Heute muss ich noch mal was über mein Auto sagen. Über 20 Jahre alt, Golf-Klasse, Verbrenner, schlecht eingestellt, verbraucht aberwitzig viel Benzin auf 100 km.
2012 dachte ich mal daran, ihn in Zahlung zu geben, weil ich annahm, für ein unter zehn Jahre altes scheckheftgepflegtes Garagenauto könnte mir der Händler noch ein schönes Sümmchen zahlen, wenn ich ein Nagelneues kaufe.
Erstaunlich; vor gerade mal elf Jahren, mitten in der schwarzgelben Chaos-Regierung Merkel/Westerwave, spielten andere Antriebstechniken noch gar keine Rolle. Man entschied sich zwischen Benziner und Diesel, konnte weiterhin zwischen Schaltgetriebe und Automatik wählen.
In der damaligen Welt waren Dieselfahrzeuge wegen des verbilligten Treibstoffs, aber höheren Anschaffungskosten, nur etwas für Vielfahrer – also irrelevant für mich. Automatik war nur für Geronten, Konservative und Spießer; ebenfalls irrelevant für meine Bedürfnisse.
2022, 19 Jahre alt |
Wichtig waren mir nur zwei Aspekte; a) bekomme ich für „den Alten“ noch einen Haufen Geld und b), gibt es ein neues Modell, das ich unbedingt haben will, so daß ich dafür tiefer in die Tasche greifen würde?
Die Antworten lauteten „nein und nein“. 600 Euro wurden mir für mein Auto angeboten, aber nur, wenn ich dort einen Neuwagen kaufte. Tatsächlich lieh ich auch zwei Autos für jeweils 48 Stunden aus. Das größere Modell hatte ein Doppelkupplungsgetriebe und war für meine Ansprüche bereits zu kompliziert.
2022, 19 Jahre alt |
Das kleinere Modell gefiel mir optisch besser, war mir aber zu klein.
Die Neupreise lagen 2012 zwischen 25.000 und 33.000 Euro. Man nenne mich geizig, aber selbst wenn ich so viel Geld bar auf dem Girokonto liegen gehabt hätte, wäre mir ein Auto, das ich doch nur zum Einkaufen brauche, nicht so eine Summe wert gewesen.
Mit der Entscheidung, das alte Auto einfach zu behalten, konnten alle ganz gut leben. Ich war noch so naiv zu glauben, der Vertragshändler wäre vielleicht enttäuscht, nun doch keine 30.000 Euro von mir zu bekommen. Aber inzwischen weiß ich, daß die mit dem Neuwagenverkauf in der Preisklasse ohnehin fast nichts verdienen und das Geld über Wartung, Ersatzteilhandel und Reparaturen reinkommt. Umso besser also, wenn ich eine alte Karre behielte. „Gute Entscheidung, dann fahren Sie Ihren Wagen doch zu Ende“ rief mir der Neuwagenberater zu und ward nie mehr gesehen.
Ältere und klapprigere Autos haben viele Vorteile. Man steigt von der teuren Vollkasko auf die billigere Teilkasko um; die Scheckheftpflege, die jedes Jahr ein vierstelliges Sümmchen kostete, kann man sich sparen; die Einbruchs- und Diebstahl-Gefahr sinkt rapide und nachdem erst mal ein paar Beulen und Kratzer das Chassis zieren, muss man sich auch nicht mehr um weitere Bumserchen sorgen. Das Auto ist ohnehin wertlos.
2022, 19 Jahre alt |
Die Welt hat sich politisch allerdings erneut geändert.
Putin vergewaltigt die Ukraine mit den entsprechenden Konsequenzen für die Benzinpreise. Der Klimaschutz pressiert viel mehr, wir müssen alte Verbrenner-Gewohnheiten ablegen. Hinzu kommen nun technische Alternativen für den PKW-Antrieb: Ein Wasserstoff-Auto kommt natürlich nicht in Frage, aber es gibt Hybrid- und Elektroantriebe. Schließlich gibt es durchaus politischen Druck, vom privaten Verbrenner-Auto abzulassen, um auf Fahrrad und ÖPNV umzusteigen.
Ich möchte mich auch gern klimaneutral bewegen und fühle mich latent stigmatisiert, mit einem Benzin-getriebenen Fahrzeug unterwegs zu sein.
2022, 19 Jahre alt |
Das muss ich aber nicht sein, da mein Carbon-Fingerprint in Relation zu anderen Deutschen minimal ist: Ich verreise nie, ich esse kein Fleisch, ich heize nicht und, der größte Faktor: Ich habe weder Haustiere, noch Kinder. Ein mittelgroßer Hund sorgt für so viel CO2-Ausstoß im Jahr wie ein VW Golf; Kinder sind noch viel schlimmer.
Ja, mein Auto verbraucht mit 12 Litern sehr viel Benzin pro 100 km. Aber das ist eine Quotient-Angabe. Bei einer Fahrleistung von rund 1.000 km im Jahr fällt das kaum ins Gewicht.
Es wäre geradezu klimatisch kontraproduktiv, mein Verbrenner-Auto abzuschaffen, da es fast immer klimaneutral in der Garage steht. Wer auch immer der nächste Besitzer wäre, würde viel mehr fahren. Womöglich würde das Auto sogar als Taxi nach Afrika verschifft und dann rund um die Uhr bei 12l/100km fahren. Die absolute Klimapest.
Um das zu verhindern, müsste ich ihn verschrotten lassen. Aber das wäre klimatisch betrachtet, ebenfalls Irrsinn, weil damit 2 Tonnen Elektro-, Kunststoff- und Metall-Schrott anfielen. Der Energieverbrauch, um ein neues Elektroauto herzustellen; wieder zwei Tonnen Blech, Gummi und Elektronik – plus seltene Erden; überstiege bei Weitem den Carbon-Footprint meines gegenwärtigen Fahrverhaltens.
Meinen viel Benzin saufenden Verbrenner gegen ein Elektroauto zu tauschen, wäre also nicht nur aberwitzig teuer, sondern auch klimaschädlich.
2022, 19 Jahre alt |
Man kann also offenbar nicht grundsätzlich eine Technik fördern und eine andere verdammen, ohne die individuellen Umstände zu betrachten.
Fahrverbote und Kaufprämien halte ich daher alle für untaugliche Maßnahmen. 65 Milliarden Euro Subventionen gibt Porsche-Mann Lindner jedes Jahr für die Förderung des Verbrauchs fossiler Energieträger aus. Zum Beispiel in Form des berüchtigten Dienstwagenprivilegs und der Kilometerpauschale.
Das muss alles wegfallen. Stattdessen sollten die 65 Milliarden Euro in kostenlosen ÖPNV und Bahnausbau gesteckt werden.
Die Lenkungswirkung auf das bundesdeutsche Individualfahrverhalten sollte ausschließlich über den Benzinpreis erfolgen. Alle KfZ-Steuern und Kaufprämien streichen, dafür muss der Liter Benzin 10 Euro kosten und der ÖPNV kostenlos sein.
Extremwenig-Fahrer können dann ihren alten Benziner behalten.
Die gegenwärtige Anti-Autopolitik der Grünen in Hamburg – durchexerziert vom fanatischen Rad-Senator Tjarks - setzt hingegen auf eine Fülle von Maßnahmen, die pauschal Autofahren lästig machen soll – egal ob es sich um Verbrenner-Vielfahrer, Verbrenner-Fastgarnicht-Fahrer (wie mich), oder E-Auto-Fahrer handelt.
Wegfall von Fahrspuren, Tempo 30-Zonen, Anwohnerparken, horrende Parkgebühren, Baustellenchaos und Parkplatzvernichtung; das Tjarsksche Kaleidoskop der AfD-Förderung, ist weder konsequent, noch effektiv oder sozial.
[…..] Trotz aller Bemühungen um eine Verkehrswende gibt es in Deutschland
immer mehr Autos. Den Rekordwert von 583 Pkw je 1000 Einwohner zählte das
Statistische Bundesamt im Jahr 2022. In den vergangenen zehn Jahren sei die
Pkw-Dichte durchgehend gestiegen, teilte die Wiesbadener Behörde am Dienstag
mit – einzige Ausnahme: Berlin. Wurden in der Bundeshauptstadt 2012 noch 342
Autos je 1000 Einwohner gezählt, waren es im vergangenen Jahr 338. In Hamburg
dagegen stieg die Zahl von 2012 von 426 um 13 Pkw je 1000 Einwohner.
Zum Stichtag 1. Januar 2023 waren hierzulande nach Zahlen des Kraftfahrt-Bundesamtes 48,8 Millionen Personenkraftwagen zugelassen und damit so viele wie nie zuvor. Mehr als drei Viertel (78 Prozent) der Privathaushalte besaßen den Berechnungen zufolge im vergangenen Jahr mindestens ein Auto. Der Trend geht zum Zweit- oder Drittwagen: Der Anteil der Haushalte mit zwei Pkw erhöhte sich in dem Zehn-Jahres-Zeitraum von 24,5 auf 27 Prozent, der Anteil der Haushalte mit drei und mehr Pkw stieg von 4,1 auf 6,2 Prozent. [….]
(MoPo, dpa, 05.09.2023)
Angesichts dieser Zahlen, müßte ein Grüner, der sich wie Verkehrssenator
Anjes Tjarks, so extrem der Verdrängung der Autofahrer zu Gunsten des Fahrrades
verschieben hat, Asche auf sein Haupt streuen und zurücktreten.
PS: 19 Jahre lang habe ich nie ein Fotos meines Autos gemacht. Dann habe ich ihn, das erste und bisher einzige mal, polieren lassen. Üblicherweise kommt er nur alle zwei Jahre einmal in die Waschanlage.
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