Sonntag, 1. September 2024

Impudenz des Monats August 2024

 Und schon wieder einmal zeigt der Kalender eine „1“ - hohe Zeit für mich den Blödmann des Monats zu küren.

Es gibt schon sehr viel zu schlucken, wenn an einem Impudenz-Tag, auch noch am 01. September, dem Jahrestags des deutschen Überfalls auf Polen und des Beginns des Zweiten Weltkrieges, zwei Landtagswahlen stattfinden und in beiden Ländern Faschisten Rekord-Ergebnisse feiern. Der Nazi Bernd Höcke in Thüringen sogar mit Abstand die stärkste Fraktion bildet.

Eins ist klar: Genau wie in den USA die Demokraten neun Jahre lang daran scheiterten, den Trumpismus zu bekämpfen, indem sie vor ihm warnten und darüber aufklärten, wie rassistisch und diktatorisch und menschenfeindlich die GOP agiert, scheitern auch die deutschen demokratischen Parteien mit ihrer Strategie, über den AfD-Faschismus aufzuklären. Hüben, wie drüben wissen die Wähler, was sie da wählen. Höcke stand mehrfach wegen Volksverhetzung vor Gericht, bedient sich seit Jahren sprachlich aus Hitlers „Mein Kampf“. Jeder Thüringer kennt die abscheuliche Höcke-Hetze, wie auch jeder US-Amerikaner die abscheuliche Trump-Hetze kennt.

Die „Linksgrünversifften“ glauben aber, ähnlich wie die US-Demokraten, tatsächlich an ihr „Gutmenschentum“: Sie setzen bei den Wählern soviel Moral und Humanismus voraus, daß man nicht wissentlich das Kreuz bei einem Nazi macht.

Hartnäckig wird auch heute noch; am dunkeldeutschen Tag des braunen Doppelschlages von Ossistan; beteuert, nicht alle Wähler der AfD wären rechtsradikal. Da bündele sich auch sehr viel berechtigter Protest; Unzufriedenheit mit der Ampel.

Ich sage dazu ein klares Nein! Wer Nazis wählt, muss sich Nazi nennen lassen. Es gibt keine Entschuldigung und keine Rechtfertigung dafür, GOP oder AfD zu wählen; Punkt. Nazi-Wähler darüber aufzuklären, daß ihre Lieblingspartei eine Nazi-Partei ist, hält sie nicht nur NICHT von dieser Wahl ab, sondern appelliert an ihr realitätsblindes Trotzgefühl, nun erst recht vermeidliche „Denkzettel“ zu verteilen.

Die Impudenz des Montags August 2024 sind die Ossi-Versteher.

Es muss endlich Schluß damit sein, die Braun-Wähler in den DDR-Bundesländern, als arme Opfer zu betrachten, die sich doch nur Gehör verschaffen wollten und denen daher leider nichts anderes übrig bliebe, als verbrecherische Volksverhetzer, statt demokratischer Parteien zu wählen.

Ich verweise auf eine ausführliche Reportage des Uhrenliebhabers Felix Dachsel, der vor einigen Wochen im SPIEGEL über Glashütte berichtete. Die 7.000-Einwohner-Kleinstadt im Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge ist das Paradebeispiel einer Ost-Erfolgsgeschichte. Glashütte ist das Mekka deutscher Uhrmacherkunst.

Alle wichtigen deutschen Uhrenhersteller produzieren dort, lassen Chronometer in der Wempe-Chronometerprüfstelle am Ochsenkopf nach traditionellen thüringische und sächsischen Normen prüfen, bilden dort Lehrlinge aus. Es herrscht Vollbeschäftigung, pittoreske Manufakturen wurden errichtet, die Gewerbesteuereinnahmen sprudeln, junge Leute kommen, man wird international für das Feinhandwerk bewundert.

[…..]  Made in Glashütte seit 2006

Als wir uns 2005 entschlossen, eigene Chronometer in Glashütte zu bauen, kam nur ein Ort in Frage: Wo sonst, wenn nicht in der Sternwarte, ließe sich die Zeit besser messen? Wo sonst ließen sich besser exakte Zeitmesser fertigen und prüfen? Und so restaurierten wir die zur Ruine verfallene Sternwarte und richteten dort eine Produktionsstätte für unsere eigenen Uhrenlinien unter dem Namen Wempe Glashütte i/SA ein. [….]  Erst Prüfung, dann Chronometer

Chronometer dürfen sich übrigens nur jene Uhren nennen, die ihre hohe Ganggenauigkeit in einem standardisierten Messverfahren bewiesen haben und deren Präzision durch eine offizielle Prüfstelle zertifiziert worden ist. Dafür gibt es die unabhängigen Chronometerprüfstellen, die meistens in der Schweiz beheimatet sind.

Seit Anfang 2006 ist das anders: Wempe hat in Zusammenarbeit mit dem Thüringer Landesamt für Verbraucherschutz (TLV) und Staatsbetrieb für Mess- und Eichwesen (SME) in Glashütte die einzige deutsche Prüfstelle für Armbandchronometer nach ISO-Norm aufgebaut. In zwei Punkten sind die Anforderungen nach der deutschen Norm sogar noch strenger, als jene in der Schweiz. Erstens: Ein Chronometer muss sekundengenau einstellbar sein. Und zweitens: Das Uhrwerk wird nicht separat getestet, sondern im Gehäuse montiert. [….]

(Wempe Glashütte)

Wir sprechen hier von nachhaltiger, umweltschonender Handwerkskunst auf höchsten Niveau und keinen Billig-Jobs oder umweltverpestender Chemie/Energie-Industrie.

Nirgends wurden die 1990er vollmundigen Versprechen von den „blühenden Landschaften“ so vorbildlich erfüllt. Die Einwohner aber jammern und sind unzufrieden. Glashütte ist AfD-Hochburg. Heute holte AfD-Kandidat Barth dort 40,1%.


Bei der Stadtratswahl in Glashütte am 9. Juni 2024 mit einer 76%-Wahlbeteiligung wurde die AfD klar stärkste Kraft.

Was ist bloß los mit den Ossis?

[….]  Im Wahlkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge, zu dem Glashütte gehört, holte die AfD 2017 eines ihrer ersten Direktmandate für den Bundestag. [….] Es ist nicht so, dass Menschen AfD wählen, weil ein Supermarkt schließt. Eher ist es so, dass der leere Markt ein Gefühl verstärkt, das sich seit Jahren im Tal ausbreitet: Das Leben wird komplizierter, teurer, es wird anstrengender. Die Ewiggestrigen, so bezeichnet man die Anhänger der AfD. Und übersieht, dass Gestrigsein für manche keine Beschimpfung ist, sondern eine Verheißung.

Für den Bürgermeister ist der Edeka ein Puzzle, das er unter Zeitdruck lösen muss. Der Markt schloss kurz nach seinem Amtsantritt, im April 2022. Das Gebäude war zu klein geworden für die Gewinnerwartungen von Edeka. Nur gibt es kaum Platz in diesem Tal, das macht dieses Puzzle so kompliziert. [….] In Glashütte werden manche ungeduldig, sie sind davon überzeugt, dass man Edeka enteignen müsse. Sie träumen von starker Führung. Andere schütteln den Kopf, wenn sie das hören. Diese Zeiten seien doch vorbei.

 [….] Die Gewerbesteuern sprudeln in Glashütte, im vergangenen Jahr nahm die Kommune fast 5,8 Millionen Euro ein.   [….] Der Ministerpräsident räuspert sich. »An einen ganz bezaubernden Ort mit einer großen wirtschaftlichen Kraft, mit dem Qualitätsversprechen von Jahrzehnten, fast Jahrhunderten handwerklichen Geschicks. Ein guter Ort zum Leben.« Hat er eine Erklärung dafür, dass so viele Menschen in Glashütte AfD wählen, obwohl es wirtschaftlich gut läuft? Sein Ton verändert sich. Ich stelle mir vor, wie er aufrecht auf der Rückbank seiner Limousine sitzt.

»Das eine hat doch mit dem anderen nichts zu tun. Das ist eine Ausblendung von unangenehmen Wahrheiten und Realitäten.«

Was ist denn seine Erklärung?

»Die Leute haben abgestimmt über die Migrationspolitik. Haben abgestimmt über die Bauernproteste. Die haben abgestimmt über die Frage, wie man mit dem Krieg umgeht.« [….]

(Der Spiegel, 26.07.2024)


Es muss endlich Schluß sein mit der Überbetonung der Ossi-Befindlichkeiten. Schluß mit dem Euphemismus vom „Protestwähler“. Schluß mit der Trennung zwischen bösen AfD-Parteigranden und angeblich herzensguten AfD-Wählern. Schluß mit der Normalisierung von AfD-Hetzern in Wahlsendungen und ARD/ZDF-Talkshows.

Neben BSW, AfD und der radikal xenophoben CDU, gingen dieses mal auch alle Ampelparteien im Ossi-Wahlkampf auf Mea-Culpa-Tour, küssten Höcke und Urban die Hintern, versprachen Migranten dem Kopf-Ab-Talibanregime auszuhändigen.

Wagenknecht und Weidel versprühen die verbale Nazi-Scheiße; das ist schlimm genug. Aber wie rechtfertigen CSU, CDU, FDP, SPD und Grüne eigentlich, die ihnen vor die Füße gespuckten Exkremente, begierig aufzulecken?

In der heutigen Berliner Runde – heute erstmals mit acht Partei-Generalsekretären/Geschäftsführern – gab es ein 7:1 für Abschiebung/Ausgrenzung/Xenophobie.

Einzig und allein die an der Wahlurne brutal abgestraften, im Todeskampf befindlichen Linken machten nicht mit.  

Katina Schubert war einer der wenigen Lichtblicke des Abends. Natürlich kassiert sie dafür viel Häme aus den konservativen Medien.

[…..]  Katina Schubert, Bundesgeschäftsführerin der Linken, spricht von einem "gesellschaftlichen Donnerwetter". Der AfD-Sieg in Thüringen sei "eine schlimme Herausforderung für die Demokratie". Sie halte die Migrationspolitik nicht für das größte Problem. Wenn Migranten "mal eine Stunde aufhören würden zu arbeiten", würde kaum noch etwas funktionieren. 

Die "permanente Hetze" sei "Wasser auf die Mühlen der AfD". Sie verspricht, dass die Linke "weiter gegenhalten" werde. Auch wenn es eine "rechte Abspaltung gebe", die das Gleiche erzähle wie die AfD, redet sich Schubert in Rage. "Ich würde auch nicht für die Todesstrafe sein, wenn die Mehrheit der Bevölkerung für die Todesstrafe wäre."  [….]

(Focus, 01.09.2024)

Emely Büning versuchte sich gegen die hetzende CSU-Lügenmaschine Martin Huber zu wehren; Immerhin. Aber die Grüne war verbal zu schwach, um gegen die bajuwarische Wuchtbumme anzukommen. Kevin Kühnert verteidigte leise und konzentriert den Rechtsstaat. Aber wer will das schon hören, wenn sich die rechtsradikalen Schreihälse mit immer absurderen Forderungen überbieten?

Ebenfalls ein kleiner Trost: Die katastrophale Anti-Ampel-Politik der FDP wurde brutal abgestraft. Es werden vermutlich ganz knapp über 1% in Thüringen und in Sachsen sogar klar unter 1%.

Hauptstadtstudioleiterin Diana Zimmermann stellte dem hepatitisgelben General Bijan Djir-Sarai die goldrichtige Frage: Nun hätten sie bei jeder Landtagswahl nach Eintritt in die Ampel brutal verloren und jedes Mal anschließend erklärt, daraus die Lehre zu ziehen, mehr Profil in der Regierung zu zeigen. Aber mit maximalen Profil in den letzten Monaten, als die gelbe Pest nur noch quer schoss und jeden Ampel-Fortschritt blockierte, landete man bei zwei Mal 0,x%.

Bestünde auch nur ein My Hoffnung auf winzige Krümel Restverstand beim schwefelgelben Finanzschädling, zöge Lindner nun die Konsequenz, mit der ewigen Quertreiberei aufzuhören und konstruktiv in der Ampel zu arbeiten, statt alle Kraft darauf zu verwenden, Grünen und SPD Knüppel zwischen die Beine zu werfen. Nur schade, daß die Porschepartei längst ihre Erkenntnisresistenz bewiesen hat und weiter die eigene Ampel talibanisieren wird, um die Nazis zu stärken.

Und schließlich wird die CDU aus dem heutigen Jubeltaumel noch böse auf dem Boden der Realität aufschlagen. Koalitionen mit Linken, AfD und BSW hatte die Bundes-CDU verboten.

Das wird aber bei dem Thüringer Wahlergebnis unmöglich einzuhalten sein, weil die Putin-Parteien AfD und BSW zusammen eine absolute Mehrheit haben.

[….] Trotz des „Bollwerks“ CDU hat die AfD in den beiden Bundesländern hervorragend abgeschnitten. In Thüringen ist die rechtsextreme Partei mit gewaltigem Vorsprung stärkste Kraft. In Sachsen ist sie trotz der großen Beliebtheit von CDU-Ministerpräsident Michael Kretschmer auf Augenhöhe mit der Union. Und das Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW) ist in beiden Ländern aus dem Stand problemlos zweistellig durchs Ziel gegangen.

Es ist noch keine drei Monate her, dass Merz auf die Frage, ob er bereit sei, über eine Zusammenarbeit mit Wagenknechts Bündnis nachzudenken, um AfD-Ministerpräsidenten zu verhindern, gesagt hat: „Wir arbeiten mit solchen rechtsextremen und linksextremen Parteien nicht zusammen.“ Für Frau Wagenknecht gelte beides: „Sie ist in einigen Themen rechtsextrem, in anderen wiederum linksextrem.“ Jetzt braucht die CDU ausgerechnet dieses BSW, um Regierungen bilden zu können.

Nach heftigem Protest aus den ostdeutschen CDU-Landesverbänden ist Merz zwar schnell zurückgerudert. In den vergangenen Wochen druckste er meistens herum. Zu Bündnissen mit dem BSW erklärte er nur noch, sie lägen in der Entscheidung der Landesverbände – er wolle da keine Ratschläge geben. Man darf deshalb gespannt sein, wie Merz bei seinem Auftritt an diesem Montag das Thema umschiffen wird.

Es ist ja schwer zu erklären, warum die CDU Koalitionen mit dem pragmatischen Linken Bodo Ramelow bisher kategorisch ausschließt, Koalitionen mit dem Bündnis der ehemaligen Kommunistischen-Plattform-Chefin aber nicht. Die CDU-Spitze wird in Zukunft neue Antworten auf Koalitionsfragen geben müssen. Und dass die AfD des rechtsradikalen Björn Höcke in Thüringen stärker geworden ist als CDU und SPD zusammen, kann Merz auch nicht kaltlassen. […..]

(Robert Roßmann, SZ, 01.09.2024)

Merz muss – wieder einmal – alle seine Prognosen und Versprechen brechen. Nichts war es mit der Halbierung der AfD. Nichts wird es mit der BSW-Ausschließeritis.

Noch nicht mal CDU, SPD und BSW zusammen erreichen in Thüringen die 45-Stimmen-Mehrheit.

Merzens Landes-CDU muss nach dem BSW gleich die zweite Kröte schlucken und auch mit der Linken zusammenarbeiten. Das wird viele erzkonservative CDU-Wähler auf die Palme bringen.

Die einzige rechnerische Alternativen für Doktortitel-Schummler Voigt ist eine CDU-AfD-Koalition auf Augenhöhe mit den Höcke-Nazis. Auch das wird Merz im Westen in enorme Schwierigkeiten bringen.

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