala Harris einen Erdrutschsieg gegen Trump einfahren müssen. Dennoch ist es richtig, wenn die Opposition versucht, sich dieses Themas zu bemächtigen.

Denn die klassischen gesellschaftlichen Kräfte, die Aktivisten, die Presse, die Bildungseinrichtungen, die Gewerkschaften verharren immer noch in einem Dornröschenschlaf. In Relation zur Gesamtbevölkerung von 340 Millionen Einwohnern, lassen sich kaum Protestler gegen die Rapid-Transformation in eine antidemokratische Trump-Diktatur auf den Straßen sehen.

[…..] Die Tesla-Aktie verlor zwar, stürzte aber nicht vollständig ab. Was schon merkwürdig ist, wenn man bedenkt, wie überschuldet diese Marke ist und dass sie mittlerweile von ganzen Ländern abgelehnt wird. Dass jede Woche Tausende gegen sie protestieren und sie noch immer von einem mit Ketamin vollgepumpten, peinliche Mützen tragenden Typ geführt wird. Seit ich einen Cybertruck mit eigenen Augen gesehen habe, wird mir immer klarer, wie viel masochistischer Glaube dem ganzen Tesla-Phänomen zugrunde liegt. Überhaupt zählt der Glaube in den USA mehr als Fakten. Egal, ob es um den Kapitalismus geht, um „Make America great again“ (Maga) oder sogar um den eigenen Ruin – Glaube, nicht Fakten. Magisches Denken, Grausamkeit und Zölle werden es schon richten.

Triumphierende Pseudo-Christen freuen sich auf die Theokratie. Christo-Faschisten wollen einen obligatorischen Glauben an die heterosexuelle weiße männliche Vorherrschaft und an wissenschaftliche Unkenntnis als Leitprinzip etablieren. Heiße niemals einen Fremden willkommen, liebe niemals andere wie dich selbst, sündige und dir wird vergeben, während alle anderen in der Hölle schmoren, selig sind die Reichen, denn sie werden das Himmelreich erben – das sind ihre auf den Kopf gestellten Gebote. Schon jetzt berauben sie Frauen, Indigene und trans Menschen der Gesundheitsversorgung und des Wahlrechts. Sie sehnen sich danach, die schlimmsten Fehler der Geschichte noch einmal zu begehen.

Alle, die am Tag von Trumps Amtsantritt ein Paradies erwarteten, müssen jetzt einfach ganz fest daran glauben, dass die Hölle gut für sie ist. Friss oder stirb wie der Schwächling, der du bist. Die Alternative lautet: Flucht. Um einen Satz zu zitieren, der manchmal Billy Wilder zugeschrieben wird: In den Dreißigerjahren landeten die pessimistischen Juden in Hollywood, die optimistischen endeten in Auschwitz.   […..]

(A.L. Kennedy, 19.04.2025)