Gestern
nannte ich in einer SPD-Diskussion die kategorische Groko-Ausschließeritis der
Jusos „infantil.“
Es wurde
anschließend weniger darum gestritten, ob es Umstände geben könne, die ein
Abrücken vom „Nein zur Groko“ notwendig machten, sondern die Jugend-Snowflakes
beschwerten sich bitterlich über meine Wortwahl. Es sei verletzend jemand als „infantil“
zu kritisieren, ich solle darüber nachdenken, ob das eine „sozialdemokratische
Ausdrucksweise“ sei und im Übrigen möge ich bitte die Jusos mehr respektieren.
Ich
brachte noch das Peer Steinbrück-Zitat von den „sozialdemokratischen Heulsusen“
und dann liefen sie offensichtlich weinend weg.
Bill
Mahers berühmte Rant über die demokratische political correctness scheint
auch in Deutschland zuzutreffen.
Diese
Filterblasen scheinen auch auf der linken Seite dazu zu führen, daß wir uns
alle stets an den Händen halten sollen und jeden lieb haben.
Nehmt
mich da raus.
Ich
erwarte von den Politikern, die ich unterstütze keineswegs, daß sie jeden wie
Herr Juncker umarmen und abküssen.
Kanzler
und Minister und Parteivorstände sollen nicht Inkarnationen des Altruismus und
der Bescheidenheit sein, sondern sie sollen sich durchsetzen können.
Ich
wünsche mir keine Trumps, die mit aggressiven miesen Methoden alle anderen
wegboxen, aber im Mimimi-Modus dazustehen und bei jedem Satz darauf bedacht
sein bloß niemand auf die Füße zu treten funktioniert in der echten Welt
genauso wenig.
Es ist
genauso absurd sich darüber zu wundern, daß Schauspieler das Rampenlicht suchen
und in die Medien streben. Das gehört nun einmal zu den Grundvoraussetzungen
für ihren Beruf. Sie müssen es mögen fotografiert und angeglotzt zu werden, im
Rampenlicht zu stehen, sich zu exponieren und exhibitionieren.
Das sind
Eigenschaften, die ich in meinem persönlichen Freundeskreis nicht gerade
sympathisch finde, aber darunter befinden sich auch keine Weltklasse-Bühnenstars.
Politiker
brauchen ebenfalls eher unsympathische Charaktermerkmale. Ellenbogenmentalität,
Netzwerken, Schmeicheln, berechnend mit Menschen umgehen.
Das
legendäre Trio Brandt, Wehner und Schmidt bestand aus charakterlich völlig unterschiedlichen
Alphatieren, die sich gegenseitig in Schach hielten und phasenweise sogar
verachteten.
Aber sie
respektierten einander, verließen sich auf einander. Helmut Schmidt trat zwar
in seinen vielen posthum veröffentlichten Briefen gegenüber Willy Brandt
erstaunlich devot und ehrerbietend auf, weil sein Bundeskanzler-Vorgänger eine besondere
moralische Ikone war. Aber ansonsten war er mit einem derartig robusten
Selbstbewußtsein ausgestattet, daß er nicht weinend zu Mami lief, wenn unter
Sozialdemokraten böse Worte über ihn fielen.
Bei
Merkel und Schröder ist es ähnlich; die sind schwer umzuwerfen und verfallen nicht
in Depressionen, wenn untere Parteichargen sie kritisieren, weil sie von sich
selbst überzeugt sind.
Irgendwie
bähbäh, wenn man so wenig selbstkritisch ist, aber als Kanzler ist diese Stabilität
vermutlich notwendig, um nicht dauernd den Boden unter den Füßen zu verlieren.
Helmut
Kohl war deswegen ein schlechter Kanzler, weil seine demonstrativ zur Schau
gestellte joviale Selbstzufriedenheit nur Fassade war.
Er litt
wie gar fürchterlich darunter von Intellektuellen nicht anerkannt zu werden,
über Jahre von maßgeblichen Journalisten nur als tumbe Birne aus der Provinz
verspottet zu werden.
Er
sehnte sich verzweifelt nach Anerkennung und reagierte bösartig, wenn ihm diese
verweigert wurde. Trump nicht unähnlich, nahm er Respektlosigkeiten persönlich,
war zutiefst davon ergriffen, sann auf Rache und agierte außerordentlich
nachtragend.
Merkel
oder Schmidt oder Schröder sind nicht auf diese Weise empfänglich für
Beleidigungen und daher auch nicht Getriebene ihrer Emotionen.
Das sind
für Kanzler positive Eigenschaften.
Man
verwechsele das nicht mit Sensibilität oder Streitlust. Hierin unterschieden
sich die drei Genannten nämlich erheblich.
Schröder
und Schmidt konnten echte Raufbolde sein und sich voller Enthusiasmus einer
Sache verschreiben.
Merkel
hingegen zeigt gar keine Gefühle, gar kein Temperament.
Unsichere
Politiker, die wie Guido Westerwelle stets zwischen beleidigen und beleidigt
sein oszillieren, sind viel problematischer, da sie von Sachpolitik abgelenkt
erratisch agieren.
Christian
Lindner, der FDP-Eskapist, ist ein Getriebener
seiner Vergangenheit.
Voller
Rachedurst und Sucht nach Anerkennung und Bewunderung, die ein Helmut Schmidt
nie nötig gehabt hätte, weil er sich selbst fabelhaft fand, gibt Lindner
derzeit in Berlin den Hobby-Trump-Kohl.
Er hasst
Merkel und die Grünen wie die Pest, kann sich über diese Gefühle nicht
hinwegsetzen.
[…..]
Auch Lindner ist ein Vertreter der
liberalen Lesart, dass es vor allem die Kanzlerin war, die den
Koalitionspartner FDP so schrumpfte, dass er 2013 aus dem Bundestag flog. In
jener Nacht, so berichtete Lindner später, habe er geweint. Im Fernsehen habe
er Merkel am Wahlabend sagen hören, sie bedauere das Ausscheiden der Liberalen,
aber in der Parteizentrale der CDU, im Konrad-Adenauer-Haus grölten ihre Leute
den Toten-Hosen-Hit: "Tage wie diese". Seither schleppt die FDP ein
Trauma mit sich herum. Ein Merkel-Trauma. [….] Lindner hatte Spaß daran, Merkel und der CDU ein ums andere Mal eins
auszuwischen - dass jeder der möglichen Koalitionäre das Finanzministerium
haben dürfe, nur Merkels CDU nicht, gehörte zu einer dieser Episoden im
Gegeneinander. Als die Sondierungen schon fortgeschritten waren, als sich
abzeichnete, dass Merkel mit den grünen Spitzenleuten Katrin Göring-Eckardt und
Cem Özdemir gut auskam, warf Lindner den Grünen vor, mit ihrer Flüchtlingspolitik
ein Konjunkturprogramm für die AfD zu betreiben.
Die Grünen waren schon
immer Lindners Lieblingsgegner. Früher holte er in Reden gerne einen Zettel aus
seinem Sakko, auf dem er alle möglichen Projekte und Erfindungen aufgelistet
hatte, die es angeblich nie gegeben hätte, wenn die Grünen sich mit ihrem
Widerstand dagegen durchgesetzt hätten. Computer zum Beispiel. Aber Lindners
größtes Problem heißt Merkel.
[….] Lindner soll immer wieder mal recht
aggressiv aufgetreten sein, nicht laut, aber bissig, mit scharfen Bemerkungen
gegen andere Verhandler. Jede Annäherung zwischen Grünen und der Union war ihm
suspekt. […..]
Als
derjenige, der immer wegläuft, wenn es ernst wird,
haftet auch etwas Neroeskes an ihm.
So
großartig er sich in den Medien inszeniert, so wichtig ist es für seine
Eitelkeit auch von allen anderen als der große Zampano anerkannt zu werden.
[….] Ein
Mann hat einen Traum. Er will Emmanuel Macron sein oder wenigstens Sebastian
Kurz. Er ist aber nur Christian Lindner.
Nein, man soll den
Einfluss von Personen auf politische Vorgänge nicht überbewerten. Wenn aber in
einem sehr kleinen Kreis von Parteioberen entscheidende Gespräche geführt
werden, und die Vertreter einer Partei sind beide narzisstisch veranlagte
Rollenspieler, dann hat dies Auswirkungen. Der eine, Wolfgang Kubicki, ist als
Held der Talkshows hinlänglich bekannt. Der andere, Lindner, inszeniert die
Flucht aus der Verantwortung gerne als mutigen Opfergang. So hat er es 2011
gemacht, als er, damals FDP-Generalsekretär, seinem Chef Philipp Rösler die
Brocken hinwarf; so hat er es in der Nacht zum Montag wieder getan. [….]
Ich bin
so altmodisch. So gefühllos.
Diese
Psycho-Politiker wie Westerwelle, Lindner, Lafontaine, Seehofer und Trump, die
getrieben davon sind ihre Eitelkeit zu befriedigen und ihre Destruktivität
auszuleben, halte ich für völlig ungeeignet als Regierungsmitglieder.
Aber
genauso wenig gefallen mir die Kuschelpolitiker des Typs Juso2017, die zwischen
den Zeilen nach Beleidigungen fahnden und stets political correcntess
einfordern, statt verbal zurück zu hauen und sich trotzdem inhaltlich
auseinander zu setzen.
Ich
lehne Koalitionsmetaphern wie „Bett“, „Ehe“, „Wunschpartner“ oder „Liebesheirat“
ab. Das ist ein verkehrter Konnotationsbereich. Regierungspartner müssen sich nicht
lieben, sich herzen und küssen. Sie sollen sich nicht am Kabinettstisch
gegenseitig die Zehennägel lackieren, sondern zusammen arbeiten. Das kann man
sogar ohne sich zu mögen.
Daher
ist mir die übertriebene Kuscheligkeit zwischen CSU und Grünen höchst suspekt.
Das
führt zu Enttäuschungen auf persönlicher Ebene und ist für mich eher ekelig.
Die
Szene, die sich nach Kubickis und Lindners Schmoll-Show Sonntagnacht
abspielten, erinnern eher an ein Aschram oder eine Fummelparty, als an seriöse
Politik.
[….]
Baden-Württembergs grüner
Ministerpräsident Winfried Kretschmann steht wie erschüttert da, in sich
versunken, er hält sich das Kinn, als könne er es nicht fassen. Seine
Parteifreundin Claudia Roth sieht wütend aus, sie nimmt erst Kretschmann in den
Arm, dann Bundesinnenminister Thomas de Maizière, der die Umarmung so herzlich
erwidert, als seien Unionisten und Grüne immer beste Freunde gewesen.
Überhaupt bricht in
dieser Nacht bei den Zurückgelassenen eine nie gekannte schwarz-grüne Harmonie
aus. Grünen-Chef Cem Özdemir stößt mit Thomas Strobl an, dem
baden-württembergischen CDU-Innenminister. Schleswig-Holsteins grüner
Umweltminister Robert Habeck, dessen Gesichtsfarbe nach nächtelangem Sondieren nicht
gesund aussieht, bietet CDU-Generalsekretär Peter Tauber an, ihm ein Bier zu
holen. Kanzleramtsminister Peter Altmaier steuert mit ausgestreckter Hand auf
Claudia Roth zu. Tage und Nächte hat die Grüne versucht, beim Konfliktthema
Flucht Lösungen zu finden. Vergebens. "Liebe Frau Roth, Sie waren
großartig!", ruft Altmaier und reicht ihr die Hand über den Tisch. Roth
kämpft jetzt gegen die Tränen.
[…..]
(Sueddeutsche
Zeitung, Seite 3, 21.11.2017)
Ich
gehöre zur Minderheit der Menschen, die Claudia Roth wirklich mögen und immer
verteidigen, aber Rudelbumsen mit de Maizière und Altmaier?
Too much information!
Too much information!
Und wie
geht das weiter?
Am Ende gibt es nur noch einerseits eine große Kuschelfraktion aus Linken, SPD, Grünen, CDU und CSU und auf der anderen Seite die beiden inhaltlich kaum unterscheidbaren Harter-Hund-Parteien AfD und FDP, die nach dem Vorbild von FPÖ und ÖVP alles „Linksgrünversiffte“ in die Opposition verdrängen?
Am Ende gibt es nur noch einerseits eine große Kuschelfraktion aus Linken, SPD, Grünen, CDU und CSU und auf der anderen Seite die beiden inhaltlich kaum unterscheidbaren Harter-Hund-Parteien AfD und FDP, die nach dem Vorbild von FPÖ und ÖVP alles „Linksgrünversiffte“ in die Opposition verdrängen?
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen