Mittwoch, 9. September 2020

Linkes Störfeuer.


Raus aus der NATO, keine Waffenexporte mehr, keine Kriegseinsätze, Distanz zur Trump-Administration – das sind zunächst einmal sympathische Forderungen, die im linken Lager breiten Anklang finden.
Je lauter man darauf pocht, desto zufriedener die Parteibasis.

In der Praxis, der „Realpolitik“ also wird es dazu aber nicht kommen, weil es für die kurzfristige Umsetzung eine absolute Mehrheit der Linken bräuchte, die auch nicht entfernt in Sicht ist.
Wer wie Grüne oder SPD schon in der Bundesregierung Verantwortung trägt oder trug, weiß daß der Austritt aus der NATO einerseits ein sehr langer, umständlicher und teurer Prozess wäre und daß man zudem auch noch jeden Einfluss auf die westliche Verteidigungspolitik verlöre.

Selbst Pazifisten in einer pazifistischen Partei wie den Grünen wissen nach den Genozid-Versuchen und Massakern an den 10.000 Bosniaken in Srebrenica 1995 und den rund 5000 Jesiden in Sindschar 2014, daß man in solchen Extrem-Situationen mit friedlichen Mitteln keine Leben retten kann.
Der IS vertrieb zwar 400.000 Menschen in einem „ethnic cleansing“ aus dem Sindschar-Gebirge, aber die schwer bewaffneten und kampferprobten Soldaten der kurdischen Volksverteidigungseinheiten (YPG) konnten im August 2014 mindestens 10.000 vom Daesh eingekesselten Jesiden das Leben zu retten, indem sie einen Korridor freischossen und hielten.
Gelingen konnte das unter anderem auch durch die deutschen Waffenlieferungen an die YPG.
Natürlich ist der laxe Waffenexport wie ihn Merkel an alle Kriegsparteien gleichzeitig und insbesondere an menschenrechtsantagonistische Regime praktiziert ein moralisches Verbrechen.
Aber so kaputt und bestialisch wie die Welt nun einmal ist, kann es auch keine Option für reiche Nationen sein einfach wegzugucken, wenn die Rohingya in Myanmar, die Tutsi in Ruanda oder die Kurden in Syrien abgeschlachtet werden.

NATO-Austritt und totaler Waffenexportstopp sind also nicht nur ohnehin in keiner Koalition durchsetzbar, sondern auch nicht sinnvoll.
Sicher ist nur, daß eine Partei wie die Linke aus der Opposition gar keinen Einfluss auf die Waffenexportpolitik und militärische Auslandseinsätze nehmen kann.

Eine pazifistischere Politik lässt sich nur wirklich durchsetzen, wenn erstens das Kanzleramt nicht mehr von einem CDU/CSU-Amtsinhaber besetzt wird und wenn zweitens pazifistische Minister dem Bundessicherheitsrat angehören.

Unglücklicherweise arbeitet derzeit nur die SPD für einen RRG-Koalition.
Die Grünen setzten eindeutig auf einen CDU- oder CSU-Kanzler und die Linke macht eine Links-der-Mitte-Mehrheit mit Putin/Maduro-Freundlichkeit unwahrscheinlich.
Das Querfront-Ehepaar Lafontaine-Wagenknecht ist ein großes Problem. Nach ihrem Mann warf auch sie ihr ganzes Gewicht in die Waagschale, um  für Nord-Stream-II zu werden. Wieder einmal ziehen die beiden Linken lieber mit der AfD an einem argumentativen Strang, statt auch nur einen Zentimeter auf die SPD zuzugehen.

 [….] Die frühere Fraktionsvorsitzende Sahra Wagenknecht erklärte gegenüber der "Neuen Osnabrücker Zeitung", wer mit Verweis auf Nawalny ein Aus für die Erdgas-Pipeline Nord Stream 2 fordere, müsse alle anderen Rohstofflieferanten Deutschlands nach den gleichen Kriterien bewerten und auch da Konsequenzen verlangen. "Alles andere ist Heuchelei."
Wagenknecht betonte, einen Oppositionspolitiker mit dem Nervengift Nowitschok zu vergiften, sei ein abscheuliches Verbrechen. "Aber selbst wenn der Kreml dafür verantwortlich sein sollte (wofür es bisher keine Belege gibt), ist es auch nicht abscheulicher, als Oppositionelle zu köpfen oder zu Tode zu peitschen, wie es in Saudi-Arabien, von dem wir Öl beziehen, gängige Praxis ist. Es ist auch nicht abscheulicher, als unschuldige Zivilisten mit Drohnen zu zerfetzen, wie es die Vereinigten Staaten, die uns ihr Fracking-Gas liefern, in weit mehr als tausend Fällen getan haben." […..]

Lafo und Wagenknecht sind intelligent genug, um zu wissen, was nach diesen Äußerungen unweigerlich folgt:
Ihrer Partei wird wegen der außenpolitischen Ideologie die Regierungsfähigkeit abgesprochen. Wieso legen sie es immer wieder so darauf an das herauszustreichen?

Der ewige parteiinterne Widersacher und einzig noch prominentere Linke Gregor Gysi macht es leider nicht besser, indem auch er darauf herumreitet was seine Partei von Grünen und SPD trennt, welche unüberwindbaren Hindernisse es für RRG gäbe, statt seine Attacken auf CDU, CSU, FDP und AfD zu richten.

[…..] In den vergangenen Tagen […..] gelang Gregor Gysi das Kunststück, eine rot-rot-grüne Koalition nach der Bundestagswahl 2021 sowohl wahrscheinlicher als auch unwahrscheinlicher zu machen. Unwahrscheinlicher, weil er mit seinen Verschwörungsspekulationen all jenen eine Steilvorlage lieferte, die die Linke immer noch für eine unverbesserliche Partei der Putinfreunde und Autokratenversteher halten.
Gysi hatte nämlich behauptet, der russische Präsident Wladimir Putin könne überhaupt kein Interesse an einer Vergiftung des Oppositionspolitikers Alexej Nawalny haben, stattdessen spekulierte er laut und deutlich über eine Verschwörung von Pipelinegegnern. Diese Haltung entspricht nicht der Linie der Führungsgremien in Partei und Fraktion, und einige Mitglieder haben sich auch schnell davon distanziert. Der kommunikative Schaden für das rot-rot-grüne Projekt war trotzdem immens. Zumal Gysi ja nicht mehr nur Gysi ist, sondern neuerdings auch außenpolitischer Sprecher. […..]  Eine deutsche Gerechtigkeitspartei für die moderne Arbeitswelt - das wäre eine Marktlücke, in der sich vielleicht auch Wahlen gewinnen ließen.
Solch eine Linke hätte Deutschland dringend nötig. Eine Partei, die aus falsch verstandener Solidarität Despoten unterstützt, braucht dagegen kein Mensch. […..]

So wie Oskar Lafontaine schon 1999-2005 als bezahlter Knecht der braunschwarzen perfiden, xenophoben, lügenden BILD mit aller Kraft gegen RotGrün kämpfte, um der CDU wieder an die Macht zu helfen, sind es heute Größen der LINKEn, die als Helfer der Konservativen die Chancen für RRG niedermachen, statt lieber Gemeinsamkeiten zu suchen.

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