Samstag, 30. September 2023

Die Trollrealität

 Sahra Sarrazins Angriffe auf die Grünen - „Wirtschaftskrieg gegen unseren wichtigsten Energielieferanten Russland vom Zaun gebrochen“ – basiert zwar, ebenso wie die xenophobe Merz-Dental-Hetze, lediglich auf Lügen, fällt aber dennoch auf bemerkenswert fruchtbaren Boden, weil konservative Politiker, AfD, FW, Springer und das Heer der Internet-Verschwörungstheoretiker, große Teile des Wahlvolks in die faktenferne Fiktivwelt St. Blödistan gebombt haben.



Deutschland rutscht nicht in die Rezession und hat große Probleme mit der Umstellung auf erneuerbare Energien, weil der Wirtschaftsminister und Vizekanzler ein Grüner ist, sondern weil Habeck nun 16 Jahre konservative Fehlleistungen ausbaden muss.

Es waren CDU und CSU und FDP, die den unter der rotgrünen Schröder-Fischer-Regierung eingeschlagenen Weg zu Russland-unabhängiger sauberer Energie verließen, die Förderung für Windkraft und Solarenergie stoppten, den Leitungsausbau verhinderten und jede Nord/Süd-Stromtrasse blockierten.

Nun sitzen sie da, die Bayern, die in Form ihrer CSU-Ministerpräsidenten regelmäßig zum Putin-Arschküssen nach Moskau reisten, vollständig auf russisches Erdgas setzten.

In Norddeutschland wird mehr sauberer regenerativer Strom produziert, als man verbrauchen kann, aber er kommt nicht in Bayern an, weil genau die Parteien, die nun von zwei Dritteln der Bayern gewählt werden (CSU/AfD/FW), in der Energiepolitik alles falsch machen, das man nur falsch machen kann.

Dank der CSU/CDU-Blockade gibt es nun in Süddeutschland weder eigene Windräder, noch die Möglichkeit norddeutschen Windstrom in den Süden zu leiten.

Sahra Sarrazins und Söders Angriffe auf die Grünen verfangen deswegen bei den Wählern, weil die zu verblödet sind, um die Schuldigen an der Energiemisere richtig zuzuordnen.

Das sieht im Moment nicht schön aus für die Russland-Sanktionen, wenn man auf die generellen Wirtschaftsdaten guckt.

Bestätigt das nicht Sahra Sarrazins geätzte Aussage, die gegen Russland verhängten Sanktionen schadeten uns viel mehr als Russland?

1.)

[…..] Die deutsche Wirtschaft stagnierte im zweiten Quartal 2023, nach einem Rückgang des realen BIP um 0,1 Prozent im ersten Quartal. In beiden Quartalen war das Wachstum deutlich schwächer als zuvor erwartet. Die Reallohnverluste belasteten den privaten Konsum in der ersten Jahreshälfte 2023 weiter. Zusätzlich führte die schwache Dynamik der Auslandsnachfrage zu gedämpften Exporten. Der öffentliche Verbrauch ging im ersten Quartal zurück, was auf das schrittweise Auslaufen der COVID-19-bezogenen Ausgaben zurückzuführen ist. Im Gegensatz dazu stützte eine Erholung der Investitionen nach einem schwachen letzten Quartal 2022 das Wachstum.  Die Wirtschaft in Deutschland im Jahr 2023 nun voraussichtlich um 0,4 Prozent schrumpfen. Dies ist eine Abwärtskorrektur im Vergleich zu dem in der Frühjahrsprognose prognostizierten Wachstum von 0,2 Prozent. Ein schwaches Gesamtergebnis für den Konsum und ein Rückgang der Bauinvestitionen werden sich den Prognosen zufolge negativ auf das Wachstum auswirken, obwohl es durch einen Anstieg der Ausrüstungsinvestitionen unterstützt wird. Während die schwache Auslandsnachfrage die Exporte drückt, dürften die Nettoexporte aufgrund der sinkenden Importe positiv zum Wachstum beitragen.  [….]

(EU Kommission, 11.09.2023)

2.)

[….] Vor mehr als 18 Monaten hat der Ukraine-Krieg begonnen. Je länger der Krieg dauert, desto mehr werden auch die Sanktionen gegen Russland angezogen. Statt das flächenmäßig größte Land der Erde damit in die Knie zu zwingen, zeigt sich tatsächlich offenbar eine andere Wirkung: Die russische Wirtschaft hat sich auf die veränderten Rahmenbedingungen eingestellt und befindet sich sogar auf einem Wachstumspfad. Währenddessen ist in Deutschland die Konjunktur eingebrochen, das Land in eine Rezession gerutscht. [….] Die Entwicklung der Russischen Föderation bietet dahingehend eine Art Kontrastprogramm: Nach Einschätzung von Finanzminister Anton Siluanow wächst das Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2023 „deutlich stärker“ als zuletzt angenommen. In einem TV-Interview (via Interfax) in Russland habe der Ökonom erklärt: „Wir erwarten in diesem Jahr eine Erholung der Wirtschaft um 2,5 Prozent, vielleicht auch mehr.“   [….]

(FR, 31.08.2023)

Aber warum ist das so?

Das liegt beispielsweise daran, daß durch die katastrophale Politik der Merz-Söder-Parteien, die deutsche Energieversorgung Jahrzehnte zurückhängt und wir immer noch Putins Krieg direkt finanzieren, indem wir bei ihm einkaufen.

[…..] Europa ist der Kunde, den sich Putin wünscht

Im großen Stil importieren europäische Staaten Flüssigerdgas aus Russland, das unter anderem auch in Deutschland landet. […..] In Belgiens […..]  Zeebrügg e[…..] wird der Brennstoff gehandelt, gespeichert, verladen und weiter verschifft, und er fließt hinein in Europas Gasnetz, wo er am Ende in Heizkellern, Glasbrennereien und Kraftwerken verbrennt. Auch Deutschland bezieht Erdgas aus Belgien - also indirekt auch aus Russland. An wenigen Orten kann man den Widerspruch so gut erkennen, in dem sich Europa befindet: Eigentlich wollen die EU-Staaten Russland als Kriegstreiber schaden, beziehen aber wohlwollend teure LNG-Importe und nehmen hin, dass Russland auch mit diesem Geld seinen Krieg finanziert. […..] Heruntergekühlt auf bis zu minus 164 Grad Celsius gelangt das Flüssigerdgas über Orte wie Zeebrügge, Rotterdam oder Montoir-de-Bretagne in die EU. Während die Nord-Stream-Röhren gesprengt sind und auch durch die Sojus-Pipeline nichts mehr in Sachsen ankommt, strömt das Gas weiter durch die Ukraine und die Türkei in Länder wie Ungarn, die Slowakei und Österreich, wo man entweder nicht auf die Energie aus Sibirien verzichten will oder auf einen Mangel an Alternativen verweist. […..] Gut 50 Milliarden Euro haben europäische Firmen im ersten Kriegsjahr für Gasimporte nach Moskau überwiesen, etwa 20 Milliarden Euro werden es im zweiten sein, schätzen Experten der Brüsseler Denkfabrik Bruegel.  […..]

(SZ, 29.09.2023)

16 Jahre CDU im Kanzleramt bedeutete unter anderem auch, nur die Blöden und in Deutschland als völlig untauglich Erwiesenen, in die Top-Positionen nach Brüssel zu schicken: Oettinger und Von der Leyen.

Zukunftsnegierende CDU-Energie-Dinosaurier, die sich mit osteuropäischen faschistoiden Putin-Fans ins Bett legen. Die europafeindlichen Töne aus der CDUCSU-Bundestagsfraktion „Man spricht wieder deutsch in Brüssel“ und die katastrophale Austeritätspolitik des CDU-Finanzministers Schäuble haben die EU nachhaltig destabilisiert. Gemeinsames Vorgehen in Russland- und Migrationspolitik ist fast unmöglich.

Ganz anders als Brandt, Schmidt, Schröder und Fischer, spielten die intellektuell eher schlichten Kohl und Merkel international keine Rolle, wurden in den Hauptstädten der Welt nicht respektiert, brachten die Weltgemeinschaft in keiner Hinsicht voran. Undenkbar, daß die CDU-Ex-Kanzler als global geachtete Elder Statesmen internationale Impulse gäben, Lehrstühle und wichtige Positionen, wie das „interaction Council“ besetzten.

Prof. Spektor*, „einer der klügsten Köpfe Südamerikas“ klärt uns darüber auf, wie solidarisch der globale Süden nach 16 Jahren  Merkel noch mit deutschen Russland-Problemen umgeht.

[….] Die Länder hier tun auch gar nicht so, als wäre das anders. Sie sagen: So heuchlerisch wie der Westen ist, bleibt uns gar nichts anderes übrig, als selbst heuchlerisch zu sein. Ich teile diese Ansicht nicht. Doch nach dem Beginn des Ukrainekriegs gab es in Europa große Empörung darüber, dass sich der Globale Süden nicht eindeutig auf die Seite der »good guys« schlug. Das Argument des Südens lautet: Die Welt ist nicht nur schwarz oder weiß. Wir verstehen, dass Putin eine Osterweiterung der Nato fürchtet. Wir verstehen, dass er der Ukraine den Beitritt zur Europäischen Union verwehren will. All das ist unmoralisch, aber wir verstehen das. […..] Dass Scholz herkam und das brasilianische Volk über das Grauen dieses verbrecherischen Krieges belehrte, provozierte hier Fragen: Was ist eigentlich die deutsche Politik im Jemenkonflikt? Was im Syrienkonflikt? Diese Reaktion mag zynisch sein, aber sie steht für die Forderung: Erzählt uns nicht, dass erst dieser europäische Krieg die Grundfesten der internationalen Ordnung zerstört. […..] Und wenn Sie sich in Brasília umhören, wird man ihnen sagen, dass es keinen grundsätzlichen Unterschied zwischen Russlands Verhalten und der Invasion eines Landes ohne die Zustimmung der Vereinten Nationen gibt. […..] Ermitteln wir denn gegen George W. Bush? Wollen wir ihn nach Den Haag bringen? Wir sind nun einmal im Reich des Zynismus. Es gibt in der internationalen Politik keinen einheitlichen moralischen Standard.  […..] Schon der »Krieg gegen den Terror« hat die Schwellenländer gelehrt, dass man in dieser Frage dem Beispiel Nordkoreas folgen sollte. Der libysche Diktator Muammar al-Gaddafi beging so gesehen einen Fehler, als er 2003 sein Programm für Massenvernichtungswaffen aufgab. Wer das tut, wird bestraft. Wer wie Nordkorea daran festhält, wird belohnt und in Ruhe gelassen. Kann man es in einer Welt, in der selbst eine militärische Konfrontation zwischen den Großmächten denkbar wird, den Eliten in Südkorea verdenken, dass sie über den Bau eigener Atomwaffen nachdenken? […..]

(Spiegel-Interview, 26.08.2023)

Auf Deutschland und die EU kann man sich nicht verlassen. Das wissen Putin und die Welt.

Habecks Schuld ist das aber nicht.

*Der Politologe Matias Spektor, 46, ist in Argentinien geboren, hat in Brasília studiert, in Oxford promoviert und zuletzt an der US-Universität Princeton gelehrt. Er ist Gründer des Zentrums für Internationale Beziehungen an der Fundação Getúlio Vargas in São Paulo und forscht seit Jahren über das Verhältnis zwischen dem globalen Norden und Süden. Kürzlich hat er mit einem Aufsatz in der Zeitschrift »Foreign Affairs« Aufsehen erregt. Der Westen, schreibt er darin, verstehe nicht, warum sich die Länder des Südens nicht zwischen den großen Machtblöcken festlegen wollen.

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