Mittwoch, 12. Mai 2021

Kein Mitleid.

 Durch die 97 liberalen politischen Informationsseiten, die in ich den verschiedenen sozialen Medien abonniert habe, schwappt gerade eine Solidaritätswelle mit der republikanischen Kongressabgeordneten Liz Cheney.

In unzähligen Memes wird ihr Antlitz zusammen mit ihrem Widersacher Kevin McCarthy gezeigt, während man auf gefordert wird zu „liken“.


I stand with her; do you?

Raise your hands for Liz.

Please support her.

 Was ist da los?  Nun, Liz Cheney, 54, ultrakonservative GOPerin aus dem ultrakonservativen Wyoming und Tochter der ultrakonservativen Parteiikone Ex-Vizepräsident Dick Cheney war formal als Republican Conference Chairwoman (Vorsitzende der Republikanischen Konferenz) im Repräsentantenhaus in der Rangordnung ihrer Fraktion die drittmächtigste Republikanerin nach Fraktionschef Kevin McCarthy und dem republikanischen Whip Steve Scalise.

Die Juristin und ehemalige FOX-Newskommentatorin kann man nach den vor 2017 geltenden Maßstäben selbst für US-Verhältnisse als extrem rechts bezeichnen. Sie kämpft trotz ihrer lesbischen Schwester Mary verbissen gegen die Ehe für alle, lehnt Sozialleisten ebenso wie eine allgemeine Krankenversicherung, Cannabisfreigabe oder Einschränkungen beim Waffenrecht kategorisch ab. Sie ist eine lobbyhörige Kämpferin für Kirchen und Superreiche. Cheney schreckt auch vor Verschwörungstheorien nicht zurück und trat schon bei Frank Gaffneys „Center for Security Policy“ (SPLC) als Rednerin auf. Das SPLC ist eine rechtsextremistische Hategroup, die Barack Obamas Staatsbürgerschaft in Frage stellt, sowie gegen Schwule und Muslime hetzt.

Wieso soll man diese Frau auf einmal mögen und unterstützen?    Das ist ganz einfach; seit 2017 wurde die GOP von einer extrem konservativen Lobbypartei in einen verschwörungstheoretischen Trump-Kult transformiert, in dem es strikt untersagt ist jemals die Wahrheit zu sagen oder irgendeine konstruktive Politik zu betreiben.

Einziger Daseinszweck der GOP ist im Jahr 2021 dem debilen Soziopathen Mar A Lago mit der orangen Schminke den Hintern zu küssen.    Wer sich weigert alles seine Überzeugungen über Bord zu werfen, jede Selbstachtung, Ehre und Verfassungstreue zu zertreten, wird gnadenlos weggemobbt.  Immerhin legen auch die meisten GOPer von heute beachtliche Speichelleckerqualitäten an den Tag.


So hatte Trump Ted Cruz‘ Frau Heidi als „ugly“ bezeichnet, seinen Vater Rafael bezichtigt am Kennedy-Mord beteiligt zu sein und nannte Ted Jahrelang nur „Lügen-Ted“. Der so Angesprochene schluckt es tapger wie die kleine Lindsey Graham und pilgert regelmäßig zum ausführlichen Arschlecken nach Florida.





Und hier liegt das Problem der (ehemaligen) Republican Conference Chairwoman; Liz ist zwar rechts genug für jede Ungerechtigkeit, aber sie schafft es einfach nicht so wie Lindsey und Ted vor Trump zu kriechen. Schlimmer noch, sie weigert sich regelrecht über den Ausgang der US-Präsidentschaftswahl von 2020 zu lügen und nennt daher auch den blutigen versuchten Coup vom 06.01.2021, der zum zweiten Trump-Impeachment führte, „illegal“.   Ihr Selbstbewußtsein speist sich offenbar noch so stark aus ihrer Familie, daß sie unfähig ist ihr Rückgrat durch ein flexibles Gummiband zu ersetzen.

Im Trump-Todeskult wird ihr ein solches Verhalten natürlich als Ketzerei ausgelegt.

Man erinnert sich an Giordano Bruno, der vor vierhundert Jahren weigerte anzuerkennen, daß die Sonne sich um die Erde dreht und dafür vom Heiligen Offizium unter Clemens VIII. verurteilt wurde. Alle seine Werke und Schriften wurden verboten, zerrissen und verbrannt. Bruno selbst, der schlicht und ergreifend die Wahrheit gesagt hatte wurde vor dem Vatikan am 17. Februar 1600 auf dem Campo de’ Fiori auf dem Scheiterhaufen hingerichtet.

Der Vergleich ist nicht so weit hergeholt, denn auch Trump-Kritiker müssen durchaus um ihr Leben fürchten. Trumps Capitol-Mob forderte mehrere Todesopfer; darunter zwei Polizisten. Diesen Mordmob zu kritisieren fällt aber unter die republikanische Omertà. Cheney verstößt dagegen und wurde heute dafür aus ihrem Amt entfernt. Trump hatte seine Daumen gesenkt und sofort exekutierten seine Jünger im Kongress den Befehl.

[…..] Ihren Chefposten ist die Abgeordnete nun also los […..] Direkt im Anschluss an die Fraktionssitzung trat Cheney vor die Medien, um ihre Kritik an Trump zu wiederholen. "Wir können uns nicht gleichzeitig zur großen Lüge und zu der Verfassung bekennen", sagte sie in Anspielung auf Trumps Mär vom Wahlbetrug. Sie kündigte an, "alles zu tun, was ich kann", um zu verhindern, dass Trump je wieder ins Weiße Haus einziehe. […..]  Nach dem Verlust ihres Amts in der Führung der Fraktion droht ihr im kommenden Jahr nämlich auch der Rauswurf aus dem Repräsentantenhaus. Bereits bringen sich in ihrem Bundesstaat Wyoming, in dem Trump sehr beliebt ist, eine Reihe von Herausforderern in Stellung, die Cheney in der republikanischen Vorwahl schlagen wollen.  Unterstützt werden sie dabei von Trump und seinem Umfeld. Der abgewählte Präsident meldete sich im Anschluss an die Absetzung Cheneys mit einer Medienmitteilung aus seinem Exil in Florida zu Wort, in der er Cheney "als verbitterten, schrecklichen Menschen" bezeichnete. Die Abgeordnete sei schlecht für die Republikanische Partei. An der Basis sehen das viele ähnlich. Laut einer vom Webmagazin Politico veröffentlichten Umfrage halten 50 Prozent der republikanischen Anhänger Cheneys Absetzung für richtig, nur 18 Prozent sind dagegen. […..]

(Alan Cassidy, 12.05.2021)

Lügen und Kriminalität sind nun offiziell Bedingungen für ein politisches Amt in der GOP.

Sie lassen Staatsstreiche und Angriffe also nicht nur achselzuckend geschehen, sondern haben aktiv daran teil.

 

[…..] Eine der beiden großen Parteien, die diese Demokratie eigentlich tragen sollten, ist gefangen in einer Parallelwelt aus Lügen, politischer Niedertracht und Selbstbetrug. Liz Cheney hat es gewagt, diese Lügen beim Namen zu nennen. Sie hat ihre eigene Partei dafür kritisiert, dass sie weiterhin Trumps Illusion folgt, die US-Präsidentenwahl sei »gestohlen« worden. Deshalb muss sie gehen.   Es ist wie in George Orwells Jahrhundertwerk »1984«: Die Wahrheit wird von Trump und den Republikanern auf den Kopf gestellt. »Krieg ist Frieden. Freiheit ist Sklaverei. Ignoranz ist Stärke«, heißt es bei Orwell. Im Fall Liz Cheney könnte man sagen: Die Gauner erklären sich selbst für unschuldig und die Unschuldige wird zur Gaunerin abgestempelt.  Donald Trump, der machthungrige, rachsüchtige alte Mann, zieht bei diesem makabren Stück hinter den Kulissen die Fäden. Seine Gefolgsleute im Kongress sind aber nur zum Teil willenlose Marionetten. Viele von ihnen wissen genau, dass sie einer Lüge folgen. Sie tun dies allein, um ihre eigenen Karrieren zu retten. [….]

(Roland Nelles, 12.05.2021)

Die Sorge um die US-Demokratie wirkt nun noch akuter.

Aber wir wußten schon lange um die Dysfunktionalität des Wahlsystems und die andauernden Attacken der rechtsextremen Republikaner auf demokratische Regeln. Sie werden nicht nur jeden schmutzigen Trick, sondern auch jede illegale Methode verwenden, um demokratische Wahlergebnisse auszuhebeln.   Auf Bundesstaatenebene arbeiten Republikaner eifrig daran Minderheiten, Armen und People of Color das Wahlrecht zu entziehen.   Jede noch so kleine Hoffnung auf rudimentäre Funken des Anstands in der GOP ist verloren.

Die Demokraten werden die „Midterms“, als die Kongresswahlen von 2022 nicht gewinnen, indem sie einfach die Mehrheit der Stimmen bekommen. Sie haben durch das Wahlsystem ohnehin einen 10%-Nachteil und müssen die Republikaner deutlich schlagen um zu gewinnen. Umgekehrt genügt Republikanern eine Stimmenminderheit, um zu siegen - siehe GWB 2000 und Trump 2016.

Der verbitterte Kampf der GOPer gegen Bidens Wahlsieg trotz sieben Millionen Stimmen Vorsprung, zeigt daß die Demokraten 2022 nur mit einem Erdrutschsieg auch im Parlament eine Mehrheit bekommen.

Ich weigere mich aber meine Hände zum Applaus für Cheney zu heben, sie als Heldin zu feiern.  Auch sie hat vier Jahre Trump im Kongress unterstützt und eine bürgerfeindliche Politik durchgedrückt. Nur weil sie einmal die Wahrheit sagt, muss ich sie nicht sofort unterstützen.   Auch mit Liz Cheney entwickelte sich die GOP zu dieser dysfunktionalen, destruktiven, debilen Kraft.  Daß ihre Nachfolgerin als Vorsitzende der Republikanischen Konferenz nun stramme Trumpistin ist, die fest in seinem Mastdarm hockend niemals ein kritische Wort über den Gott der GOP fallen lassen wird, ist meiner Ansicht nach eher ein weiterer Sargnagel für die Partei.

Das könnte die letzten konservativen Wähler, die in der Realität leben von der Wahlurne treiben.

[…..] Geht es einem weiteren Veteranen der Republikaner wegen Ex-Präsident Donald Trump nun an den Kragen? Es scheint so, denn die Republikaner von Weber County haben sich auf einem Parteitag (Weber County Republican Convention) klar gegen ihn und pro Trump positioniert. Das scheint vor allem den früheren Präsidenten über alles Maßen zu freuen, in einem Statement bejubelte der ehemalige US-Präsident die Entscheidung.  Im Fokus steht der langjährige Parteianhänger und Utah-Senator Mitt Romney. […..] Für einige Republikaner hat Mitt Romney nahezu Königsverrat begangen, als er sich auf die Seite derer stellte, die für ein Impeachment von Donald Trump stimmten. Dafür bekam er nun öffentlich eine Rüge vonseiten der Weber County Republican Convention. […..] In einem Statement feierte Trump die Strafe für seinen sein Widersacher Romney mit den Worten: „Nachdem Mitt Romney laut auf dem Parteikongress der Republikaner von Utah ausgebuht worden war, hat Utahs Weber County den RINO (Nur dem Namen nach ein Republikaner, Anm. d. Red.) Mitt Romney nun auf die schwerwiegendste Art und Weise gerügt.“ Und fügte auf seine unverwechselbare Art hinzu: Romney sei „BAD NEWS“ für die USA. […..]

(Sophia Lother, FR, 11.05.2021)


 

 

Ich habe keinerlei Veranlassung der GOP Glück zu wünschen und mir ihren Erhalt zu erhoffen.

Möge sie also durch möglichst debile Extremisten noch etwas schneller untergehen.

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