Freitag, 16. April 2021

Amerikas Amerika

Es ist inzwischen eine Binsenweisheit; die USA sind tief gespalten. Das demokratische Amerika und das Trumpmerica haben kaum noch Berührungspunkte. Man kann sich über nichts einigen, geht sich konsequent aus dem Weg, misstraut sich gegenseitig zutiefst. Eine Seite akzeptiert noch nicht einmal die US-Verfassung oder auch nur die schlichte Realität; muss das auch nicht, weil sie in einer außerhalb der Wirklichkeit operierenden Medienblase existiert.

 
Die beiden Amerikas haben sogar jeweils eigene Sportarten, eigene Musik, Mode und Autos.

Es gibt nur noch wenige gemeinsame Nenner. Da sind zum Beispiel der Exzeptionalismus und das damit verbundene Desinteresse am Rest der Welt.

Auch Demokraten wissen so gut wie nichts über die Geschichte anderer Nationen, haben keinerlei geographische Kenntnisse.

Die offene und pathetische Religiosität ist ebenfalls auf beiden Seiten der Politik immanent. Christen und Pfarrer werden hartnäckig als positiv assoziiert, Ungläubige verachtet. Mit größter Selbstverständlichkeit beendet auch jeder demokratischer Politiker seine Rede mit „God bless America!“

Schließlich ist da noch das hysterisch positive Verhältnis zur Armee.

Jedem Uniformierten wird mit Ehrfurcht begegnet. Stellt sich ein Kandidat einer Realityshow als Veteran vor und erzählt, er habe zwei Jahre als Army-Sergeant in Fort XY gedient, brechen 99,99% aller Amerikaner pawlowsch in devotes „thank you for your service“ aus.

Taucht in irgendeiner Nachrichtengeschichte ein ehemaliger Armee-Angehöriger als Zeuge, als Opfer oder auch nur am Rande Beteiligter auf, leuchten jedem Journalisten von ganz links bis ganz rechts die Augen und es wird die gesamte Klaviatur der positiven Konnotation abgespielt: besonders ehrenhaft, glaubwürdig, qualifiziert, treu.

Man kann sich um kein politisches Amt bewerben, ohne unablässig zu bekunden, sich ganz und gar den Anliegen „our troops“ zu verschreiben.

Selbst die radikalsten deficit hawks nicken jede Erhöhung des Militär-Etats ohne zu zögern ab.

Die exorbitanten US-Militärausgaben sind legendär.

Die Mädels und Jungs schwimmen im Geld. Das amerikanische Militär bekommt so viel Geld wie alle Militärausgaben der nächsten elf Nationen zusammen.

Armee-Angehörige werden nicht nur bewundert, sie erhalten auch zahllose Privilegien, wie zum Beispiel eine Krankenversicherung für die gesamte Familie – davon können die meisten Angestellten in den USA nur träumen. Dazu kommt sechs Mal so viel Urlaub wie normale Amerikaner und eine Fülle finanzieller Privilegien.

Sie bekommen fast überall Rabatte und werden bevorzugt behandelt.

[….] You may be surprised by the range of benefits you'll receive in the Army. We offer 30 vacation days, comprehensive healthcare, housing, cash allowances to cover the cost of living, money for education, family services, and even career support after you serve. […..]

(GoArmy.com)

Ich würde gern einen US-Politiker-Kandidaten wählen, der mir sagt, er bemüht sich um jeden anders als Army-Veterans. Denn die leben ohnehin auf der Sonnenseite des Systems und haben am wenigsten Bedarf an zusätzlichen Wohltaten.

Sicher, die US-Army wurde in den 1940ern dringend in Europa gebraucht und noch es existieren durchaus Völkermord-Situationen, in denen eine funktionierende "schlagkräftige" Armee gebraucht wird.

Man denke nur an die serbischen Genozide auf dem Balkan der 1990er Jahre oder das Abschlachten der Jesiden, als das Kalifat große Teile Syriens und des Iraks besetzte.

Annegrets Gurkentruppe hätte da nichts ausrichten können. Dafür braucht man schon fähige Militärs wie die Russen, Israelis oder eben Amerikaner.

Ihr eigentliches Handwerk, den Krieg, beherrschen die US-Soldaten allerdings nicht mehr.

Nach 1945 haben sie eigentlich jede größere militärische Auseinandersetzung verloren.

In Vietnam und Korea bekamen sie von technisch und finanziell hoffnungslos entlegenen Verlegenheitssoldaten voll aufs Maul.

Die Irakkriege führten bloß zu einem gewaltigen Chaos mit Millionen Toten.    Hätte man mal lieber Saddam Hussein den Irak beherrschen lassen.  Damals gab es keinen Terrorismus, religiöse Toleranz und schon gar keine Millionen zivilen Opfer.

Diese Woche kündigt Joe Biden an zum 11.09.2021 nach genau 20 Jahren alle Truppen aus Afghanistan abzuziehen.

Klar, die Bundeswehr muss dann auch gehen. Allein wären sie völlig hilflos und würden binnen Tagen überrannt. Bekanntlich verfügt Deutschland mit seinen mickrigen 50 Milliarden, also 50.000 Millionen Euro jährlichen Militärausgaben über so gut wie keine flugtauglichen Maschinen, schon gar nicht Truppentransporter oder Raketenabwehrsysteme.

Wenn die US-Army abzieht, müssen AKKs Jungs an deren Rockzipfel mitgehen.

Die US-Afghanistan-Bilanz nach zwei Dekaden und einigen Trillionen versenkten Dollar – so viel, daß man jedem einzelnen Afghanen, vom Greis bis zum Säugling auch eine halbe Million Dollar in die Hand drücken könnte – ist einfach zu ziehen:
Eine blamable militärische Niederlage.

Ohne die Amerikaner werden die Taliban das Land in ca zwei Jahren wieder vollständig unter Kontrolle haben.

Afghanistan ist heute chaotischer und mörderischer denn je.

Im ersten Quartal 2021, Januar, Februar, März; gab es 30% mehr zivile Opfer des Krieges als im Vorjahr -  570 Tote und 1210 Verletzte. In drei Monaten.

Tolle Leistung, US-Army.

Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen