Donnerstag, 25. Dezember 2025

Gespalten

Vor ein paar Tagen versuchte ich bereits, eine Lanze für das Alleinsein zu brechen und den Terror der Zwangstreffen anzuprangern.

(….) Singles wollen eben nicht mehr zurück in den Familienverband gepresst werden, wenn sie einmal die Wonnen der völligen Freiheit genossen haben.

Zu Weihnachten werden die Klischees von Gemeinsamkeit und Großfamilienglück wieder unweigerlich durchgekaut. Da dürfen auch die krokodiltränigen Berichte über die bedauerlichen Leute, die am Heiligabend allein sind, nicht fehlen. Von der ganz hohen moralischen Warte aus, werden wir bedauert.

[….] Wie die stille Nacht nicht einsam wird [….] Weihnachten feierlich mit der Familie, Silvester ausgelassen mit Freunden feiern - soweit das Klischee. Die Realität sieht jedoch für Millionen Menschen anders aus. Sie sind allein. Doch noch ist Zeit, das zu ändern. [….] Wie schwierig Feiertage für einsame Menschen sein können, hat Christian Fein am eigenen Leib erlebt. Der Unternehmensberater hat die bundesweite Initiative "Keinerbleibtallein" gegründet. Diese bringt Menschen zusammen, die Weihnachten und Silvester nicht allein sein möchten. Geboren wurde die Idee aus der eigenen Not heraus: Christian Fein hatte sich 2016 kurz vor Weihnachten von seiner damaligen Frau getrennt und deshalb vor dem Alleinsein an den Feiertagen Respekt.  Um nicht in ein Loch zu fallen, suchte er via Twitter Gleichgesinnte, mit denen er Weihnachten virtuell in Kontakt treten konnte. Über die Aktion vernetzte Fein mehrere Tausend Menschen. Dadurch ermutigt, beschloss er, Menschen nicht nur virtuell, sondern auch real zusammenbringen zu wollen - über die Plattform "Keinerbleibtallein". Denn: wirkliche Wertschätzung gebe es nur im echten Leben, ist der 40-Jährige sicher. [….]

(Tagesschau, Sandra Biegger, 21.12.2025)

Fuck you, Biegger! Ich freue mich das ganze Jahr auf die Weihnachtstage, an denen ich ganz in Ruhe gelassen werde, niemand anruft und ich machen kann, was ich will. Da will ich ganz bestimmt keine Leute treffen! (….)

(Falsche Familie, 21.12.2025)

Noch etwas geht mir um diese Jahreszeit gewaltig auf die Nerven; die Flut von Zusammenhalts- und Gemeinschafts-Appellen. Gute Wünsche, die leider auch von verehrten Personen kommen.

[….] In Zeiten, in denen die Welt „mit vielen Krisen und Konflikten komplexer, unübersichtlicher, härter geworden“ sei, appelliert Hamburgs Bürgermeister Peter Tschentscher an den Zusammenhalt in der Stadt. „Dieses gute Miteinander ist wichtig in einer Stadt, in der Menschen aus über 180 Nationen leben, die dadurch vielfältig und stark ist, und in der wir uns gemeinsam den großen Aufgaben der Zeit stellen“, sagt der SPD-Politiker in seiner vorab veröffentlichten Weihnachtsbotschaft.  […..]

(HH Abla, 25.12.2025)

Besonderes Aufsehen erregte Gila Sahebis neues Buch „Verbinden statt spalten“. Ein guter Titel, da „Spalter“ ein extrem negativ konnotierter Begriff des politischen Populismus‘ ist. Trump, Merz, Söder, die AfD, Le Pen, FPÖ spalten, indem sie Minderheiten ausgrenzen, Schwächere diskriminieren, Bevölkerungsgruppen gegeneinander aufhetzen, um aus der generierten Wut Vorteile im Wahlkampf zu saugen.

[….] Verbinden statt spalten

Eine Antwort auf die Politik der Polarisierung

Warum uns mehr eint als trennt: In ihrem neuen, hochaktuellen Buch zur Politik der Spaltung und Polarisierung hierzulande räumt die renommierte Journalistin und Autorin Gilda Sahebi mit gängigen Mythen und Fake Facts auf. Wer heute in die deutsche Gesellschaft schaut, könnte denken: Es ist ein Land voller Drama, Gegeneinander und Spaltung. Dass dies so sei, ist eine Erzählung, die politisch generiert und medial verstärkt wird. Gilda Sahebi entlarvt sie als Lüge, als Herrschaftsinstrument autoritärer Kräfte. Das zeigt sie an den einschlägigen Debatten um Sozialleistungen, Migration, Gendern und Wokeness, Krieg und Frieden sowie Corona. Studien zeigen immer wieder: Im eigenen Leben sind Menschen viel öfter zufrieden; sie helfen und unterstützen einander, suchen Verbindung, nicht Hass. Wo geht die Suche nach Verbindung auf der gesellschaftlichen Ebene verloren? Und was kann man tun, um der Erzählung von Spaltung keinen Raum im eigenen Leben zu geben?   [….]

(S. Fischer Verlag)

Ja, das stimmt alles. Aber ich möchte „Verbinden“ und „Zusammenhalt“ nicht idealisieren. Ich bin sehr froh, mit vielen Menschen in Deutschland gar nicht verbunden zu sein.

Ich will weder irgendetwas mit den 40% AfD-Wählern in Sachsen-Anhalt oder Thüringen zu tun haben, noch mit den HSV-Fans in Hamburg. Ich will mich vom katholischen Männerverein in Tuntenhausen separieren, von jedem CSU-Bierzelt abwenden und Oktoberfest fernhalten. Ich will nicht mit Schützenvereinen, Jägern, Volksmusikanten oder Schlagerparadierenden verbunden sein.

So wie die Lebensverhältnisse in den unterschiedlichen Bundesländern nicht angeglichen sein sollten, weil Heterogenität eine Stärke ist, in der jeder sein bevorzugtes Umfeld finden kann, empfinde ich Separation von Teilen der Gesellschaft als großen Segen. Ob Gröl-Griller auf der Stadtparkwiese, Gläubige bei Katholischen Umzügen oder Rheinische Karnevalisten – sie sollen alle ihren Neigungen nachgehen, aber bitte nicht ihre abstrusen Fetische auf die ganze Gesellschaft übertragen. Ich will damit rein gar nichts zu tun haben.

(….) Etwas mehr als Desinteresse, nämlich echten Ärger, bringe ich für die Rufe nach den „einheitlichen Lebensverhältnissen“, respektive der Klage über „die Mauer in den Köpfen“, den Wunsch nach einem homogenen Deutschland auf.

Das ist ganz großer Blödsinn! Deutschland hat selbstverständlich keine überall gleichen Verhältnisse und ich behaupte, das wäre auch nicht wünschenswert.

Natürlich lebe ich in Hamburg anders als in Wuppertal oder gar in dem Vulkaneifel-Nest Weiler, das Andrea Nahles so liebt.

München ist nicht wie die Lüneburger Heide.

Die Immobilienpreise in Bremerhaven sind völlig anders als in Frankfurt.

Rheinische Frohnaturen und närrisches Treiben findet man nicht in Nordfriesland. Aber dennoch fahren ganze Karawanen Rheinländer Rentner im Sommer nach Cuxhaven in ihre Ferienwohnungen. Die Hamburger Großstadtpflanze begibt sich seit über hundert Jahren zum Strandurlaub nach St. Peter Ording, Hessen zieht es in ihre Ferienidylle auf dem Darß.

Umgekehrt profitieren die Großstädte vom stetigen Touristenstrom aus der Provinz.

Und Überraschung, wer in einem Dorf aufwächst und dort unglücklich ist, kann nach Köln in die Stadt ziehen, genau wie ein von Lärm und hohen Preisen geplagter Berliner sich auf einen Resthof in Niedersachsen zurückziehen mag.

Unterschiedliche Lebensverhältnisse, Idiome, Preise, Kulturen, Vorlieben sind Reichtum Deutschlands und sollen bestehen bleiben.  (….)

(Brief zur deutschen Einheit, 03.10.2020)

Wir, die Bürger dieses Landes, mit unterschiedlichen Nationalitäten und verschiedensten kulturellen Hintergründen, müssen einander tolerieren. Wir müssen uns nicht mögen. Wir müssen uns nicht kennenlernen.

Wir müssen noch nicht einmal miteinander sprechen.

Es gibt nur zwei Voraussetzungen: Wir alle haben uns nach dem Grundgesetz zu richten – ohne Extrawürste. Und wir müssen uns an dieselben Fakten halten, weil es keine alternativen Fakten gibt. Die Schwurbel-Blasen, in denen der größte Unsinn zur Realität aufgeblasen wird, gehören zerstört.

In Talkshows, auf der Straße, im Bundestag sollen wir diskutieren und für unsere Überzeugungen kämpfen – auch und gerade gegenüber denjenigen, die wir nicht mögen, mit denen wir nicht verbunden sein wollen.

Aber wir dürfen nicht trotzig auf faktenwidriger Ideologie beharren. Wer Rassismus verbreitet, dem Geozentrismus frönt, die Erde für eine Scheibe hält, vom „great replacement“ orakelt und Impfungen als eine Gates-Verschwörung deklariert, hat in der Öffentlichkeit nichts zu suchen und soll keine Plattform bekommen.

Auf einem gemeinsamen Faktengerüst basierend, können wir unterschiedliche Meinungen, Kulturen und Moden besser aushalten.

Die Heterogenität, die Spaltung, die Teilung Deutschlands in so viele Bundesländer, Milieus, Kulturen, Akzente, Bräuche, Moden, hilft jedem einzelnen dabei, zufriedener und toleranter zu sein.

Die große Verbindung, der Zusammenhalt ist eine Illusion, die anzustreben in Frustration mündet.

Spaltung ist Stärke, wenn wir uns unsere Nische suchen und die anderen Nischen nicht belehren.

(….) Und ich liebe Parallelgesellschaften. Zum Glück gibt es sie. Mögen sie weiter blühen und gedeihen, so daß jeder seine Nische findet.

In einer Welt, die auch andere Lebensmodelle wirklich akzeptiert werden, sind Parallelgesellschaften kein Problem. Dort wird Multikulti zu einer echten Bereicherung.

(……) Der Hamburger Steindamm IST zwar eine Parallelgesellschaft, allerdings verstehe ich nicht, wieso Parallelgesellschaften jemand stören.

In den meisten anderen großen Städten in Westeuropa und Amerika ist es ganz normal. In New York gibt es das berühmte „Little Italy“ oder „Chinatown“ und sogar ein deutsches Viertel.

Also für mich geht das völlig OK.

Es gibt ja vielfach in Deutschland reine Schwulenviertel, hier ist es St. Georg, das Uni-Viertel (Rotherbaum, wo nur Studenten sind), das Alternativ-Viertel, wo die  Autonomen und Ökos abhängen (Schanze und Karolinenviertel), das Ibero-Viertel vor der Speicherstadt, wo es all die spanischen und portugiesischen Restaurants gibt, Villenviertel in Harvesterhude  und dann natürlich reine Rotlichtviertel (Reeperbahn!) etc.

Warum soll es kein Türken- oder Italiener-Viertel geben?

Das Eigenartige ist in Hamburg, daß St Gayorg – dazu gehört auch der Steindamm – ausgerechnet ein Kombi-Viertel für Schwule und Muslims ist.

Die haben alle Toleranz gelernt. Kurioserweise ist MITTEN in der schwulsten Gegend von St Georg überhaupt der katholische Mariendom, in dem unserer neuer Erzbischof Stefan Heße hockt.

Katholiken gibt es da so gut wie keine – nur Moslems und Homos.

Aber irgendwie haben die sich offensichtlich arrangiert. So gut sogar, daß die Gegend jetzt so gut funktioniert, daß die Mieten auch so explodieren, weil jeder dahin ziehen will. (…..)

(Privates Tagebuch, 11.02.2016)

Liebe Gilda Sahebi, wir sollen uns nicht von rechten Agitatoren in Politik und Presse in dem Sinne aufspalten lassen, daß Hass generiert wird, daß falsche Narrative erblühen und faktenfreiem Unsinn gefrönt wird.

Aber privat bin ich äußerst gern von den meisten Mitbürgern abgespalten. Von den AfD-Dörfern in Sachsen, von frommen Zeugen Jehovas, von Glühwein-saufenden dörflichen Bayern und vielen anderen mehr.

Mittwoch, 24. Dezember 2025

Hoffnung

Etwa ein Viertel der Weltbevölkerung, also 2,3 Milliarden Menschen sind Christen.

Sie sind organisiert in ultrareichen Kirchen und üben enormen politischen Einfluss aus. So soll es ihrer Ansicht nach auch sein, erklärt unter anderem Weltkirchenrats-Chef Bedford-Strohm.

[…] Der Theologe, selbst mit einer Amerikanerin verheiratet, kann die Verhältnisse in den USA gut einschätzen. Er erkennt in den dortigen evangelikalen Kreisen sehr deutlich, wie politische Verantwortungsträger ganz bewusst Gottesdienste nutzen, um politische Ideologie zu verbreiten. „Ich habe nichts dagegen, dass Christen sich in die Politik einmischen. Im Gegenteil, ich wünsche mir, dass die Kirchen deutlich Stellung beziehen.“ Nur es müsse in die richtige Richtung passieren. Christen könnten vom Evangelium her deutliche Aussagen in die Politik machen.  [….]

(FUNKE, 23.12.2025)

Die Organisation Kirche stand immer an der Seite der reichen Herrscher-Klasse und häufte dabei selbst unermesslichen Reichtum an. Ob Monarchen, Faschisten oder sonstige Diktatoren – das Wohlwollen der Kleriker war ihnen stets sicher. Wer gegen die superreichen Herrscher aufbegehrte, wurde von allen christlichen Konfessionen verdammt. Der widerliche Antisemit Martin Luther fiel auch in dieser Hinsicht besonders negativ auf, da er extrem obrigkeitshörig war und daher aufständische Leibeigene und Bauern verdammte.

  



 

Im 21. Jahrhundert leben viele Christen in Demokratien und können wählen, müssen sich also nicht ihrer Kirchenführung fügen.

Aber demokratische Freiheitsrechte mögen sie nicht. So wie es immer Kirchenvertreter waren, die mit Vehemenz gegen Bürgerrechtsvertreter kämpften und intensiver, als alle anderen gesellschaftlichen Gruppen gegen Frauen-, Schwulen oder Kinderrechte kämpften, für Sklaverei und Antisemitismus standen.

 

So wählen heute Christen vorzugsweise Politiker, die massiv in Freiheitsrechte eingreifen und liberale Demokratien in Autokratien überführen.

Christen brachten Trump an die Macht, Christen sind die eisernen Putin-Unterstützer, auf Christen stützt sich Viktor Orbán, Christen wählen mehrheitlich die rechtsautokratischen PiS-Polen, die evangelikalen Pfingstchristen brachten den kriminellen Faschisten Bolsonaro ins Amt, Javier Milei bildet eine Allianz mit den evangelikalen Christen, der rechtsextreme Katholik José Antonio Kast wurde just zum Chilenischen Präsidenten gewählt und natürlich sind auch die radikal antihumanistischen xenophoben Dobrindt, Merz, Spahn, Linnemann und Klöckner Vertreter christlicher Parteien.

Christen-Politiker sind die Weltzerstörer, die gegen Klimaschutz, soziale Gerechtigkeit, gegen Frieden stehen. Christen träumen ihre Weihnachtlichen Allmachtsfantasien.

Wer am Überleben der Menschheit interessiert ist, nicht den Hitze- oder Atomtod sterben will, sollte also tunlichst auf den Atheismus hoffen. Daß die Christen weniger werden und weniger politischen Einfluss ausüben.

Global betrachtet, siehst das natürlich übel aus; da besteht keinerlei Hoffnung. Aber es gibt Hoffnung in Deutschland und den anderen Staaten Nord- und Westeuropas. Hier werden die Christen zunehmend verdrängt. Endlich.

[….] In diesem Jahr sind deutschlandweit mindestens 46 römisch-katholische Kirchen oder Kapellen profaniert worden. Das geht aus den Amtsblättern der katholischen Bistümer hervor, wie die Deutsche Bischofskonferenz (DBK) dieser Redaktion mitteilte. Stichtag für die Erhebung ist der 1. Dezember.

2024 waren deutschlandweit laut DBK mindestens 66 katholische Kirchen und Kapellen profaniert worden. Eine Profanierung ist ein formaler rechtlicher Akt in der katholischen Kirche, durch den ein Kirchengebäude offiziell von seiner Widmung als sakraler Ort entbunden wird. Laut DBK werden nicht alle Profanierungen in den Amtsblättern der Bistümer vermeldet, die tatsächlichen Zahlen der aufgegebenen Kirchen könnte also höher liegen.

Vergleichswerte für die Evangelische Kirche in Deutschland (EKD) liegen noch nicht vor. Die Erhebungen für die Jahre 2023 bis 2025 seien noch in Bearbeitung, teilte ein EKD-Sprecher mit. Der letzte hier bekannte Wert bezieht sich auf das Jahr 2022: Damals wurden 23 Kirchen, Kapellen und Gemeindezentren verkauft oder abgerissen. Zahlen für den liturgischen Akt der Entwidmung, wie es in der evangelischen Kirche heißt, erhebt die EKD demnach nicht.  [….]

(Dr. Philipp Ebert, 21.12.2025)

Immer weiter so! Es sind noch eine Menge Kirchen übrig!

Dienstag, 23. Dezember 2025

Die Meisterheuchler.

Der Mad King in Mar A Lago verlangt den Friedensnobelpreis.

Weil er sechs, sieben, zehn, elf oder 20 Kriege beendet hat. Darunter natürlich den Gaza-Krieg.

Das ist insbesondere deswegen so schön, weil man sich in den europäischen, sowie den nordamerikanischen Chefredaktionen und Staatskanzleien nicht mehr permanent dazu verhalten muss. Keine Statements, keine Aufmacher, keine Analysen, keine Gipfel, keine Konferenzen mehr.

Wenn da nur nicht dieser winzige Schönheitsfehler wäre: Der Gaza-Krieg ist gar nicht vorbei. Netanjahu lässt weiter morden.

[….] Zerstörung in Gaza geht trotz Waffenruhe weiter [….] Seit der Waffenruhe ist der Gazastreifen geteilt: Israel kontrolliert etwa die Hälfte des Gebiets und reißt dort weiterhin Wohnhäuser nieder. Eine Satellitenanalyse zeigt das Ausmaß. [….] Auf der dem Meer zugewandten Seite, knapp 42 Prozent des Gebiets, drängen sich fast alle Palästinenserinnen und Palästinenser Gazas. Sie wohnen überwiegend in Zeltstädten und Notunterkünften, ihr Leben ist prekär.

In den vergangenen Tagen trafen starke Stürme und Regenfälle die Region.

Die sandigen Straßen in Gaza wurden überflutet, Zelte durchnässt. Müll und Fäkalien schwimmen im Hochwasser.

Laut einer UN-Analyse sind etwa 800 000 Menschen durch Überflutung gefährdet, Tausende Familien leben in niedrig gelegenen oder mit Trümmern übersäten Küstengebieten ohne Entwässerung oder Schutzbarrieren. Hilfsorganisationen warnen davor, dass sich Krankheiten ausbreiten und Kinder erfrieren könnten. [….] Doch eine Alternative zu den Zelten gibt es für die meisten Menschen trotz des Winters nicht. Weit mehr als 70 Prozent aller Gebäude in Gaza sind im Krieg stark beschädigt oder zerstört worden – die allermeisten davon durch israelische Luftangriffe und durch Abrissarbeiten, ausgeführt von privaten israelischen Unternehmen im Auftrag des Staates. [….] Die Süddeutsche Zeitung hat zusammen mit dem Medien-Start-up Vertical52 Radarsatellitendaten ausgewertet, mit denen Veränderungen in der Höhe von Gebäuden messbar sind. Die Ergebnisse sind eindeutig: Fast 19 Prozent aller Gebäude in der israelisch kontrollierten Zone sind seit dem 10. Oktober, dem Inkrafttreten der Waffenruhe, weiter beschädigt worden. Das ist allerdings in unterschiedlichem Ausmaß geschehen. 1500 Gebäude sind schwer oder vollständig zerstört. [….] Die größte Veränderung lässt sich in den Wohngebieten östlich von Chan Yunis 1 und Gaza Stadt 2 erkennen. Wenn man mithilfe von optischen Satellitenbildern einen genaueren Blick auf diese Gebiete wirft, wird klar, dass es sich bei diesen Veränderungen nicht um Trümmerbeseitigung handelt.

In Bani Suheila nahe Chan Yunis sind bereits Mitte Oktober, kurz nach dem Inkrafttreten der Waffenruhe, viele eingestürzte Häuser zu erkennen.

Anfang Dezember wird deutlich: Hier sind weitere Häuserblocks zerstört worden.  Auch die Radaranalyse zeigt eine deutliche Veränderung in der Höhe der dortigen Gebäude. [….]

Nach palästinensischen Angaben sind seit Beginn des Waffenstillstands mehr als 370 Menschen getötet worden. Ende November etwa wurden Berichten zufolge zwei Kinder von einer israelischen Drohne erschossen, die beim Sammeln von Feuerholz die Linie übertraten. [….]

(Kristiana Ludwig und Leonard Scharfenberg, SZ, 12. Dezember 2025)

Bibis Cronies, Merz, Söder, Dobrindt und Trump, können daran nichts Schlechtes finden, widersprechen nicht.

Aus ihrer Sicht hat der israelische Ministerpräsident jedes Recht dazu. Man dürfe 100.000 Palästinenser, darunter hauptsächlich Frauen und Kinder umbringen, weil die Hamas vor gut zwei Jahren 1.200 Israelis töte.

A propos, sollte da nicht noch untersucht werden, inwieweit die Netanjahu-Regierung eine Mitschuld trägt, weil sie katastrophal versagte, Warnungen in den Wind schlug und die Armee falsch einsetzte?

[….] Ministerpräsident Benjamin Netanjahu sträubt sich gegen eine unabhängige Untersuchung des Hamas-Terrorangriffs auf Israel am 7. Oktober 2023. [….] Tel Aviv Mehr als zwei Jahre nach dem beispiellosen Massaker der islamistischen Terrororganisation Hamas und anderer Extremistengruppen in Israel verweigert der Ministerpräsident Benjamin Netanjahu weiterhin eine unabhängige Untersuchung der Vorfälle. Statt der Einrichtung einer staatlichen Untersuchungskommission befürwortet der 76-Jährige die Ernennung einer Regierungskommission. [….] Der Schritt wird von Experten, Opposition und Angehörigen ehemaliger Geiseln und Todesopfer des 7.Oktober scharf als Vertuschungsversuch kritisiert. Kritiker werfen Netanjahu und seiner Koalition vor, keine persönliche Verantwortung für das politische und militärische Versagen während des Hamas-Terrorüberfalls zu übernehmen.

Generalstaatsanwältin Gali Baharav-Miara erklärte in einer Stellungnahme, der vorgeschlagene Gesetzentwurf sei „voller erheblicher Mängel“, die es den Ermittlern unmöglich machten, den Geschehnissen vom 7. Oktober 2023 auf den Grund zu gehen und daraus belastbare Schlussfolgerungen zu ziehen. [….]

(Hamburger Abendblatt, 23.12.2025)

Das Muster kennen wir nun auch schon seit Jahrzehnten: Mauschel-Bibi lässt sein Versagen, seine Korruption, seine Kriminalität in großem Stil unter den Tisch kehren. Freund Trump forderte bei seinem Besuch in Israel von Staatspräsident Izchak Herzog, den Ministerpräsidenten zu begnadigen. Eine tolle Idee, die sich Bibi flugs zu eigen machte. Natürlich aus rein altruistischen Gründen; Israels wegen.

Frieden rückt für die Palästinenser in immer weitere Ferne. Gaza zerstört und das Westjordanland hoffnungslos zersiedelt.

Die fanatischen jüdischen Siedler, oft ultraorthodoxe Einwanderer, sind das größte Friedenshindernis. Weil Netanjahu sie massiv unterstützt.

[….] Es sind diese leisen Veränderungen, die eine Zwei-Staaten-Lösung untergraben [….] [….] Es gibt Überschriften, die man schon so oft gelesen hat, dass sie einem kaum noch wichtig erscheinen: „Israel billigt neue Siedlungen im Westjordanland“ gehört zu dieser Art von Nachrichten. Diesmal sind es 19 neue israelische Orte, die dem Sicherheitskabinett zufolge gegründet werden sollen. Damit steigt die Zahl der in den vergangenen drei Jahren genehmigten Siedlungen auf knapp 70. Schon seit Jahrzehnten entstehen auf dem Land, das völkerrechtlich Palästinenserinnen und Palästinensern zusteht, immer neue jüdische Dörfer und Städte. Meist sind da zuerst sogenannte Außenposten, ein paar Container oder Hütten. Sie sind illegal, doch sobald sich israelische Bürger hier niederlassen, genießen sie den Schutz von Armee und Polizei. Aus Außenposten sind immer wieder Dörfer geworden, mit Eigenheimen, Carports und Spielplätzen, und aus Dörfern ganze Städte. Wenn Israel solche Siedlungen schließlich anerkennt, geschieht dies nach israelischem Recht. Aber in den Augen vieler Staaten bleiben sie falsch und völkerrechtswidrig, und auch für Deutschland. Bloß: Was folgt daraus?

Es wirkt, als gebe es gerade in der deutschen Bundesregierung eine so hohe Toleranz gegenüber den immer gleichen Vorgängen im Westjordanland, dass man sie als Gleichgültigkeit bezeichnen könnte. Im Vordergrund der politischen Auseinandersetzung mit Israel und seiner in Teilen rechtsextremen Regierung standen nun mehr als zwei Jahre lang der Krieg im Gazastreifen, das Massaker vom 7. Oktober 2023 in Israel [….]  Israel führt und führte Kriege, in Deutschland wurden sie teils verurteilt, teils bewundert. Denn mittlerweile hat die israelische Rüstungsindustrie auch für die Verteidigung der Bundesrepublik eine Relevanz. Die deutsche Regierung steht wegen ihrer Staatsräson oder ihres „Wesenskerns“ zu Israel, wie es der Kanzler formulierte. [….]

(Kristiana Ludwig, 22.12.2025)

Merz und Wadephul schweigen zu den immer neuen illegalen Siedlungen, die den Frieden unmöglich machen.

Montag, 22. Dezember 2025

Lügen bis der Arzt kommt

Gewohnheitsmäßig zu lügen, ist grundsätzlich etwas fragwürdig. Diesem Hobby nicht nur weiter zu frönen, wenn man zufällig gerade US-Präsident geworden ist, sondern sogar täglich mehr und abstruser zu lügen, verursacht Probleme in der Außenpolitik. Denn da trifft Donald Münchhausen notgedrungen Typen, die nicht in derselben orange geschminkten Lügen-Blase leben, sondern in ihren Heimatländern mit der schnöden Realität im Bunde sind.

Aber auch in Mutterland des politischen Unverstandes, stößt Trump offenbar an Grenzen. Sicher, seiner fanatischen Basis aus 77 Millionen Wählern, gefällt der garstige Lügenschwall, der kontinuierlich aus dem präsidentiellen Schandmaul quillt. Aber selbst einigen Republikanern fällt auf, wie wenig die hanebüchenen Phantastereien ihres senilen Messias mit den harten Fakten an der Supermarktkasse, oder der Tanksäule übereinstimmen.

(….)  Bemerkenswert ist nicht die kontinuierliche Eskalation des grotesk geschminkten Kriminellen. Bemerkenswert ist nicht die Empörung, die er damit in einer Hälfte der USA auslöst. Bemerkenswert ist nicht die Blase aus speichelleckenden Cronies, in der er lebt und die ihm 24 Stunden am Tag bestätigen, der Tollste aller Zeiten zu sein.

Bemerkenswert ist aber, daß Trump selbst inzwischen offenkundig wahrnimmt, wie sich die Daumen senken und er sich unter Zugzwang gesetzt sieht.

Er muss das ewige Feiern und Golfspielen unterbrechen, um seine Agenda zu verteidigen. Das ist nicht das Ende des Trumpismus. Thiel, Heritage-Foundation, Newscorps, Musk, Project 2025, eine korrumpierte Partei und 75 vollkommen verstrahlte GOP-Wähler stehen dafür, den Weg in die toxische, menschenfeindliche Autokratie weiter zu gehen. Aber es ist vorstellbar, vor Januar 2029 einen neuen Cultleader zu installieren. Alle Nachwahlen und kommunalen Abstimmungen, seit Trumps zweiten Amtsantritt, verloren die Republikaner dramatisch. Deswegen halte ich eine Absage der Midterms auch für weiterhin realistisch. Sollten aber in elf Monaten das House und ein Drittel des US-Senates neu gewählt werden, könnte bei genügender Unzufriedenheit, trotz der massiven Wahlbeeinflussung und speziell die Republikaner bevorzugender Wahlgesetze, der Kongress demokratisch geführt werden und damit dem Weißen Haus das Leben schwer machen.

[…] Natürlich gibt es Leute, die gut finden, was Trump macht. Aber Trump hat seinen Zenit schon überschritten. Die Republikaner im Kongress sind sehr besorgt, was die Midtermwahlen im November 2026 betrifft. Die MAGA-Bewegung beginnt, sich zu spalten. Es gibt Revolten, etwa bei den Republikanern in Indiana, die sich geweigert haben, die Wahlkreise neu zuzuschneiden. Es kommt immer dieser Moment, an dem die Leute beginnen, einen Präsidenten in seiner zweiten Amtszeit als lahme Ente zu sehen und über die Zeit danach nachzudenken. [….]

(John Bolton, 18.12.2025)  (….)

(Ein Freund weniger, 18.12.2025)

Es gelingt dem rassistischen Lügen-Imperator erstaunlich gut, die verhasste Faktenwelt aus seiner Umgebung fernzuhalten. An den Schaltstellen von Justiz, Politik, Wirtschaft und Presse, sind längst ihm hörige Fascho-Nazgûl installiert, die über jede anti-orange Blasphemie herfallen.

[….] Eine genauere Begründung lieferte der Sender zunächst nicht. Sharyn Alfonsi, eine an der Sendung beteiligte Journalistin, kritisierte daraufhin ihre Senderleitung in einer E-Mail an ihre Kollegen, aus der die »New York Times« zitiert: »Unsere Geschichte wurde fünfmal geprüft« hieß es darin. Sowohl die Rechtsabteilung als auch die Faktenchecker im Haus hätten den Beitrag freigegeben. »Er ist faktisch korrekt. Meiner Ansicht nach ist die jetzige Zurücknahme des Artikels, nachdem alle strengen internen Prüfungen abgeschlossen sind, keine redaktionelle, sondern eine politische Entscheidung.« [….] Weiss war erst im Oktober installiert worden und gilt als umstritten, viele Beobachter fürchteten im Vorfeld ein Umschwenken des Senders auf Trump-Linie. Dem Bericht der Zeitung zufolge hatte Weiss zahlreiche Bedenken an dem Stück angemeldet und Änderungen verlangt – unter anderem, dass die Reportage eine Stellungnahme der Trump-Regierung enthalten solle. So habe sie etwa ein Interview mit dem Hardliner Stephen Miller vorgeschlagen, Vizestabschef von Donald Trump.

CBS gehört zur Mediengruppe Paramount. Diese wiederum gehört seit dem Sommer der Familie des Softwaremilliardärs Larry Ellison, der als Trump-Unterstützer bekannt ist. Ebenfalls im Sommer hatte der Sender das Aus des Trump-kritischen Late-Night-Talkers Stephen Colbert für Mai 2026 bekannt gegeben. [….]

(SPON, 22.12.2025)

Diese Methoden liebt man besonders in Kentucky, einem der deep red states. Zuverlässig auf einem der beiden letzten Plätze bei allen Bildungs-Rankings der 50 US-Staaten. Wenige Staaten sind so dumm, arm und verblödet wie Kentucky – und daher auch so extrem Trumpesk.

Am 05.11.2024 holte Trump hier fast 65% der Stimmen, während Kamala Harris unter 34% blieb. 2016 waren es 63% Trump-Stimmen, 2020 noch 62%.

Für den tumben Bundesstaat sitzen derzeit fünf Republikaner und ein Demokrat im US-House. Seit 40 Jahren (sic) wählt Kentucky ununterbrochen den stramm konservativen Mitch McConnell in den US-Senat, der zuletzt (2020) 58% holte. Sein noch irrerer Kollege, US-Senator Rand Paul, seit 15 Jahren in Kentucky gewählt, holte zuletzt (2022) sogar 62%.

Das passiert, wenn man dumm und erzkonservativ ist, kontinuierlich MAGA mit Zweidrittelmehrheiten wählt: Absturz auf einen der letzten Plätzen bei allen ökonomischen Kenndaten.

Kentuckys Held Donald Trump bescherte nun auch der Kernindustrie des Staates, dem Whisky brauen, einen schönen Erfolg.

[….] Viel gibt es im Örtchen Clermont im US-Bundesstaat Kentucky nicht zu sehen. Außer, man interessiert sich für die Produktion von Whiskey: In Clermont befindet sich nämlich der Hauptstandort der bekannten Marke Jim Beam. Im kommenden Jahr soll dort allerdings nichts produziert werden. Wie die britische BBC berichtet, will Jim Beam die Whiskey-Herstellung in Clermont aussetzen.

Die Brennerei bleibe ein ganzes Jahr lang geschlossen [….], zitierte die BBC aus einer Erklärung des Herstellers. [….] Erst im Oktober hatte der Branchenverband der Kentucky Distillers’ Association (KDA) mitgeteilt , dass die Menge an Bourbon in den Lagerhäusern des Bundesstaates mehr als 16 Millionen Barrel – und damit einen Rekordwert – erreicht habe. [….] Als Grund für den hohen Lagerbestand gab KDA-Präsident Eric Gregory unter anderem die anhaltende »Unsicherheit über Zölle« an, die die Exporte stark reduziert hätten. Ohne US-Präsident Donald Trump, der für die von Gregory erwähnten Zölle verantwortlich ist, namentlich zu erwähnen, sagte der KDA-Chef weiter: »Genau wie man Bourbon nicht über Nacht herstellen kann, werden wir die Probleme, vor denen wir stehen, nicht über Nacht lösen können. Wir müssen weiterhin mit den politischen Entscheidungsträgern zusammenarbeiten, um Lösungen zu finden.«

Trump hatte in einer Serie von Ankündigungen viele Länder mit Strafzöllen überzogen. US-Firmen unterschiedlicher Branchen kämpfen seither auch mit Vergeltungszöllen auf ihre Waren. [….] [….]  In Kanada etwa gab es weitreichende Aktionen, mit denen Konsumentinnen und Konsumenten aufgefordert wurden, keine Produkte zu kaufen, die in den USA hergestellt werden. [….]

(SPON, 22.12.2025)

Gut gemacht, EU und Kanada. Mit Kentucky trifft ein Kaufboykott genau die Richtigen.

Aber die Hauptursache für den ökonomischen Kollaps sind natürlich die Trump-Zölle, die der Doppelt-Geschwollene (Ego und Füße) just wieder begeistert feiert.

[….] Trump bejubelt die Zölle, die seine Landsleute bezahlen müssen[….]

In der Weihnachtsbotschaft des Weißen Hauses verschweigt der Präsident, dass viele Amerikaner sich die für den Alltag notwendigen Dinge nicht mehr leisten können. Unterm Weihnachtsbaum stört die Wahrheit halt nur. [….] Dann verliest der Präsident die angeblich so frohe Botschaft: Die größte Steuersenkung in der Geschichte der Vereinigten Staaten habe er in diesem Jahr durchgesetzt; Hunderttausende illegale Migranten seien abgeschoben worden; und dann natürlich noch die Zolleinnahmen – seit Januar soll der Staat mehr als 235 Milliarden Dollar kassiert haben. Was für eine schöne Bescherung also für das amerikanische Volk? Wer’s glaubt! [….] Seit Donald Trump der Welt im April den Handelskrieg erklärt hat, wirken die Zölle in den USA wie eine Konsumsteuer. Bezahlt wird diese Steuer von den Amerikanerinnen und Amerikanern, die tagtäglich einkaufen. [….]

(Alexander Mühlauer, 22.12.2025)

Der ökonomische Rücksturz in die Weltwirtschaftskrise von 1930 reicht den Kentuckiern offenbar immer noch nicht. Bei ihnen genießt Dozy Don immer noch eine Zustimmungsrate von 59%. Die Verblödung ist groß im Whiskey-Staat. Dort muss es ökonomisch offenbar noch wesentlich weiter bergab gehen, bevor die Red Necks begreifen, was MAGA bei ihnen anrichtet. Aber da bin ich sehr optimistisch. Trump wird es sicher gelingen, die USA weiter in die Katastrophe zu schieben.

Sonntag, 21. Dezember 2025

Falsche Familie

Der sehnsüchtig herbeigesehnte Familienzusammenhalt, das Nachtrauern der angeblich früher so intakten Großfamilien, als die Generationen noch zusammenstanden, ist allumfassend. Kaum ein Begriff wird so positiv konnotiert, wie „Familie“ und dementsprechend politisch so ausgeschlachtet.

Die US-Republikaner verstehen sich als Partei der „family values“ und ebenso wird in Deutschland alles, das in den Augen Konservativer negativ ist, als „familienfeindlich“ gebrandmarkt: Scheidung, Feminismus, Queere, Singles, Kinderlose.

AfD und CDUCSU propagieren wieder die Hausfrau, wollen Herdprämien zahlen; Tradwife-Accounts boomen in den sozialen Medien.

Ich behaupte, die so verklärte heile Großfamilie „von früher“ war ein Produkt finanzieller Zwänge und Unfreiheit. Die Zeit, die Merz sich zurücksehnt, ist noch nicht so lange her. Es ist die Zeit, als meine Mutter Kinder bekam.

Einen Job annehmen oder ein Bankkonto eröffnen, durfte eine Frau nach unserem deutschen Grundgesetz damals nur, wenn ihr Mann zugestimmt hatte.

Es war die Zeit, als es bei Scheidungen noch das Schuldprinzip gab und der Ehemann nicht nur das Recht auf Beischlaf hatte, sondern es höchstrichterlich Frauen angekreidet wurde, wenn sie die Merz so gefallenden straffreien Vergewaltigungen in der Ehe, nur geschehen ließen. Nein, der Ehemann hatte sogar das Recht darauf, daß sein Weib ihm dabei Vergnügen vorspielt.

(….) Der Bundesgerichtshof hatte am 02.11.1966 mit unserem Grundgesetz eine Bumspflicht für die Frau festgelegt. Dabei genügte es nicht, wenn die Frau wie ein Brett dalag und sich nicht gegen den Geschlechtsverkehr wehrte, sondern sie hatte nach Ansicht der höchsten Richter auch die Pflicht zu einem „engagierten ehelichen Beischlaf“, anderenfalls könnte sie bei einer Scheidung nach dem damaligen Schuldprinzip schuldig gesprochen werden und damit alle weitere Rechte – Erziehungsberechtigung, Unterhalt – verlieren. Kinder weg und Geld weg, wenn Frau beim Bumsen keine Begeisterung zeigte.

  [….]  „Die Frau genügt ihren ehelichen Pflichten nicht schon damit, dass sie die Beiwohnung teilnahmslos geschehen lässt. Wenn es ihr infolge ihrer Veranlagung oder aus anderen Gründen (...) versagt bleibt, im ehelichen Verkehr Befriedigung zu finden, so fordert die Ehe von ihr doch eine Gewährung in ehelicher Zuneigung und Opferbereitschaft und verbietet es, Gleichgültigkeit oder Widerwillen zur Schau zu tragen. Denn erfahrungsgemäß vermag sich der Partner, der im ehelichen Verkehr seine natürliche und legitime Befriedigung sucht, auf die Dauer kaum jemals mit der bloßen Triebstillung zu begnügen, ohne davon berührt zu werden, was der andere dabei empfindet. (...) Deshalb muss der Partner, dem es nicht gelingt, Befriedigung im Verkehr zu finden, aber auch nicht, die Gewährung des Beischlafs als ein Opfer zu bejahen, das er den legitimen Wünschen des anderen um der Erhaltung der seelischen Gemeinschaft willen bringt, jedenfalls darauf verzichten, seine persönlichen Gefühle in verletzender Form auszusprechen.“  [….] 

(BGH, 02.11.1966 - IV ZR 239/65)   (….)

(Tot durch Kleiderbügel, 14.05.2022)

Die Familie mit einem Vater, der seine Gattin vergewaltigte und die Kinder verprügelte, blieb schon deswegen so schön intakt, weil die Hausfrau finanziell vollständig von ihm abhängig war und in enorme Not geriet, wenn sie ihn mit den Kindern verließ. Zudem wurden Frauen, die sich scheiden ließen, gesellschaftlich mehr geächtet als gewalttätige Ehemänner. Hunderttausende Kinder wurden aus toxischen Ehehöllen fliehenden Frauen weggenommen und in christliche Heime gesteckt, in denen sie systematisch geschlagen, gequält und vergewaltigt wurden.

In meiner Grundschulklasse gab es ein Mädchen mit ADHS (den Begriff kannten wir damals natürlich nicht), die daher als „ungezogen“ galt. Ich erinnere mich an einen Disput auf dem Pausenhof, als unsere Klassenlehrerin Corinnas Frechheiten auf ihre „Unehrlichkeit“ zurückführte. Ich trat für sie ein, beschwor, noch nie von Corinna belogen worden zu sein. Unsere Lehrerin klärte mich über ein Missverständnis auf, Corinna sei nicht „unehrlich“, sondern „unehelich“, was noch viel schlimmer sei.

Das war der Mindset in den 1970ern. Sogar im liberalen Hamburg. Von einem katholischen bayerischen Dorf ganz zu schweigen.

Auch wenn sich der Fritzekanzler und die CDUCSU stets gegen Liberalsierungen des Familienbildes aus den 1950ern, 1960ern und 1970ern wehrten, „zerbrach“ die aus ihrer Sicht so heile Familie: Männer dürfen sich nicht mehr ungestraft an ihren Kindern und Frauen vergreifen, Kinder sollen gewaltfrei aufwachsen, Frauen dürfen Berufe ausüben und man darf sich rechtzeitig scheiden lassen, bevor es zu Mord und Todschlag kommt.

Schon früh bekämpfte ich den Begriff „gescheiterte Ehe“, wenn es um die Scheidung meiner Eltern ging. Ja, sie hatten sich getrennt, bevor ich in die Grundschule kam, aber es war für beide die große Liebe ihres Lebens mit zehn sehr glücklichen Jahren zusammen. Sie waren beide schwer begeistert von ihren Kindern und ich habe einen Vater in Erinnerung, der nur für uns da war. Er kam jeden Sonntag zum gemeinsamen großen Frühstück. Meine Mutter guckte ab 12.00 Uhr den „Internationalen Frühschoppen“, während Kinder und Vater den Rest des Tages für sich hatten.

Es ist für mich geradezu der Inbegriff der „erfolgreichen Ehe“, beide blieben bis zu ihrem Tod eng miteinander befreundet, hatten allerdings jeweils andere Partner.

Als beide Elternteile schließlich zu kränklich waren, um sich allein zu versorgen, kaufte ich für drei Haushalte ein. Auf dem REWE-Parkplatz sortierte ich die Fressalien in drei verschiedene Körbe in meinem Gepäckraum und fuhr zunächst zu meinem Vater, weil es da am schnellsten ging, ihm alles abzuliefern. Anschließend sauste ich zu meiner Mutter, die üblicherweise dann am Telefon hing, weil mein Vater sie angerufen hatte, nachdem ich bei ihm wegfuhr, um zu berichten, was ich gekauft hatte und sich detaillierte Koch- und Zubereitungstipps zu holen.

Das konnte dauern, weil er langsam verstand. Einmal, als ich sie nicht vom Telefon loseisen konnte, hatte ich schon alles in ihren Kühlschrank eingeräumt und in der Vorratskammer verstaut, als sie schließlich mit rauchendem Ohr aus dem Schlafzimmer kam… „DEIN Vater!“, woraufhin ich entgegnete „ihr seid ja sowieso immer am Telefon miteinander, wenn ich komme. Da könntet ihr mir das Leben erheblich leichter machen, wenn er einfach wieder hier einzieht.“

Gute Idee, malte ich es mir weiter aus. Das spart enorm und ich könnte in seine Wohnung einziehen und mir die Miete für meine Wohnung schenken.
Aber mittlerweile hatte ihr Gesicht eine ungesund grüne Farbe angenommen; nein, sie werde ihn ja immer lieben, aber bevor sie wieder mit ihm eine Wohnung teile, hüpfe sie gleich hier aus dem Küchenfenster (6. Stock Altbau).

Tatsächlich lebt man nämlich lieber nicht mit jemanden zusammen, wenn es nicht unbedingt finanziell notwendig ist. Es sind die unerschwinglichen Mieten und die Wohnungsnot, die viele Twens zwingen, bei ihren Eltern zu bleiben oder WGs zu bilden.

In Hamburg sind deswegen mehr als die Hälfte Wohnungen Single-Haushalte, weil wir eine reiche Stadt sind, in der wir es uns leisten können, allein zu wohnen.

Je reicher der Stadtteil, desto mehr Singlewohnungen, oder sehr große Häuser, in denen man sich aus dem Weg gehen kann. Je ärmer und prekärer die finanzielle Lage, desto mehr Menschen werden auf einen Quadratmeter gezwängt. 

Man teilt sich nicht mit drei erwachsenen Brüdern ein halbes Zimmerchen in einer 54qm-Zweieinhalbzimmerwohnung, weil man so gern zu sechst als Familie zusammenlebt, sondern weil es billiger ist, als jedem den individuell gewünschten Raum zu geben.

Heute lebt ein Mensch in Deutschland durchschnittlich auf 55 m2.

Es ist ein Zeichen von Wohlstand und individueller Freiheit.

1950 waren es 15 m2, 1960 schon 20 m2.

Mehr Einzelhäuser statt Wohnungen und immer mehr Flächenverbrauch je Einwohner, sind aber nicht nur Ausweis von Freiheit, sondern ein ganz erhebliches energetisches/klimatisches Problem.

Wir werden uns zukünftig wieder viel enger zusammenfügen müssen. Vereinzelt wagten es schon grüne Kommunalpolitiker, immer neue Baugenehmigungen und Flächenerschließungen für Einzelhäuser in Frage zu stellen. Das ist sachlich absolut richtig, führt aber unweigerlich zu Shitstorms und Abwahl.

Singles wollen eben nicht mehr zurück in den Familienverband gepresst werden, wenn sie einmal die Wonnen der völligen Freiheit genossen haben.

Zu Weihnachten werden die Klischees von Gemeinsamkeit und Großfamilienglück wieder unweigerlich durchgekaut. Da dürfen auch die krokodiltränigen Berichte über die bedauerlichen Leute, die am Heiligabend allein sind, nicht fehlen. Von der ganz hohen moralischen Warte aus, werden wir bedauert.

[….] Wie die stille Nacht nicht einsam wird [….] Weihnachten feierlich mit der Familie, Silvester ausgelassen mit Freunden feiern - soweit das Klischee. Die Realität sieht jedoch für Millionen Menschen anders aus. Sie sind allein. Doch noch ist Zeit, das zu ändern. [….] Wie schwierig Feiertage für einsame Menschen sein können, hat Christian Fein am eigenen Leib erlebt. Der Unternehmensberater hat die bundesweite Initiative "Keinerbleibtallein" gegründet. Diese bringt Menschen zusammen, die Weihnachten und Silvester nicht allein sein möchten. Geboren wurde die Idee aus der eigenen Not heraus: Christian Fein hatte sich 2016 kurz vor Weihnachten von seiner damaligen Frau getrennt und deshalb vor dem Alleinsein an den Feiertagen Respekt.  Um nicht in ein Loch zu fallen, suchte er via Twitter Gleichgesinnte, mit denen er Weihnachten virtuell in Kontakt treten konnte. Über die Aktion vernetzte Fein mehrere Tausend Menschen. Dadurch ermutigt, beschloss er, Menschen nicht nur virtuell, sondern auch real zusammenbringen zu wollen - über die Plattform "Keinerbleibtallein". Denn: wirkliche Wertschätzung gebe es nur im echten Leben, ist der 40-Jährige sicher. [….]

(Tagesschau, Sandra Biegger, 21.12.2025)

Fuck you, Biegger! Ich freue mich das ganze Jahr auf die Weihnachtstage, an denen ich ganz in Ruhe gelassen werde, niemand anruft und ich machen kann, was ich will. Da will ich ganz bestimmt keine Leute treffen!

Samstag, 20. Dezember 2025

Wenn C-Politiker die Hand aufhalten

Nun ist es ohnehin die Nemesis der deutschen Politik, daß gelbe, braune und schwarze Politiker käuflich sind und daher eher die Positionen der am besten zahlenden Lobbyisten umsetzen, statt das zu tun, was für Deutschland optimal wäre.

Der Bundestag wird dabei nicht etwa nur von 900 Lobbyisten mit Hausausweisen unterwandert, sondern regelrecht überrannt. Rund 25.000 Personen sind im Lobbyregister eingetragen, mehrere hundert Lobbyverbände mit Millionen-Budgets im Bundestag akkreditiert, um Einfluss zu kaufen.

[….]  Für den Deutschen Bundestag haben mehr Lobbyisten einen Hausausweis als das Parlament Abgeordnete hat. Doch deren Arbeit läuft nicht sehr transparent ab. Dafür wurde das Lobbyregister geschaffen. Regelverstöße werden mit hohen Geldstrafen geahndet.

Egal ob Finanzbranche, Wirtschaft oder Autoindustrie: Sie alle versuchen mit Millionenaufwand und Hunderten Lobbyisten, Einfluss auf Gesetze im Bundestag zu nehmen. Das ist nicht illegal, war aber lange sehr intransparent. Immer wieder forderten deshalb nicht nur Korruptionsexpertinnen und -experten, sondern auch Politikerinnen und Politiker strengere Vorgaben für Lobbiysten.

Dass es eines Lobbyregisters bedarf, zeigte beispielsweise im März 2021 die Maskenaffäre der beiden Bundestagsabgeordneten Nikolas Löbel (CDU) und Georg Nüßlein (CSU) sowie des bayerischen Landtagsabgeordneten und ehemaligen bayerischen Justizministers Alfred Sauter (CSU). Sie sollen sich während der Corona-Pandemie bei der Beschaffung von Masken persönlich bereichert haben, indem sie Ankäufe vermittelt und dafür Provisionen erhalten haben. Der Bundesgerichtshof sah den Vorwurf der Bestechlichkeit bei Nüßlein und Sauter nicht erfüllt. Auch Löbel durfte seine Provision behalten.

Den entscheidenden Schub für die Schaffung eines Lobbyregisters lieferte aber bereits 2020 die Causa Philipp Amthor. Der CDU-Politiker hatte für das US-Unternehmen „Augustus Intelligence“ lobbyiert und im Gegenzug Aktienoptionen erhalten. Seit dem 1. Januar 2022 ist nun das Lobbyregister in Kraft.  [….]

(Deutschlandfunk, 04.05.2023)

Besonders effektiv sind die Lobbyisten mit den richtigen Adressbüchern. Daher werden vorzugsweise Ex-Politiker gekauft; ganz unabhängig von ihrer Kompetenz. Das Paradebeispiel dafür ist Friedrich Merz, der kaum die ökonomischen Grundbegriffe begreift, aber Millionen bei Blackrock verdiente, weil er als Ex-Fraktionschef die Türen zu allen CDUCSU-Ministerien öffnen konnte.

[…] Lobbyregister zeigt: Jeder neunte Abgeordnete ist jetzt Lobbyist

[…] Vom Vertreter des Volkes zum Vertreter von Lobby-Interessen: ZDF-Recherchen zeigen erstmals, wie viele Bundestagsabgeordnete und ihre Mitarbeitenden von ihrer politischen Tätigkeit in den Lobbyismus gewechselt sind. […] Erfasst sind auch Mitarbeitende von Fraktionen und Ministerien sowie Mitarbeitende in der Bundesverwaltung wie Botschafter oder Abteilungsleiter in Ministerien, die in den vergangenen fünf Jahren zu Lobbyisten wurden. Es geht den Recherchen zufolge um insgesamt 565 Personen, darunter 73 Bundestagsabgeordnete. […] "Die früheren Abgeordneten, das waren Parteikollegen, das heißt, da ist eine große Vertrauensebene da", sagt Sarah Schönewolf, Sprecherin der Organisation Abgeordnetenwatch.

Das machten sich Lobbyverbände zunutze, sagt sie: "Diese Vertrautheit macht den Zugang für Unternehmen sehr viel einfacher."

    Deswegen kaufen sich diese Unternehmen eben die ehemaligen Abgeordneten, um diese Vertrautheit zu haben.

Sarah Schönewolf, Abgeordnetenwatch

[…] Wirtschaftsministerin Katherina Reiche (CDU) war bis einen Tag vor ihrer Vereidigung selbst im Lobbyregister eingetragen, für eine Tochtergesellschaft des Energiekonzerns E.ON. Digitalminister Karsten Wildberger hingegen ist noch heute eingetragen, für den CDU-nahen Lobbyverband Wirtschaftsrat der CDU.

Damit gehört Wildberger zu einer Gruppe von mindestens 68 Abgeordneten und Mitarbeitenden, die trotz aktueller politischer Tätigkeit zugleich im Register als Lobbyisten eingetragen sind. […] Fast 40 Millionen Euro gebe die Finanzlobby für Einfluss auf die Politik aus, so Frank Bethmann (ZDF). […] Nicht alle Lobby-Organisationen sind für das Ringen um politische Aufmerksamkeit gleich ausgestattet: Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft e.V. (GDV) etwa hat in seinem letzten Geschäftsjahr 15,3 Millionen Euro für Lobbyarbeit im Bundestag bezahlt und liegt so mit großem Abstand auf Platz eins. […] Mit viel Geld lassen sich auch viele Lobbyisten bezahlen: Schließt man auch diejenigen ohne Drehtüreffekt ein, hat der Digitalverband Bitkom mit 210 Personen am meisten im Repertoire. Für den Fahrgastverband Pro Bahn zum Beispiel sind es fünf Personen. […] (ZDF, 15.07.2025)

Wer kein Geld hat, um sich einen Lobbyverband zu leisten – Pflegebedürftige, Migranten, Kranke – wird auch nicht gehört in Berlin.

So weit, so bekannt.

Neu sind aber die Schamlosigkeit und Konsequenzenlosigkeit.

Unfassbarerweise amtieren Kulturstaatsminister Weimer, Mauschelministerin Reiche und sogar Multimillionär Jens Spahn immer noch, mussten nicht zurücktreten, obwohl sie ungeniert ihren politischen Einfluss meistbietend verkaufen.

Es gibt keinerlei Scham mehr. Im Gegenteil; einer der einflussreichsten EU-Politiker brüstet sich vor TV-Kameras damit, die Lobbywünsche „eins zu eins“ umzusetzen.

[….] Der EVP-Vorsitzende und stellvertretende Parteivorsitzende der CSU, Manfred Weber, appelliert am Rande des CSU-Parteitages im Interview mit dem Fernsehsender phoenix an die Sozialdemokaten im EU-Parlament, dem offenbar neuen Vorschlag der EU-Kommission zur Änderung des Verbrenner-Aus zuzustimmen: "Lasst uns das bitte gemeinsam abschließen, in der Mitte Mehrheiten finden." Den neuen Gesetzesentwurf würde die EU-Kommission am Dienstag verkünden, so Weber. Angesprochen auf die Kritik von CSU-Chef Söder, dass eine Zulassung von zehn Prozent Verbrennern nach 2035 nicht weit genug ginge, erwidert Weber, dass man mit dem neuen Vorschlag "eins zu eins die Position der deutschen Autoindustrie" umsetzen wolle. Dies decke sich mit der Forderung des Verbandes der Automobilindustrie, so der EVP-Chef. "Wenn die deutsche Autoindustrie zufrieden ist, dann sollte auch Politik zufrieden sein."  [….]

(phoenix, 13.12.2025)

Das sollte an sich schon ein Grund für Weber sein, sofort zurück zu treten; sich in Schimpf und Schande aus der Politik zu verabschieden.

Noch übler wird es aber, weil sich der korrupte Bayer an Natur und Zukunft versündigt, indem er sich ausgerechnet in den Dienst der größten Versager-Lobbyorganisation VDA stellt, die erwiesenermaßen durch massive Fehleinschätzungen und Managerversagen, die deutsche Autoindustrie ruiniert. Einen winzigen Hoffnungsschimmer gibt es aber: Der VDA, an den sich Weber intensiv klammert, ist so offensichtlich verblödet, daß nicht nur alle Experten die Daumen senken, sondern sein internationaler Einfluss, trotz der willigen CSU-Lobbyhuren rapide sinkt.

[…] Die Abkehr vom Verbrenner-Aus ist schlecht fürs Klima. Aber der Kompromiss zeigt: Die deutsche Autolobby hat nicht mehr viel Macht in Brüssel. […] In diesen turbulenten Zeiten ist es beruhigend, sich auf eine Konstante verlassen zu können: Die deutsche Autoindustrie kann weitgehend die Position der Bundesregierung bestimmen. Kanzler Friedrich Merz (CDU) und sein Finanzminister Lars Klingbeil (SPD) setzten sich in Brüssel dafür ein, das Verbot für Neuzulassungen von Verbrennern ab 2035 zu kippen. Damit waren sie erfolgreich: Die EU-Kommission schlug am Dienstag vor, dass die Autohersteller den CO2-Ausstoß ihrer Neuwagenflotten nur um 90 statt 100 Prozent reduzieren müssen. Das ist eine schlechte Nachricht für den Klimaschutz, aber es gibt auch eine gute: In Berlin kann die deutsche Autolobby zwar weiter die Muskeln spielen lassen – aber in Brüssel wird ihr langer Arm zunehmend kraftlos.

Denn Spanien, Frankreich, Skandinavien, die Niederlande sowie ihre heimischen Lobbygruppen sind gegen Rückschritte. Ihre Unternehmen sind auf dem Weg Richtung Elektromobilität weiter, bauen kleinere, billigere Autos und sind weniger auf den Export angewiesen. Gelockerte Klimavorgaben würden sie für zukunftsgerichtetes Denken bestrafen: Weltweit wächst der Anteil der verkauften E-Autos, sie sind effizienter und machen unabhängig von Ölimporten. […]

An den sinkenden Gewinnen der Autokonzerne war nie das Verbrenner-Aus schuld. Es sind die chinesischen Hersteller, die den deutschen Platzhirschen in China und weltweit den Rang ablaufen. Ihre Batterien sind besser, ihre Preise niedriger. Indem die deutsche Autoindustrie noch die letzten Profite aus ihrem Verbrennergeschäft pressen will, verbaut sie sich und ihren Beschäftigten die Zukunft.

In den meisten EU-Ländern weiß man das, auch die IG Metall begrüßt den Vorschlag der Kommission. Klartext aus Berlin würde den Vorständen in München, Stuttgart und Wolfsburg guttun. […]

(Jonas Waack, 20.12.2025)

Freitag, 19. Dezember 2025

Klappt-nicht-Kaskade

Das haben wir ja alle noch im Ohr; „Klempner der Macht“ und „Sie können es nicht!“ Im Austeilen, aus der Bequemlichkeit der Opposition, war Merz immer ganz groß. 70 Jahre Schimpfen von der Seitenlinie, ohne selbst je Verantwortung zu übernehmen.

Nun waren die wenigsten von uns schon mal Bundesminister und Bundeskanzler. Ich, zum Beispiel, habe überhaupt noch nie eine Industrienation regiert.

Dennoch weiß ich aber, daß Kanzler keine absolutistisch regierenden Monarchen sind, sondern eingebettet in Koalitionen, die Mehrheitsverhältnisse in Bundesrat und Bundestag, innerparteiliche Befindlichkeiten, landsmannschaftliche Eifersüchteleien, internationale Erfordernisse, EU-Regeln, massive Lobbyeinflüsse und unendlich viele Sachzwänge – alles andere als frei entscheiden.

Basta-Kanzler geht nur selten und nur, wenn man über breite Mehrheiten, Autorität und Kompetenz verfügt. Das liegt in der Natur unserer parlamentarischen Demokratie und wird, angesichts der Zerfaserung unserer Parteienlandschaft und der wegbrechenden globalen Sicherheiten, immer extremer.

Das versteht auch jeder.

Außer einem. Fritze Merz checkt das ganz offenkundig immer noch nicht und denkt, als Kanzler lebe er so eine Art Wünsch-dir-was-Traum, in dem er jeden pampig anmachen kann und nur zackig Forderungen stellen braucht, die ihm sofort erfüllt werden.

Immer häufiger verfolgt ihn aber diese lästige Realität, die ihm dann beim Überholen kräftig in seinen knochigen Sauerländer Hintern tritt.

Daß man sich kümmern muss, Allianzen zu schmieden hat, für seine Vorhaben werben sollte, alle Details kennen müßte, während man dicke Bretter bohrt, scheint Hoppla-jetzt-komm‘-ich-Merz nach wie vor unbekannt zu sein.

Daher holte er sich in 24 Stunden gleich drei kräftige Arschtritte: Mercosur-Pleite, keine Freigabe der russischen Milliarden und Kramp-Karrenbauer ante portas.

Merz kann es einfach nicht!

[….] Eigentlich sollte das EU-Abkommen mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten am Samstag unterzeichnet werden. Doch nach dem EU-Gipfel ist klar: Daraus wird nichts. [….] Die Verschiebung des EU-Handelsabkommens mit den südamerikanischen Mercosur-Staaten sorgt in der deutschen Wirtschaft für Kritik. "Die erneute Verschiebung ist ein Rückschlag für Europas Glaubwürdigkeit als geostrategischer Akteur", sagte Tanja Gönner, Hauptgeschäftsführerin des Bundesverbands der Deutschen Industrie (BDI). [….] Auch für den Verband der Automobilindustrie (VDA) ist die Verschiebung eine "schlechte Nachricht". Die EU sende in Zeiten, in denen eine starke europäische Wirtschaft entscheidend sei, ein Zeichen der Schwäche und setze ihre Glaubwürdigkeit aufs Spiel, kritisierte VDA-Präsidentin Hildegard Müller. Die Welt warte nicht auf Europa. "Die Automobilindustrie in der EU ist heute stärker denn je auf eine Verbesserung des Marktzugangs in Drittländern angewiesen."

Die EU-Staats- und Regierungschefs hatten auf ihrem Gipfel entschieden, den eigentlich für diesen Samstag geplanten Abschluss des EU-Freihandelsabkommens mit vier Mitgliedsländern des Staatenbunds Mercosur zu verschieben. [….]

Die neue Freihandelszone mit mehr als 700 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern wäre nach Angaben der EU-Kommission die weltweit größte dieser Art und soll auch ein Zeichen gegen die protektionistische Zollpolitik von US-Präsident Donald Trump setzen.   […..]

(Tagesschau, 19.12.2025)

Mit der Methode Brechstange schoss sich der Fritzekanzler selbst ins Aus. Er kann keine Sozialpolitik, er kann keine Finanzpolitik, er kann keine Wirtschaftspolitik und Außenpolitik erst recht nicht.

Was für ein Desaster für Europa!

Noch blamabler wirkt sich aber die Merzsche Desaster-Affinität bezüglich der 200 russischen Milliarden Euro in Belgien aus. Hier erlitt er totalen Schiffbruch; das russische Vermögen bleibt eingefroren. Nun muß Deutschland wieder einmal ein Fritze-Versprechen kassieren und 70 Milliarden Euro gemeinschaftliche Schulden aufnehmen. 

Carsten Volkery vom konservativen Handelsblatt schlackern die Ohren bei so  viel Merz-Unfähigkeit. 

[….]  Bundeskanzler Friedrich Merz war mit klaren Ansagen zum EU-Gipfel nach Brüssel gereist. Zwei Schicksalsentscheidungen für Europa mussten aus seiner Sicht getroffen werden: der Handelsdeal mit den Mercosur-Staaten und das Reparationsdarlehen für die Ukraine

Berlin warnte die anderen Europäer: Wenn das Mercosur-Abkommen mit dem südamerikanischen Staatenbund nicht diese Woche unterzeichnet werde, wäre es „tot“. Und sollte sich der Gipfel nicht darauf einigen, das russische Vermögen für ein Reparationsdarlehen für Kiew zu nutzen, wäre dies „das Ende Europas“. Eine Alternative zu diesem Plan gebe es nicht.

Nach dem Gipfel ist festzuhalten: Die zackigen Ansagen aus dem Kanzleramt haben ihre Wirkung verfehlt. Denn erst beschlossen die Regierungschefs, die Unterzeichnung des Handelsabkommens mit den Mercosur-Staaten auf Januar zu verschieben. Das setzte Italiens Ministerpräsidentin Giorgia Meloni durch, weil sie die vereinbarten Schutzklauseln für Landwirte ihrem Parlament erklären will. Merz musste es akzeptieren, weil ihm ohne Meloni die nötige Mehrheit fehlte.  Danach verwarfen die Regierungschefs auch noch den Plan mit dem Reparationsdarlehen und beschlossen stattdessen einen „Plan B“, den es laut Kanzleramt gar nicht gab. […..]

(Handelsblatt, 19.12.2025)

Was Merz anfasst, stirbt.

Und zu Hause, in seinem Land, in seiner Partei?

[….] Niederlage ohne Not

Die neue Vorsitzende der Konrad-Adenauer-Stiftung heißt Annegret Kramp-Karrenbauer. Dass dieser Umstand dem Bundeskanzler als Niederlage ausgelegt wird, liegt auch in seiner Verantwortung. [….]

Annegret Kramp Karrenbauer hat es geschafft. [….] Unter normalen Umständen wäre das eine Meldung unter vielen. Nicht groß der Rede wert. Doch die Umstände sind nicht normal, und das hat auch viel mit dem diplomatischen Gespür des Bundeskanzlers zu tun.

Merz hatte sich zuvor öffentlich für Unions-Fraktionsvize Günter Krings ausgesprochen, obwohl er wusste, dass Annegret Kramp-Karrenbauer auch um das Amt kandidiert. Er hätte ohne Zweifel weitere Komplikationen vermeiden können. Warum hat Merz nicht die Kandidatur seiner alten Konkurrentin begrüßt und sich auf ihre Seite geschlagen? Oder sich neutral verhalten? Das hätte vieles einfacher gemacht. Doch Merz, der 2018 bei der Stichwahl um den Parteivorsitz gegen AKK den Kürzeren zog, weigerte sich, die Widersacherin von einst zu unterstützen. [….]

(Torben Lehning, ARD Berlin, 19.12.2025

Ein sagenhafter Lauf des Versagens.

[…] Friedrich Merz geht angeschlagen in die Weihnachtspause. Nach einer Schlappe in Brüssel hat der Kanzler und CDU-Chef am Freitagnachmittag in Berlin gleich die nächste Niederlage eingefahren. Die Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) hat die ehemalige CDU-Chefin und Ex-Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer an ihre Spitze gewählt. Damit ist der Bundestagsabgeordnete Günter Krings, den Merz dort platzieren wollte, durchgefallen. Und das nicht einmal knapp. Für AKK, wie Kramp-Karrenbauer in der Partei meist genannt wird, stimmten 28 der KAS-Mitglieder, für Krings 21. Es gab eine Enthaltung.

Damit ist Merz’ Autorität erneut angeschlagen. Dass es in der CDU-nahen Stiftung zum ersten Mal überhaupt zu einer Kampfabstimmung um den Vorsitz gekommen ist, hat viel mit Merz’ schlechter Kommunikation und dem miesen Prozessmanagement zu tun. Der Kanzler hatte Krings den Job versprochen, sich dann aber nicht darum gekümmert, die Mehrheiten für den eigenen Kandidaten zu organisieren. Und er trug auch niemand anderem auf, dies zu tun. Lange war es, wie zu hören ist, sogar unbekannt, dass Merz überhaupt einen Kandidaten hat.  [….]

(Sabina am Orde, 19.12.2025)