Freitag, 1. November 2024

Impudenz des Monats Oktober 2024

Und schon wieder einmal zeigt der Kalender eine „1“ - hohe Zeit für mich den Blödmann des Monats zu küren.

Ein halbes Jahrhundert bevor Hagenbecks Tierpark in Hamburg seine letzte rassistische „Völkerschau“ zeigte, bei der „Wilde“ [Menschen] nackt, wie Tiere zum Angaffen im Zoo ausgestellt wurden, erhielt ebenfalls in Hamburg der erste Afrikaner die deutsche Staatsbürgerschaft.

[……]  Mandenga Diek, war in der deutschen Kolonialzeit aus Kamerun nach Deutschland gekommen. Als Zwanzigjähriger kam er 1891 in einer Gruppe mit anderen Afrikanern, darunter auch sein Bruder Anjo Diek, aus Kamerun zur Ausbildung nach Deutschland. Die genauen Umstände sind nicht bekannt. Erst aus dem Jahr 1897 erfahren wir mehr über den weiteren Verlauf seines Lebens.

In der Naturalisationsakte (Einbürgerungsakte) im Staatsarchiv Hamburg fanden sich Dokumente zu seinem Werdegang und seine Einbürgerungsurkunde zum hamburgischen Staatsangehörigen und deutschen Reichsangehörigen von 1897. Dies entsprach einer vollen deutschen Staatsbürgerschaft, was nur für wenige Afrikaner*innen bis in die 1930er Jahre nachweisbar ist. Zwar ist bekannt, dass es etwa ein Dutzend solcher Einbürgerungen gegeben hat, doch bis heute ist es die einzige Urkunde dieser Art, die uns vorliegt. Aus der Akte erfahren wir, dass Mandenga Diek eine Schusterlehre mit einer Gesellenprüfung abgeschlossen hat und hierfür eine Auszeichnung für den zweiten Platz erhielt. Er war zu dieser Zeit, während des Einbürgerungsverfahrens, in fester Anstellung als Handelsreisender mit gutem Einkommen. Ihm wurde ein guter Ruf bescheinigt und die Rechtmäßigkeit seines Aufenthaltes in Deutschland festgestellt. Er hatte die Einbürgerung beantragt, da er eine Hamburgerin ehelichen wollte. Es ist eine kleine Sensation, dass ihm dies auch gewährt wurde. Denn in allen ähnlichen Fällen wurden die Einbürgerungsanträge der Afrikaner*innen abgelehnt.  […..]

(Katharina Oguntoye, 23. Februar 2023)

Mandenga Diek (1871–1943) gehörte zum Kameruner Königshaus, landete 1891 in Hamburg, zog später als kaisertreuer Reichsdeutscher ins deutsche Danzig. Dort betrieb er einen Kolonialwarenladen, brachte es zu bescheidenem Wohlstand und war offenbar beliebt bei seinen Kunden.

Mit Hitlers Machtergreifung 1933 wurden Diek, seiner ostpreußischen (weißen) Frau und den gemeinsamen Kinder die deutschen Pässe entzogen. Die Töchter sollten sterilisiert werden und überlebten unter abenteuerlichen Umständen die folgenden 12 Jahre „Vogelschiss der deutschen Geschichte“ (AfD-Ehrenvorsitzender Gauland). Die gesamte Familie blieb aber was zwanzig weitere Jahre nach Kriegsende  staatenlos. Die deutschen Pässe bekamen sie erst 1963 (!!) zurück. Schwarze Deutsche wollte auch das Adenauer-Deutschland nicht wahrhaben.

Dieks Urenkelin Abenaa Adomako, geb. 1962 in Berlin, konnte ihren Berufswunsch in den frühen 1980ern nicht erfüllen.

[…..] Aber das N-Wort fiel schon häufig. Auch bei der Berufswahl war es schwierig: Ich wäre gern Optikerin geworden, aber Schwarze Hände in weißen Gesichtern, das gehe nicht, hieß es.. […..]

(SZ Magazin, 19. September 2024, Heft 38/2024)

Adomako berichtet über ihre Tochter Antonia, die fünfte Generation Deutscher, in Berlin:

[…..] Als Antonia in die Grundschule kam, wollte ihre Lehrerin, dass sie die morgendliche Zusatzstunde Deutsch als Zweitsprache besucht. Ich habe gesagt: »Das braucht sie nicht. Hören Sie nicht, wie ich mit Ihnen rede? Hören Sie nicht, wie meine Tochter mit Ihnen redet? Wir sprechen Deutsch zu Hause. Warum soll mein Kind zu Deutsch als Zweitsprache gehen?« Und auch sie musste rassistische Beleidigungen wie das N-Wort erfahren. […..]

(SZ Magazin, 19. September 2024, Heft 38/2024)

Den ersten Kontakt mit den Ossis erlebte die Berlinerin Adomako 1989 an vorderster Front.

[…..] Ich habe damals ein Reisebüro geleitet und bin am Tag nach dem Mauerfall mit meinen Kolleg*innen zum Ku’damm und in die Nähe des Bahnhofs Zoo. Wir hatten Sekt dabei und wollten feiern. Aber ich habe schnell gemerkt, dass ich dort nicht erwünscht bin. Vor allem die Menschen aus der anderen Richtung haben mir vermittelt, dass sie nicht so erfreut sind, ein Schwarzes Gesicht zu sehen. So nach dem Motto: Wir sind das Volk, aber was will sie? Ich habe die Feier verlassen. Die nächsten Jahre haben sich meine Befürchtungen bewahrheitet: Es gab die Brände in Wohnheimen, in denen Ausländer*innen lebten. Freund*innen haben mir erzählt, dass sie in Brandenburg, an den See gefahren sind und dort Rechtsradikale angetroffen haben. Die Türk*innen haben sich nicht mehr wohlgefühlt, die Schwarzen haben sich nicht mehr wohlgefühlt. Wir wurden alle unsicher im Alltag. Das war der Moment, in dem ich gesagt habe: Jetzt reicht’s! Ich bin dann 1993 für drei Jahre nach Ghana und habe dort für den Deutschen Entwicklungsdienst gearbeitet. […..]

(SZ Magazin, 19. September 2024, Heft 38/2024)

Die Auszeichnung als Impudenz des Monats Oktober 2024 verleihe ich hiermit Deutschland.

Dem Land, dessen Bundespräsident sich noch im Oktober 2024 peinlich windet, wenn die Sprache auf die Rückzahlung von geraubtem griechischen Geld und Reparationen für deutsche Kriegsverbrechen in der Nazi-Zeit kommt.

Das Land, das 100 Jahre nach den Genoziden an den Herero und Name immer noch nicht bereit ist, Wiedergutmachung zu zahlen.

(….) Stichwort Reparationen Griechenland. Stand 2017, 72 Jahre nach Kriegsende: Immer noch weigert sich die deutsche Bundesregierung das Geld, welches die deutsche Wehrmacht 1944 geraubt hatte zurück zu zahlen.

Prof. Hagen Fleischer, Historiker, Universität Athen:

„Es war eindeutig die blutigste Besatzung von allen nicht-slawischen Ländern. Weit über 30.000 exekutierte Zivilisten, darunter auch viele Frauen und Kinder. Systematisch zerstörte Infrastruktur und Wirtschaft. Plünderorgien, vom Raubbau in den Bergwerken, die für die deutsche Seite interessant war, bis hin zum Abtransport von Olivenöl und von Lebensmitteln. Und daraus resultierten die mindestens 100.000 Hungertoten vom ersten Besatzungswinter.“ 

Die deutschen Besatzer pressten dem ausgeplünderten Land zudem Millionen-Kredite ab. Jeden Monat musste die griechische Nationalbank eine so genannte Zwangsanleihe aufbringen.

Prof. Hagen Fleischer, Historiker, Universität Athen:

„Damit wurden dann vor allem solche Kosten und Ausgaben der Wehrmacht gedeckt, die nicht unter die normalen Besatzungskosten in einem Krieg fallen. Das waren dann die Kosten für die Kriegsführung im östlichen Mittelmeer. Selbst Rommels Nordafrikafeldzug wurde zum Teil von den Griechen mitfinanziert.“

Bemerkenswert ist: Noch kurz vor Kriegsende hatten die Nazis mit der Rückzahlung der Zwangsanleihe begonnen, wie aus Dokumenten hervorgeht, die Hagen Fleischer entdeckt hat. Eine von Nazi-Deutschland selbst berechnete und anerkannte Restschuld von 476 Millionen Reichsmark blieb aber offen.  Heute entspricht das rund 10 Milliarden Euro. Geld, das griechische Regierungen schon seit Jahrzehnten zurückverlangen.

(Kontraste 12.03.2015)

(Schlussstrich, 02.04.2017)

Deutschland ist das Land, das fast 80 Jahre nach der totalen Niederlage im zweiten Weltkrieg immer noch Bürger mit nicht deutschen Namen oder nicht weißer Hautfarbe, massiv bei Jobs oder Wohnungssuche benachteiligt.

Deutschland, das es sich in seiner provinziellen Bräsigkeit so bequem gemacht hat, daß es ohne massive Zuwanderung von 500.000 Menschen pro Jahr, dem ökonomischen Kollaps entgegentaumelt.

Deutschland, das Blödmann-Land, welches sich trotz des massiven Fachkräftemangels und der durch die Kopulationsunfähigkeit bedingten demographischen Krise, hartnäckig einbildet, es werden von Ausländern überrannt, die es nun Trumpisch aufzuhalten gelte, indem 4.000 Kilometer Grenzmauer errichtet werden.

Die Impudenz Deutschland wählt in vielen Bundesländern mit klaren 2/3-Mehrheiten offen xenophobe Parteien (CDU, CSU, FW, AfD, BSW) und möchte den radikalen Ausländer-, Frauen- und Schwulenfeind Merz mit seinen rechts pöbelnden Adepten als nächsten Kanzler. In Bayern kommen die migrantenfeindlichen Parteien CSU, AfD, FW und BSW zusammen gegenwärtig auf 77%. In Sachsen vereinen sie 75% der Stimmen auf sich, Thüringen folgt mit 73% Ausländerhassern.

Die Ampel zittert und wackelt in den letzten Zügen. Sollte der irre Gelbpestler im Finanzministerium wirklich alles implodieren lassen, will der Urnenpöbel Scheuer und Spahn zurück haben.

Gute Nacht, Deutschland.