Donnerstag, 30. November 2017

Vieles spricht für Forsa

Die 1984 in Berlin von Manfred Güllner gegründete „Forsa Gesellschaft für Sozialforschung und statistische Analysen mbH“ ist eins der fünf großen Demoskopie-Institute in Deutschland.
Mit seinen gut 60 Festangestellten beliefert Güllner insbesondere den Bertelsmann-Konzern, der frische Forsa-Zahlen wöchentlich bei seinen Ablegern STERN und RTL verbreitet.

Forsa-Zahlen erscheinen also sehr oft – insbesondere im Vergleich zum konservativen Dino der Branche, Allensbach.
STERN und RTL sind jedem bekannt und bei Wahlen stellt sich immer wieder heraus, daß Güllners Daten tatsächlich innerhalb der ausgewiesenen Fehlergrenzen korrekt sind.



 
Forsa liefert eine Menge Zahlen; sie erscheinen u.a. auch wöchentlich in der „Berliner Zeitung“, so daß man oft Passende findet, um seine eigene parteipolitische Interpretation zu untermauern.

CDU, SPD, Grüne, FDP, Linke, Piraten. AfD

Zweifelt jemand die Zahlen an, lässt abfällig den „Umfragen sind keine Wahlergebnisse!“-Spruch fallen, kann man auf die Treffsicherheit Güllners verweisen.
Passen einem seine Zahlen nicht, weil die eigenen konservativen Parteien zu schlecht sind, betont man abschätzig die SPD-Mitgliedschaft des Forsa-Chefs. So einer müsse ja CDU und FDP schlecht aussehen lassen.
Sehen die SPD-Zahlen zu niedrig aus, argumentiert man hingegen, Güllner sei ein alter Schröder-Freund und mit der heutigen SPD-Führung bekanntermaßen zerstritten.

In Bayern misst Forsa nur alle ein, zwei Monate die politische Landtagsstimmung. Die CSU stören die Zahlen aus Berlin ganz erheblich.
Nach dem Motto „Traue keiner Umfrage, die du nicht selbst gefälscht hast“ werfen Scheuer, Söder und Co in dem Fall selbstverständlich die SPD-Mitgliedschaft Güllners auf den Markt.
So geht es ja nicht, daß Sozen sich zu bayerischen Belangen äußern. Das sei „stümperhaft und unprofessionell“.
Horst Seehofer hält sich ein eigenes Demoskopie-Institut, welches oft direkt für seine Staatskanzlei arbeitet und die CSU in rosigerem Licht darstellt.

(….)  Dieser Manfred Güllner, immerhin SPD-Mitglied, wird an der SPD-Basis gehasst, weil seine FORSA-Prognosen immer besonders schlechte Sozi-Werte zeigen.
OK, bei den letzten drei Bundestagswahlen lag er zwar näher an den realen Ergebnissen, aber was schert uns die schnöde Realität, wenn sie sich nicht der eigenen Sicht anpasst.

Jetzt geht Forsa allerdings zu weit und wagt sich an Landtagswahlumfragen in Bayern, die nicht die CSU-Lesart stützen, nach der Seehofer dort wegen seines scharfen Antiflüchtlingskurses die absolute Mehrheit halte und die AfD diminuiere.
Stattdessen melden Güllners Leute 40% für die CSU! (SPD 16%, Grüne 14%, AfD 10%)

Herrgottsakrakruzitürken, es kann doch nicht sein, was nicht sein darf.

Die CSU-Spitze reagierte verärgert und attackierte anschließend den Meinungsforscher: "Bei allen seriösen Umfrageinstituten liegt die CSU seit vielen Monaten und auch zeitgleich stabil um 48 Prozent", sagte CSU-Generalsekretär Andreas Scheuer auf Anfrage. Güllner mache mit Forsa keine Umfragen, sondern Stimmung. "Sowas überhaupt zu veröffentlichen, ist stümperhaft und unprofessionell."
CSU-Chef Horst Seehofer sagte, er nehme die Umfrage nicht ernst. "Politische Kundgebungen von Herrn Güllner sehe ich immer sehr gelassen."

Verdammter Güllner.
Eigentlich macht fast nur die GMS Umfragen in Bayern und die ergeben in den letzten Monaten stets 48% für die CSU.
Die GMS - Gesellschaft für Markt- und Sozialforschung – ist in den Augen Seehofers viel seriöser.

Wenn die CSU eine Umfrage braucht, dann steht GMS bereit. […]
Wer wissen will, wie der Bayer so tickt, der findet in Helmut Jung vom Hamburger Meinungsforschungsinstitut GMS einen Kenner. […] In der Affäre um CSU-orientierte Meinungsumfragen der bayerischen Staatskanzlei, für die der Steuerzahler aufkommt, nimmt Jungs Meinungsforschungsinstitut eine Schlüsselrolle ein. Bei GMS sind jene umstrittenen 108.000 Euro teuren Studien in Auftrag gegeben worden, die Anleitungen enthalten, wie die CSU den politischen Gegner kleinhalten kann. Im Umgang mit dem Koalitionspartner FDP rät die Studie aus dem Jahr 2008 sogar dazu, den Konflikt zu suchen.
Regierungs- und Parteichef Horst Seehofer findet daran nichts Verwerfliches. […] Die Frage, ob es sein könne, dass ein Meinungsforscher ohne Auftrag politische Analysen liefert, führt tief ins Innenleben von Partei- und Regierungsarbeit - und schließlich zu der Erkenntnis, dass die CSU das lange Zeit sowieso als Einheit betrachtet hat. Und Jung hat davon in besonderer Weise profitiert.
Sowohl die CSU, die parteinahe Hanns-Seidel-Stiftung als auch die Staatskanzlei haben nach Recherchen der Süddeutschen Zeitung über viele Jahre hinweg regelmäßig bei Jung Expertisen in Auftrag gegeben. In der Partei gilt er als "Haus- und Hof-Demoskop der CSU", berichtet einer aus der Führungsspitze, der ihn vor etwa 20 Jahren kennengelernt hat. Ein Sprecher der Staatskanzlei gibt an, dass die Regierungszentrale seit 1997 mit dem Meinungsforscher zusammenarbeitet. […]

Die Forsa-Zahlen können gar nicht stimmen, denn nur die absolute CSU-Mehrheit in Bayern gilt Seehofers Jungs als schlagkräftiges Argument gegen die CDU in der Flüchtlingsfrage.
Und wieso sollten die bayerischen Wähler auch nicht die grandiosen CSU-Politiker mit einer absoluten Mehrheit ausstatten? (….)

Nachdem sich Söder und Seehofer aber auch offener Bühne bekriegen, der CSU-Chef in eine zweijährige Pöbelorgie mit der CDU-Chefin verstrickt war, passierte allerdings bei der Bundestagswahl Ungeheuerliches.
Es brachen echte CSU-Zahlen über die Staatspartei herein, die man nicht auf „stümperhafte und unprofessionelle“ SPD-Institutsleiter schieben konnte.

(…..) In Westdeutschland erzielte die AfD ihren größten Zugewinn in Bayern.
Die AfD gewann in Bayern seit 2014 ungeheuerliche 632.594 Wählerstimmen hinzu und holte mit 12,4% ihr bestes Ergebnis aller westdeutschen Bundesländer. Den größten Absturz gab es im Wahlkreis Ingolstadt, der Heimat Seehofers, mit Einbußen von 13,9 Prozentpunkten.
Wenn das in dem Bundesland passiert, dessen Regierungschef sich so brutal und unversöhnlich wie niemand anders gegen Merkels Flüchtlingspolitik stellte, bestätigt das die simple Regel „man wählt lieber das Original“. (….)

Dobrindt und Scheuer backen nun kleinere Brötchen, trauen sich nicht mehr mit stolzgeschwellter Brust auf FORSA einzuprügeln.
Möglicherweise haben sie dazu auch keine Zeit, weil der Crazy-Horst-Nachfolgestreit voll entbrannt ist.

[….] Herrmann oder Söder? Die CSU erwartet auf jeden Fall eine Katastrophe
Denn egal wer den Zweikampf gewinnt, von der absoluten Mehrheit im Landtag kann sich die Partei so gut wie sicher verabschieden. Welche Szenarien jetzt denkbar sind. [….]

Forsa misst die CSU jetzt in der Landtagswahl-Sonntagsfrage mit 38%.
Eine Katastrophe.
Insbesondere, da die beiden knochenkonservativen CSU-freundlichen Institute INSA und GMS noch unfreundlicher sind.


Wie redet sich Scheuer diesmal raus?

Mittwoch, 29. November 2017

Triple down

Das muss man erst mal schaffen. Während Trump eine gerade mal ein-minütige Ansprache hält, um die Navajo-Ureinwohner zu ehren, schafft er es, sie ordentlich rassistisch zu beleidigen.
Die sogenannten Code Talker waren im zweiten Weltkrieg ungeheuer wichtig für die USA, weil sie für die Deutschen unentschlüsselbar codieren konnten.
Der fünffache Kriegsdienstverweigerer Trump schaffte es sich so unfassbar peinlich zu benehmen, daß man sich auf der ganzen Welt für ihn mitschämte.
Dabei kennt man ihn so, als ewigen Rassisten und Nazi-Bejubler.


Dieser unfassbare Prolet ist durch und durch abartig; vollkommen unfähig sich auch nur für Minuten mal anständig zu benehmen.

Trump hasst alles, das nicht weiß, alt und reich ist wie er. Er ist zutiefst intolerant und menschenfeindlich.
Immigranten werden von ihm bestenfalls ausgebeutet.

[…..]  President Donald Trump hired hundreds of undocumented Polish immigrants to demolish a New York City building in 1980 and paid them as little as $4 an hour without providing proper safety equipment to do the job, court documents show. [….]

[…..] Trump Is Selling New Merchandise Made in China and Bangladesh
The Trump Organization is at it again, making a buck off the president’s name and buying from overseas. […..] The Trump Organization launched Trumpstore.com and sells a $32 Trump Golf hat made in Bangladesh and a $25 faux gold bouillion “TRUMP” coin bank made in China. […..] Trump was criticized during the presidential campaign for bashing Mexico and China for “stealing” U.S. jobs even though his ties were made in Mexico and he applied for trademarks in China.
[…..] Aside from hypocrisy, Trump has faced criticism for his foreign-business deals for another reason: the Constitution’s “emoluments clause.”
The Constitution forbids presidents from profiting off of deals made with representatives of foreign governments.  [….]

Unablässiges Beleidigen, sagenhafte Heuchelei, das kennen wir von Trump.
Immer klarer werden aber auch sein echter Rassismus und seine Begeisterung für Nazis.

[….]  US-Präsident Donald Trump hat in der Nacht zu Mittwoch über sein Twitter-Konto drei antimuslimische Videos verbreitet, die eine britische Rechtsextremistin zuvor ins Internet gestellt hatte. Die Videos zeigen unter anderem einen bärtigen Mann in einem langen Gewand, der eine Marienstatue zertrümmert, sowie einen dunkelhaarigen Teenager, der einen blonden, auf eine Krücke gestützten Jungen verprügelt. […..] Die Videos waren ursprünglich von der Britin Jayda Fransen über Twitter verbreitet worden. Fransen ist Vizevorsitzende der rechtsextremen, scharf antimuslimischen Partei Britain First, die behauptet, christliche Werte verteidigen und Großbritannien vor der Islamisierung bewahren zu wollen. […..] In der Nacht zu Mittwoch wurden die drei Videos über das Twitter-Konto des Präsidenten der Vereinigten Staaten weiterverschickt. Während Fransen nur eine magere Twitter-Gefolgschaft von etwa 15 000 Menschen hat, folgen Trumps Tweets mehr als 43 Millionen Menschen. Die Reichweite der antimuslimischen Videos hat sich durch Trump daher über Nacht exorbitant vervielfacht. […..]

Während die rechten Amerikaner weiterhin begeistert den Mann unterstützen, der für Pädophile wirbt und mutmaßlich selbst Dutzende Frauen sexuell attackiert hat, sind seine treuesten Freunde außerhalb der USA langsam genervt.

Sogar Frau May, die Trump in Washington noch das Händchen hielt, läuft grünlich an.

[….]  "Ich hoffe, dass unsere Regierung die rechtextremen Retweets von Trump verurteilt", schrieb Labour-Chef Jeremy Corbyn auf Twitter. Sie seien "abscheulich, gefährlich und eine Bedrohung für unsere Gesellschaft".   Die Reaktion der Regierung von Premierministerin Theresa May folgte wenig später: Es sei falsch gewesen, was Trump getan habe, sagte ein Sprecher. […..] Ähnlich wie Corbyn äußerte sich auch der Labour-Abgeordnete David Lammy. Trump fördere eine "faschistische, rassistische und extremistische Hass-Gruppe". Trump sei "weder ein Verbündeter noch ein Freund".[…..]

Dienstag, 28. November 2017

Planungen – Teil II

Ja, der Martin.
Der gibt Orientierung.

"Ich strebe keine große Koalition an, ich strebe auch keine Minderheitsregierung an. Ich strebe auch keine Neuwahlen an. Was ich anstrebe: Dass wir die Wege diskutieren, die die besten sind, um das Leben der Menschen jeden Tag ein Stück besser zu machen."
(Martin Schulz, Juso-Kongress, 24.11.2017)

Inhaltslos daher faseln kann der SPD-Chef inzwischen schon fast so gut wie Angela Merkel.
Natürlich strebt kein Sozi irgendetwas an, bei dem am Ende die CDU den Kanzler stellt. So schlau sind schon Viertklässler.

Die Frage ist aber, ob man etwas, das man nicht anstrebt womöglich unter Umständen doch tun muss.
Von Schulz wüßte man gern, welche Umstände dies genau sein könnten, welche Bedingungen dann erfüllt sein müssen und was ihn eigentlich dazu brachte von seinem kategorischen „Nein zur Groko“ abzurücken. Wie erklärt man das dem Wahlvolk und wird dieser schwerwiegende taktische Fehler der SPD-Spitze personelle Konsequenzen haben?

Das Leben „der Menschen“ (allgemeiner geht es kaum noch) „besser“ zu machen, stammt vermutlich aus einem Glückskeks.
Ich bezweifele, daß irgendeiner in CSU, CDU, FDP, bei den Grünen und den Linken etwas anderes möchte. In keinem Parteiprogramm wird eine Verschlechterung des Lebens versprochen.

Ein erbärmliches Allgemeinplätzchen, das Schulz unter dem Jubel der Jusos da absondert. Die Fragen sind aber, was genau man unter „besser“ im Gegensatz zu anderen Parteien versteht und wie und in welcher politischen Konstellation man das zu erreichen gedenkt.

Schulz ist offensichtlich planlos.


Der Mensch lebt durch den Kopf.
Sein Kopf reicht ihm nicht aus.
Versuch es nur, von deinem Kopf
Lebt höchstens eine Laus.
Denn für dieses Leben
Ist der Mensch nicht schlau genug.
Niemals merkt er eben
Diesen Lug und Trug.

Ja, mach nur einen Plan!
Sei nur ein großes Licht!
Und mach dann noch’nen zweiten Plan
Gehn tun sie beide nicht. (…..)

Erstaunlicherweise zeigt sich Angela Merkel, die gegenwärtig wieder einmal in Umfragen von dem Regierungsbildungschaos profitiert, als ob sie gar nichts mit den Kabalen zu tun hätte, ebenfalls planlos.

In den Sondierungen, also bevor entschieden wurde, ob überhaupt Koalitionsverhandlungen aufgenommen werden, ließ Merkel Gruppen von 50 und mehr Leuten kleinste Details diskutieren. Von 270 „Spiegelstrichen“ und „eckigen Klammern“ war die Rede.
Sie selbst hielt sich dabei inhaltlich offenbar ganz raus, ließ Wochenlang ohne Vorgaben in derart großen Runden plappern, daß natürlich auch nichts geheim blieb und jeder nach Belieben Journalisten antwitterte.
Dieses Kleinklein hätte gar nicht in die Sondierungen gehört.

Nachdem sie nach ihrer katastrophalen Jamaika-Pleite nun doch auf die SPD angewiesen ist, ließ Merkels Kanzleramt den Glyphosat-Torpedo unter der SPD-Zentrale detonieren, obwohl sich das Thema seit Wochen zum Riesenproblem auswuchs.
Wieder einmal entglitt Merkel die Kontrolle, wieder einmal versagte ihr Kanzleramt.


[…..] Christian Schmidt ist ein Landwirtschaftsminister, von dem wenig bis nichts in Erinnerung geblieben wäre, wenn er bis Montag Mittag seinen Rücktritt eingereicht hätte. Dann aber ließ er plötzlich seinen Vertreter in Brüssel für die Verlängerung des Herbizids Glyphosat stimmen. Der Alleingang des CSU-Ministers ist ein starkes Stück und zeigt zugleich die Schwäche der geschäftsführenden Bundesregierung. Ungefähr im selben Tempo, in dem Glyphosat Unkraut vernichtet, hat Christian Schmidt damit Vertrauen zwischen Union und SPD zerstört. […..] Schon allein, dass er trotz ihres Vetos einer Verlängerung der Zulassung von Glyphosat hat zustimmen lassen, ist nicht nur eine kollegiale Hinterlist, sondern ein politischer Affront. [….]

Merkel hätte sich nun noch retten können, indem sie sich demonstrativ auf Hendricks Seite geschlagen hätte.
Um die tobende SPD-Basis zu beruhigen, müßte Merkel dafür allerdings brutal durchgreifen und wie weiland Norbert Röttgen den irrlichternden Landwirtschaftsminister mit einem großen Knall rauswerfen.
Natürlich hätte das einer Absprache mit Seehofer bedurft, da Schmidt einer anderen Partei angehört und zu allem Übel kommissarisch auch noch Dobrindts ehemaliges Ministerium leitet.
Aber da die Regierungszeit ohnehin offiziell abgelaufen ist, sollte das wohl möglich sein, ohne einen CSU-CDU-Krach zu riskieren.

Die Kanzlerin versagte aber erneut, ließ die Chance ungenutzt verstreichen, verteilte lediglich eine vage Rüge, die niemand in der SPD beeindruckt.

[….] Angela Merkel hat ihren Landwirtschaftsminister für sein Glyphosat-Ja kritisiert. Dass Christian Schmidt in der EU für die Lizenzverlängerung abstimmen ließ, habe gegen die Geschäftsordnung der Regierung verstoßen. "Das entsprach nicht der Weisungslage, die von der Bundesregierung ausgearbeitet war", sagte Merkel in Berlin zu Pressevertretern. Diese gelte auch für ein geschäftsführendes Kabinett. [….]
(SZ, 28.11.17)

Merkel ist mindestens genauso planlos wie der mäandernde Martin.

Nun wurde der zornigen Sozi-Basis noch mal deutlich vorgeführt, weswegen man lieber keine Groko machen sollte und daß man sich bei üblen Querschüssen aus Bayern nicht auf die Kanzlerin verlassen kann, da ihr im Zweifelsfall Klientelpolitik für die Milliardäre aus der Industrie immer wichtiger sein wird, als das Wohl der Menschen.

[….] Die Sache kommentiert sich eigentlich von selbst. Was soll man da noch sagen? Es sind die Momente, in denen man einfach fassungslos ist, in denen der Verstoß gegen die Würde des Systems, gegen den zwischenmenschlichen Anstand und Respekt, gegen die politische Vorsicht und Vernunft so offensichtlich sind, dass man eigentlich schon gar keine Lust mehr hat, das aufzuschreiben. Was sich der geschäftsführende Landwirtschaftsminister Christian Schmidt (CSU) da am Montag geleistet hat, ist politische Realsatire. Es ist Klientelpolitik von der dümmsten Sorte zum falschesten aller Zeitpunkte. Punkt. […..] Glyphosat gilt einer UN-Studie zufolge als krebserregend, andere Studien widersprechen. Ist die Lage unklar, sollte bei einer Entscheidung für die Verlängerung zumindest die politische Verantwortung eindeutig sein. Das ist gerade nicht der Fall. Solch eine polarisierende Entscheidung in einem politischen Vakuum wie dem derzeitigen zu fällen, zeugt von mangelndem Instinkt und mangelndem Respekt.
[…..] Es entsteht außerdem der Eindruck, dass hier eine politische Notlage ausgenutzt wird, um schnell im Sinne des eigenen Klientels – den bayerischen Großbauern – noch Nägel mit Köpfen zu machen, solange es noch irgendwie geht.   Dumm, dreist und peinlich ist das.. [….]

Montag, 27. November 2017

Wie es hier so läuft – Teil XIII

Das ist ja mal super gelaufen für die SPD; sie hält sich fein raus, um sich bei der linken Basis für die Standhaftigkeit feiern zu lassen, während Frau Merkel bei den Jamaika-Verhandlungen so debakuliert, daß ihr alles um die Ohren fliegt und nach zwei Monaten noch nicht die geringste Aussicht auf eine neue Regierung besteht.
Als Dank dafür steigt die CDU in der neuesten Umfrage um zwei Prozentpunkte auf 33%, während die SPD gnadenlos auf 19% wegsackt.
Willkommen in der richtigen Welt. Da geht es nicht um Sachpolitik, sondern um Image und Taktik.
Indem Martin Schulz letzten Montag, am Tag nachdem die FDP weggelaufen war und schwachsinnigerweise 30 Minuten vor dem Bundespräsidenten allein vor die Presse ging und ohne Not „Nein, nein, nein!“ zur Groko plärrte, hob er die Grube, in der die SPD ohnehin kauerte noch weiter aus.
Inzwischen will nach Forsa-Angaben sogar eine deutliche Mehrheit der SPD-Wähler eine Zusammenarbeit mit der CDU.

[….] Bei den Anhängern von Union und SPD zeichnet sich sogar ein noch deutlicheres Bild ab: Danach befürworten 42 Prozent der SPD-Anhänger eine Große Koalition. 34 Prozent wären für die Tolerierung einer Minderheitsregierung von Union und Grünen, lediglich 22 Prozent für Neuwahlen. [….]
(NTV, 27.11.17)

In Hamburg sind wir sehr irritiert, weil wir ein solches Irrlichtern an der Parteispitze gar nicht kennen.
Olaf Scholz, der Hamburger SPD-Chef und Bürgermeister, mag ja im Rheinland oder bei den Bayern verkopft und leidenschaftslos wirken, aber er hat seinen Laden dafür sicher im Griff, macht kaum strategische Fehler.

Einmal ließ er sich hinreißen. Das war seine viel zu optimistische Prognose über den schließlich doch völlig aus dem Ruder gelaufenen G20-Gipfel.
Verweigern konnte er sich nicht und so übertrieb er es, als er aus der Not eine Tugend machen wollte. Nach dem Gipfel fielen ihm seine Sprüche böse auf die Füße.

"Wir richten ja auch jährlich den Hafengeburtstag aus. Es wird Leute geben, die sich am 9. Juli wundern werden, dass der Gipfel schon vorbei ist."

Scholz ist aber hochgradig lernfähig. Nie wieder wird er sich mit locker-optimistischen Prognosen blamieren und so ist wohl auch zu erklären, daß Scholz zwar intensiv inhaltlich an der Runderneuerung der SPD arbeitet, im Gegensatz zu Schulz sehr konkret wird, sich aber nicht mehr leichtfertig selbst in Stellung bringt.

Allerdings haben sich Nahles und Schulz neun Wochen nach der Bundestagswahl schon so nachhaltig als unfähig erwiesen, (I told you so – sorry!) die SPD so schnurgerade in die Sackgasse manövriert, daß sich Parteimitglieder verzweifelt die Haare raufen und sich fragen, wer denn überhaupt noch da ist, dem nicht laufend solche Fehler unterlaufen.

[….] Der Hamburger Erste Bürgermeister Olaf Scholz ist nach einer Forsa-Umfrage unter SPD-Mitgliedern derzeit der größte Hoffnungsträger der Sozialdemokraten. 62 Prozent der SPD-Mitglieder wünschen sich mehr Einfluss für Scholz, ergab die am Montag vom Fernsehsender RTL veröffentlichte Umfrage.
50 Prozent hoffen demnach auf mehr Einfluss für Niedersachsens Ministerpräsidenten Stephan Weil, gefolgt vom amtierenden Außenminister Sigmar Gabriel (34 Prozent), der SPD-Fraktionschefin Andrea Nahles (33 Prozent) und dem stellvertretenden SPD-Bundesvorsitzenden Thorsten Schäfer-Gümbel (32 Prozent). [….]

Ausnahmsweise teile ich derzeit die Mehrheitsmeinung meiner Partei; ich halte auch Olaf Scholz für den Besten.
Mal abgesehen von der elenden Gipfel-Aktion läuft es wieder gut in Hamburg seitdem er regiert.

Taxifahrer und Handwerker schimpfen zwar wie wahnsinnig über den Scholz-Senat, aber die sind in der Regel wütend, weil in der Stadt nicht nur alle 50 Meter ein Haus gebaut oder saniert wird, sondern weil auch die Straßen und Brücken so intensiv instandgesetzt werden, daß Autofahren derzeit wahrlich kein Vergnügen ist in Hamburg.
Aber Scholz ist wie beim G20 in einer NoWin-Situation.
Als Merkel sagte, sie wolle den G20 in Hamburg konnte er nicht Nein sagen, weil dann jeder geschrieben hätte „Scholz kapituliert vor linkem Mob“ oder „Scholz hat keine Kontrolle über die Sicherheit“. Und die Wirtschaft hätte ihm vorgeworfen die große Werbechance nicht zu nutzen.

Ähnlich ist es mit der Bauerei in Hamburg. Nachdem Ole von Beust zehn Jahre lang den Wohnungsbau komplett eingestellt hatte, die Straßen und Siele wegbröckeln ließ, die Wohnungsnot immer größer wurde und bei enorm ansteigender Bevölkerungszahl alles nur noch über Schlaglochpisten rumpelte, half keine Kosmetik mehr.
Jetzt wird richtig viel Geld in die Hand genommen und gründlich saniert, tausende Wohnungen jedes Jahr gebaut und systematisch alle Brücken erneuert.
So erklären sich auch der große Wirtschaftsboom in Hamburg und die enormen Beschäftigungsquoten.
Die Hamburger ärgern sich jetzt aber über die Baustellen.
Würde Scholz aber nicht bauen lassen, hätten wir jetzt noch viel weniger Wohnungen stünden erst recht im Stau, weil kaputte Straßen gesperrt wären. Dann würden sie sich auch ärgern.
Kurzfristig kann nein Senat da nicht gewinnen, aber Scholz macht dafür langfristig alles richtig.

Daher wäre es auch schade ihn an Berlin zu verlieren.
Zumal die hanseatische Opposition ganz besonders unfähig ist und von Skandal zu Skandal stolpert.

Die Law-and-Order-Partei CDU, die bekanntlich 2001 den priapistischen, dauergeilen Vielficker und Maximalkokser Roland Schill zum Innensenator machte und dann miterlebte wie die Hälfte der CDU-Senatoren wegen Lügen und Untreue verklagt wurde, ist gegenwärtig mal wieder beim Koks angekommen.

Der stellvertretende CDU-Fraktionsvorsitzende in meinem Bezirk Hamburg-Mitte, der CDU-Ortsvorsitzende von Finkenwerder und stellvertretende Vorsitzender des CDU-Landesausschusses Matthias Lloyd ist offenbar ein Kokain-Dealer.

[….] 27 Gramm Kokain, Polizeigewahrsam, dazu die Ermittlungen wegen des Verdachts der Beihilfe zum Drogenhandel – die Nachricht der Hausdurchsuchung samt Drogenfund bei CDU-Politiker Matthias Lloyd (38) sorgt für mächtig Wirbel in der Parteizentrale der Union des Bezirks Mitte. [….]  Sollten sich die Vorwürfe erhärten, dann drohen ihm bis zu 15 Jahre Knast!   Wie die „Bild“ berichtet, wurden am vergangenen Dienstag 27 Gramm Kokain bei Lloyd gefunden. Der 38-Jährige soll außerdem anschließend von der Polizei einkassiert worden sein. Neben dem Besitz geht es bei den Vorwürfen auch um die „Beihilfe zum Drogenhandel in nicht geringer Menge“, wie Carsten Rinio, Sprecher der Staatsanwaltschaft, [….] bestätigt. [….]

[….] Den aktuellen Stand der Ermittlungen fasste Oberstaatsanwältin Nana Frombach am Montag so zusammen: "Es wird Herrn Lloyd die Beihilfe zum unerlaubten Handeltreiben mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge vorgeworfen. Es besteht ein Anfangsverdacht, deshalb gab es auch eine Hausdurchsuchung bei Herrn Lloyd." [….] "Bei einer Verurteilung droht eine Haftstrafe von drei Monaten bis zu elf Jahren und drei Monaten", sagte Frombach. [….]

Sonntag, 26. November 2017

Immer weiter....

In zwei, drei Jahren, wenn Merkel länger Kanzlerin war als Adenauer und sich anschickt Helmut Kohl zu überholen, wird eine in Umfragen um die 18% mäandernde SPD mit ihrem Vorsitzenden, ihren Bundesministern und ihrer Fraktionsführung hadern.
Natürlich wird niemand wie Lafontaine 1995 einmarschieren, um mit stolzgeschwellter Brust den Laden zu übernehmen, weil es auf Landesebene leider keine jungen charismatischen Typen gibt, sondern nur blasse Verwaltungsbeamten, die bestenfalls wie Weil, Scholz oder Sieling ihr Bundesland anständig aber ohne zu glänzen regieren, oder schlimmstenfalls wie Müller Panne an Panne reihen.
Diejenigen, die sich wie Stegner, Groschek oder Schäfer-Gümbel bereits auf Länderebene in die Opposition geschossen haben, kommen ohnehin nicht in Frage.
Das wird so leicht werden für die Redaktionen von Neo-Magazin Royal, Extra 3 und Heute Show die SPD-Statements aus dem September 2017 – wir gehen in die Opposition, Groko kommt nicht in Frage – mit den 2019, 2020 regierenden SPD-Groko-Bundesministern zusammen zu schneiden und billige Gags über Glaubwürdigkeit zu produzieren.

Alles nur, weil Martin Schulz sich durch eine Reihe taktischer Ungeschicklichkeiten in diese NoWin-Situation manövrierte.

Man wird es der SPD verdammt übel nehmen, wenn in den nächsten Jahren weiterhin die soziale Schere auseinanderdriftet, die Vermögenskonzentration rasant zunimmt, während ein Millionenheer aus Pflegern, Krankenschwestern und Geringverdienern dauerhaft von der prosperierenden Wirtschaft abgekoppelt bleibt und man sich drauf einstellen kann als Rentner in Suppenküchen anstehen zu müssen, weil die Grundsicherung nicht ausreicht.

[….] Geiz macht arm[….]
    In weiten Teilen des Dienstleistungssektors schuften Menschen zu Niedriglöhnen: Paketboten, Altenpfleger, Kellner oder Verkäuferinnen bekommen weniger als vergleichbare Jobs in der Industrie.
    Verbraucher müssen auf die Qualität achten, und Politiker müssen Befristungen, Leiharbeit und Minijobs zurückdrängen. [….]

Man wird stinksauer auf die Sozis sein, wenn sie weiterhin zulassen, daß erstmals eine Generation heranwächst, der es finanziell schlechter geht als ihren Eltern.
Keiner wird verstehen wieso Andrea Nahles als Sozialministerin einfach den Fragen auswich, wieso es immer noch kein Rückkehrrecht von Teilzeit- und Vollzeitarbeit gibt.
Man wird die Fraktionsvorsitzende hart angehen, weil ihre Rentenpolitik zu Gunsten der Reichsten ging.
Die Jusos werden stinksauer sein, wenn es weiterhin ungebremst Waffenexporte mitten in die nahöstlichen Krisengebiete gibt, wenn Saudi Arabien mit diesen deutschen Waffen eine beispiellose humanitäre Katastrophe im Jemen auslöst und das obwohl seit Jahren SPD-Wirtschafts- und SPD-Außenminister im Bundessicherheitsrat sitzen und all das absegnen.
Ich werde zürnen, wenn ich als in Deutschland Geborener nach einem halben Jahrhundert immer noch nicht Deutscher werden kann und wie Millionen andere, die seit Jahrzehnten hier leben von Wahlen ausgeschlossen werde.
Ich werde es der SPD nicht verzeihen weiterhin den Familiennachzug auszusetzen und damit nicht nur gegen die Genfer Flüchtlingskonvention, die UN-Kinderschutzcharta und das Grundgesetz zu verstoßen, sondern auch die Integration von Heimatvertriebenen entscheidend zu erschweren.
Polizisten und Sozialarbeiter werden nicht verstehen, wieso es in Deutschland mit einer SPD als Regierungspartei immer noch eine verfehlte, illiberale Drogenpolitik gibt, die Kranke bestraft und Dealer reich macht.
Humanisten und weitere 80% der Bevölkerung empören sich zu Recht, wenn mit den SPD-Stimmen inhumane quälerische und entmündigende Gesetze bezüglich des assistierten Suizids und der Patientenverfügung durchgedrückt werden.
Atheisten werden sich abwenden, wenn die Kirchen mit Protektion der Groko weiterhin ihr diskriminatorisches Arbeitsrecht behalten dürfen und mit Milliarden-Privilegien vom Steuerzahler überschüttet werden.
Umweltschützer werden Zeter und Mordio schreien, wenn nach den schwarzgelben Jahren 2009-2013 ausgerechnet ab 2014 mit einem Sozi-Energieminister und einer Sozi-Umweltministerin Deutschland auf Trump macht und sogar wieder mehr CO2 ausstößt.
Während die extrem wirtschaftsfreundlichen Regierungen von England und China mutig das Ende des Verbrennungsmotors einleiten und damit auf neue Technologien setzen, befindet sich die deutsche Regierung noch auf dem Stand der 1950er Jahre und propagiert immer größere und immer mehr Spritschlucker.

Sigmar Gabriel (* 12. September 1959 in Goslar), seit Dezember 2013 Stellvertreter der Bundeskanzlerin und seit Januar 2017 Bundesminister des Auswärtigen, grätschte ohne Not den eigenen Klimazielen wie ein Mini-Trump dazwischen.
Gabriel machte sich zu seinem Ministerabschied noch mal zum billigen Lobbyhansel der Autoindustrie und untergrub die weltweiten Klimaschutzbemühungen.

[…..] Gabriel setzt sich laschere Grenzwerte ein. Auch Außenminister Sigmar Gabriel passten die neuen Grenzwerte anscheinend gar nicht: Er beklagte in einem Brief an die EU-Kommission, dass solche Vorschriften die Innovationskraft der der Autoindustrie “ersticken” würden.
[…..] In dem Schreiben forderte Gabriel, die neuen Ziele zunächst bis 2025 zu überdenken und keine Strafen für Hersteller einzuführen, die die Vorgaben nicht einhalten.
Vor allem Quoten für Elektroautos, so fürchtet Gabriel, würden zu stark in den Markt eingreifen und so den Autoherstellern schaden. Die neuen Regelungen, schreibt der Außenminister, würden Nachteile für die deutsche Autoindustrie bedeuten, die “durch ihre langjährige Expertise und ihre Wettbewerbskraft (...) Arbeitsplätze sichert.” […..]

Bekanntlich braucht man beim Bau von umweltfreundlichen Autos ja keine Arbeitskraft, so daß dann alle arbeitslos werden. Und die paar Hunderttausend Kinder, die durch die gewaltige Stickoxidbelastung an Asthma und COPD leiden, sind für Gabriel genauso irrelevant wie die Myriaden Menschen, die in Folge des beschleunigten Klimawandels jedes Jahr sterben. Der Ex-SPD-Chef versteht sich lieber als Büttel der bewiesenermaßen kriminellen und raffgierigen Großindustrie.

Soll das die Erinnerung an die SPD-Regierungsanteile sein?

[….] Seit mehr als zwei Jahren schlingert Volkswagen durch den Abgasskandal, macht hier ein vages Versprechen, gelobt dort halbherzig Besserung. Doch ausgerechnet jetzt findet der Konzern seine Entschlossenheit wieder. VW torpediert, als wäre nichts geschehen, die neuen Abgasvorgaben der Europäischen Union. Das für sich wäre schon unverschämt – doch der eigentliche Skandal ist: Volkswagen hat mit seinen dreisten Lobbypositionen auch noch Erfolg. [….]
Und selbst der scheidende Bundesaußenminister Sigmar Gabriel (SPD) entdeckte den VW-Pressesprecher in sich: "Mir ist es deshalb ein großes Anliegen, dass wir die Innovationskraft der Automobilindustrie nicht durch zu eng gestrickte EU-Gesetzgebung ersticken", schrieb er an Juncker. Es geht um weniger Autoabgase und bessere Luft – und Gabriel findet keine andere Metapher als ausgerechnet "Ersticken". [….]
(….)

Das wird die SPD alles gar nicht beliebt machen.
Demoskopen werden zuverlässig neue Tiefstmarken liefern und derart unter Druck wird Martin Schulz nur noch getriebener wirken und die auseinander strebenden Parteiflügel nicht unter Kontrolle bekommen.

Jusos und andere SPD-Linke ziehen daraus die Konsequenz lieber gleich in die Opposition zu gehen, einen auf Lindner zu machen, um sich nicht die Hände schmutzig zu machen.
SPD-Realos und Seeheimer hingegen betonen die überparteiliche Verantwortung für Bürger und Staat. Das Wohlergehen der eigenen Partei dürfe nicht den Interessen der Nation übergeordnet werden.
 Eine funktionierende Regierung Deutschlands wäre auch für internationale Politik unverzichtbar.

Beiden Denkansätzen basieren offenbar auf der gleichen Grundannahme. Das Regieren als Juniorpartner in einer GroKo bekommt der Partei nicht, man werde zwangsläufig wirtschaftsfreundliche Lobbypolitik machen und dafür von den Linken gehasst.

Ich plädiere allerdings für einen anderen Weg unter anderen Prämissen.
Ja, es kann sein, daß die politische Großwetterlage die Sozis gewissermaßen in eine neue Groko zwingt.
Jede Ausschließeritis ist daher falsch.
Eine Groko muss aber nicht zwangsweise schlecht sein; nach drei Jahren als Kanzler-Juniorpartner ging die Brandt-SPD 1969 (42,7%!) so gestärkt aus der GroKo, daß sie die CDU in die Opposition schubste und selbst den Kanzler stellte.

Voraussetzung dafür ist natürlich richtig gut zu regieren und mit Rückgrat die eigene Linie zu vertreten, statt heimlich in Brüssel oder im Bundessicherheitsrat die schmutzigen Dinge durchzudrücken.

Die SPD hat jetzt die Möglichkeit sich teuer zu verkaufen und der CDU entscheidende Fortschritte bei den oben genannten Punkten abzutrotzen.
Schluss mit Hinterzimmerdeals, beschönigenden Statements von Zickzack-Sigi und einer sich wegduckenden Nahles.
Wir brauchen keine netten Minister, sondern Durchsetzungsfähige.
Lauterbach statt Gröhe.
Und ja, als kleiner Partner kann man nicht alles durchsetzen (daher wäre eine Kenia-Koalition tatsächlich besser), aber wenn die Sozis bei einem Sachthema an der Union scheitern, also Glypohosat weiterhin genehmigt wird oder der Mindestlohn unterlaufen werden darf, dann soll jeweils die gesamte SPD-Ministerriege eine dramatische Pressekonferenz geben, in der dem Volk eingehämmert wird, daß Gesetz x oder Entscheidung y wegen des Koalitionsvertrages auf Druck der CDU so gemacht werden musste, daß aber die SPD in einer Alleinregierung anders entschieden hätte und zwar folgendermaßen a,b,c mit diesen konkreten Auswirkungen d,e,f für die Bürger.
Koalitionsvertragstreues Handeln, aber gleichzeitig offensive Kommunikation, die ununterbrochen anprangert was die Union aus SPD-Sicht falsch macht.

Wenn die Bürger ob der guten Regierungsarbeit und des für Frau Merkel brutalen Koalitionsvertrages deutliche Verbesserungen bemerken, wird die SPD im Jahr 2020 nicht bei 15, sondern bei 30 oder 35% stehen und dann wird sich auch niemand mehr an das „nie mehr Groko-Gejammer“ von 2017 erinnern.

Samstag, 25. November 2017

Er sie es

Vanja hat sich nicht ausgesucht welches Geschlecht er/sie hat.
Er/sie wurde wie etwa 100.000 weitere Menschen in Deutschland weder als Mann noch als Frau geboren.
Nicht in die biblischen Schablonen zu passen bedeutete über Jahrtausende entweder gleich getötet zu werden oder später gequält zu werden. In den letzten 100 Jahren wurden schon Säuglinge rücksichtslos so operiert, daß sie zwangsweise häufig sterilisiert und immer äußerlich in ein (meist falsches) Geschlecht gezwungen werden.
Das ist zutiefst menschlich, denn Menschen sind abartige, grausame und vorurteilsbeladene Wesen, die das töten und quälen, was sie nicht kennen.
Auch ich erfasste erst vor etwa 20 Jahren bei der Lektüre von und über Del Lagrace Volcano welche unfassbare Grausamkeit heimlich, still und leise an tausenden Kindern jährlich begangen wird.

Immerhin erfreulich, daß es im Jahr 2017 kurz nach der „Ehe für fast alle“ (einige bleiben weiterhin ausgeschlossen) nicht mehr erneut Jahrhunderte dauerte, bis Intersexuelle auch rechtlich ein eigenes Geschlecht bekamen.

[….] Bei Frauen ist es XX, bei Männern XY. Vanja hatte nur ein X, mehr nicht. Die Ärztin war geschockt.
Vanjas Reaktion? Verwirrt. Erschreckt. Aber auch einen Schritt näher bei sich selbst. "Irgendetwas in mir hat ja gewusst, dass sich da keine Weiblichkeit entwickelt." Nur: Wer oder was war Vanja nun? Die ärztliche Diagnose klang nach Frau mit Defekt, sie könne eben keine Kinder kriegen: "45,X0, numerisch pathologischer Karyotyp mit Monosomie X/Ullrich-Turner-Syndrom". Das ist nur eine der diversen Varianten medizinisch unklarer Geschlechtszuordnung; mal sind es die Gene, mal fehlende Enzyme oder hormonelle Fehlsteuerungen.
 […..]  Die Mediziner empfahlen, Östrogen zu geben, das weibliche Sexualhormon. Vanja sollte doch noch die Kurve zur Frau kriegen.
Letztlich entsprach das einer rigiden Haltung, die sich im 19. Jahrhundert herausgebildet hatte. Davor, etwa im Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794, hatten Betroffene bis zum 18. Lebensjahr das Recht, einen Irrtum der Eltern bei der Geschlechtszuordnung zu korrigieren - das Recht also, das eigene Geschlecht zu wählen, wenn auch nur zwischen zwei Möglichkeiten. Hundert Jahre später wurde aus dem Wahlrecht eine behördliche Zuweisung: Einzutragen war das "wahre Geschlecht" - im Zweifelsfall mussten die Mediziner entscheiden.    Aus diesem Zwang zur Eindeutigkeit sollte sich eine mitunter barbarische Praxis entwickeln. […..]

Woher kommt diese extreme menschliche Bösartigkeit gegenüber völlig unschuldigen Artgenossen?
Offensichtlich aus der tiefen Borniertheit des Denkens.
Was der Bauer nicht kennt, isst er nicht.
Es kann nicht sein, was sein darf.
Mensch ist zu denkfaul, um die gewohnten sprachlichen maskulin-feminin-Pfade zu verlassen.

Dabei wußte schon Marcel Reich-Ranicki wie eigenartig deutsche Grammatik ist.

In Deutschland heißt es
die Männlichkeit
der Feminismus und
das Weib.

Und wer hat noch nicht die verblüffte Reaktion eines Italieners erlebt, wenn man ihm erzählt bei uns hieße es der Mond und die Sonne, der Südländer aber „il sole“ als männlich und „la luna“ natürlich als weiblich kennt?

Und was ist mit den verrückten Engländern und Amerikaner ganz ohne geschlechtliche Artikel auskommen. Ihnen genügt „the“, bzw „a“. Was ist denn das für eine Gleichmacherei?
Aber die duzen ja auch jeden. Unverschämtheit.

Ist man deutschsprachig aufgewachsen, wirkt es ausgesprochen absurd statt „er“ und „sie“ nur noch „es“ zu sagen.

Die Gewöhnung ist der Schlüssel. Mensch ist zu träge und tumb, um sich an einen anderen Sprachgebrauch anzupassen.

Insofern bin ich auch nicht sehr optimistisch, daß die frommen Schweden es schaffen die liebe Göttin zukünftig als Intersexuelle(n) anzusehen.
Anders als bei Vanja kam man dem wahren Geschlecht Gottes allerdings nicht durch eine Genanalyse auf die Spur, sondern durch Recherchen der Erzbischöfin Antje Jackelén, der Chefin der Schwedischen Kirche. Es waren offensichtlich mal wieder die verrückten 80er Jahre, als sich Männer schminkten und die Haare hochtoupierten. Da fiel Gott glatt der Penis ab.

 "Die Idee, dass wir eine inklusivere Sprache brauchen, existierte bereits während der Arbeit zum Handbuch 1986. Theologisch wissen wir, dass Gott jenseits unserer Geschlechtsbestimmungen ist. Gott ist kein Mensch."
(Antje Jackelén)

In Deutschland kommen solche Pläne gar nicht gut an.
Vor einigen Jahren hatten die theologische Blitzbirne Margot Käßmann und ausgerechnet die ultrakonservative Familienministerin Kristina Schröder eroiert, ob der deutsche, protestantische Gott ebenfalls eine Transe sein könne.
Das ging ihren Kabinettskolleginnen allerdings gewaltig auf die Eierstöcke.

[…..]  Kristina Schröder brachte einst als Familienministerin das religiöse Weltbild einiger Mitmenschen ins Wanken. Auf die Frage, warum man eigentlich zu "dem lieben Gott" bete und nicht "zu der Gott", sagte sie in der Zeit: "Ganz einfach: Für eins musste man sich entscheiden. Aber der Artikel hat nichts zu sagen. Man könnte auch sagen: das liebe Gott."
Diese Aussage der CDU-Politikerin sorgte rund um Weihnachten 2012 für einigen Wirbel. Christine Haderthauer von der CSU schimpfte, dass sie "dieser verkopfte Quatsch sprachlos" mache. CDU-Kollegin Katharina Reiche beschloss: "Der liebe Gott bleibt der liebe Gott!" Sogar die Bundeskanzlerin wurde aufgefordert, sich zum göttlichen Artikel zu äußern. Ihr Sprecher Steffen Seibert erklärte also: "Wer an Gott glaubt, dem sind die Artikel egal." Der Ausdruck "der liebe Gott" habe in den Herzen vieler Menschen seit Jahrhunderten einen Platz. [……]

Es ist eben, wie immer eine Frage der Gewöhnung.
Wer 2.000 Jahre lang den Gott als „Vater“ ansprach, seine nackten männlichen Körper am Kreuz betrachtete und schließlich auch all die Bilder vom ihm mit wallendem Vollbart kannte, tut sich schwer damit eine grammatikalisch-angleichende Operation vorzunehmen.

Und zu was eigentlich? Ist Gott/Göttin nun ein Hermaphrodit, oder eher so was wie ein Eunuch?
Papst Ratzi schreibt seiner Biografie Jesus von Nazareth, Band eins, Seite 174, "Natürlich ist Gott weder Mann noch Frau“ – und dachte womöglich dazu sondern eine zölibatäre Frauenverachterin mit einem Faible für bunte Kleiderso wie ich.
Endgültig geklärt ist der Sachverhalt leider immer noch nicht, weil Gott sich so selten auf der Erde blicken lässt, seit Fotoapparate erfunden wurde.
Und auf Facebook oder Twitter ist er auch nicht. So lange er uns kein Dickpick schickt, müssen wir also weiterrätseln.

[…..][…..]  In Uppsala entschied das 251-köpfige Entscheidungsgremium der evangelisch-lutherischen Kirche mit großer Mehrheit, künftig darauf hinzuwirken, geschlechtsneutrale Begriffe für Gott zu verwenden. […..] Die Vorsitzende des Gottesdienst-Ausschusses der Kirche, Sofija Pedersen Videke, sagte: "Gott ist viel größer als das Geschlecht. Wir Menschen haben ein Geschlecht, aber Gott ist jenseits davon. Egal, welche Bilder wir verwenden, wir können niemals alles abdecken, was Gott ist." […..] Einig sind sich die Theologen darin, dass Gott keinesfalls ein Neutrum sei. Sich Gott als Sache vorzustellen oder unpersönliches Wesen widerspreche der Lehre und der Auffassung von Gott als Person. Insofern beschwerte sich die Schwedische Kirche auch bei einigen dänischen Zeitungen, die berichteten, dass in Gottesdiensten nun das geschlechtsneutrale Personalpronomen "hen" für Gott eingesetzt werden solle. Das Wort wurde erst 2015 ins Standardwörterbuch der schwedischen Sprache übernommen, als Ergänzung zum männlichen "han" und weiblichen "hon".
[……]