Montag, 6. November 2017

FDP-Gaganomics – Teil II

Sag‘ mal, Süddeutsche Zeitung, wisst Ihr eigentlich was Ihr für einen Zeitaufwand verursacht mit der exklusiven Berichterstattung über die „Paradise Papers“?
In der gedruckten Ausgabe sind das 12 volle Zeitungsseiten, s.11 bis s.22.

400 Topjournalisten weltweit haben sich ein Jahr lang durch eine gewaltige Datenmenge von 13,4 Millionen Dokumenten.
Allein die europäischen Superreichen bringen die EU mit ihren Steueroasen-Modellen um jährlich eine Billion Euro = Tausend Milliarden Euro = 1.000.000.000.000,00 Euro Steuereinnahmen.

Man kann der SZ nicht genug für diese Kärrnerarbeit danken diese ungeheuerlichen Machenschaften mit einem gewaltigen Arbeitsaufwand aufzubereiten.
Also, wer noch kein SZ-Abonnement hat; bitte jetzt nachholen, damit so ein Spitzenjournalismus weiter existieren kann.

[….] Erst kam "LuxLeaks", dann kamen die "Panama Papers". Beide Skandale hat das Europaparlament minutiös aufgearbeitet, manche Abgeordnete könnten inzwischen eigene Steuerberatungsfirmen eröffnen. Und als sie im Oktober den Abschlussbericht zu den "Panama Papers" verabschiedeten, stöhnten einige von ihnen bereits: Das wird nicht die letzte große Enthüllung gewesen sein. Sie sollten Recht behalten: Mit den "Paradise Papers" bekommen wir nun zum dritten Mal seit 2014 einen tiefen Einblick in das internationale Geschäft mit der Steuerflucht. Und manch einem mag es inzwischen zum Hals raushängen, wenn das Fazit wieder einmal lautet: Arme und Normalverdiener bezahlen Steuern, Reiche bezahlen Steuerberater - um dann fast nichts an den Fiskus abzuführen. Braucht es also wirklich noch so ein Leak zum Thema Steuerbetrug? Reicht's nicht langsam? Nein, tut es nicht! Tut es nie.
[….] Erstens, weil die "Paradise Papers" zeigen, dass nicht nur unsere Billigmöbel, unsere Karamell-Latte-Kaffeekreationen oder unsere Smartphones von Steuervermeidern kommen. Sondern auch unsere Laufschuhe, unsere Onlineglücksspiele, unsere Rock-Hymnen und sogar unsere Deko-Tassen aus königlichem Porzellan. [….] Während Finanzjongleure in Banken und Börsen Milliarden aufs Spiel setzen, um im Ernstfall vom Staat gerettet zu werden, mit Geld, das Steuerzahler zur Verfügung stellen. Dass diesem Ungleichgewicht zum Teil ein zutiefst unsoziales Verhalten einiger Firmen und Einzelpersonen zugrunde liegt, darf nicht in Vergessenheit geraten. [….]

Während die sprichwörtliche Krankenschwester gar keine Steuern hinterziehen kann, weil ihr der entsprechende Anteil automatisch vom Lohn abgezogen wird, können Multimillionäre und Milliardäre die durch ihren Lobbyeinfluss generierten Steuerschlupflöcher nutzen, um sich der Solidarität zu entziehen.

[….] Steuern zahlen nur Idioten und Arme.
Paradise Papers heißt der Datenschatz, den ein weltweites Investigativteam ausgewertet hat. Ein Glück, dass es solchen Journalismus gibt. Hier wird die Welt der Reichen enthüllt, in der die Menschen zwar arm sind an Moral, Solidarität und Pflichtgefühl - dafür aber ganz viel Geld und Macht besitzen. Im Vergleich zu dieser Welt ist das Leben der anderen, die sich mit Staat und Steuern herumschlagen, tatsächlich die Hölle. Es gibt noch etwas, das im Paradies fehlt: das schlechte Gewissen. Denn wer reich ist und nicht teilen will, der muss gar keine Gesetze brechen. Die Gesetze sind ja für ihn gemacht. [….]  Offshorefonds und Briefkastenfirmen, Trusts und Stiftungen - es dient alles vor allem einem Ziel: den Staat nicht an den eigenen Gewinnen teilhaben zu lassen.
Und das Schönste - jedenfalls aus der Sicht der Reichen: Sehr viele dieser Praktiken sind vollkommen legal. Darauf beharrt auch die auf den Bermudas gegründete Anwaltskanzlei Appleby, über die viele der infrage stehenden Geschäfte ablaufen: alles legal. Kein Wunder. Hier ist nämlich kein Gesetzesbruch der Skandal - sondern das Gesetz.
[….] Die Ungleichheit der Vermögensverteilung hat inzwischen groteske Züge angenommen: es gibt 1542 Dollar-Milliardäre auf der Welt  [….] Der Internationale Währungsfonds hat der Bundesregierung inzwischen empfohlen, ihre reichsten Bürger höher zu besteuern, um der Ungleichheit entgegenzuwirken. Aber auch die neue deutsche Regierung wird diesem Ruf nicht folgen. Keine Vermögensteuer, nirgends. [….] Das System ist zutiefst krank. Es ist unmoralisch und unanständig. Die Wut darauf wächst. Sie sucht sich nur die falschen Ziele. Der Hass der Betrogenen gilt eher dem Kriegs- als dem Steuerflüchtling. Unser Planet ist ein Paradies für Arschlöcher. [….]

Die Zeitungen sind heute voll, um sich in die Beispiele der unmoralischen Steuervermeider anzusehen.
Wie konnte es passieren, daß in Deutschland durch „Sharedeals“ ausgerechnet die Milliardäre bei Immobilienkäufen die Grunderwerbssteuer sparen?
Wieso wurde nach acht Jahren Schäuble Deutschland selbst zu einer Steueroase, die so gut wie nichts gegen Steuerhinterziehung und Steuervermeidung tut?

Die Antwort ist, daß die Wähler genau solche Politiker in ihre Ämter wählen. Dafür hat der liebe Gott die FDP erfunden; die Partei mit der Gaga-Steuerpolitik zu Gunsten der Superreichen und zum Schaden Deutschlands.

[….] Auch deutsche Politiker tauchen in den "Paradise Papers" auf. Beispielsweise der langjährige Bundestagsabgeordnete Harald Leibrecht (FDP). Ausweislich der Daten ist Leibrecht unter anderem Mitbesitzer einer Briefkastenfirma, die ein Schloss südlich von London hält. Diese Beteiligung hat Leibrecht während seiner elfjährigen Zeit als Abgeordneter nicht öffentlich gemacht. Auf Nachfrage erklärte er, den Steuerbehörden sei die Konstruktion bekannt. Da er lediglich 25 Prozent an der Firma halte, habe er auch nicht gegen Offenlegungspflichten verstoßen. [….]

Paul Gauselmann, Träger des Bundesverdienstkreuzes erster Klasse und Finanzier der FDP hatte die Hepatitisgelben dazu gebracht maßgeschneidert für ihn Gesetze zu kreieren.

(…..) Jüngster Fall ist der Kauf einer für die Glücksspielmafia günstigen Regelung bei Wirtschaftsminister Rösler.


Die FDP ist in den letzten Jahren immer wieder willig und massiv für die Automatenspiel-Industrie eingetreten.
 Insbesondere in Schleswig-Holstein durch Wolfgang Kubicki. Im Dezember 2011 stellte sich die schwarzgelbe Regierung in Kiel sogar als einzige von 16 Landesregierungen gegen den neuen Glücksspielstaatsvertrag, weil Kubicki der Wettmafia zu Diensten sein wollte. 
Im Mai 2012 gab es dafür bei der Landtagswahl sensationelle 8,2% für die FDP. 
Dumm für die Automatenlobby, daß Schwarzgelb dennoch knapp abgewählt wurde. 
Aber zum Glück (noch) nicht im Bund.

Die Westfälische Familie Gauselmann von der Gauselmann-Gruppe,  Deutschlands größter Herstellerin von Geldspielautomaten ließ über verschlungene Wege der FDP mindestens 1,9 Millionen Euro zukommen.

Das war bitter nötig, denn immer wieder gibt es Versuche der Wett- und Glückspielmafia Fesseln anzulegen. Dank der Gauselmann-Zuwendung an die FDP ist damit aber erst mal Schluß.

"Und jetzt kommt’s. Im Entwurf für ein neues Geldwäschegesetz sollten eigentlich auch die Spielhallen stärker kontrolliert werden. Dagegen hatte die Automatenlobby Protest eingelegt. Mit Erfolg, der entsprechende Paragraph flog einfach raus aus dem Entwurf. An den Verhandlungen beteiligt: Das Wirtschaftsministerium von FDP-Chef Philip Rösler."
(Georg Restle, Monitor Nr. 639 vom 27.09.2012)

Zur Antwort der Bundesregierung auf eine schriftliche Frage über die Umsetzung der Spielverordnung erklärt die Drogenbeauftragte der SPD-Bundestagsfraktion Angelika Graf:
 Die Bundesregierung schließt nicht aus, die von ihr seit Jahren vollmundig angekündigte Novelle der Spielverordnung jetzt komplett scheitern zu lassen. 
Der Grund dafür: Der Bundesrat hat es gewagt, den vielen Worten der Bundesregierung Taten folgen zu lassen und ernsthafte Vorschläge für mehr Spielerschutz in die Novelle aufzunehmen.
In seinem Beschluss vom 5. Juli 2013 hat der Bundesrat eine Entschärfung der Geldspielautomaten beschlossen, die mit mehreren Maßnahmen erfolgen soll. Unter anderem sollen das Punktespiel und Autostarttasten verboten werden. Das Bundeswirtschaftsministerium dagegen wollte diese bisher nicht eindeutig geregelten Funktionen, vor denen alle Suchtexperten seit langem warnen, nachträglich legalisieren. Anders als das Bundeswirtschaftsministerium hat sich der Bundesrat zudem für eine deutliche Senkung der maximal möglichen Gewinne und Verluste an den Automaten ausgesprochen.
Das Bundeswirtschaftsministerium und Herr Rösler sind offenbar fest an der Leine der Glücksspielbranche. Nach den Enthüllungen über wirtschaftliche und finanzielle Beziehungen der FDP mit der Gauselmann AG im Herbst letzten Jahres kann das allerdings nicht überraschen. Offenbar kann man sich bei der FDP Gesetze erkaufen. Anders ist nicht zu erklären, warum Herr Rösler alle Forderungen der Suchtexperten, alle Vorschläge der Länder und sogar die Erkenntnisse aus dem vom Ministerium selbst veröffentlichten Evaluierungsbericht zur letzten Novelle der Spielverordnung so hartnäckig ignoriert. Vor allem, wenn das selbsterklärte Ziel der Novelle die Reduzierung der Suchtgefahr ist.
Wie die Bundesregierung in Antworten auf schriftliche Fragen einräumte, verhandelt das Bundeswirtschaftsministerium sogar offenbar lieber bevorzugt mit der Branche als mit den Ländern. So traf sich das Bundeswirtschaftsministerium bereits im April am Tag vor einer wichtigen Sitzung der Arbeitsgruppe Spielverordnung mit Branchenvertretern im Ministerium zum Austausch. Die Länder waren dagegen erst am Tag nach der Sitzung eingeladen.

Der Milliardär Gauselmann, der der FDP freundlicherweise 1,9 Millionen Euro für ihre Dienste bezahlte, findet sich auch in den Paradise Papers wieder, wurde also durch Steuervermeidung noch viel reicher.

[….] Paul Gauselmann konnte diese Entwicklung nicht ignorieren. Er war der Automatenkönig, der Pate des deutschen Glücksspiels, das sollte auch in Zukunft so bleiben. Anhand der internen Unterlagen aus der Kanzlei Appleby lässt sich nun erstmals nachvollziehen, was Gauselmann alles unternommen hat, um den Boom im Online-Geschäft nicht zu verpassen. Sein Vorgehen zeigt, wie einfach es mithilfe findiger Anwälte sein kann, die deutschen Glücksspielgesetze auszuhebeln.
Gauselmanns Vorstoß in die Online-Welt beginnt 2008, da kauft er einen Hamburger Spiele-Entwickler, die Edict Egaming. Kaum zwei Jahre später gründet er auf der Isle of Man einen Ableger der Firma namens Edict IoM. [….] Die Online-Zockerei ist auch für die Kanzlei ein wichtiger Geschäftszweig. Appleby wirbt gar damit, die Glücksspiel-Regulierung der Isle of Man mitgestaltet zu haben. In einem Handbuch fürs Online-GlücksspielgeschäftBuch mit dem Titel "You Can!", herausgegeben von Appleby, erfährt der Leser en détail, wie man eine Online-Glücksspielfirma auf der Isle of Man gründet, lizenziert und erfolgreich betreibt. […..]

Jamaika-Verhandler Wolfgang Kubicki, neben Lindner die einflussreichste FDP-Person der mutmaßlichen neuen Bundesregierung, springt gleich für die ultrawohlhabenden FDP-Gönner in die Bresche.

[…..] Rechtstreues Verhalten sollte nicht verunglimpft werden“
Nach der Vorstellung von FDP-Vize Wolfgang Kubicki sollen Steuerzahler nicht dafür verunglimpft werden, legale Ausweichmöglichkeiten zu nutzen. „Die sogenannten Steuerschlupflöcher sind vom Gesetzgeber geschaffen worden. Man sollte diejenigen, die sich rechtstreu verhalten, nicht diskreditieren“, sagte Kubicki dem RedaktionsNetzwerk Deutschland (RND). [….]  Solange es unterschiedliche Körperschaftssteuersätze innerhalb der EU gebe, werde es auch Firmenverlagerungen beispielsweise von Deutschland nach Irland geben. „Holland erhebt keine Steuern auf Lizenzzahlungen, Deutschland schon. Das geht so nicht weiter“, meinte Kubicki. [….]

Deutschland, you’ll get what you want.

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