Die Erde ist gewissermaßen das bescheidene Vorstadtmodell des Universums.
Am Rande der Galaxie, chillt sie als mittelgroße Kugel, in mittlerer Entfernung um die Sonne. Das tut sie seit 4,6 Milliarden Jahren; ist also ein echter Best-Ager. Die nächsten 500 Millionen Jahre wird ohnehin nichts passieren. Ab einem Alter von gut fünf Milliarden Jahren, wird es aber sukzessive wärmer, weil die Sonne peu à peu mehr Energie abgibt. Noch zwei, drei Milliarden Jahre, dann liegt die Oberflächentemperatur bei durchschnittlich +70 bis + 80°C. Die Ozeane sind vollständig verkocht. Wenn der dann natürlich nicht mehr „Blaue Planet“ nullt, also 10 Milliarden Jahre alt wird, beginnt auch langsam die große solare „Roter Riese“-Show, bei der schließlich die Erdmaterie im Alter von etwa 12 Milliarden Jahren von der Sonne verschluckt wird. Das Erd-Rentenalter, so ab ca 13,5 oder 14 Milliarden Jahre, kann man sich als ein gemütliches Chillen als planetarer Restnebel um einen Weißen Zwerg, vorstellen.
Die allerlängste Zeit bleibt die Erde völlig unbewohnt. Ob irgendetwas auf ihr herumkraucht, wird der Erde herzlich egal sein. Die Lebewesen, die überhaupt lange da sind, um bemerkt zu werden; Farne, Bakterien oder Eishaie zB; gliedern sich ganz freundlich in die gerade aktuelle Natur ein und stören nicht weiter.
Anders ist es allerdings bei einem lästigen Zweibeiner, der blitzartig plötzlich aufpoppte. Der Hominide, der nach etwa 4,598 Milliarden Erdjahren von den Bäumen kletterte und seither nur Ärger macht.
Insbesondere, wenn man bedenkt, was für ein winzig kurzer Wimpernschlag zwei Millionen Jahre Menschheitsgeschichte, verglichen mit den 14 Milliarden Erd-Lebenszeit sind.
Diese Mistkerle vermehren sich aber auch wie verrückt. In den letzten 300.000 Jahren rammelte Homo Demens ohne Unterlass.
Jetzt sind wir schon über acht Milliarden. 2016 beklagte ich mich noch über 7,5 Milliarden Individuen.
(….) Siebeneinhalb Milliarden Individuen sind einfach zu viel, wenn man so einen gewaltigen Ressourcen-Verschleiß aufzuweisen hat.
Wir roden die letzten Wälder, treiben den Meeresspiegel hoch, lassen die Gletscher schmelzen, verseuchen die Böden, trocknen Seen aus, verdrängen so effektiv andere Tierarten, daß täglich mehrere aussterben.
Wir erodieren, planieren und asphaltieren Gebirge, buddeln Kohle aus, pumpen Gas und Öl aus der Tiefe, generieren Ozonloch und CO2-Hüllen.
Homo Sapiens lebt auf Kosten der anderen Spezies.
Homo Sapiens vermehrt sich inzwischen nahezu ungehindert.
Pro Jahr werden es 83.686.000 Menschen mehr, das sind 229.277 Menschen pro Tag; 159 Menschen pro Minute und 2,7 Menschen pro Sekunde.
Ein paar von denen kann man aushalten, aber ein Zehntel würde locker ausreichen. 750 - 800 Millionen betrug die Gesamtweltbevölkerung Ende des 18. Jahrhunderts. Die Eine Milliarde-Menschen-Marke wurde 1804 geknackt. Reicht das nicht?
Schon damals konnten wir Ebenbilder Gottes bekanntlich Kriege, Genozide und Ausbeutung ganzer Kontinente vollbringen, weil es genug Soldatennachschub gab, weil die Frauen im Durchschnitt so viele Söhne hatten, daß sie es hinnahmen, daß ab und zu einer davon „auf dem Feld der Ehre“ zerhackt oder zerfetzt wurde.
Der enorme Bevölkerungsdruck, die Verzehnfachung der Menschen in 200 Jahren führte aber zu noch viel mehr Konflikten, Kampf um Ressourcen, Massenmigrationen, Fluchtwellen. In den Teilen der Welt, die ein sehr geringes Bevölkerungswachstum ausweisen, oder gar wie Deutschland, Japan, Südkorea und die baltischen Länder (Fertilitätsrate bis 1,3) schrumpfen, ist die Kriegsmüdigkeit hingegen recht ausgeprägt.
Verständlich, denn wenn man/frau bloß ein Kind hat, geht es ihm einerseits ökonomisch besser, so daß es weniger wahrscheinlich auf die Idee kommt Soldat zu werden und andererseits sind die Eltern auch protektiver, lassen ihre Kindern weniger gern in den Krieg ziehen. Länder mit den höchsten Fertilitätsraten – Gaza 4,9 Jemen 5,0 Ruanda 5,3 Kongo 5,8 Uganda 6,1 Somalia 6,3 Ost-Timor 6,3 Afghanistan 6,4 – sind offenbar auch besonders unfriedlich, weil die enorme Kinderzahl die Ressourcen erschöpft, Konkurrenz entsteht und Eltern auch eher mal den Tod eines ihrer Blagen verkraften.
Wir brauchen also weniger Menschen und daher weniger Nachwuchs.
Es ist wohl auch kein Zufall, daß die Länder mit der höchsten Bevölkerungsdichte auch die mit den geringsten Geburtenraten sind. (…..)
Ein Zehntel der Menschen von heute würde also ausreichen, um die Homo-Sapiens-Kulturvielfalt aufrecht zu erhalten.
Um Homo Sapiens einfach nur überleben zu lassen, sind aber offensichtlich nur extrem wenige Individuen notwendig.
Ein paar Tausend weltweit genügen. Erst mit der Sesshaftwerdung des Menschen vor etwa 11.000 Jahren begann sich die Zahl der Individuen kontinuierlich zu vermehren, weil man mit Landwirtschaft eine kontinuierliche Nahrungsquelle schuf und sich effektiv vor der Witterung schützen konnte.
Europa war während der längsten Zeit der Geschichte völlig menschenleer.
Obwohl es uns schon seit 298.000 v. Chr. gibt, hatten wir über Jahrhunderttausende nur Lust auf Afrika und Asien.
Erst vor etwa 45.000 Jahren latschten die ersten halbnackten Jäger mit ihren Keulen aus dem Osten entlang der Donau nach Deutschland, Frankreich und Spanien. Inzwischen ist die Zeit des Aurignaciens vor 42 000 bis 33 000 Jahren recht gut untersucht. Viel los war aber über Myriaden Jahre nicht.
Die meisten Mammuts, Bisons und Karnickel haben die aggressiven Zweibeiner gar nicht bemerkt.
[…..] […..] Aus sogenannten ethnografischen Analysen, also vor allem dem Vergleich mit heutigen Jäger-und-Sammler-Gesellschaften, ergibt sich eine durchschnittliche Gruppengröße von etwa 40 Personen. Daraus errechneten die Forscher um Schmidt die absolute Anzahl der Menschen. So ergab sich ein Wert von etwa 1500 Personen, mit einer Untergrenze von 800 und einer Obergrenze von 3300. Nicht eben viel für Mittel- und Westeuropa - so viele Menschen werden heute in sechs Minuten weltweit geboren.
Nur in fünf Regionen gab es überhaupt eine dauerhaft überlebensfähige Population von 150 Personen oder mehr: in Nordspanien, Südwestfrankreich, Belgien, in Teilen Tschechiens und im Tal der Urdonau in der Schwäbischen Alb. Im Südwesten Frankreichs mit seinen Karsthöhlen lebte dabei mit 440 Personen die größte Gruppe. Die Zentren lagen rund 400 Kilometer voneinander entfernt, dazwischen lagen große Landschaftsräume, die nur kurzfristig, saisonal oder gar nicht besiedelt waren. Das sei ein europaweit einheitliches Muster, so die Forscher. […..]
Klar, man wanderte herum, musste ja auch mal genetisch etwas durchlüften, indem man von Belgien nach Spanien lief, dort einer Menschenfrau mit der Keule auf den Kopf schlug und sie mit nach Hause schleifte.
War natürlich blöd für ihren Mann, der in Ermangelung von Parship und Tinder nicht leicht Ersatz fand, aber andererseits war sein inzestuöses Sperma ohnehin keine Dauerlösung.
[…..] In Europa nahm in der auf das Aurignacien folgenden Epoche des sogenannten Gravettien die Bevölkerungszahl auf rund 2500 Personen zu, die Zahl der überlebensfähigen Kernregionen stieg dabei von fünf auf neun. […..] "Erst gegen Ende des Gravettien vor rund 27 000 Jahren bricht dieses Netzwerk aufgrund von Klimaänderungen zusammen", sagt Schmidt. "Wir sehen ein regionales Aussterben von Populationen und den Beginn einer Neuorganisation." Die alten Strukturen brachen zusammen, und neue Netzwerke tauchten auf.
[…..] Manche Forscher glauben, dass die Menschheit vor rund 74 000 Jahren kurz vor der Auslöschung stand, als im nördlichen Bergland von Sumatra der Vulkan Toba ausbrach. Die vermutlich stärkste Eruption in den vergangenen zwei Millionen Jahren könnte zumindest auf der Nordhalbkugel die Erde drastisch abgekühlt haben. Populationsgenetiker liefern hier grobe Schätzungen von maximal 10 000 Menschen weltweit, vielleicht waren es sogar nur noch 2800 Individuen. […..]
Inzwischen kann ich die Zahlen noch mal updaten.
Genetik ist ein faszinierende Wissenschaft. Forscher um den Biologen Wangjie Hu von der Chinesischen Akademie der Wissenschaften beschrieben für einen Science-Artikel vom 31.08.2023 ihre Auswertung bestimmter Allele im Genom von 3154 heutigen Menschen, aus zehn afrikanischen und 40 nichtafrikanischen Populationen, bei einer angenommenen Generationsdauer von 24 Jahren. Daraus lässt sich zurückrechnen, wie viele fortpflanzungsfähige Menschen es vor wie vielen Generationen gegeben haben muss. Teilweise erstaunlich wenige!
[…..] Ihrer Analyse zufolge seien vor 930 000 Jahren wohl binnen kurzer Zeit knapp zwei Drittel der genetischen Vielfalt verloren gegangen, schreiben sie. Von zuvor weltweit geschätzt knapp 100 000 fortpflanzungsfähigen Urmenschen seien 98,7 Prozent gestorben. Danach hätten 117 000 Jahre lang im Schnitt nur noch 1280 fortpflanzungsfähige Individuen gelebt. Erst vor etwa 813 000 Jahren hätten sich die Bevölkerungszahlen dann wieder erholt - das aber dafür rasant. Die genannten Zahlen sind teils zu relativieren: Zum einen berechneten die Forscher nur die sogenannte effektive Populationsgröße. Die Zahl 1280 bezieht sich auf fortpflanzungsfähige Individuen und lässt sich schwer auf eine Gesamtbevölkerungszahl hochrechnen, die auch unter anderem Kinder, Alte und Partnerlose umfasst. Zum anderen ist unklar, ob vor dieser mutmaßlichen Katastrophe tatsächlich so viele Urmenschen lebten wie von den Autoren um Hu angenommen. Laut Forschern um den Genetiker Lynn B. Jorde von der University of Utah etwa hat es vor 1,2 Millionen Jahren weltweit wohl nur 18 500 fortpflanzungsfähige Urmenschen gegeben. Doch selbst wenn man von dieser geringeren Populationsgröße ausginge, ein Rückgang auf 1280 wäre immer noch katastrophal, er entspräche einem Einbruch um 93 Prozent. […]
(Jakob Wetzel, SZ, 01.09.2023)
Eine echte Tragik. Offenkundig hat wehrte sich der Planet in den letzten anderthalb Millionen Jahren gegen die Hominidenplage aus Homo erectus, Homo heidelbergensis und Homo antecessor und war mehrmals fast erfolgreich! Nur ganz wenige dieser zweibeinigen Erreger schafften es, sich irgendwo festzusetzen und wollten einfach nicht verschwinden. Verdammt; die paar Tausend hätte die Erde wirklich auch noch schaffen können und sich damit das bald folgende elende Anthropozän ersparen können.
Rätselhafterweise spricht SZ-Autor Wetzels mehrfach ausdrücklich von „Glück“. Der Mann ist offenkundig verwirrt.
[…..] Der Mensch ist ein Glückskind. Etwas mehr als acht Milliarden Vertreter dieser Spezies bevölkern zurzeit die Erde, und ihre Zahl steigt weiter. Doch es gab Momente, da hätte auch alles wieder vorbei sein können. […] Je kleiner eine Population, desto fragiler ist sie. Selbst Populationen mit 3000 bis 5000 fortpflanzungsfähigen Individuen laufen stets Gefahr, durch die Folgen von Inzucht, Probleme bei der Partnersuche oder auch einfach zufällige Schwankungen in der Geburten- und Sterberate zu verlöschen - das haben beispielsweise Studien zum Aussterben der Neandertaler in Europa ergeben. Falls Hu und seine Kollegen recht behalten sollten, dann hatten die Menschen nach der Katastrophe ziemlich viel Glück. [….]
(Jakob Wetzel, SZ, 01.09.2023)
Der Planet hatte verdammtes PECH. So viele Gelegenheiten, den Zweibeiner auszumerzen, bevor er ein ganzes planetares Ökosystem ruiniert und jeden Tag Dutzende andere Spezies ausrottet. 98.000 Jahre bevor Homo Demens seinen Gott erfand, war es fast aus mit ihm. Aber er musste sich ja erst zum Roten Riesen unter den Erdplagegeistern aufblasen: 8 Milliarden Individuen; viel zu viele Menschen.
Das wird für die meisten Tier- und Pflanzenarten tödlich enden.
Dem Planet Erde kann es natürlich egal sein. Für ihn sind ein paar Millionen Jahre nur ein Wimpernschlag. Dann ist diese zivilisatorische Pest mitsamt all ihrer Götter wieder verschwunden und vergessen.
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen