Dienstag, 7. November 2017

Doubling Down à la SPD



In der SPD-Parteispitze amtieren neben Martin Schulz fünf Stellvertreter.

Aydan Özoğuz, Thorsten Schäfer-Gümbel, Manuela Schwesig, Oalf Scholz und Ralf Stegner.

Schwesig amtiert erst vier Monate als Ministerpräsidentin, fällt durch resolute Vertretung der Ostländerinteressen gegenüber dem Bund auf.

Aydan Özoğuz fungiert immer noch als Staatsministerin im Bundeskanzleramt, arbeitet mutig weiter als Integrationsbeauftragte.

Thorsten Schäfer-Gümbel tut das was er auch schon als Ministerpräsidentenkandidat in Hessen so hervorragend bewies: Unauffällig untertauchen, bloß nicht auffallen.

Ganz anders Scholz und Stegner, die in der Diskussion um die Neuausrichtung der SPD intensiv mitdiskutieren und die Partei mit einer Fülle konstruktiver Vorschläge bereichern.

 Der Chef erweist sich derweil als programmatischer Totalausfall. Er bemüht sich seinen Job zu retten, betont auffällig, nicht er allein habe die Bundestagswahl verloren, sondern die gesamte Partei.

„Die Niederlage ist auch ein Indiz für die europaweite Schwäche der sozialdemokratischen Bewegung“. […..] „Der Kanzlerkandidat und die gesamte SPD haben diese Wahl verloren.“
(Martin Schulz, 06.11.2017)

Es wirkt geradezu albern, wie Schulz sich selbst diminuiert. Offensichtlich aus Angst beim folgenden Parteitag als Verantwortlicher für das Wahldesaster abgestraft zu werden.

Hatte man am Wahlabend nach 18.00 Uhr auch für fünf Minuten das Gefühl Schulz habe nun doch den Mut gefunden inhaltlich und ehrlich voranzugehen, so muss man jetzt enttäuscht feststellen, daß der Bundesvorsitzende wieder in den abwiegelnden Hasenfuß-Modus zurückgefallen ist.
Bloß nicht festlegen, bloß niemand verprellen. Es jedem Recht machen, bei der Basis anbiedern.

[….] Parteichef Schulz sichert zwar seine Macht, setzt aber keine eigenen Akzente
Martin Schulz spielt auf Zeit. [….] Schulz versucht, die Basis als mächtigste Verbündete hinter sich zu bekommen. Den Parteichef will er möglicherweise per Urwahl bestimmen lassen.
Ein Jahr lang will Schulz durchs Land tingeln, Fragen stellen und zuhören. Das bedeutet auch: Ein Jahr lang wird der SPD-Vorsitzende keine Antworten geben. Er will der SPD in dieser Zeit nicht genau sagen, wohin er sie steuern will. [….] In weniger als zwölf Monaten wählen die Bayern einen neuen Landtag. Und auch zwischendurch würde man gern wissen, was der SPD-Chef zu aktuellen Fragen denkt. Bisher aber ist Schulz noch nicht einmal in der Lage, im Tagesgeschäft überzeugende Antworten zu geben. Bei Themen wie dem Mindestlohn oder internationalen Steueroasen ist er inhaltlich nicht sattelfest. In Fernsehinterviews hat er außer Floskeln wenig zu bieten. [….]

Man nenne mich altmodisch, aber ich hätte doch ganz gern einen Parteivorsitzenden, der sich für die sozialdemokratische Sache einsetzt und strategisch überlegt, wie man das umsetzen kann. Nun haben wir aber einen, der damit beschäftigt ist seine eigene Haut zu retten, sich nicht traute den Fraktionsvorsitz anzustreben und auch noch ein extrem unglückliches Händchen bei Personalfragen beweist.

Wenn man aber gezeigt hat, daß man Wahlkampf nicht kann und daß man Personalfragen nicht kann, dann ist es vermutlich ganz sinnvoll auch in bei anderen Aspekten vage und indifferent zu bleiben.

[….] In der SPD ist dieses unverbindliche Vorgehen nach ihrem Wahldebakel ein heikles Vorgehen.
Es erinnert an eine lange Phase seiner Kanzlerkandidatur, während der sich Schulz beharrlich weigerte, Positionen zu beziehen. Wiederholt er jetzt gewissermaßen seine – im März im internen Kreis – verkündete Parole? Die lautete: „Ich bleibe dabei: Nicht konkret werden! ... Ich werd nicht konkret!“
Wer Schulz so hört, wer aber vor allem den vom ihm vorgelegten Entwurf für den Leitantrag zum Parteitag liest, dem drängt sich dieser Eindruck auf. Der angeschlagene SPD-Vorsitzende hat in seinem 16-seitigen Papier allerhand unverfängliche Formeln verwendet, gipfelnd in dem Hinweis, die SPD brauche für ihren „Aufbruch“ eine „klare Orientierung, die auf unseren Werten Freiheit, Gerechtigkeit und Solidarität basiert“. Alles klar? [….]

Üblicherweise bin ich kein Sturm-Fan, aber er sieht das in diesem Fall ganz richtig.
Sich wattig-weich durchzulavieren, nie festzulegen, kann durchaus ein Erfolgsmodell sein – wenn man CDU-Chef ist. CDU-Mitgliedern sind Inhalte weitgehend egal; Hauptsache man gewinnt Wahlen.
Sozis sind aber völlig anders gestrickt. Sie kritisieren und fragen und nerven.

Wenn ausgerechnet der eigene Vorsitzende in der eigenen Parteizeitung vehement jede Festlegung vermeidet, ist das keine Werbung für die SPD.

(….) Martin Schulz hingegen versteht es auf zwei Zeitungsseiten Text nicht einmal konkret zu werden und lediglich Floskeln aneinander zu reihen.
Die inzwischen so hohlen Sozi-Lieblingsworte „anpacken, zupacken, Neustart, Erneuerung, neu denken, Zukunft, Signale setzen, gemeinsam, ehrlich, wir, große Herausforderungen“ verwendet Schulz reichlich.
Was das konkret heißen soll, sagt er nicht.

[…..]Wir stehen vor einer der größten Herausforderungen unserer jüngeren Parteigeschichte: Eine fundamentale und tiefgreifende Erneuerung unserer Partei ist unabdingbar, wenn wir langfristig wieder erfolgreich sein wollen. Unser Neustart wird umfassend sein […..]  Wahlniederlagen senden deutliches Signal
[…..] dass wir vor einer der größten Herausforderungen unserer jüngeren Parteiengeschichte stehen. Das niederschmetternde Ergebnis bei der Bundestagswahl […..] sind ein sehr deutliches Signal an uns: Eine fundamentale und tiefgreifende Erneuerung unserer Partei ist unabdingbar, wenn wir langfristig wieder erfolgreich sein wollen.
[…..] 2017 muss symbolisch stehen […..] als Neuanfang für die SPD, den Start eines Prozesses, der uns besser macht, durch den wir uns neu aufstellen und der unsere Partei wieder mehrheitsfähig macht. […..] Unser Neustart wird umfassend sein – organisatorisch, strukturell, strategisch. […..]  Eines ist mir dabei wichtig: dass wir von der Vergangenheit lernen, aber dass wir uns vor allem auf die Zukunft konzentrieren.
[…..]  Genau darum muss es uns gehen: um unsere Erneuerung und Modernisierung.
[…..] Ich möchte, dass sich an diesem Erneuerungsprozess so viele Menschen wie möglich beteiligen […..] Ausgangspunkt muss die Analyse sein, wie sich unsere Welt in den vergangenen Jahren verändert hat und was unsere Vision einer besseren, gerechteren und zukunftsfähigen Gesellschaft ist. […..] Es geht um eine optimistische Vision der Zukunft. […..] wir müssen uns auch weiterentwickeln und mutig die Zukunft beschreiben. […..] In den nächsten Jahren geht es um die Zukunft der Sozialdemokratie – in Deutschland, aber auch in ganz Europa. […..]  Wenn uns der mutige Aufbruch gelingt, werden unserem großartigen Erfolg in Niedersachsen bald auch wieder Erfolge bei Bundestagswahlen folgen. Vor uns liegt viel Arbeit. Lasst sie uns gemeinsam anpacken! [….]

Soll das ein Witz sein? Nach der guten alten Regel „Fünf Euro ins Phrasenschwein“, wäre die Sozi-Sau aber schlachtreif.
Wer schreibt ihm so ein Nichts? Er wird das doch hoffentlich nicht selbst verfasst haben?

Das ist ein linguistisches Lehrbeispiel dafür wie man es nicht machen sollte.
Aneinandergereihte Phrasen aus einem billigen Management-Motivationsseminar, die gut klingen, aber alles und nichts bedeuten können. (…..)

Immerhin bei einer Sache funktioniert Martin Schulz' Riecher: 100% der Stimmen wird er nicht noch mal von den Parteitagsdelegierten bekommen.

Statt aber entweder kämpferisch in eine Abstimmung zu gehen oder einen anderen Vorsitzenden zu unterstützen, versucht Hasenfuß-Martin wieder einen Ausweg, der ihm die Peinlichkeit herber Verluste erspart.

War die nicht schon mal etwas, das bisher immer so schön gründlich schief gegangen ist?
Ach ja! Wenn die Parteiführung im Mimimi-Modus ist, kann man ja die Mitglieder zur Urwahl aufrufen.
Dann muss niemand in der Parteiführung sein Visier herunternehmen und sich niemand vorwagen. Und wenn es schiefgeht, hat auch niemand Schuld, weil es ja die Basis war.
So macht man sich einen schlanken Fuß, wenn man keinen Mumm hat.
Dann also Diktatur der Inkompetenz.

(….) Urwahl des SPD-Parteivorsitzenden 1993: Zur Auswahl standen der kraftstrotzende Macher Schröder, die linke Wieczorek-Zeul und der unfassbar langsame Mann ohne Eigenschaften Scharping. Der Pfälzer Scharping war die Garantie dafür die Bundestagswahl 1994 zu verlieren, weil er nur eine schlechte Kopie des drögen Pfälzers Kohls war; wer auf sowas steht, wählt das Original.
Genauso wählten die SPD-Mitglieder 1993 und entsprechend kam es 1994.
Urwahl 2013 über den GroKo-Vertrag, will man mit Linken und Grünen in die Opposition, oder lieber dem Beispiel früherer Koalitionspartner Merkels folgen und sich an ihrer Seite marginalisieren und massakrieren lassen?
Berliner Urwahl 2014: Soll die Inkarnation der Ödnis, Michael Müller, 51, der fromme Evangele und Mann ohne Eigenschaften neuer Regierender Bürgermeister werden oder wagt man etwas und setzt auf den äußerst quirligen und dynamischen 37-Jährigen Fraktionschef Raed Saleh?
Klar, daß Müller mit fast 60% gewann. (…..)

Auch die Grünen fielen damit schon richtig auf die Nase und läuteten damit unter anderem den schwarzgelben Wahlsieg in NRW ein.

(…..)  Die Grünen-Mitglieder bestimmten per Urwahl die Bundestagsspitzenkandidaten.

Das ist ja mal gründlich schiefgegangen.

Die ostdeutsche Merkel-Bewunderin Kathrin Göring-Kirchentag hatte die Grünen bei der letzten Bundestagswahl zielstrebig zur kleinsten Oppositionskraft hinter der LINKEn verzwergt.
(…..)
Mit konsequenter Umschiffung jeder inhaltlichen Politik brachten es Göring-Eckardt und Hofreiter fertig die Wähler eine volle Legislaturperiode so einzunebeln, daß niemand auch nur einen Schimmer von grünen Politikvorstellungen hat. Man kennt keine Konzepte, keine Pläne, noch nicht mal Meinungen zu den Bereichen Flüchtlinge oder Finanzpolitik.
Es ist noch nicht mal ansatzweise möglich auch nur die grobe politische Richtung der Grünen zu erahnen. (……)
Peter, Özdemir, Hofreiter und Göring-Eckardt hassen sich alle gegenseitig.
 Es gibt nur die eine Gemeinsamkeit; nämlich den Wunsch, den einzig guten Spitzenkandidaten, Minister Habeck zu verhindern.
Das gelang bei der Urwahl – wenn auch denkbar knapp.

[……] Parteichef Cem Özdemir schnitt bei den Männern mit 35,96 Prozent extrem knapp am besten ab. Robert Habeck, Umweltminister in Schleswig-Holstein, holte nur 75 Stimmen weniger und kam auf 35,74 Prozent. Fraktionschef Anton Hofreiter vom linken Flügel der Partei bekam 26,19 Prozent. [….]
(dpa, 18.01.2017)

Urwahl ohne zweiten Durchgang. Das erinnert natürlich an die fatale Scharping-Urwahl von 1993, die direkt in die Opposition führte. (…..)
(Jeder kommt mal dran, 19.01.2017)

Dank des abstrusen Wahlmodus‘ (ohne Stichwahl) und der ausgebliebenen Sachauseinandersetzung, stehen nun an der Grünen-Spitze zwei ausgesprochene CDU-Fans mit direktem Kurs auf das Abstellgleis.

Standen die Grünen noch Mitte 2016 bei 13 bis 14%, haben sie sich jetzt auf 7% halbiert. INSA misst sogar nur 6,5%; die 5%-Hürde rückt nah. (…..)

Der große Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung stimmt heute übrigens in meine seit Jahren erhobene Klage ein:

[…..] Eine Partei, die vor zehn Jahren noch so aussah wie die kommende Volkspartei, erleidet ein Suppenkaspar-Schicksal. Sie wird, in NRW jedenfalls, mit jeder Umfrage dünner. In Schleswig-Holstein, dem Bundesland, in dem eine Woche früher gewählt wird, ist das anders. Das liegt nicht zuletzt an Robert Habeck, Schriftsteller und Politiker, dem dortigen Vize-Ministerpräsidenten. Der Mann verkörpert noch die Frische, den Elan und die Eindeutigkeit, die die Grünen einmal hatten. Dem grünen Bundesspitzenduo Cem Özdemir und Katrin Göring-Eckardt fehlt das. Es war ein grünes Unglück, dass Habeck beim Mitgliederentscheid über die Spitzenkandidaten im Bund dem altbekannten Özdemir unterlag. Den Effekt, den Schulz für die SPD hatte, hätte es als Habeck-Effekt für Grünen geben können. So aber gibt es einen Mehltau-Effekt. […..]

Die NRW-Wahl könnte für die Grünen zum Megadesaster werden.
Als RRG-Befürworter wäre das für mich ein Worst-case-Szenario. Das würde im Bundestagswahljahr im größten Bundesland unverdient wieder die CDU an die Macht bringen. Ein Alptraum.
Aber die Grünen haben es sich selbst mit dieser langweiligen Loser-Truppe in NRW eingebrockt. Jetzt ist Vize-Ministerpräsidentin Löhrmann ganz verwirrt, aber doll war das auch nicht, was sie in der Regierung leistete. (….)

Wenn etwas nicht funktioniert und nur den anderen Parteien hilft, dann greift Martin Schulz zu.

[….] "Eine verständliche Erzählung, wo wir mit dem Land hinwollen, fehlt - und damit eine wesentliche Voraussetzung für echte Zukunftskompetenz", schreibt [Schulz] in dem Papier, das dem SPIEGEL vorliegt. Seine darin formulierte Idee einer Urwahl des Parteichefs stößt jedoch nicht bei allen Sozialdemokraten auf Zustimmung.
Nach einer Präsidiumssitzung, in der Schulz seine Vorschläge für einen Neuanfang nach dem Wahldebakel vorstellte, räumte er am Montag ein, es gebe bei diesem Thema unterschiedliche Auffassungen in der Führung. So verwies unter anderem der scheidende Generalsekretär Hubertus Heil auf rechtlich sensible Fragen. [….]

Kaum zu glauben, sogar TSG ist angesichts dieses neuerlichen Schulz-Unsinns kurz aus seinem Phlegma gefallen. Natürlich traut er sich aber nicht die Hasenfüßigkeit seines Chefs anzusprechen oder die Schwarmdummheit der Basis zu thematisieren. Er redet sich mit „Legitimationsebenen“ heraus.

[…..] Schulz-Stellvertreter Thorsten Schäfer-Gümbel erklärte dazu im Interview mit dem „Deutschlandfunk“: „Mich persönlich überzeugt das nicht.“ Der Chef der Hessen-SPD begründete seine Position damit, dass mit Einführung des Urwahl-Prinzips für den Parteivorsitz in den Kollektivgremien Parteivorstand und -Präsidium „zwei unterschiedliche Legitimationsebenen“ eingeführt würden. „Das heißt, entweder die gesamte Führung wird in einer Urwahl gewählt, oder alle über das Delegiertenprinzip“, erklärte Schäfer-Gümbel und sagte weiter: „Wie man das am Ende löst, das werden wir jetzt in aller Ruhe besprechen. So haben wir uns verabredet.“ [….]

Eine Urwahl des Vorsitzenden bedeutete für mich den endgültigen Beweis, daß Martin Schulz ungeeignet ist. Es wäre eine völlig falsche Entscheidung.
Aber immerhin könnte ich dann auch ganz direkt mit „Nein“ stimmen; so wie bei der Urwahl zur Groko 2013 auch schon.

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