Montag, 13. Februar 2023

Noch mehr Verlierer der Berlin-Wahl.

 

Verliererin des gestrigen Abends war Franziska Giffey, die extrem demütigend ihren Neuköllner Wahlkreis verlor und sichtlich schockiert von dem Ergebnis ihrer SPD war. Verloren haben auch ihre Koalitionspartner Grüne und Linke. Die CDU gewann Prozentpunkte, verlor aber Koalitionsoptionen; die FDP verlor, indem sie mit 4,6% aus dem Parlament flog und auch die AfD verlor, weil sie aus dem katastrophalen Ansehen der „Altparteien“ nicht mehr Honig saugen konnte.

Verlierer ist sogar Markus Söder, der sich als rechtspopulistischer Demokratiefeind zeigte – mal wieder.

[….] CSU-Chef Markus Söder hat schon am Montagmorgen angesichts des CDU-Wahlsiegs in Berlin scharfe Kritik an einer möglichen rot-grün-roten Regierung in der Hauptstadt geübt: „Es wäre tatsächlich ein Umdrehen des Wahlergebnisses, eine grobe Missachtung der Demokratie“, sagte er am Rande einer Reise nach Rumänien und Albanien. Die Äußerung erregte heftigen Unmut bei einem Experten.

„Das ist ein ungeheuerlicher Satz“, sagte der Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke dem Sender n-tv. SPD, Grüne und Linke hätten nicht nur eine Mehrheit, sondern auch schon vor der Wahl ihren Willen zum Fortsetzen der Koalition bekundet. Diese Koalition sei „das Normalste der Welt“. Söders Äußerung hingegen spiele „Populisten“ zu. „Es hat immer wieder den Fall gegeben, dass die stärkste Partei nicht in der Lage war, eine Koalition zu bilden“, betonte von Lucke - so etwa Helmut Kohls CDU 1976.  [….]

(Merkur, 13.02.23)

Das ganze politische Berlin besteht aus einer Ansammlung von Verlierern.

 Dem möchte ich heute noch zwei besondere Loser hinzufügen.

Da ist erstens DER SPIEGEL, der sich von der klassischen Demoskopie abwendete und nun nahezu täglich die Resultate ausschließlich online gewonnener Civey-Daten veröffentlicht. Eifrig verweist DER SPIEGEL dabei auf die überlegene Civey-Methodik, die in der Tat überzeugend klingt.

Zwei Tage vor der Berliner Landtagswahl verkündeten die Hamburger:

[….] Wahl in Berlin: CDU und SPD laut Umfrage fast gleichauf, Grüne fallen zurück!

Die Umfrage sieht die Linkspartei bei elf Prozent, die AfD bei neun Prozent. Die FDP wäre mit sieben Prozent erneut im Abgeordnetenhaus vertreten. […]

(SPON, 09.02.2023)

Beeindruckend klare Zahlen. Allerdings mit einem kleinen Schönheitsfehler: Sie sind völlig falsch. Die Wahl hatte einen ganz anderen Ausgang.

Da ist zweitens der FDP-Spitzenkandidat Sebastian Czaja, der immer im Schatten seines älteren und prominenteren Bruders Mario, dem CDU-Generalsekretär steht. Mario Czaja kann bereits auf all das verweisen, das man von einem Berliner CDU-Gewächs erwartet: Lobbymauscheleien mit dubiosen Spendervereinen, Abgreifen von sechsstelligen Nebeneinkünften, selbstverständlich Betrug mit seinem akademischen Grad und Kontakte zu rechtsradikalen Burschenschaften unterhielt er auch. Klar, daß so einer in der Hauptstadt-Union schnell aufsteigt. Mit 24 Jahren Einzug in das Abgeordnetenhaus, mit 36 Jahren Berliner Senator und mit 46 CDU-Generalsekretär.

Sebastian, *1983, und Mario, *1975, wuchsen kleinbürgerlich in Berlin-Mahlsdorf auf.

Nach Angaben des CDU-Bundestagsabgeordneten Christian Alexander Freiherr von Stetten, sind die Czajas mit dem rechtsradikalen, revanchistischen Vertriebenenfunktionär Herbert Czaja (1914-1997, von 1970 bis 1994 Präsident des Bundes der Vertriebenen) verwandt.

Sebastian litt darunter immer im Schatten seines älteren und erfolgreicheren Bruders zu stehen, wie er selbst ganz offen bekundet.

[….] Zwar bestätigen die Brüder, man habe ein gutes Verhältnis, sehe sich ab und zu bei den Eltern, die in jenem Haus in Mahlsdorf wohnen, in dem sie aufgewachsen sind. Doch selbst nach dem Wahlerfolg vermieden es beide, gemeinsam in einem Fernsehstudio zu sitzen. Früher schauten sich die Brüder oft nicht mal an, wenn sich ihre Wege im Abgeordnetenhaus kreuzten.  [….]

(Tagesspiegel, 05.10.2016)

Genauso konservativ, wie sein Bruder, strebte er schon als Teenager eine rechte Funktionärskarriere an und engagierte er sich zunächst in der CDU: Mitglied von 1999 bis 2005, 2001/02 Kreisvorsitzender der Jungen Union Marzahn-Hellersdorf, sowie  stellvertretender Landesvorsitzender der Schüler-Union Berlin. Da es schwer war, in der großen Partei an seinem acht Jahre älteren Bruder vorbei zukommen, wechselte er, strategisch geschickt, 2005 zur sehr viel personalärmeren FDP und wurde dort aus dem Stand Vorsitzender der FDP-Fraktion in der Bezirksverordnetenversammlung Marzahn-Hellersdorf. Für den 20-Jährigen ging es dann steil bergauf: 2006 bis 2011 und 2016 bis 2023 Abgeordneter im Berliner Abgeordnetenhaus, 2015 bis 2020 Generalsekretär der FDP Berlin, 2016, 2021 und 2023 FDP-Spitzenkandidat der Abgeordnetenhauswahl, 2016 FDP-Fraktionsvorsitzender, 2018 stellvertretender Vorsitzenden der FDP-Fraktionsvorsitzendenkonferenz, 2020 stellvertretender Landesvorsitzender.

Sebastian Czaja kämpft verbissen für den Autoverkehr, räumte eigenhändig die Sperren in der prominenten Friedrichstraße ab. Genauso engagiert er sich für steinreiche Immobilienbesitzen und kämpft dementsprechend gegen den 2021er Volksentscheid.

[….] Berliner stimmen mehrheitlich für Enteignung von Wohnungskonzernen

Jubel bei den Initiatoren des Volksbegehrens zur Enteignung großer Wohnungskonzerne in Berlin: Am Sonntag haben ausreichend Berlinerinnen und Berliner ihre Zustimmung für die Initiative gegeben. Damit ist nun der künftige Senat am Zug.  Die Berlinerinnen und Berliner haben sich für die Enteignung großer Wohnungskonzerne ausgesprochen. 56,4 Prozent der Wähler stimmten am Sonntag in einem Volksentscheid dafür, 39,0 Prozent lehnten das Vorhaben ab, wie die Landeswahlleitung am Montagmorgen mitteilte.  Gleichzeitig wurde das nötige Mindestquorum für die Zustimmung von einem Viertel der Wahlberechtigten erreicht. Damit ist der Berliner Senat laut Beschlusstext nun aufgefordert, "alle Maßnahmen einzuleiten", die zur Überführung von Immobilien in Gemeineigentum erforderlich sind, und dazu ein Gesetz zu erarbeiten. […]

(RBB, 27.09.2021)

Purer Satanismus für einen Hepatitisgelben. Von so viel Sozialem ist der FDP-Mann schwer genervt.

[…] „Deutsche Wohnen & Co enteignen“ hat es mit fadenscheinigen Argumenten und fragwürdigen Mitteln womöglich geschafft, die notwendige Anzahl an gültigen Unterschriften zu sammeln. Dabei streuen Sie den Menschen Sand in die Augen. Dass die Ausgaben von 36 Mrd. Euro unsere Stadt in den finanziellen Ruin führen, verschweigen die Aktivisten.“ [….]

(Sebastian Czaja, Vorsitzender der FDP-Fraktion)

Aus Protest gegen dieses Übermaß an Demokratie, engagiert sich FDP-Czaja als Co-Gründer gemeinsam mit Vizepräsidenten des Immobilienverbandes Deutschland IVD, Jürgen Michael Schick, im Vorstand von LIR für raffgierige Vermieter und gegen Mietpreisbremsen.

Die Liberale Immobilienrunde (LIR) ist der Sprachkanal für eine liberale Immobilienwirtschaft. Die LIR stellt sich den komplexen Themen der gebauten Umwelt, diskutiert um die besten Lösungen für lebenswerte Räume, die die Gemeinschaft fördern, Menschen inspirieren und den Unternehmergeist fördern.

(LIR e.V.)

Während in Berlin die explosionsartig steigenden Mieten und der katastrophale Wohnungsmangel das Aufregerthema sind, mit Czaja als Spitzenkandidaten auf einen Immobilienhai-Lobbyisten zu setzen, war nicht so schlau.

Während die Berliner Czaja-FDP am 26. September 2021 mit 7,1% gleich 12 Sitze holte, rauschte sie gestern mit 4,6% und Null Sitzen ins Parlamentarische Aus.

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