Die heutige SPIEGEL-Titelgeschichte über die Probleme der Katholiban triggerte mich so, daß ich sie gleich nach dem gestrigen Erscheinen online las, weil ich es nicht abwarten konnte bis das Heft in meinem Briefkasten lag.
[…..] Deutschlands Katholiken fallen vom Glauben ab. Der Muff von tausend Jahren vertreibt mehr Gläubige aus der katholischen Kirche als je zuvor. Doch die alten Männer an der Spitze wehren sich gegen Reformen. Wie soll das gut gehen? […….]
(Die SPIEGEL-Titelstory, 21.05.2021 DER SPIEGEL 21/2021)
Es ist mein Leib- und Magenthema und so freut es mich besonders, wenn viel Aufmerksamkeit auf den Exodus gelegt wird.Die Autoren Felix Bohr, Annette Langer, Christian Parth und Alfred Weinzierl gaben sich viel Mühe und stellen in ausführlichen 5.900 Worten das existentielle Drama vor. Massenaustritte der deutschen Katholiken, Desillusionierung der engagiertesten Gemeindemitglieder, öffentlicher Glaubwürdigkeitsverlust und vielleicht am Schlimmsten für die Amtskirche: Der dramatische Nachwuchsmangel in den Priesterseminaren, der die Anzahl der Pfarreien noch schneller schrumpfen lässt, als es die der Mitgliederverlust nötig macht.
Ich konnte schnell durch den Text fliegen, weil darin nichts steht, das mir als Kirchen-Interessierten neu wäre.
Synodaler Weg, Maria 2.0 und schwule Katholiken sind
enttäuscht von Bergoglio, weil der doch keine Reformen zulässt. Gähn; das
merken die jetzt?
Das kann man schon seit acht Jahren auf diesem Blog nachlesen.
Ganz richtig stellt auch DER SPIEGEL fest, wie problematisch ein zentralistisches System einer absoluten Wahlmonarchie ist. Schwule, Verheiratete und Frauen auf der Kanzel mögen zwischen Kiel und Passau gut ankommen, aber dafür fallen alle Afrikaner in Ohnmacht.
[…..] Aus mitteleuropäischer Sicht ist
dieser Starrsinn schwer nachzuvollziehen. Im Vatikan jedoch hat man das große
Ganze im Blick, mithin die Befindlichkeit und den tiefen Glauben von
Abermillionen Katholiken in anderen Erdteilen. Würde man sie zwangsläufig
verlieren, wenn man zu große Zugeständnisse an die Reformer etwa in Deutschland
machte? Wäre ihnen die Segnung gleichgeschlechtlicher Partnerschaften zu
vermitteln?
Der Mainzer Priesteranwärter Deick berichtet von Gaststudenten in seinem
Seminar, etwa aus Nigeria, denen die Debatten um Modernität völlig fremd seien.
»Katholikentagsdiskussionen«, meint Erzbischof Marx, »kennt man in anderen
Ländern so nicht.« [….]
(DER SPIEGEL, 22.05.2021)
Warum eigentlich, wenn der Frust der Mitglieder auf unmoderner Sexualmoral und rigider römischer Führung beruht? Dafür haben die Autoren nur einen Nebengedanken übrig, der offensichtlich aus der Gedankenwelt der ewig-gestrigen Dunkelkatholiken übernommen wurde.
[….] Die evangelische Kirche ist da kein gutes Vorbild. In einer Zeit, in der die großen Fragen des Daseins auch von Coaches, Therapeuten oder anderen Lebensoptimierern beantwortet werden, ist die Selbstsäkularisierung des Protestantismus so weit fortgeschritten, dass dieser von vielen für irrelevant und entbehrlich gehalten wird. Anders sind die ähnlich hohen Austrittszahlen aus der evangelischen Kirche kaum zu erklären. [….]
(DER SPIEGEL, 22.05.2021)
Dabei wird aber vergessen, daß RKK und Protestanten1.500 Jahre eine Kirche waren, die sich genau dieselbe Bibel teilen. Die Ideologie beider Kirchen ist derselbe Mist.
das Glaubensgerüst von sprechenden Schlangen, Sklaverei, Frauenentrechtung, Antisemitismus, Toten, die vom Grab aufstehen und in den Himmel fliegen, sowie einem eifersüchtigen Rachegott, der keinerlei anderen Religion neben sich duldet und aus Frust die gesamte Fauna des Planeten bis auf ein Paar jeder Rasse ermordete Der Gott, der achselzuckend zusieht, wenn Christen sechs Millionen Juden im KZ vergasen, täglich 20.000 Kinder an Hunger elend krepieren lässt und auch offensichtlich als Allmächtiger keinerlei Anlass sieht einzugreifen, wenn seine Priester massenhaft und überall auf der Welt kleine Kinder vergewaltigen.
Die gesamten 5.900 Worte der SPIEGEL-Titelstory sind ausschließlich aus der Lamento-Perspektive der frommen Kirchenfreunde geschrieben. Durchgehendes Motiv ist ein großes Bedauern über den Bedeutungsverlust der Kirchen, über ihre schrumpfende Macht.
Es gipfelt in der Feststellung, Deutschland könne gar nicht auf Kirchen verzichten.
[….] Deutschland ohne die katholische Kirche, das ist nicht nur spirituell schwer vorstellbar, es wäre auch praktisch schwierig. Allein im Erzbistum Köln betreibt sie 664 Kitas und Kindergärten, 282 Heime, 366 Büchereien und 43 Krankenhäuser. Vieles von dem, was an sich zur Daseinsvorsorge des Staates gehört, leisten die Kirchen, die katholische wie die evangelische. Zum Teil jahrhundertealte Verträge garantieren beiden Institutionen Macht, Autonomie – und per annum mehr als eine halbe Milliarde Euro aus der Bundeskasse. Diakonie und Caritas sind nach dem Staat die größten Arbeitgeber im Land. [….]
(DER SPIEGEL, 22.05.2021)
Diese Feststellung ist in ihrer Unvollständigkeit falsch. Denn Caritas und RKK sind fast immer nur rechtliche Träger der sozialen Einrichtungen. Sie bezahlen aber natürlich nicht den Unterhalt.
Kitas, Schulen und Altenheime „der Kirche“ werden zu nahezu
100% auch jetzt schon vom Staat finanziert.
Bund und Bundesländer gliedern gern soziale Einrichtungen an kirchliche Träger
aus, weil dann die Arbeitsschutzbestimmungen und Tarifverträge nicht mehr
gelten. Caritas-Angestellte verdienen weniger und dürfen nicht streiken.
Willkommen in der wunderlichen Welt des „kirchlichen Arbeitsrechts“, in dem das
Grundgesetzt nicht immer gilt.
Angestellte werden nicht gegen Diskriminierung geschützt und können entlassen werden, wenn sie sich scheiden lassen oder – GOTT BEWAHRE – als lesbisch oder schwul zu erkennen geben.
Ich behaupte, die Kölner 664 Kitas und Kindergärten, 282 Heime, 366 Büchereien und 43 Krankenhäuser könnten sogar besser ohne kirchliche Träger betrieben werden, weil es mehr Arbeitssicherheit gäbe, die Bezahlung besser würde, Mitarbeiter nicht diskriminiert werden dürften und endlich auch Juden, Atheisten, Muslims, Hindus eingestellt werden könnten. Bisher werden durch die Caritas- und Diakonie-Dominanz in vielen Teilen Deutschlands, insbesondere in NRW und Bayern viele junge Migranten, die sich für den Beruf als Altenpfleger interessieren, gleich abgeblockt, weil sie in ihrem Bundesland ohnehin nie eingestellt würden. Ein absoluter Wahnsinn in den Zeiten massiven Personalmangels.
In den 5.900 Worten des Artikels fehlt ein Gedanke – WIEDER EINMAL – vollkommen: Der Bedeutungsverlust der RKK ist gut und richtig!
Man sollte dafür werben, daß er noch schneller von statten geht und nicht bedauern, wenn Menschen austreten.
Christlicher Glaube und Religiosität sind eine Frage von Intelligenz und Bildung. Je höher der Bildungsgrad einer Nation, desto kleiner der Anteil der Gläubigen.
Das gilt selbstverständlich auch für Teilbereiche einer
Nation.
In den frommen USA gibt es kaum gläubige Universitätsdozenten, aber 99% der
Gefängnisinsassen sind religiös. Weltweit vergleichende Metastudien haben klar einen
Zusammenhang von IQ und Glauben belegt.
Die Länder mit dem geringsten Einfluss der Kirchen sind auch die Friedlichsten und Glücklichsten. Nirgendwo gibt es so wenig Kriminalität, so viel Wohlstand und eine so glückliche Bevölkerung wie in den säkularisierten skandinavischen Ländern. Genau das sind auch die Länder mit den höchsten Sozialausgaben, die als erste die Ehe für alle erlaubten, die liberale Drogenpolitik betreiben, Frauen als erste gleichberechtigten und keiner verklemmten Sexualmoral anhängen.
Je mehr Macht und Mitglieder die Kirchen haben, desto gewalttätiger ist das Land, desto mehr Kriminalität gibt es und desto unglücklicher sind die Menschen. USA, Mittelamerika, Afrika - da gibt es noch die mächtigen Kirchen und große Teile der Bevölkerung haben gar keine soziale Absicherung, sind ungebildet; es wird gemordet.
Das ist auch in sich logisch, da Religionen eine exkludierende „Wir-sind-besser-als-die“-Botschaft vermitteln. Wir, „die Gemeinschaft“, die etwas Besseres ist, weil alle Mitglieder auf Linie sind und die alleinseligmachende Gottheit auf ihrer Seite haben.
Nächstenliebe und Fernstenhass bedingen sich. Die wahren Gläubigen fühlen sich moralisch den Anders- und Nichtgläubigen überlegen. Da fallen Hemmschwellen. Mord und Gewalt sind umso einfacher zu rechtfertigen, wenn man Gott auf seiner Seite hat und einen Missionsauftrag zu erfüllen hat. Je religiöser das Land, desto mehr Krieg.
Nirgendwo gibt es mehr Gläubige als im Heiligen Land.
Es fragt sich nur, ob man lieber im Gazastreifen oder Dänemark leben möchte. Lieber im frommen Westjordanland oder im säkularen Schweden?
In Deutschland ist bereits die Hälfte der Menschen so klug, sich der christlichen Ideologie zu verweigern. Aus 5.900 Worten hätte ich gern wenigstens einen Satz gebildet, der es würdigt aus einem Verein mit einer derartigen 2.000-Jährigen Kriminalgeschichte ausgetreten zu sein. Das ist eine sehr begrüßenswerte Entwicklung.
Wer ist eigentlich der Adressat der Titelgeschichte?
Die engagierten Katholiken in den aufmüpfigen Initiativen? Wohl kaum; die
wissen das selbst.
Die reaktionären Dunkelkatholiken, die alle Reformen
ablehnen?
Wohl kaum, die lesen nicht den SPIEGEL.
Die Indifferenten, die keine Meinung zur Kirche haben?
Wohl kaum, denn die lesen sich nicht in so einen langen Text ein.
Die Mehrheit der Nichtkonfessionellen allerdings wohl auch nicht, denn wir sind dem Autorenteam keine Zeile wert.
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