Freitag, 4. Oktober 2024

Die China-Autos

Ampelbundeskanzler ist ein Job aus der Hölle. Diejenigen, die die Scheiße verbockt haben, die man den ganzen Tag auslöffeln muss, schreien hysterisch am Spielfeldrand rum und werden für das Nachäffen realitätsuntauglicher xenophober AfD-Parolen mit der demoskopischen Zuneigung des Urnenpöbels belohnt. Warum wollte Olaf Scholz sich das bloß antun? 

Ich verstehe natürlich, wieso Netanyahu und Trump Regierungschef sein wollen. Sie sind beide so durch und durch kriminell, daß sie ohne die Immunität des Regierungschefs mit hoher Wahrscheinlichkeit bald in den Knast kommen. Aber Scholz ist eine ehrliche Haut. Er muss gar nicht Regierungschef sein und könnte ohne diesen beruflichen Klotz am Bein, mit sehr viel weniger Arbeit und weniger Stress, viel mehr Geld verdienen.

Aber er wollte es ja selbst so. Völlig unverständlich. Und nun muss er in dieser medialen General-Verschiss-Welt leben, in der jede noch so moderate Regierungskritik zum „MEGA AMPEL DESASTER“ hochgehypt wird, während all die von der Regierung überraschend gut gelösten Probleme (Umstellung auf erneuerbare Energien, niemand musste im Winter frieren, 49-Euro Ticket, Strompreisbremse, etc) keinerlei Erwähnung finden. Olaf Scholz wird inzwischen noch unfairer als Roth, Lang und Baerbock behandelt; von der versammelten Hauptstadtpresse verbal zum „Urnengift“ niedergeprügelt.

Aus Sicht der allermeisten Journalisten kann er es gar nicht richtig machen. Egal was er tut; sie verlangen das Gegenteil. Besonders gern werden Machtworte und Gebrauch seiner Richtlinienkompetenz von ihm verlangt. Er solle sich durchsetzen und Führungsstärke zeigen. Aber wehe, er tut das tatsächlich, indem er bei schwelenden gelb-grünen Streitereien klar vorgibt, wie es laufen soll. Dann ist es natürlich auch wieder nicht richtig und wird als Ampeltotenglöckchen interpretiert, wenn Scholz auf diese Weise durchgreift und einen der beiden kleineren Koalitionspartner desavouiert.

So geschehen heute beim Abstimmungsverhalten Deutschlands zu den Strafzöllen auf chinesische E-Autos.

Wir erinnern uns – die deutsche Automobilindustrie verlor durch katastrophale Managementfehler den technischen Anschluß an die Weltspitze und ist nun zu doof, um die benötigten Autos zu bauen. Was VW nicht kann, gelingt aber durchaus in Asien und den USA.

[…..] Wird Deutschland die EU-Strafzölle auf chinesische E-Autos unterstützen? Kanzler Scholz scheint entschlossen zu handeln. Das dürfte Habeck und Baerbock missfallen.

 Es ist ein wichtiger Knackpunkt, der am Freitag in der EU zur Debatte steht. Dann soll nämlich eine Abstimmung unter Vertretern der EU-Staaten zu Strafzöllen auf E-Autos aus China stattfinden. […..] Werden Hersteller, die in China produzieren und von dort in die EU exportieren, ab Anfang November mit Zusatzzöllen bestraft? […..] Es ist ein Konflikt, der schon lange zwischen China und der EU schwelt – und der jetzt auch für Ärger in Deutschland und dort speziell innerhalb der Ampel-Koalition sorgt. Wie die Deutsche Presse-Agentur nun berichtet, will die Bundesregierung am Freitag in Brüssel nämlich gegen die Strafzölle der EU auf chinesische Elektroautos stimmen. Um das durchzusetzen, wolle Kanzler Olaf Scholz (SPD) gar von seiner Richtlinienkompetenz Gebrauch machen, hieß es. […..] Notwendig wurde dies offenbar, da es hinter den Regierungs-Kulissen durchaus Ärger um die Abstimmung gegeben haben soll. SPD und FDP sollen sich mit ihrem Nein zu den Strafzöllen gegen die Grünen gestellt haben. Scholz, Finanzminister Christian Lindner und Arbeitsminister Hubertus Heil sollen dabei auch mit Außenministerin Annalena Baerbock aneinander geraten sein, berichtet die Bild unter Berufung auf Regierungskreise.

Baerbock sei dafür gewesen, für die Strafzölle zu stimmen, um ein Zeichen gegen das chinesische Regime zu setzen und mehr Härte gegen das Land zu zeigen. Lindner soll demnach mit den Interessen der Industrie dagegen argumentiert haben. Ein Argument, das auch Kanzler Scholz stützt. Der Kanzler habe in den letzten Monaten mit deutschen Autobauern gesprochen, die allesamt die geplanten Strafzölle abgelehnt haben sollen. Die Befürchtung, Chinas Gegenmaßnahmen könnten sich vor allem gegen deutsche Luxusautos wenden, sei zu groß gewesen. […..]  Allerdings sollen die Grünen-Ministerien Scholz‘ Schritt akzeptieren, berichtet die dpa.  Aus Kreisen des Bundeswirtschaftsministeriums hieß es zudem, man wolle einen fairen Wettbewerb, aber keinen Handelskrieg mit Zöllen. Dafür müsse Europa seine Verhandlungsmacht voll nutzen können. „China agiert mit voller Kraft, Europa muss es auch tun, da ist keine Naivität gegenüber China angezeigt. Deshalb hätten wir einen anderen Weg als „Nein“ für besser gehalten.“ Dies sei aber keine Glaubensfrage, sondern eine Frage der politischen Taktik. Ziel müsse eine Verhandlungslösung sein, die die eigenen Interessen wahre. […..] (Merkur, 04.10.2024)

Bei einem hebatitisgelb-grünen Streit stelle ich mich üblicherweise niemals auf die destruktive Lindner-Seite. Aber ich beziehe natürlich auch nicht die grüne Position, nur weil sie nicht gelb ist.

In diesem Fall halte ich beide Ansätze für nachvollziehbar. Ja, China spielt unfair und versteht es, die EU-Heterogenität als Schwäche zu interpretieren, das weidlich auszunutzen und sich immer mehr Vorteile zu verschaffen. Zudem tritt das Xi-Regime Demokratie und Menschenrechte mit Füßen. Keinesfalls möchte man noch mehr in Abhängigkeit zu China geraten und endlich der zukünftig einzigen Supermacht des Planeten mit geradem Rücken gegenübertreten. Gut also, wenn Baerbock Rückgrat zeigt und mutig dem Reich der Mitte entgegentritt.

Andererseits könnten solche Strafzölle tatsächlich einen Handelskrieg anfachen, dem Deutschland nicht gewachsen ist, weil wir viel mehr von China abhängig sind, als China von uns.

Zudem besitzt China eine vielfache Waren- und Rohstoff-Monopolstellung. Wir brauchen seltene Erden, Medikamente, Handys, 5G und Chips aus China!  Insbesondere hat China uns aber längst in der Umweltpolitik den Rang abgelaufen, weil eine schwarzgelbe Bundesregierung 2009-2013 der Meinung war, daß wir den ganzen rotgrünen Unsinn rund um die erneuerbaren Energien nicht brauchen. Die damalige weltweit führende Stellung Deutschlands wurde aufgegeben. Photovoltaik und Windkraft-Knowhow nach Peking verkauft, während die Lindner-Merkel-Regierung zurück auf Putin-Gas umstellte.

Nun kommen Solarzellen, Windkraftanlagen und günstige Klim-aneutrale E-Autos aus China, weil wir das nicht mehr können. Ausgerechnet auf solche Produkte Zölle zu erheben, verteuert sie. Dadurch werden weniger kleine chinesische E-Autos an deutsche Kunden verkauft und das wiederum schadet dem Klima!

Die Grünen Argumente sind nachvollziehbar, aber ich glaube, sie sind eher kurzsichtig. Betrachtet man die gesamten möglichen Auswirkungen, schlage ich mich auf die Seite des Kanzlers.

Genutzt hat es ohnehin nichts. Die von rechtspopulistischen Parteien verseuchte EU war wieder einmal nicht einig und blamierte sich. Wieder ein Anlass für die sprungbereit ampelphobe Presse, um eine Hassattacke auf Scholz und seine Regierung loszutreten, statt die Meinungsverschiedenheiten, als demokratisch zu würdigen und anzuerkennen, daß es in dieser Frage kein klares schwarz und weiß gibt, sondern wir durch lange in der Vergangenheit liegende Fehler, schwer in der Patsche sitzen. Die Ampel hat zwischen schlechten und sehr schlechten Wegen zu entscheiden.

[…..] Olaf Scholz hat ein deutsches Nein zu Zöllen auf chinesische Autos angeordnet – und wurde in Brüssel prompt überstimmt. Das spricht Bände über den Zustand der Ampel und seine Qualitäten als EU-Führungskraft. […..] Wer mächtig ist, braucht keine Machtworte. Wer trotzdem meint, ein Machtwort sprechen zu müssen, sollte damit wenigstens auch Macht projizieren können. Olaf Scholz aber hat jetzt gezeigt, wie man es nicht macht. Er hat mit seiner Richtlinienkompetenz ein deutsches Nein bei der EU-Abstimmung zu Zöllen auf chinesische E-Autos angeordnet – und wurde nur wenige Stunden später in Brüssel wie erwartet überstimmt.

Damit hat Scholz gleich auf drei Arten Machtlosigkeit bewiesen:

    Innenpolitisch hat er gezeigt, dass er die Ampel – in diesem Fall Wirtschaftsminister Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock – nur noch mit der Brechstange auf Linie bringen kann. Die Stimmung in der Koalition dürfte noch schlechter werden, sofern das möglich ist.

    Gegenüber Peking hat der Kanzler sich als erpressbarer Juniorpartner gezeigt, der im Zweifel lieber den Kotau wählt. Ein selbstbewusster Verteidiger langfristiger Interessen Deutschlands hätte anders gehandelt.

    In Brüssel wurde Deutschland wenige Stunden nach Scholz’ Machtwort überstimmt. Die EU-Kommission kann die Zölle nun einführen – egal, ob Scholz das passt oder nicht. Der Kanzler hat damit gezeigt, dass er sich in der EU selbst dann nicht mehr durchsetzen kann, wenn es um die Interessen der deutschen Industrie geht. Zudem hat er demonstriert, dass ihm die kurzfristigen Interessen […..] Scholz scheint eher kurzfristig Gegenschläge Pekings verhindern zu wollen, die insbesondere die ohnehin schwächelnde, vom Chinageschäft abhängige deutsche Autoindustrie hart treffen könnten.

Schaut man sich aber die rasant steigenden Marktanteile chinesischer E-Auto-Anbieter in der EU an, muss man befürchten, dass die deutschen Hersteller ohne Ausgleichszölle schlicht überrollt werden – und zwar auch in Deutschland. Passend zur deutschen Abstimmungsniederlage in Deutschland wurde am Freitag eine Umfrage des ADAC öffentlich, laut der fast zwei Drittel der Deutschen bereit wären, ein Auto eines chinesischen Herstellers zu kaufen. Unter den 18- bis 39-Jährigen sind es fast drei Viertel.

Der Grund? Vor allem die günstigen Preise. Jene Preise, die chinesische Hersteller nach Erkenntnissen der EU-Kommission nur anbieten können, weil sie vom chinesischen Staat massive Subventionen und andere Vergünstigungen bekommen. […..]

(Markus Becker, 04.10.2024)

Deutschland agiert aus einer Position der Schwäche, weil wir a) nicht den US-Binnenmarkt im Rücken haben und b) durch die sageumwoben unfähigen CDUCSUFDP-Merkelminister 16 Jahre technologischen Rückstand verkraften müssen.

Und nun? Nun wird es viel teurer für Auto-Käufer in der EU, die sich für umweltfreundliche Antriebe entscheiden wollen.

[…..]  Die Kernfrage lautete: Werden Hersteller, die in China produzieren und von dort in die EU exportieren, ab Anfang November mit Zusatzzöllen bestraft? Dabei geht es um Zölle von 7,8 Prozent für Tesla und bis zu 35,3 Prozent für Unternehmen, die nicht mit der EU-Kommission bei der Untersuchung kooperiert haben. Die Höhe richtet sich unter anderem danach, wie viele Subventionen ein Hersteller bekommt. Sie werden auf einen ohnehin schon bestehenden Zoll von zehn Prozent aufgeschlagen.

Konkret soll für den chinesischen Hersteller BYD ein zusätzlicher Zoll von 17,0 Prozent gelten, Geely muss 19,3 Prozent zahlen und SAIC 35,3 Prozent, wie im August bekannt wurde. Geely produziert unter anderem die elektrischen Smart-Modelle #1 und #3 sowie den Volvo EX30. SAIC baut den in Deutschland populären MG4, der in den Zulassungsstatistiken aus Flensburg im Mai unter den E-Autos knapp hinter dem VW ID.3 auf dem zweiten Platz landete.

Neben chinesischen Herstellern wie BYD und Geely sind auch deutsche Hersteller betroffen. Die deutschen Platzhirsche Volkswagen, Mercedes und BMW produzieren auch in China für den Export und müssten entsprechend einen Aufschlag zahlen. Anfragen, inwiefern Renault aus Frankreich oder Fiat aus Italien von den Zöllen betroffen wären, ließen die beiden großen europäischen Hersteller unbeantwortet.

"Deutsche und europäische Hersteller, die aus China heraus in die EU exportieren, werden mit höheren Zöllen belastet als einzelne Wettbewerber aus China und den USA. Das ist schlichtweg unverständlich und wenig zielführend", kritisiert die Präsidentin des Verbands der Automobilindustrie (VDA) Hildegard Müller.  [……]

(Tagesschau, 04.10.2024)

Donnerstag, 3. Oktober 2024

Schwarzgelber Unfriede in Hamburg

Mit der konstruktiven Politik sind Lindner und seine Lobby-Jungs fertig.

Inhaltlich bietet die FDP gar nichts mehr. Zudem wird sie sich in Zukunft kaum als Mehrheitsbeschafferin eignen, weil die gelbe Pest, genau wie bei ihrer letzten Regierungsbeteiligung im Bund (2009-2013), auf ganzer Linie so katastrophal versagt, daß sie von einem Rekordwahlergebnis kommend, direkt ins parlamentarische Aus unter der 5%-Hürde rauscht.

Die einzig verbliebene Relevanz der 2024er FDP besteht in dem politischen Schaden, den sie anrichten kann, indem sie immer wieder Zusagen widerruft, Gesetze blockiert und mit Koalitions-Aus (und damit auch dem Selbstmord) droht.

Dabei ist es für Lindner immanent wichtig, anders als Grüne und SPD, nicht mit offenen Karten zu spielen und maximal unberechenbar zu bleiben.

 […..] Schon nach den Wahlen in Sachsen und Thüringen hatte es Stimmen in der FDP gegeben, die auf den Ausstieg aus der Koalition drängten, darunter die Basisinitiative »Weckruf«. Auch FDP-Bundestagsabgeordnete äußerten Zweifel an der Zukunft der Koalition. Der bekannteste unter ihnen: Parteivize Wolfgang Kubicki. […..]  Viel spricht dafür, dass der FDP-Chef und sein Stellvertreter Kubicki eine Art Politiktheater vorführen. Der eine verkörpert die staatstragende FDP, während der andere der Unzufriedenheit innerhalb der Partei Ausdruck verleiht und damit als Ventil dient. Schon in der Vergangenheit haben sich die beiden diskret arrangiert. […..] Dass die FDP aber zur Not auch den Mut haben könnte, aus der Ampel auszusteigen, das stellt Lindner erneut in den Raum. »Überzeugungen haben wir, Angst keine.« Gleichzeitig beteuert der Finanzminister: Er drohe nicht mit dem Ende der Koalition.

SPD und Grüne haben sich zum Wochenbeginn ein explizites Bekenntnis der FDP zu dieser Koalition gewünscht. Diesen Gefallen tut ihnen Lindner an diesem Montag nicht. Er lässt seine Koalitionspartner gern im Unklaren darüber, was er vorhat und wie weit er bereit ist für seine Überzeugungen zu gehen.

Seine Botschaft: Seid euch nicht zu sicher. Solange die anderen darüber rätseln, ob Lindner kurz vor dem Absprung steht, ist er in einer komfortablen Verhandlungsposition. Gut möglich, dass der FDP-Chef dieses Spiel noch lange so weiterlaufen lässt.  […..]

(Spon, 23.09.2024)

Nur als loose cannon können die Hepatisgelben ihre destruktive Kraft behalten.

Wären sie ein verlässlicher Koalitionspartner, deren Wort gilt und die der Kanzler daher einschätzen kann, fiele der Blick mehr auf die Erfolge der Ampel. Die aber kommen ausschließlich aus den Roten und Grünen Häusern. Nur mit dem ständigen von der FDP angerichteten Chaos, kann der Blick auf die völlige Regierungsunfähigkeit der Lindner-Partei vernebelt werden.

Der Porsche-Mann glaubt, mit maximaler Verwirrung der Koalitionspartner so lange zu überleben, bis ihm die Hamburger Bürgerschaftswahl am 02.März 2025 wieder einen Erfolg bringt. Mit dem Boost im Rücken soll es dann im Herbst auch wieder zum Einzug in den Bundestag reichen. Dort will Lindner auf Merzens Schoße wieder ins Bundeskabinett einziehen.

[…..] Die FDP, sagte er nach der Brandenburgwahl, hat demnach zwei Optionen. Variante eins: Sie setzt jetzt viel in der Ampel durch. Lindner sprach davon, „Gutes fürs Land“ tun zu wollen. Variante zwei: „Eine neue Dynamik zu entfachen“, was nur verstanden werden kann als Aus für die Koalition.  Viele interpretierten das als Entweder-oder; dass Christian Lindner es sich jetzt wochenlang offenhalten werde, welche der beiden Optionen er zieht. Aber wahrscheinlicher ist es, dass der FDP-Plan für diesen Herbst lautet: Wir machen beides.

Lindner selbst hat es auf der Bühne in der Parteizentrale gesagt: „Die beiden Sätze gehören zusammen.“ Wenn man den Parteichef beim Wort nimmt, bereitet die FDP also beides parallel vor, in der Ampel zu bleiben und aus der Ampel auszusteigen. […..] Beide Optionen könnten nächstes Jahr im Wahlkampf funktionieren. So oder so kann die FDP erzählen, wie heldenhaft sie gehandelt hat. Am Wahlkampfstand hängt dann entweder ein Plakat mit den erkämpften liberalen Lieblingsprojekten. Oder die Passanten bedanken sich bei den Wahlkämpfern für das Abschalten der Ampel.

Mit der Ampel und gegen die Ampel, diese Zerrissenheit könnte der FDP jedoch auch schaden. Die Wähler, die die Partei zurückgewinnen will, wissen in den nächsten Wochen nicht, wie es weitergehen wird. Das kann weiteres Vertrauen kosten. Und die Verhandlungen in der Koalition werden noch schmutziger werden. Als hätte die Ampel nicht in den Disziplinen Hauen und Stechen bereits olympisches Gold gewonnen. […..] Der politische Verhandler Christian Lindner gilt unter Rot-Grünen schon jetzt als Spieler, was aus Sicht der Liberalen aber weiter gesteigert werden kann. […..] Christian Lindner ist überhaupt erstaunlich. Seit Mai 2022 hat die FDP jede Wahl verloren. In Sachsen, Thüringen und Brandenburg wurde sie nahezu pulverisiert.

Aber eine parteiinterne Debatte, ob „CL“, wie er dort genannt wird, noch der Richtige ist, gibt es nicht. „Lindner ist völlig unangefochten“, sagt Volker Kronenberg, der als Politikprofessor an der Universität Bonn das Berliner Geschehen beobachtet[…..] Für die FDP ist die Hamburgwahl im März 2025 wichtig. Die Bürgerschaft ist in der FDP anders als die drei Landtage im Osten nicht bereits abgeschrieben, im Gegenteil. Hamburg ist ein Sehnsuchtsort im Wahlgedächtnis der FDP, weil hier 2015 die liberale Wiederauferstehungserzählung nach dem Ausscheiden aus dem Bundestag 2013 begann. Auch bei der Europawahl dieses Frühjahr bekam die FDP in Hamburg überdurchschnittliche sieben Prozent.

Falls es Neuwahlen im Bund gibt, und die parallel zur Hamburgwahl angesetzt werden, würden sie auf einen Termin fallen, auf den sich die Liberalen jetzt schon freuen. Und sie haben den Wählern dann gezeigt, wie sie in der Ampel noch gekämpft haben oder wie sie die Ampel verlassen haben. Und in Berlin wäre dann für die Liberalen eh nichts mehr zu holen. Ein halbes Jahr vor einer Bundestagswahl fängt kein Ministerialbeamter mehr freiwillig an, ein neues Gesetz zu entwerfen. […..]

(Bastian Brinkmann, 27.09.2024)

Fritze Merz war Ehrengast auf Lindners Hochzeit, flog mit seinem Privatjet zur Luxus-Sause auf Sylt. Man ist sich einig im Bestreben, Deutschland durch die Wachstumsbremse zu ruinieren und einseitig das Vermögen an das oberste 1% umzuverteilen. Blöd für Lindner ist allerdings, daß Merz und die Hamburger CDU genauso unverlässlich, wie die FDP sind.

Inzwischen kultiviert Merz nicht nur seine Abneigung gegenüber den Grünen, sondern teilt auch gegen die Partei der Besserverdienenden aus.

[…..] Auf die Frage nach seinem früher freundschaftlichen Verhältnis zu Lindner sagt Merz: "Ich verstehe ihn immer weniger. Ich weiß nicht, was er vorhat." Die liberale Partei würde er etwas bedauern. "Das ist ja organisierter Selbstmord, was sie da im Augenblick betreiben".  [….]

(T-online.de, 29.09.2024)

Als besonders unfreundlichen Akt empfinden die Elb-Hepatisgelben das erfolgreiche Abwerben von FDP-Spitzenpolitikern durch die Hamburger CDU. Es begann im Juli 2024.

[….] Hamburgs CDU-Chef Dennis Thering ist eine Überraschung gelungen. Die fraktionslose FDP-Bürgerschaftsabgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein ist zur CDU gewechselt und soll bei der Bürgerschaftswahl Listenplatz zwei bekommen. "Ich freue mich sehr, dass uns als CDU Hamburg ein wirklicher Coup gelungen ist. Das wird die CDU auf jeden Fall stärken, nach vorne bringen", sagte Thering. Anna von Treuenfels-Frowein habe am Donnerstagmorgen ihren Beitritt zur CDU erklärt. Die 62-Jährige trat aus der FDP aus und soll bei der anstehenden Bürgerschaftswahl auf Listenplatz 2 der CDU kandidieren - gleich hinter Thering, dem Spitzenkandidaten. [….]

(NDR, 11.07.2024)

Die erzkonservative von Treuenfels-Frowein ist in Hamburg sehr bekannt, da sie im steinreichen Blankenese ein Direktmandat errang und so trotz des Scheiterns der FDP an der 5%-Grenze (4,97% bei der Landtagswahl am 23. Februar 2020) als einzige FDP-Vertreterin in die Bürgerschaft einzog.

Später trat der Deutsch-Kosovare Sami Musa, der für die SPD in die Hamburger Bürgerschaft eingezogen war, aus seiner Partei aus und verließ am 20. Oktober auch die SPD-Bürgerschaftsfraktion. Treuenfels-Frowein umwarb ihn, so daß Musa am 17.02.2022 in die FDP eintrat, die nun nach dem Austritt der Frontfrau, wieder genau einen Fraktionslosen Abgeordneten im Landtag hat.

Die gelbe Pest versucht alles, um Einfluss zu behalten, auch wenn es bei normalen Wahlen nicht klappt. Aber die CDU kann das auch. Vor einer Woche traten mit den beiden FDP-Landesvorstandsmitgliedern Wiebke Köhler und Claus Krumrei weitere „Hochkaräter“ zu den Christdemokraten über.

[….]  Den Elb-Liberalen rennen die Politiker weg: Löst sich Hamburgs FDP jetzt auf?

Der Hamburger FDP rennen die Politiker weg: Nachdem die Bürgerschaftsabgeordnete Anna von Treuenfels-Frowein im Sommer überraschend zur CDU gewechselt war, folgten ihr in dieser Woche weitere Spitzenliberale. Und das alles nur wenige Monate vor der Bürgerschaftswahl. Bei den Liberalen bröckelt’s! Löst sich Hamburgs FDP jetzt endgültig auf? [….]

(MoPo, 29.09.2024)

Besonders wütend reagieren die Schwefelgelben auf die Merzaussage, sie hätten „keine Chance“ im März 2025 die 5% in Hamburg zu erreichen.

[….] Merz erinnerte an die jüngsten FDP-Wahlergebnisse. Die FDP hatte den Einzug in den Brandenburger Landtag erneut verpasst, sie erreichte nur noch 0,8 Prozent. In Thüringen zog die Partei nicht mehr in den Landtag ein (1,1 Prozent).

In Sachsen verpasste sie den Einzug in den Landtag erneut, aber mit nur noch 0,9 Prozent. Auch bei der Bürgerschaftswahl in Hamburg im März nächsten Jahres habe die FDP keine Chance, prognostizierte Merz, dessen Verhältnis zu Lindner einst als fast freundschaftlich galt. […..] Merz, dessen CDU einst als ein natürlicher Bündnispartner der FDP galt, kritisierte, die FDP blockiere Anhörungen zu Referentenentwürfen aus SPD-geführten Ministerien und widerspreche im Bundestag Gesetzen, die sie im Kabinett selbst mit beschlossen habe.

FDP-Generalsekretär Bijan Djir-Sarai wies die Kritik als „vollkommen unglaubwürdig“ zurück. „Während die Union uns vorwirft, Verantwortung in einer schwierigen Koalition übernommen zu haben, hat sie selbst ein komplett ungeklärtes Verhältnis zu den Grünen“, so Djir-Sarai.  [….]

(Tagesspiegel, 29.09.2024)

Unter den noch verbliebenen Hamburger FDP-Mitgliedern, stellt die xenophobe Lügnerin Katarina Blume die Spitzenkandidatin und ist schwer genervt von ihren natürlichen CDU-Verbündeten. Sie beschimpft die CDU nach Herzenslust.

[…..] Und so schauen Beobachter bereits nach Hamburg – dort wird im März eine neue Bürgerschaft gewählt. Parteichef Christian Lindner zeigt sich noch siegessicher: Wenn es gut laufe, schaffe es die FDP „auch in Regierungsverantwortung in Hamburg“, sagte er auf der Pressekonferenz am Montag. Dass es schlecht dort laufen könnte, glaubt Lindner indes nicht: „Hamburg wird prima, wirklich.“ Doch die FDP in der Hansestadt tut gerade alles dafür, sich selbst zu zerlegen.

In Hamburg haben nun erneut prominente FDP-Mitglieder die Partei verlassen – und sich der CDU angeschlossen. Die bundesweit durchaus bekannten Sicherheitsexperten Wiebke Köhler und Claus Krumrei machten keinen Hehl aus ihrer Unzufriedenheit mit der aktuellen Politik der FDP, insbesondere im Bereich der Sicherheit und Verteidigung. Köhler kritisierte gegenüber mehreren Hamburger Medien die Bundesregierung für ihre „verantwortungslose“ Haltung in diesen Bereichen, während Krumrei betonte, dass die FDP ihre konservativ-liberalen Wurzeln verloren habe. „Die FDP ist aus uns ausgetreten“, so Krumrei. Diese Wechsel schwächen die FDP in Hamburg erheblich – und verleihen der Hamburger CDU neuen Auftrieb, die sich für die kommende Bürgerschaftswahl personell erneuert hat.

[…..]  CDU-Partei- und Fraktionschef Dennis Thering frohlockt: Die CDU Hamburg bündele gerade alle Kräfte der bürgerlichen Mitte, die keine Lust mehr auf ein rot-grünes Weiter-so haben, so Thering. Er freue sich, dass die Christdemokraten ehemalige FDP-Mitglieder für den Kurs der CDU gewinnen konnten. […..] Die Hamburger FDP ist seit Jahren von internen Streitigkeiten geplagt. Der letzte Hamburger FDP-Chef Michael Kruse war 2021 als Nachfolger der damaligen Bundestagsabgeordneten Katja Suding zum Parteivorsitzenden gewählt worden. Kurze Zeit später musste sich Kruse in Hamburg zum Teil massiver innerparteilicher Kritik stellen. Mitglieder der Jungen Liberalen hatten ihm autoritäres Verhalten vorgeworfen – sogar Ex-Minister und Partei-Urgestein Gerhart Baum mischte sich in die Hamburger FDP-Krise ein.  Der aktuelle Aderlass in Hamburg kommt für Parteichef Christian Lindner zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt. […..]

(FR, 30.09.2024)

Ob Lindners „Plan“, mit möglichst viel Chaos die Ampel zu überleben und dann auf Merzens Rücken in die Hamburger Bürgerschaft und die nächste, dann schwarzgelbe Bundesregierung zu reiten, darf also bezweifelt werden.

Der CDU-Chef hat jetzt schon keine Lust mehr und möchte 2025 lieber mit Olaf ins Bett.

Mittwoch, 2. Oktober 2024

Das Chamäleon

Der Einfluss der US-Präsidentschaftsdebatten steht in keinem Verhältnis zu dem enormen Aufwand, den Sender und Journalisten darum veranstalten.

Kamala Harris hatte ihre Debatte gegen Donald Trump eindeutig gewonnen, ohne relevante Änderungen am Umfragen-Patt zu erreichen. Den ganz kleinen positiven Push erzielte die US-Vizepräsidentin eher mit Meme-tauglicher Mimik.

Hillary Clinton gewann 2016 alle drei TV-Debatten gegen Trump und wurde dennoch nicht US-Präsidentin. Es gibt also sehr wenig zu gewinnen bei den quotenstarken Duellen.

 Gleichwohl kann man alles verlieren, wie das Biden-Desaster vom 27.06.2024 zeigte: Seine katastrophale Performance ließ Trump anschließend als so sicheren Wahlgewinner aussehen, daß der mächtige amtierende US-Präsident bekanntlich seine Kandidatur ganz aufgab. Aufgeben musste.

Von der gestrigen VP-Debatte war also kaum ein Effekt auf die Umfragen zu erwarten. Dennoch herrschte in den USA Neugier, weil Walz and Vance im Gegensatz zu ihren jeweiligen Running Mate,s den meisten Wählern völlig unbekannt sind. Wie würden sie sich präsentieren? Ich verband damit tatsächlich die Hoffnung auf eine wahlentscheidenden Vance-Blamage, da dieser sich seit seiner Berufung zu Trumps Stellvertreter, beinahe täglich mit neuen Peinlichkeiten und Auftritten mit höchstem Cringe-Faktor präsentierte. Auch für ihn wurde das Prädikat „weird“ erfunden. Und zwar vom Gouverneur Walz, der scheinbar wie Kai aus der Kiste auf der politischen Bühne auftauchte und sich dort als äußerst fähiger Wahlkämpfer erweist. Seine energiegeladenen Auftritte und Reden wirken extrem mitreißend. Er kann sich mit klaren Ansagen sofort in die Herzen des Publikums katapultieren.

Tim Walz schien die deutlich besseren Karten zu haben, weil er die Argumente auf seiner Seite hat, während Vance den „nicht zu verteidigenden“ Wahnsinn seines Chefs verteidigen musste. Zudem spiele mit Pete Buttigieg einer der intelligentesten US-Politiker überhaupt, bei der „debate prep“ den Vance. Der demokratische VP-Kandidat sollte also perfekt vorbereitet sein und vernichtende Treffer setzen können.

Long story, short: Meine Hoffnungen wurden enttäuscht. Die Debatte wird allgemein als „tie“ oder gar mit leichten Vance-Vorteilen bewertet. Mein demokratischer Spin lautet: Immerhin, eine totale Blamage leistete sich Walz nicht und damit wird die verpasste Gelegenheit auch vermutlich keinen Einfluss auf den 05.November 2024 haben.

Aber wie konnte es passieren, daß ein so diskussionsfreudiger, von Buttigieg vorbereiteter und redegewandter Walz kaum einen harten Punch gegen Trumps Vize setze?

Offenkundig hatten die Demokraten unterschätzt, was für ein politisches Chamäleon J.D. Vance ist. Der Senator aus Ohio lügt nicht nur wie gedruckt, wechselt willkürlich seine Ansichten, wurde von einem der schärfsten Trump-Kritiker zum glühenden Trump-Fan, sondern kann auch seinen Ton und die Persönlichkeit wie eine Amöbe verändern. In den letzten Wochen war er hauptsächlich als ultrarechtsradikaler Social-Media-Troll unterwegs, der zum Vergnügen Trumps die abscheulichsten rassistischen Lügen in die Welt posaunte.


Auf diesen Vance war Walz offenkundig eingestellt und wollte ihn verbal hart treffen.

Stattdessen gab sich Vance unerwartet liebenswürdig, höflich, zugewandt und kompromissbereit, während er immer wieder seine beiden Haupt-Narrative wiederholte:  

1.) Grenz-Zarin Harris habe 20 Millionen Kriminelle ins Land geschleust, welche die Ursache aller Übel wären.

2.) Während der Trump-Präsidentschaft boomte die Wirtschaft und herrschte Weltfrieden. Mit Biden/Harris wurde die Welt in Flammen gesetzt und die US-Wirtschaft schmierte ab.

Das sind selbstverständlich glatte Lügen. Aber sie kamen so freundlich und verbindlich daher, daß Walz vor Erstaunen vergaß zu factchecken und offenbar Beißhemmungen entwickelte.

Es ist, wie so oft in der Politik; Brandolini macht es möglich: Lügen zahlen sich aus. Die Wähler bestrafen die Ehrlichen. Auch in Deutschland sind die Parteien, deren Chefs am meisten lügen, die erfolgreichsten: CDU, CSU und AfD. Der dreisteste Lügner von allen; Markus Söder; wurde damit gar zum Lieblingskanzlerkandidaten der Wähler.

Diesem Orkan aus Fehlinformationen konnte auf Tim Walz kaum etwas entgegensetzen. Der Irrsinn ist inzwischen so weit fortgeschritten, daß sich Vance gestern ausdrücklich das Fact Checken verbat, als die Moderatorin eine besonders perfide von ihm behauptete Lüge kurz richtigstellte.

2016 beklagte sich Rick Santorum, der rechtsextreme Katholik, damals noch als CNN-Angestellter darüber, Kandidaten zu fact checken. Das sei unfair, da damit Trump eindeutig benachteiligt würde.

Damals lachten wir noch. Man empfand es noch als dreist, nicht die Lügen Trumps, sondern die Richtigstellungen zu verurteilen.

Heute ist es Mainstream: AFD, FPÖ, CDUCSU, BSW, GOP lügen, verbreiten ihren Bullshit-Kosmos auf Social Media. Das wird akzeptiert. Wer sich aber gegen rassistische Lügen wehrt, indem er die Lügner nicht mehr in seine Shows einlädt, ihnen widerspricht oder gar ihre Postings mit Fact-Check-Hinweisen versieht, bekommt die Shitstorms. Der Trumpismus zerstörte mittlerweile die Debattenkultur in allen westlichen Demokratien. Wenn sich jemand nicht auf extreme Weise selbst blamiert, wie es Trump durch seine Kombination aus Borniertheit und Senilität tut, können die Ehrlichen argumentativ kaum gewinnen. Insbesondere, wenn die Faschisten sich den Schafspelz überziehen.

[….] Der Vize-Kandidat von Donald Trump war bei diesem Auftritt ganz klar auf einer Mission: Er wollte freundlich wirken, nahbar, moderat. Er trat deutlich anders auf als sonst, wenn er vor eingefleischten Trump-Anhängern spricht. Von Einwanderern, die angeblich in Ohio Katzen und Hunde essen, war bei ihm diesmal beispielsweise keine Rede.

Es ging ihm offenkundig darum, seine eigenen, eher schlechten Sympathiewerte in der breiten Bevölkerung zu verbessern. Zugleich richtete er sich auch an unentschiedene Wechselwähler, also Menschen, die von Trumps aufbrausender Art abgeschreckt werden. An sie war die Botschaft gerichtet: Seht her, wir sind doch gar nicht so schlimm.

Immer wieder sprach Vance über seine Familie, seine »drei wunderbaren Kinder«, seine »großartige Frau« und seine Großmutter. Diese habe einst in kalten Wintern wenig Geld zum Heizen gehabt, erinnerte er. Er wisse, wie sich Armut anfühle, so Vance. Donald Trump und er wollten deshalb sicherstellen, dass sich alle Amerikaner in ihren Häusern sicher fühlen könnten und eine gute Zukunft hätten, säuselte er.  […..]

(SPON, 02.10.2024)

Besser als politische Mittel, funktionieren Satirische.


Impudenz des Monats September 2024

Und schon wieder einmal zeigt der Kalender eine „1“ - hohe Zeit für mich den Blödmann des Monats zu küren.

Die vom Lindner-Fan Oliver Blume geleitete Volkswagen Aktiengesellschaft setzte im vergangenen Jahr mit insgesamt 684.000 Mitarbeitern 322 Milliarden Euro um.

40% der VWs wurden in China verkauft (und damit ist nun Schluss). Dabei wurden 18 Milliarden Euro Gewinn an die Aktionäre ausgeschüttet.

Die Familien Porsche und Piëch halten 53% der Stimmrechte (31% Kapitalanteil); die anderen beiden großen Player sind das Land Niedersachen mit 20% der Stimmrechte (11,8% Kapital) und das Land Katar mit 17% der Stimmrechte (14,6% Kapitalaktien).

Gerade heute meldet das Manager Magazin, die Familie Porsche sei mit 19,3 Milliarden Euro Privatbesitz die achtreichste Familie Deutschlands.

Da lediglich 5.000 Millionen Euro an die chillenden Shareholder ausgeschüttet werden konnten; Reiche durch pures Nichtstun und Reich-sein nur um 5.000.000.000 Euro reicher wurden, schrillen nun die Alarmglocken. Krise bei VW und den Zulieferern.

Nun müssen Einsparungen her! Insbesondere die Personalkosten sollen runter. 12 Milliarden Euro von den im Jahr 2023 eingenommenen 322 Milliarden Euro gingen als Lohnkosten an die raffgierigen Arbeiter. Die Personalkosten sollen runter! Entlassungen. Schluß mit der VW-Jobgarantie. Zehn bis 20 Milliarden müssten eingespart werden; vermutlich zwei Werke in Deutschland geschlossen werden, bis zu 30.000 Mitarbeiter entlassen werden, weil in Europa mittlerweile zwei Millionen Autos weniger als in früheren Jahren verkauft werden.

Die Volkswagen AG ist die Impudenz des Monats September 2024.

Korruption, Abgasmanipulationen, Schmusekurs mit Diktaturen, der frühere Volkswagen-Konzernchef Martin Winterkorn steht vor Gericht, Greenwashing, allein acht Konzern-eigene Jets, die den Vorstandsmitgliedern auch für ihre Urlaubsflüge zur Verfügung stehen – die Liste der Verfehlungen ist lang. Aber VW war auch immer ein nationales Symbol und eine Cash-Maschine. Also liebten die Deutschen VW; kauften eifrig Käfer, Golfs, Skodas und Audis.

Am meisten verdiente man in China. Also verkniffen sich die VW-Chefs jeden Anstand, arrangierten sich mit massivsten millionenfachen Menschenrechtsverletzungen und produzierten im Reich der Mitte. Am meisten verdiente man mit besonders teuren großen, schweren CO2-Schleudern.

Klimaschutz störte da nur. Die Klimakillerkanzlerin Merkel setzte sich schließlich in Brüssel intensiv dafür ein, CO2-Grenzwerte und Flottenverbrauchsvorgaben der EU für die Winterkorns und Blumes abzuschwächen. Nach uns die Sintflut.

Ich empfehle an dieser Stelle zu den Hintergründen den Presseclub vom 29.09.2024. Die vier Gäste von der FAS, NDR, SZ und dem Spiegel hatten keinen Dissens: Das VW-Management versagte auf ganzer Linie. Die Politik versagte bei der Vorgabe strikter Rahmenbedingungen. Das CDUCSU/AFDP/FW-Gerede von EFuels und „Technologieoffenheit“, Söders Geschrei nach der Rücknahme des EU-Verbrennerverbots sind pures Gift für den Wirtschaftsstandort Deutschland.

Dürr, Wissing und Lindner verbreiten puren Unsinn, wenn sie suggerieren, man brauche eigentlich keine E-Autos; der technische Fortschritt mache den Umstieg überflüssig. Natürlich werden dadurch die Verbraucher verunsichert, zögern mit der Anschaffung von E-Autos, wenn Umstiegsprämien, von eben auf jetzt, nicht mehr gezahlt werden (weil ein gewisser CDU-Kanzlerkandidat mit seinen Schuldenbremsenklagen zum enormen Schaden Deutschlands, die Investitionen der Bundesregierung kappte).

Natürlich zögert man, einen E-VW zu kaufen, wenn der Konzern nur Modelle zu astronomischen Preisen anbietet.

Natürlich verwirrt es, wenn Merz, Söder und die gelbe Pest immer wieder von Wasserstoff- und EFuel-Modellen schwafeln, die niemals kommen werden.

Nun geht der Absatz von E-Autos in Deutschland; wenig überraschend, zurück.

Chinas Präsident Xi kennt so eine populistische Hü/Hot-Politik nicht.

Dort wird dem Volk nicht nur eindeutig gesagt, sie müssten E-Autos und zwar Chinesische, gekauft werden. Es wird auch der nötige Druck auf die Hersteller gemacht, die entsprechenden Modelle für das Volk zu entwickeln. Inzwischen bieten chinesische Hersteller nicht nur eine Fülle von kleinen Elektromobilen an, sondern dies auch noch zu enorm günstigen Preisen (ab 9.000 Euro für einen fabrikneuen BYD Seagull). VW ist technologisch abgehängt, kann insbesondere bei der Software nicht im entferntesten mit der asiatischen Konkurrenz mithalten.

Zudem setzt China klare Rahmenbedingungen, indem Zulassungen für neue Verbrennerautos entweder gar nicht, verlost, oder nur gegen enorme Strafzahlungen erteilt werden. Es gibt die Ladeinfrastruktur, hohe Steuern auf CO2-herauspustende deutsche Autos und auch eine klare politische Ächtung der umweltverpestenden Karren. Galt es vor 20 und 10 Jahren noch als bedeutendes Statussymbol für reiche Chinesen, sich ein schickes deutsches Auto leisten zu können, schämt man sich inzwischen eher für die Technik aus dem letzten Jahrtausend.

China macht Ernst beim Umweltschutz. So wie auch europäische Länder.

Die ultrakonservative britische Regierung zog 2020 das Verbrennerverbot von 2040 auf 2035 vor. Das EU-Verbrennerverbot für 2035 steht seit 2022.

Flottenverbrauchgrenzwerte gibt es in den USA seit 1978 (!), in der EU verbindlich seit 2012; selbstverpflichtend seit 2008.

[….]  Die im April 2019 verabschiedete Verordnung (EU) 2019/631 legt die sogenannten CO2-Flottengrenzwerte (in gCO2/km) für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge fest. Sie hat zum 1.1.2020 die Verordnungen 443/2009 (Vorgängerregelung für Pkw) und 510/2011 (Vorgängerregelung für leichte Nutzfahrzeuge) abgelöst und legt neue CO2-Flottengrenzwerte fest, die ab 2025 bzw. 2030 greifen. Flottengrenzwert bedeutet, der Durchschnitt aller in der EU in einem Jahr zugelassenen Fahrzeuge soll diesen Wert nicht überschreiten. Nicht jedes einzelne neue Auto muss also diesen Flottengrenzwert einhalten.

Diesen Regulierungsansatz gibt es in den USA seit 1978. In Europa gilt erstmals seit 2012 (vollumfänglich seit 2015) ein Flottengrenzwert für Pkw, nachdem eine Selbstverpflichtung der Autohersteller zur Minderung der CO2-Emissionen Mitte der Nullerjahre gescheitert war.

Die Hersteller hatten sich verpflichtet, bis 2008 ein Mittel von 140 g CO2/km zu erreichen. Bereits in den Vorjahren wurde deutlich, dass dieses Ziel deutlich verfehlt werden würde. Dementsprechend wurden Verfahren für eine gesetzliche Regelung eingeleitet.

Viel länger liefen noch die Vorbereitungen für schwere Nutzfahrzeuge. Erst im Jahr 2019 wurde mit Verordnung (EU) 2019/1242 erstmals eine europäische Regelung verabschiedet, die CO2-Flottengrenzwerte für Lkw festlegt, die ab 2025 bzw. 2030 in zwei Stufen gelten. Diese folgenden Betrachtungen beschränken sich allerdings auf die Verordnung für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge. […..]

(BMUV, 2019)

Der Klimawandel ist seit Jahrzehnten bekannt. Die deutschen Autohersteller hatten also alle Zeit der Welt, sich auf die neuen Realitäten einzustellen. BMW bekommt das einigermaßen hin. Andere europäische Hersteller wie Stellantis (Citroën, DS, Peugeot, Opel, Vauxhall, Abarth, Fiat, Lancia, Alfa Romeo, Maserati, Chrysler, Dodge) schafften es wesentlich besser. Die asiatischen und US-amerikanischen Hersteller sind ohnehin technologisch entrückt.

VW mit seinen zehn Marken Volkswagen, Volkswagen Nutzfahrzeuge, ŠKODA, SEAT, CUPRA, Audi, Lamborghini, Bentley, Porsche und Ducati, steht der Doofmann des Septembers hingegen dumm da, verschlief die letzten zehn Jahre.

Das Ausmaß der Realitätsnegierung bei VW und den konservativen Parteien CDUCSU/AFDP/FW kann man nur verwundert bestaunen. Der konservative Merkel-Biograph Ralph Bollmann erzählte im schon genannten Pressclub, von einer Chinareise mit Wirtschaftsminister Sigmar Gabriel im Jahr 2014, als er jede Menge deutschen Auto-Manager mitnahm. Schon vor zehn Jahren wurde klar kommuniziert, daß China in Zukunft keine Zulassungen mehr für Verbrennungsmotoren erteilen werde. Die VW-Manager, die genau damit aber ihren Profit machten, „taten so als ginge sie das nichts an“ und beschäftigten sich seither mit Eierschaukeln und Däumchendrehen.

In zwei Jahren werden chinesische Hersteller auch in Europa produzieren und werden dann erst Recht den deutschen Herstellern den Rest geben.