Aus dem Bundeskanzler Spahn-Plan wurde unter anderem deshalb nichts, weil er als Minister so katastrophal beim Corona-Management versagte und für dubiose Maskendeals und Immobilienkredite berühmt wurde. Spahns Plan B war es, wenigstens zum Parteiführer aufzusteigen. Daraus wurde unter anderem deshalb nichts, weil er als Menschen innerhalb der CDU ungefähr so bleibt wie Fußpilz ist und auf Parteitagen abgestraft wird.
In Ermangelung von Regierungsposten und Parteiämtern, sitzt Spahn nun vorzugsweise in Talkshows und hetzt in klassischer AfD-Man darf-ja-nichts-mehr-sagen-Attitüde gegen Ausländer.
Damit schließt sich der Kreis; man wird wieder an seine ersten Ministertage erinnert, als er den katastrophalen Pflegekräftemangel durch gezielte Anwerbungen aus dem Ausland ausgleichen wollte und – wie bei allen seinen politischen Vorhaben – selbstverständlich auch ganzer Linie scheiterte.
(….) Vor vier Jahren versprach Jens Spahn 13.000 neue Pflegekräfte einzustellen. Er scheiterte auf ganzer Linie, weil er nicht verstand, daß der Pflegeberuf nicht attraktiv ist, wenn man alle Trümpfe den schwerreichen Krankenhausbetreibern zuschiebt, die Chefärzte und Pharma-Vertreter Porsche Targa fahren lässt und den Krankenschwestern Mehrarbeit und Lohnverzicht beschert.
(….) Und eins muss man sagen, Spahn schafft was weg (Merkel): Ein gutes Jahr nach seiner Ankündigung bundesweit 13.000 zusätzliche Pfleger einzustellen (gebraucht werden mindestens 50.000 Zusätzliche), hat er bundesweit schon fast 300 Neueinstellungen geschafft! Yippie, wenn das in dem Tempo weitergeht, sind die 13.000 Stellen in etwa 43 Jahren, also 2062 besetzt. Die 50.000 benötigten Kräfte wären dann im Jahr 2186 einsatzbereit. (….)
(Geld oder berufliches Ansehen, 31.08.2019)
Es ist wenig überraschend; die Pandemie und die damit verbundene extreme Zusatzbelastung macht den Job noch unattraktiver. An die Zehntausend Pflegekräfte kündigten inzwischen.
[….] Seit Beginn der Coronapandemie hat Deutschland offenbar tausende Pflegekräfte verloren. Der Rückgang betreffe Krankenhäuser ebenso wie die Altenpflege, berichteten die Zeitungen der Funke Mediengruppe heute unter Berufung auf bislang unveröffentlichte Zahlen der Bundesagentur für Arbeit (BA), die die Linken-Bundestagsfraktion anfragte. Demnach ging die Zahl der Beschäftigten in der Pflege zwischen Anfang April und Ende Juli 2020 um mehr als 9.000 zurück – dies entspreche einem Rückgang um 0,5 Prozent. Insgesamt waren demnach in Deutschland zuletzt rund 1,8 Millionen Menschen in der Pflege tätig. Vor der Pandemie seien die Beschäftigtenzahlen in der Pflegebranche dagegen leicht gestiegen. Besonders von dem jüngsten Rückgang betroffen war dem Bericht zufolge die Krankenpflege in den Kliniken. Das Minus bei den Beschäftigtenzahlen lag demnach in der ersten Hochphase der Coronakrise bei 5.124. In der Altenpflege sei die Zahl der Beschäftigten im Zeitraum von Anfang April bis Ende Juli um 3.885 zurückgegangen – in der Summe 9.009 Pflegekräfte weniger. [….]
(Ärzteblatt, 09.03.2021) (….)
(Krankenpflege kapitalistisch, 10.09.2021)
Spahns Nachfolger im Amt, Karl Lauterbach, wendet ein ganz neues Konzept an, das CDU-Gesundheitspolitikern unbekannt ist: Kompetenz.
Aber auch in Zusammenarbeit mit dem Kollegen Hubertus Heil, kann er kaum noch ändern, was Spahn in den Talkshows, gemeinsam mit den Parteichefs Merz und Söder anrichtet: Deutschland gilt insgesamt als so xenophob, ungastlich und garstig, daß kaum noch einer freiwillig hierherkommen will, um in der Pflege zu arbeiten.
[…..] Deutsche Manager und Minister reisen derzeit weit, um nach Fachkräften zu fahnden. Der Chef der Münchner Verkehrsgesellschaft hofft auf Busfahrer aus Afrika. Kliniken fahnden in Vietnam oder im Kosovo. Und Arbeitsminister Hubertus Heil, SPD, warb in Brasilien, Ghana und Indien um Fachkräfte für Germany.
Ihr Erfolg ist überschaubar. Nur ein Beispiel: Trotz aller Anstrengung konnte die Bundesagentur für Arbeit im vergangenen Jahr gerade einmal 656 Pflegekräfte aus dem Ausland vermitteln. Nötig wären Zehntausende. Und die Pflege ist nur eine Branche von vielen, die vergebens auf Experten aus der ganzen Welt hoffen. […..]
Daß fast niemand mehr herkommen will, liegt zum einen daran, daß man als Pfleger beispielsweise in den USA das Dreifache verdient, nur ein Drittel der Patienten versorgen muss und auch noch für seinen Arbeit geachtet wird.
Schlimmer ist aber, was ausländische Arbeitskräfte berichten, die schon einmal in Deutschland gearbeitet haben und das Fazit ziehen: BLOSS WEG HIER.
Misstrauen, Unfreundlichkeit, Hass und Missgunst sind insbesondere ein Problem in den ehemaligen DDR-Bundesländern.
Aber es ist schlimmer, denn auch in aufgeklärteren West-Bundesländern, wo man durchaus Arbeitsmigranten haben möchte, sind die Strukturen und Behörden so mies aufgestellt, daß sie die Arbeitswilligen gleich wieder vertreiben.
(….) Christiane Krämer, die Leiterin des Seniorenzentrums Martha-Maria in Stuttgart kriegt alle Krisen. Sie schämt sich öffentlich für ihr Land und ihre Stadt, weil alle zwei Wochen eine Fachkraft aufhöre zu arbeiten, nur weil die Ausländerbehörde nicht hinterherkommt, die richtigen Fiktionsbescheinigungen zu erteilen und somit den Aufenthaltsgenehmigung erlischt.
[…..] Im Seniorenzentrum Martha-Maria arbeiten 170 Pflegerinnen und Pfleger, rund 60 Prozent kommen aus Drittstaaten, aus Madagaskar, aus Syrien, aus Thailand. "Wir brauchen diese Leute dingend", sagt Krämer. Und am Ende sei es doch so: Wenn weniger Pflegekräfte arbeiten dürfen, müssen die verbliebenen mehr leisten. Das bedeutet: mehr Stress, mehr Krankheitsfälle, mehr Burn-outs. Die ganze Situation sei, vorsichtig formuliert, nicht gerade Werbung für den Standort Deutschland. Das werde sich herumsprechen. "Wir müssen um jede gute Fachkraft kämpfen, wir holen sie ins Land - und dann behandeln wir sie so." […..]
Die Stuttgarter Ausländerbehörde ist telefonisch und per Email nicht zu erreichen. In ihrer Not stellen sich ausgebildete Pfleger, die fest in einem Stuttgarter Pflegeheim angestellt sind, immer wieder im Morgengrauen mit einem Klappstuhl vor die Ausländerbehörde, warten viele Stunden, nur mit der vagen Hoffnung, überhaupt eine der begehrten Wartenummern zu ergattern.
[…..] [Der aus Madagaskar stammende, ausgebildete und fest angestellte Pfleger] Edmond weiß inzwischen ziemlich genau, wie es in der Schlange so läuft. Erst wartet man stundenlang, Profis erkennt man an den Klappstühlen. Wenn er es bis zum Türsteher schafft, weist ihn dieser mit dem freundlichen Hinweis ab, dass er für die Änderung des Arbeitgebers und seines Status einen Termin braucht. Nur: Wenn er in der Ausländerbehörde anruft, um einen Termin zu vereinbaren wie auf der Internetseite gefordert, hebt keiner ab. Wenn er eine E-Mail schreibt, bekommt er keine Antwort. "Was soll ich tun?", fragt er, und wie er so in der Schlange steht und von seinen Versuchen erzählt, mit den deutschen Behörden in Kontakt zu treten, die Tür zum Ausländeramt im Blick, muss man kurz an Kafkas Schloss denken. Das Ziel so nah, und doch unerreichbar.
Der Sprecher der Stadt schreibt: "Die Darstellungen treffen zu. Leider."
Edmond sagt, dass er gerne wüsste, wie sich die Stadt das vorstellt. Wie soll er ohne Gehalt seine Miete bezahlen, 1200 Euro für sich und seine Frau? Wovon sollen sie leben? […..]
Ich kann und will keine Erklärungen mehr dafür finden, weswegen in einem so reichen Land wie Deutschland und ausdrücklich in so einer besonders reichen Gegend, wie Stuttgart, diese extreme politische Unfähigkeit grassiert. (…)
Wenn man der AfD, der FDP, den FW, der CDU, SPRINGER, der BILD, der CSU zuhört, könnte man meinen, Deutschlands Hauptproblem wäre, viel zu viele Menschen, die nach Deutschland kommen wollen. Das stimmt nicht nur NICHT, sondern das diametrale Gegenteil ist der Fall: Die Mutter aller Probleme ist die Abwanderung aus Deutschland. Jedes Jahr gehen eine Million gut Qualifizierte: Migranten und Deutsche gleichermaßen, die nicht hier bleiben wollen, weil es zu scheiße ist.
Danke Merz, Söder und Spahn; Eurer rechtsradikales Gerede schadet der deutschen Wirtschaft massiv. 15% der in Deutschland sozialversicherungspflichtig Beschäftigten; die Lindners Kassen füllen und den Sozialstaat finanzieren, sind Ausländer. Ausländer, die dringend gebraucht werden und die immer intensiver darüber nachdenken, wieder weg zu gehen.
[…..] Weil das Warten auf ein Visum sie verschreckt.
Weil die Miete in deutschen Metropolen hoch und der Empfang durch die neuen Nachbarn kühl sein könnte.
Das ist es jedenfalls, was Rückkehrer erzählen, wenn sie in Spanien, Indien oder auf den Philippinen von ihrer Zeit in Deutschland berichten – was Deutschlands Ruf im Ausland formt. Und das Problem quasi verdoppelt. Schlimm genug, dass es vergleichsweise wenig Experten ins Land zieht. Schlimmer ist, dass jährlich mehr als eine Million Menschen es wieder verlassen.
Die Zahl belegt, dass Deutschland – und womöglich die Deutschen – nicht überall als offen und lebenswert empfunden werden. Vor allem aber sagt sie viel aus über die wirtschaftliche Zukunft.
Weil Deutschland altert, gehen dem Arbeitsmarkt bis zum Jahr 2035 an die sieben Millionen potenzielle Erwerbstätige verloren. Damit könnte der Wohlstand schrumpfen. Um das Land am Laufen zu halten und es zu verändern, um Windräder zu bauen und Wärmepumpen anzuschließen, um neue Medikamente zu entwickeln und Chipfabriken zu betreiben, um Kinder zu fördern und Senioren zu pflegen, braucht es: Menschen. […..] Ein Viertel der Befragten verließ Deutschland aus beruflichen Gründen wieder, weil etwa Berufsabschlüsse nicht anerkannt wurden. Ein weiteres Viertel aus aufenthaltsrechtlichen Gründen. Fast der Hälfte fiel es nach der Ankunft schwer, sich ohne Hilfe zurechtzufinden. Tatsächlich sind die bürokratischen Hemmnisse so hoch, dass selbst deutsche Heimkehrer sich schwertun, für ihre Kinder einen passenden Schulplatz zu organisieren. Besonders bedenklich: 51 Prozent der Befragten gaben an, wegen ihrer ethnischen Herkunft oder aus anderen Gründen diskriminiert worden zu sein – auch in Behörden oder im Arbeitsleben. Einzelne Zuwanderer berichteten, dass ihnen wegen ihrer Nationalität der Zutritt zu Bars verweigert wurde. »Solche Diskriminierungserfahrungen wurden insbesondere von Interviewten benannt, die in Ostdeutschland gelebt oder sich dort aufgehalten hatten«, heißt es in der Studie. Das arbeitgeberfinanzierte Institut der deutschen Wirtschaft (IW) erkennt inzwischen gar »Standortnachteile« für den Osten. […..]
Kaum zu glauben, Deutschland leidet unter einem massiven EMIGRATIONSPROBLEM, eine Million Menschen jährlich empfinden die Arbeits- und Lebensbedingungen als so feindlich, daß sie ihre Koffer packen und eine ganz große rechts-liberale-rechtsextreme-populistische Koalition überbietet sich mit Ideen, wie man noch schneller, noch mehr Menschen aus Deutschland vertreiben kann.
Dabei ist der Fachkräftemangel bereits jetzt die ganz große ökonomische Wachstumsbremse, die Deutschland international zurückwirft.
Eine Fachkraft, die in Deutschland gearbeitet hat, aber
aus Gram als Arbeitsmigrant in eine andere Nation wechselt, staunt im Rückblick,
nicht schlecht.
Zum Beispiel die Mexikanische Finanzexpertin Patricia Salinas, die nach unfreundlichen
vier Jahren in Hamburg nach Dubai weiterzog.
[…..] Eine Freundin ist ein Jahr vor mir nach Dubai gezogen. ›Nach einer Woche dort brauchst du meine Hilfe nicht mehr‹, hatte sie gesagt. Und das stimmt.
Ich kann selbst kaum glauben, wie einfach mir die Ankunft gemacht wurde. Visum, Einwohnerausweis, Bankkonto – in weniger als zwei Wochen sind alle Formalitäten erledigt. Für die Kontoeröffnung kam ein Bankmitarbeiter zu mir ins Büro, der Immobilienmakler hat mich für die Wohnungsbesichtigungen abgeholt und wieder zurückgefahren. Von der Post wurde ich freundlich gefragt, wann mir die Zustellung passen würde.
Jeder hier spricht Englisch. Wenn ich in Deutschland Probleme mit meinem Internetzugang hatte oder die Waschmaschine repariert werden musste, brauchte ich einen Dolmetscher. Mein Deutsch ist immer noch auf Anfängerniveau.
Drei Monate lang hatte ich versucht, einen Behördentermin zu bekommen, um eine Ausnahmeregelung für meine Blue Card zu beantragen. Mit ihr kann ich in der EU arbeiten. Ich hätte sie gern behalten. Der Plan war ursprünglich, dass ich in drei Jahren aus Dubai nach Hamburg zurückkehre.
Denn als ich persönlich im Amt erschien, um die Verlängerung zu beantragen und ich die Dame bat, langsam zu sprechen, schnauzte sie mich an: ›Wenn Sie in Deutschland leben, müssen Sie Deutsch sprechen.‹ Da fühlte ich mich sehr diskriminiert. Als Finanzchefin für Lateinamerika musste ich in Hamburg den ganzen Tag Spanisch, Portugiesisch und Englisch sprechen. Ich hatte keine Möglichkeit, mein Deutsch anzuwenden.
Die deutsche Blue Card wurde mir inzwischen ohne stichhaltige Argumente entzogen, aber ich will aus Dubai auch gar nicht mehr weg. […..]
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