Ein echtes Problem an der Ukraine-Strategie der NATO-Staaten ist nach wie vor das Nicht-formulieren-Können eines gemeinsamen Ziels.
Das macht es Rechts-, Links- und Querpopulisten so leicht. Sie können Scholz, Biden, Hofreiter, Kiesewetter oder Strack-Zimmermann allerlei sinistere Motive unterstellen, die man gar nicht so leicht wegargumentieren kann, weil sich die Damen und Herren nie auf ein Szenario geeinigt haben, wie idealerweise der Krieg enden sollte. Es gibt nur vieles, das man nicht will:
· Putin soll nicht mit Gebietsgewinnen für seine Aggression belohnt werden.
· Zehntausende Ukrainische Opfer sollen nicht umsonst gestorben sein.
· Der „Fall Ukraine“ soll nicht als Blaupause für andere Diktatoren dienen, also beispielsweise keinesfalls Xi dazu ermutigen, Taiwan zu überfallen.
· International anerkannte Grenzen dürfen nicht zur Disposition stehen.
Klar, die vier Punkte würde ich auch unterzeichnen. Aber es läßt sich schlecht argumentieren, wenn man bloß weiß, was man alles nicht will.
Wie soll es denn realistischerweise ausgehen?
Ein Szenario, ganz ohne russische Gebietsgewinne, setzt einen vollständigen militärischen Sieg der Ukraine voraus. Das ist aber nahezu unvorstellbar, da Russland eine Atom-Supermacht ist, die per Definition nur um den Preis der atomaren Vernichtung allen Lebens auf der Erde, zu schlagen ist.
Es sei denn, Putin wandelt sich überraschend zum Friedensengel und sagt seinem russischen Volk:
„Hoppla, da ist mir ein kleiner Fehler
unterlaufen, der leider ein paar Hunderttausend Russen das Leben gekostet hat
und die Wirtschaft ruiniert hat. Es war auch alles umsonst. Dafür bekommt Ihr
rein gar nichts. Russland ist auf ganzer Linie Verlierer und die Ukraine lacht uns
zusammen mit der gesamten Weltgemeinschaft aus. Macht ja nichts, Schwamm drüber.“
Die Wahrscheinlichkeit für so eine Ansprache dürfte nahezu Null Prozent betragen.
Eher greift Putin dann doch zu ABC-Waffen, um sein Gesicht zu wahren.
Aber selbst wenn Putin devot einknickte, würde das wohl seinen Kopf kosten und damit die Welt vor noch viel größere Probleme stellen.
Dann übernimmt möglicherweise ein zweiter Jewgeni Prigoschin den Kreml und ist im Zweifelsfall noch unberechenbarer und brutaler.
Da es keinen natürlichen Putin-Nachfolger gibt, wäre es im Falle einer totalen Niederlage in der Ukraine auch vorstellbar, daß Russland, wie so viele andere Nationen, politisch zerfällt, sich lauter Regionen unter der Führung irrer Warlords für unabhängig erklären, die dann aber alle unantastbar wären, weil jeder von ihnen Atomwaffen hätte. Das wäre der maximale Alptraum für die westlichen Geostrategen, wenn ein Dutzend Partial-Diktatoren um die Vorherrschaft kämpfen und die Welt damit erpressen können, dem Iran oder afrikanischen Diktatoren taktische Atomwaffen zu verkaufen.
Ich halte es für möglich, daß Strategen „des Westens“ daher eher auf einen langen Ermüdungskrieg zwischen der Ukraine und Russland setzen. Bis beide Seiten in zehn oder 20 Jahren dermaßen ruiniert und entvölkert sind, daß man mit einer kleinen Blauhelmtruppe den Konflikt einfrieren kann.
Das ist freilich eine so inhumane Strategie, daß man sich nicht offen dazu bekennen kann, da sie womöglich Millionen Todesopfer fordert.
Außerdem birgt sie das Risiko, daß bei veränderten politischen Vorzeichen in den Hauptunterstützerländern der Ukraine – nämlich der USA und Deutschland – die Waffenlieferungen nach Kiew eingestellt werden. Dann könnte Putin gewinnen und Peking das „Go“ bekommen, Taiwan platt zu machen.
Dazu muss nur Trump in einem Jahr die US-Wahlen gewinnen.
Es ist ein Problem in Deutschland, daß diejenigen, die auf die Strategielosigkeit des Westens verweisen und gern wüssten, welche Lösung es für die Ukraine geben könnte, was die NATO eigentlich anstrebt; keine seriöse politische Vertretung haben, sondern nur die Auswahl zwischen Waffenlieferungs-Fans einerseits - Baerbock/Hofreiter- und Putin-Fans andererseits - Wagenknecht/Schwarzer/Höcke – haben.
Da ich selbstverständlich auch keine praktikable Lösung anbieten kann, wäre es etwas schal, beide genannten Positionen als gleichermaßen amoralisch zu verwerfen.
Aber schlau ist das nicht, wie die Menschen, der Westen, wie Europa sich verhalten.
Sorge bereiten mir außerdem die abschreckende Wirkung der lautesten deutschen Polit-Protagonisten auf eine ohnehin schon wackelnde demokratische Kultur.
Freundliche Akademiker, die seit Jahrzehnten Grün wählten, in Mutlangen und Wackersdorf protestierten und ihre Freizeit bei der Flüchtlingshilfe verbringen, haben keine politische Heimat mehr, wenn sie Hofreiter im Panzerwahn wettern sehen, sind entsetzt von Baerbocks Auftreten.
Und was sollen eigentliche moderate Konservative des Sorte Polenz/Friedmann noch wählen, wenn Roderich Kiesewetter (*1963), Oberst a. D. der Bundeswehr, Militärexperte der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Mitglied des Parlamentarischen Kontrollgremiums zur Kontrolle der Nachrichtendienste des Bundes, sowie Obmann der CDU/CSU-Fraktion und stellvertretendes Mitglied im Verteidigungsausschuss, dem Unterausschuss Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung und dem Unterausschuss Vereinte Nationen, Internationale Organisationen und Globalisierung, folgendes sagt:
[….] „Drohnenangriffe auf Moskau mit sehr geringen Auswirkungen sind auch deshalb nötig, weil sie die russische Bevölkerung trotz der Fehlinfos über den völkerrechtswidrigen Krieg Russlands gegen die Ukraine informieren.“ [….]
Das empfiehlt als die CHRISTLICHE Union als Kommunikationsmethode gegenüber der russischen Zivilbevölkerung?
Interessanterweise wurde zwar über diese Äußerungen des CDU in vielen Medien berichtet, aber es gab fast keine Kritik. So weit sind wir offenbar.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen