Wie lange wird Deutschland schon von Kabarettisten als
PISA-Krüppel ausgelacht?
Fast zwanzig Jahre liegt der Pisa-Schock zurück. Seither wird
analysiert was an Deutschlands Schulen schief geht.
70.000 Jugendliche verlassen jedes Jahr ohne Abschluss die
Schule, es gibt fast 10% funktionale Analphabeten, unsere Universitäten sind
international völlig abgehängt, 50.000 Lehrer-Stellen sind nicht besetzt und
zudem sinkt das Niveau der Abschlüsse so stark, daß viele Chefs sich gezwungen
sehen ein Abitur statt Realschulabschluss zu verlangen, weil ihr Azubis sonst
nicht rechnen können.
Es ist ein Elend. Ein deutsches Elend. Ein Merkel-Elend.
Denn nach wie vor scheint niemand in der CDU dem Thema Priorität einzuräumen. Merkel
setzt Bildungsminister völlig ohne Kompetenzen ein. Die aktuelle
Bundesbildungsministerin war so ahnungslos, daß sie erst einmal ein Jahr
abtauchte, um sich in das Thema einzuarbeiten. Mittlerweile ist sie in Vergessenheit
geraten.
50.000 qualifizierte Lehrer stehen ja nicht auf der Straße,
deswegen könne man nicht einfach genügend von ihnen einstellen, hieß es vor 20
Jahren. Die müssten erst mal ausgebildet werden.
Aber wir haben 2019. Wie lange dauert so ein Lehramtsstudium?
Länger als von 2000 bis 2019?
Es tut sich nichts. Das Studium ist offenbar immer noch eine
Katastrophe. Erst nach den akademischen Abschlüssen kommt das Referendariat.
Ein Wahnsinn; das sollte doch besser zu Beginn oder besser
schon vor dem Studium getestet werden, ob sich jemand praktisch dafür eignet
vor Schülern zu stehen, genügend Respekt und Vertrauen auszuströmen.
Unzählige Analysen und Reportagen haben sich mit den
PISA-Siegern beschäftigt. Was läuft da besser? Das Skandinavische
offensichtlich weit überlegene System kann Deutschland nicht übernehmen, da es
weitgehend aus Gesamtschulen besteht, die in Deutschland wegen der völligen
ideologischen Verbohrtheit nicht gewollt werden. Wir leisten uns weiterhin ein Dreiklassen-Schulsystem
in dem Kinder schon mit acht oder neun oder zehn Jahren eingeteilt werden in „wird
nie was“ und „gibt noch Hoffnung“.
Abgesehen von dem maroden System mangelt es an guten
Lehrern, weil der Lehrerberuf nicht mehr attraktiv ist.
Wer sollte das auch noch machen wollen, in einem System, das
nur die Gymnasiallehrer gut bezahlt und je jünger die Kinder sind und je
prekärer die Verhältnisse, auch die Lehrer umso schlechter bezahlt. Dabei wird
umgekehrt ein Schuh draus: Gerade in Brennpunkt-Kitas und Hauptschulen müssen
die allerbesten Pädagogen sitzen.
Auch das ist lange bekannt und kann aus ideologischer
Verbohrtheit nicht geändert werden.
(….) Es dürfte sogar noch viel
schlimmer werden, wenn die asozialen und desintegrierten gegenwärtigen Klein-Bälger
erwachsen werden.
Lehrer berichten von unfassbaren
Zuständen an den Schulen.
„Pinsel und Malutensilien werden verteilt – und die Klopperei beginnt!
Es wird laut, Kinder müssen ihrem Nachbarn ins Gesicht schreien, dass sein Bild
doof (das Wort war ein anderes) ist.“
„Einige werden maulig, geben unpassende Kommentare ab und antworten auf
Fragen von Frau G. mit Fäkalsprache.“
„Wir malen noch einmal auf dem Fußboden der Sammlung – eigentlich eine
tolle Erfahrung für Kinder. Freud- und anstrengungslose Versuche vieler Kinder,
Striche aufs Papier zu bringen.“
„Endlich stehen alle, da trampeln Kinder mit dreckigen Schuhen über die
Bilder! Absichtlich! Am nächsten Tag wird mir ein Kind erklären, dass ihm
langweilig war – und dass es dann ja wohl klar ist, dass es das tun kann.“ „Ältere Herrschaften steigen über
Butterbrotpapiere, Rucksäcke und Kinder. Den Kindern kommt das nicht einmal
komisch vor. Als ich sie auffordere, Platz zu machen, schauen sie mich
verständnislos an – und essen in Ruhe weiter!“
„Die Mitschüler werden angeschrien, geboxt, getreten und Rucksäcke
umhergeschleudert. Ein älterer Herr bekommt auch einen ab. Eine Entschuldigung
ist nicht zu erwarten.“
„Kinder lassen die Hälfte ihrer Sachen liegen in der Erwartung, dass es
ihnen schon jemand hinterhertragen wird.“
„Es ist für die Kinder nicht einsehbar, dass wir in dem wuseligen
Hauptbahnhof dicht zusammenbleiben müssen. Ich komme mir vor wie ein
Schweinetreiber.“
„In der Bahn plötzlich vertraute Geräusche. Rülpsen! Kein Versehen,
sondern volle Absicht. Wer kann es am lautesten? Sie denken: Die redet sicher
von meinem Nachbarn? Falsch: Gehen Sie davon aus, dass ich auch von Ihrem Kind
spreche – es gibt nur sehr wenige Ausnahmen!“
[…] „Kinder
kommen bereits um 8 Uhr früh gut gefüllt mit einer Stunde Super RTL,
gewalttätigen und blutrünstigen Gameboy-Spielen und einem beachtlichen
Blutzuckerspiegel in die Schule.“
„Sie springen mit erhobenen Fäusten wie Ninjakämpfer in die Klasse,
semmeln erstmal drei Mitschüler über den Haufen und merken es nicht einmal.“
Und wenn man Philipp Möllers brillantes und lehrreiches Buch „Isch geh
Schulhof“ gelesen hat, möchte man sich bei dem Gedanken an
die Zukunft gleich erschießen.
Dabei ist das Unfassbare, daß wir
sehenden Auges in die Katastrohe schlittern. Wir wissen wie man es besser
machen kann; Möller hat das in seinem Buch alles dargelegt. Wir wissen auch aus
den PISA-Spitzenländern, warum ihre Schulen so viel besser als die Deutschen
sind. Aber Kleinstaaterei, Phlegma und Ideologie verhindert, daß Deutschland
endlich was ändert.
Dabei wäre es viel zu simpel „der
Politik“ dafür die Schuld in die Schuhe zu schieben.
Denn der Stillstand ist vom Volk
gewollt. (….)
Schlecht ausgestattete Schulen und mies bezahlten Quereinsteiger-Lehrer
ohne Festanstellung sind das Eine.
Es werden aber auch bei leidlich besserer Bezahlung kaum
genügend hochqualifizierte Grund- und Hauptschullehrer oder Kindergärtner zu
finden sein, so lange diese Berufe einen so niedrigen sozialen Status haben.
Wer will in dem Wissen auf Lehramt studieren, später einmal
dafür bedauert zu werden nur Lehrer,
oder gar nur Grundschullehrer zu
sein?
Das ist der Schlüssel des Erfolges in Finnland und Norwegen.
Dort haben Kinderbetreuer ein sehr hohes soziales Ansehen. Das sind
respektierte Berufe, die bewundert werden.
Etwas ganz Ähnliches hörte ich kürzlich von der
weißrussischen Pflegerin Natasja.
(….) Zum Abschied des alten Herren habe ich mich
noch einmal länger mit der sibirischen Pflegerin des ambulanten Dienstes
unterhalten.
Natasja hat Nerven aus Stahl, ist
immer geduldig und freundlich.
Sie arbeitet bei der
evangelischen Kirche; in dem Fall der Diakonie.
Den Job macht sie seit 1995, ist
ausgebildete Krankenschwester und Altenpflegerin. Pro Tag hat sie 20 Patienten,
für die sie jeden Tag – egal ob Sonntag oder Feiertag – kreuz und quer durch
den alptraumhaften Hamburger Innenstadtverkehr rasen muss.
Einige Patienten sind
schwerstpflegebedürftig, müssen im Bett gewaschen und mit Spritzen versorgt
werden. Der Herr nach uns auf ihrer Tour ist ein ehemaliger Seniorpartner einer
Rechtsanwaltskanzlei. Steinreich, lebt in einer großen Villa, sagt weder Bitte,
noch Danke, begrüßt sie nicht. Sie muss ihm die Beine bandagieren und
Thrombosespritzen geben.
Sofort beginnen kann sie aber
nicht, weil er sie gern anherrscht „Du siehst doch, daß ich gerade ein Glas
Rotwein trinke, in 15 Minuten habe ich Zeit!“
1.400,- bringt Natasja im Monat
nach Hause.
Ihr weißrussischer Mann ist
Kindergärtner in Norderstedt (nördlich von Hamburg) in einer Einrichtung für verhaltensauffällige
Kinder. 15 von ihnen betreut er tagsüber allein und verdient ungefähr das
Gleiche wie seine Frau im Monat.
Familienleben gibt es aufgrund
des Schichtdienstes wenig, die beiden Kinder sind 9 und 11 Jahre alt. Es
erfordert viel Koordination und Planung bei zwei berufstätigen Eltern die
Kinder aufzuziehen.
Die Vier wohnen in Reinbek,
östlich von Hamburg. Natürlich nicht in Hamburg, weil es mit normalen Gehältern
unmöglich ist zentral eine Wohnung für vier Personen zu finanzieren.
Abends sitzen sie zusammen und
studieren Sonderangebote, fahren gezielt Discounter ab, um immer das Billigste
zu erwischen. (…..)
Mehr Geld wäre natürlich schön, aber vor allem wünscht sie
sich besser behandelt zu werden und für ihren Beruf respektiert zu werden.
Kein Wunder, daß es Millionär Jens Spahn nicht schafft mehr
Pflegepersonal zu rekrutieren.
(Jens Spahn, Mathe-Genie) |
Und eins muss man sagen, Spahn schafft was weg (Merkel): Ein gutes Jahr nach
seiner Ankündigung bundesweit 13.000 zusätzliche Pfleger einzustellen
(gebraucht werden mindestens 50.000 Zusätzliche), hat er bundesweit schon fast 300 Neueinstellungen geschafft!
Yippie, wenn das in dem Tempo weitergeht, sind die 13.000 Stellen in etwa 43
Jahren, also 2062 besetzt. Die 50.000 benötigten Kräfte wären dann im Jahr 2186
einsatzbereit.
Kluge Unternehmer und insbesondere Familienunternehmer, die
ihren Betrieb noch Generationen fortführen möchten, wissen, daß ihre
wertvollste Ressource nicht Fabrikhallen, Kundendateien, Patente, Ratings oder
Kapitalreserven sind, sondern ihre Mitarbeiter. Erfolgreiche Chefs setzen sich
immer und in erster Linie für ihre Mitarbeiter ein. Es genügt nicht diese Mitarbeiter
zu „haben“, sondern sie müssen zufrieden sein. Sie müssen
motiviert sein, sollten möglichst gern arbeiten und sich mit ihrer Firma identifizieren.
Beraterarmeen, Controlling, Rationalisierungen, Shareholder
Value-Denken führen aber dazu, daß sich immer mehr Angestellte in „innerer
Emigration“ befinden, nur das Nötigste tun.
Unzufriedene Angestellte führen zu Fehlern führen zu
schlechter Stimmung führen zu unzufriedenen Kunden.
Viele Manager wären froh vor der Wahl zu stehen ihre
Mitarbeiter gut oder schlecht zu behandeln.
Sie haben viel zu wenig Personal, müssen daher die
Produktion drosseln. Aufträge ablehnen oder gar Niederlassungen schließen.
Als Sozialdemokrat verstehe ich die Kurzsichtigkeit solcher
Unternehmer nicht.
Wie ist es möglich, daß bei der allgemein bekannten
Personalnot über die Hälfte der deutschen Krankhäuser überhaupt keine
Menschen ausbilden?
Wie kann man so borniert sein sich Geld und Mühe und Zeit für
die Ausbildung von Pflegern und Ärzten zu sparen und sich anschließend wundern,
wenn keine frisch ausgebildeten Kräfte an der Tür klopfen, die für einen
arbeiten wollen?
Der geringe soziale Status von KITA-Betreuern, Hauptschullehrern oder Altenpflegern trifft auch auf andere Branchen zu.
Der geringe soziale Status von KITA-Betreuern, Hauptschullehrern oder Altenpflegern trifft auch auf andere Branchen zu.
In Hamburg schließen Geschäfte, weil es ihnen unmöglich ist
genügend Verkäufer zu finden. Offenbar möchte niemand mehr Verkäufer werden,
weil es anstrengend ist, mies bezahlt wird und auch noch ein schlechtes Image
hat.
Allein im Hamburger Einzelhandel sind im Jahr 2019 den
Arbeitsagenturen 2.500 Verkäuferstellen gemeldet worden. Über die Hälfte konnte
nicht besetzt werden.
[….] Kerstin Horbach hat alles getan, was man tun kann, wenn man als
Geschäftsinhaberin auf der Suche nach Verstärkung beim Verkaufspersonal ist:
Plakate im Schaufenster, Stellenausschreibungen über die Arbeitsagentur und
Jobportale im Internet, Hilferufe in den sozialen Medien. „Es hat alles nichts
gebracht“, sagt die 41-Jährigen, die vor knapp zehn Jahren ihren ersten Laden
in Hamburg eröffnete. In dem Geschäft namens Elbprinz und Alstergöre an der
Großen Brunnenstraße in Ottensen verkauft sie seitdem schicke Kleidung für
kleine Kinder. Vier Jahre später kam das zweite gleichnamige Geschäft dazu. [….]
„Es läuft ganz gut“, sagt sie. Trotzdem
hat sie einen weitreichenden Entschluss gefasst: Der zweite Laden wird wieder
geschlossen. „Der einzige Grund ist, dass ich einfach nicht genug geeignetes Personal
finde.“ [….]
Das lehrt uns wie die Beispiele Schule, Handwerk und Pflege,
wie grundsätzlich unsere Gesellschaft in Schieflage geraten ist, wenn dringend
benötigte Berufe nicht mehr ausgeübt werden wollen.
Derzeit sind die Hamburger Zeitungen voller Klagen über das Baustellenchaos. Besonders
schlimm trifft es gerade meinen Stadtteil. Die CDU versucht sich krampfhaft
gegen den rotgrünen Senats damit zu profilieren, fordert Mehrschichtenbetrieb,
Wochenend- und Nachtarbeit.
Sehr witzig, antworten die Bauunternehmer. Das würden sie
gern tun, wenn sie dafür genügend Bauarbeiter hätten. Schon jetzt müssen sie
laufend Aufträge ablehnen.
Deutschland braucht also selbstverständlich:
1.) Mehr Zuwanderung
1.) Mehr Zuwanderung
2.) Verantwortungsvolleres Management
3.) deutliche höhere Löhne
4.) ein gesamtgesellschaftliches Umdenken, damit solche Berufe höher geachtet werden.
4.) ein gesamtgesellschaftliches Umdenken, damit solche Berufe höher geachtet werden.
Klar ist, mit der Wahl von CDU, CSU, FDP oder AfD wird das
nie klappen.
Und bitte alles in mutigen Schritten.
Ein paar Euro mehr, damit man nach 40 Berufsjahren mit 900
Euro Altersrente da sitzt, reichen nicht.
[…..] Geschäftsaufgabe
nicht wegen Kunden-, sondern wegen Personalmangels – das ist in Hamburg keine Ausnahme
mehr. „Es sind vor allem kleinere Geschäfte, die aus diesem Grund für ein oder
zwei Tage in der Woche schließen. Oder komplett aufgeben“, sagt Brigitte Nolte,
Geschäftsführerin des Handelsverbands Nord in Hamburg. […..] Es gibt
kaum Aussicht, dass der Verkäufermangel bald beendet sein wird. Denn auch viele
Ausbildungsplätze bleiben unbesetzt. Nach Angaben des Handelsverbands
Deutschland waren zu Beginn des Ausbildungsjahres Anfang August von den
bundesweit 35.000 Lehrstellen für Einzelhandelskaufleute 16.000 noch zu
vergeben. Von den 21.000 Verkäuferlehrstellen waren es mit 11.500 sogar mehr
als die Hälfte. […..] im Juli seien die Gehälter um drei Prozent
gestiegen – obwohl der Einzelhandel nur zwei Prozent Umsatzwachstum erwarte.
Zudem werde im Wettbewerb um Mitarbeiter teils mehr als der Tariflohn gezahlt.
Heike Lattekamp, die bei der Dienstleistungsgewerkschaft Ver.di in
Hamburg für den Einzelhandel zuständige Fachbereichsleiterin, verweist dagegen
auf die Arbeitsbedingungen der gut 70.000 festangestellten Verkäuferinnen und
Verkäufer in der Stadt. […..] Und in der Lohntabelle des Tarifvertrags sei
bei 2656 Euro brutto im Monat Schluss – für eine Vollzeitstelle mit 37,5
Stunden pro Woche. Von den Arbeitgebern angeboten würden aber häufig
Teilzeitstellen, etwa für 30 Wochenstunden. „Wenn man dann noch eine ungünstige
Steuerklasse hat, bleibt nicht viel übrig“, sagt Lattekamp. […..] Lattekamp
sieht aber selbst Vollzeit-Verkäufer auf dem Weg in die Altersarmut: „Wer 40
Jahre lang gearbeitet hat, bekommt gerade mal um die 900 Euro Monatsrente. […..] (Abendblatt,
31.08.2019)
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