Donnerstag, 10. Oktober 2024

Depressionstreiber Jugend

Mein Lieblingsbuch, Stefan Zweigs “Die Welt von gestern“, habe ich hier schon oft gelobt.

Unter anderem kann man daraus lernen, wie und warum sich die nächste Generation gesellschaftlich weiterentwickelt und absurd-konservative Verhaltensweisen der Elterngeneratio abstreift. Darin liegt der tiefere Grund für menschlichen Optimismus. Homo Sapiens lernt aus seinen Fehlern; die Kinder machen es besser. Ein bemerkenswerter Befund über eine Welt, die Zweig so deprimiert, daß seine Partnerin und er gemeinsam in den Suizid gehen.

1942 war ein passendes Jahr für den Doppelselbstmord. Wie sehr wäre der weltberühmte jüdische Schriftsteller erst noch verzweifelt, wenn er beobachtet hätte, was in seinem geliebten Europa in den nächsten drei Jahren geschah?

Spätere Generationen, wie Meine, konnten tatsächlich erleben, wie in den 1960ern, 1970ern, 1980ern die junge Generation jeweils mit den dumpf-unterdrückenden Mindsets der Elterngeneration brach. Die Gesellschaft wurde freier, aufgeklärter, fairer, toleranter.

Linke fortschrittliche Parteien, wie die Grünen, hatten die jüngsten Wähler und so erschien es sogar sinnvoll, das Wahlalter auf 16 Jahre zu ändern. Die Erstwähler würden das Land voranbringen und die für die Zukunft wesentlichen Themen – Klimaschutz, Arterhaltung, Nachhaltigkeit – pushen.

Unglücklicherweise kamen diesem optimistischen Großtrend aber Internet, Social Media, rechtsradikale Bots, Fake News, Trolls, Verschwörungstheoretiker, Cambridge Analytica Datenskandale und die perfiden Zuckerberg/Musk/TikTok-Algorithmen in die Quere.

Daher sind die aktuellen Teens und Twens leider zum großen Teil völlig verblödet. Sie hängen an AfD-Tiktok-Clips fest, haben nur noch eine  Aufmerksamkeitsspanne von wenigen Sekunden, wissen nicht, wie man seriöse von unseriösen Quellen unterscheidet und sind so sehr mit Schminken, Tanzen und Chillen beschäftigt, daß sie bereitwillig zu Höcke-Stimmvieh mutieren. Bei den drei zurückliegenden Landtagswahlen in Sachsen, Thüringen und Brandenburg, waren die Nazis jeweils stärkste Partei bei den Erstwählern, während die Ü70er am wenigsten AfD wählten. Die Jugend tickt rechtsextrem.

Den AfD-Jungwähler in Ossistan assoziiere ich mit bildungsfernen Landeiern, die in ausgestorbenen Käffern hocken, in denen sie, weit entfernt von kulturellen Angeboten und urbanen Multikulti, im eigenen braunen Saft schmoren.

Ihre Eltern haben keine Bücher im Regal, gehen nie in Theater, besuchen keine Vernissagen, wissen nichts von der Welt und reden auch nicht mit den Blagen, weil sie mit Saufen oder Meth-Konsum beschäftigt sind. Also scheren sich die Jungen die Haare, gehen zu Neonazi-Konzerten und überkompensieren ihre winzigen Testikel, indem sie Tiere quälen und Obdachlose verprügeln.

Die Wahrheit ist aber komplexer. Social Media saugt auch urbane Jugendliche aus bildungsaffinen Schichten in unpolitische seichte Gedankenwelten.

Das Bild von der klimapolitisch aktiven Jugend, die vegan lebt und sich als Extinction Rebellen and Privatjets klebt, ist leider weitgehend falsch.

(…..) Die mediale Präsentation in meiner Medienblase stellt immer die jungen empörten Leute wie Luisa Neubauer gegen die bösen alten Säcke wie Wolfgang Kubicki.  Statistisch ist es aber genau andersrum.

Die jüngsten Wähler haben uns die FDP in der Regierung aufgezwungen, während die Älteren durchaus für roten Klimaschutz stimmten.

Das Bild von den ökologisch denkenden Fahrrad-fahrenden Jungen, die sich gegen die umweltverpestenden Omen und Open im SUV im Straßenverkehr behaupten müssen, stimmt ebenso wenig.  Im Gegenteil, die alten Boomer-Männer steigen so massenhaft auf’s Fahrrad, daß Micky Beisenherz sie schon dafür kolumnisiert.

[….] Wenn eines das deutsche Stadtbild nachhaltig geprägt hat, dann Mittfünfziger in genitalwürgenden Radlerhosen, die in Klickschuhen vorm Eiscafé sitzen und mit Fahrradhelm auf an ihrer Kugel Malaga lecken. Vor nicht allzu langer Zeit wurde für eine ganz besondere Spezies Großstadtmensch eine schöne Bezeichnung gefunden: Die MAMILs. Middle-aged Men in Lycra. Unter diesem Akronym versammeln sich – ja, es sind wirklich ausschließlich – Männer, in der Blüte- , bzw Kunstphase(r) ihres Lebens, in der sie sich spielerisch gegen den Verfall stemmen. Mit einer an Realitätsverweigerung grenzenden Leidenschaft und jungenhaftem Wettbewerbseifer holen sie während ihrer Touren Kilometer aus Städten heraus, die die geografisch eigentlich gar nicht hergeben. Das alles in Kleidung, mit der man problemlos bei den Avengers anheuern könnte und so eng anliegend, dass man bei der Vorsorgeuntersuchung beim Urologen nicht einmal ablegen müsste. […]

(STERN, 15.06.2023)

Die bequemen 18-30-Jährigen hingegen sind mehr denn je verliebt in ihre Klimakiller-PS-Monster, mit denen sie durch die Städte brettern.

[…] Renommiergehabe nennen das die Älteren, die darüber den Kopf schütteln, entweder amüsiert oder missbilligend - vor allem dann, wenn auf diesem Kopf ein Fahrradhelm sitzt. Die Jüngeren hingegen nennen es Flexen, vor allem dann, wenn sie sich vor dem Premiumfahrzeug selbst fotografieren. Flexen ist praktisch die Kerntätigkeit der Influencer-Internationale auf Tiktok oder Instagram (für die Älteren: Insta, für die Jüngeren: Gram), und jetzt hat es der Begriff sogar in eine Studie über "Flexkultur in Deutschland" geschafft. Beauftragt von der Firma Baulig Consulting, die selbst von solchen Influencer-Figuren betrieben wird, hat demnach ein Institut für Management- und Wirtschaftsforschung repräsentativ ermittelt, dass 49 Prozent der 15- bis 30-Jährigen heute gesteigertes Interesse für Luxusautos zeigten, in Hamburg sogar 58 Prozent, in Berlin immerhin 55. Mag sein, dass diese Erkenntnis nicht weniger interessegeleitet ist als die jahrelang in den Raum gepredigte Behauptung, dass "die" Jugend sich aus Autos immer weniger mache, was für den ländlichen Raum schon immer unwahrscheinlich klang, und jetzt halt auch in den Städten allem Augenschein widerspricht. Inzwischen sagen schließlich die Statistiken, dass so viele Führerscheine gemacht werden wie lange nicht. In der Popmusik werden mehr Autos in Hymnen besungen denn je, vor allem im Rap. Rund um den Bahnhof Zoo sieht man inzwischen fast genauso viele Flexer wie früher Fixer. In der City West sind sie mindestens so bildbestimmend wie in Teilen Friedrichshain-Kreuzbergs die automobilkritischen Aktivisten.  [….]

(Peter Richter, SZ, 20.04.2023)  (….)

(Die Jungen, die Alten und das Klima, 16.06.2023)

In der Tik-Truth-Social-Tok-Nation USA verhält es sich ganz ähnlich. Ja, die jungen Aktivisten, die sich für Nachhaltigkeit und Kamala Harris einsetzen, sind in meiner Medienblase prominent vertreten. Natürlich liebe ich Brian Tyler Cohen für seine informativen Rants!

Aber die Trumpisten sind leider nicht nur bildungsferne Hillbillies und Rednecks in den ländlich-religiösen dünn besiedelten US-Staaten, sondern sie befinden sich in großer Zahl auch unter den Erst- und Jungwählern, die man auf einem College-Campus einer Metropole befragt.

 NO HOPE FOR THE HUMAN RACE

Der offene Rassismus, die über 30.000 Trump nachgewiesen Lügen, das „Grab’em by the pussy“-Video, das Verheimlichen seiner Steuererklärung, die drastisch frauenfeindlichen Sprüche, die vielen Anzeigen wegen sexueller Übergriffe und das bösartige Nachäffen Behinderter, der Rassismus, die Verurteilung als Sexualstraftäter, zwei Impeachments, das tanken der US-Wirtschaft während seiner ersten Präsidentschaft, die Vulgarität, die täglichen Peinlichkeiten, zwei Impeachments, die Attacke auf den Kongress, 34 Verurteilungen als Krimineller,  der offensichtlich Wahnsinn, schwachsinnige Wortsalate, die klar ersichtliche Senilität und abstruse Gaga-Forderungen. Nichts kommt bei den Studenten an. Die meisten erklären, sie hätten sich noch keine Gedanken gemacht! GEHT ES NOCH? Oder noch abstruser; sie sitzen der dummdreisten Lüge auf, unter Trump habe die Wirtschaft geboomt und deswegen wollten sie ihn wählen.

No hope for the human race.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen